Montag, der 11.6. Ich habe am Sonntag noch einmal erneut festgestellt, dass die genau richtige Arbeit mindestens so entspannend wie alles Freizeitmäßige ist, also für mich jedenfalls. Die genau richtige Arbeit, die sich nicht nach Druck und Termin anfühlt, zu der man eine gewisse Neigung hat und für die man im exakt richtigen Umfang etwas Mühe und ruhige Zeit aufwenden muss. Sie ist allerdings verdammt schwer zu finden und nur selten im rechten Moment zur Hand. Das habe ich nicht so gut hinbekommen, wenn ich an mein Berufsleben denke. Aber so besinnlich ein wenig an einem Werk herumklicken oder tippen – schon schön jedenfalls, wenn es der Stimmung dienlich ist. Ich stelle mir vor, dass andere das dauerhaft und oft so erleben, das muss ausgesprochen nett sein, ich bin da womöglich etwas neidisch. Bilder von japanischen Schriftkünstlern im Kopf, die aufreizend langsam einen Pinsel bewegen, dabei in sich ruhend und zufrieden aussehen – so etwas. Nach ein paar Tagen wäre es mir allerdings wieder nicht aufregend genug, stelle ich mir vor. Irgendwas ist eben immer.
Die Woche beginnt mit einem Hautarzttermin am Morgen. Dies ist also wieder ein betont influencender Hinweis auf die üblichen Vorsorgetermine, fühlen Sie sich angesprochen und nachdrücklich geschubst. In den Niederlanden, haben Sie die Meldungen auch gelesen, stellen Sie jetzt Sonnencremespender auf, für die kostenlose Versorgung mit dem Zeug etwa in Parks und Grundschulen. Ein dezentes Nebenbeizeitzeichen, eine Mahnung auch. Sie werden es dort sicher gründlich durchgerechnet haben, das nämlich ist der gruselige Aspekt dieser Nachricht. Die Hautärztin stellt erfreut fest, dass ich kein Sonnenanbeter bin und wir würdigen gemeinsam die Vorteile der klassischen Herrenmode: Man trägt lang. „Das sollten Sie mal missionieren“, sagt sie, aber was soll man noch alles machen. Ein knapper Absatz muss in diesem Sinne erst einmal reichen.
Beim morgendlichen Brötchenholen an einem Kiosk in Hammerbrook fällt mir etwas auf, das sich längst eingeschlichen hat, aber hier noch einmal festgestellt werden soll. Der Verkäufer fragt mich nämlich: „Was kann ich für dich tun, mein Lieber?“ Und dieses angehängte „Mein Lieber“, das eine lustige Entsprechung zu derartigen Anredeformen in Nordengland und Schottland ist, wo ich sie auch vor langer Zeit zum ersten Mal überhaupt wahrgenommen habe, dieses „Mein Lieber“ es wäre noch vor ein paar Jahren vollkommen undenkbar gewesen. Einen wildfremden Kunden und dann noch von Mann zu Mann mit „Mein Lieber“ anreden, was für ein überaus grotesker Gedanke. Es hat sich mittlerweile hier normalisiert, es ist gekommen, um zu bleiben, und ich finde es ausgesprochen nett. Es hat etwas Entspanntes, Deeskaliertes, Verbindliches, es gefällt mir. „Hier, dein Franzbrötchen, mein Lieber.“
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Ich habe ansonsten noch angefangen, die Filmchen von dieser Konferenz in Berlin da anzusehen, auch wenn mich von den Titeln her nicht so viele ansprechen, was sicher nur an mir liegt. Tante über AI habe ich aber doch interessant gefunden. Er spricht da auch über T.I.N.A. („there is no alternative“ als Mittel der Rhetorik und PR) – das ruhig auch mal im eigenen beruflichen Kontext beobachten. Es ist eine in Konzernen und größeren Firmen ungemein beliebte Strategie der Argumentation.
Bemerkenswert ist aber sicher auch seine Spitze gegen Sascha Lobo, was für eine Verschiebung in der Wertung, in der Szene.
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