Der Mensch als Kümmerer

Montag, der 3. Juli. Die schlechte Nachricht ist, dass ein Sohn sich am Wochenende einen Zeh eventuell gebrochen hat, prächtig lilafarbene Gliedmaßen, die gute Nachricht ist, dass er mittlerweile alleine zum Orthopäden kann, auch humpelnd. Es ist schon nett, wenn sie älter werden, doch, doch.

Aber, versteht sich, bei Bedarf wäre ich auch mitgegangen. Ohnehin verbringt der Durchschnittsmensch quer durch alle Länder und Kulturen, so lese ich gerade, die meiste Zeit damit, sich um sich und andere zu kümmern. Der Mensch als Kümmerer, homo curans. Keine Ahnung, ob mein Latein noch so weit reicht, ich denke mir das nur aus und ich habe auch damals im Unterricht mehr geraten als gewusst. Es hat immerhin zum Durchkommen gereicht.

Ich kümmere mich heute durch Einkaufen, Kochen, Küchenreinigung, durch das Aufhängen der Wäsche, durch die Taschengeldverwaltung, durch Schokoladenzuteilung, Arztterminverwaltung und auch durch väterlich mahnende Regenjackenhinweise um die Familie. Ich werde der Studie heute also einigermaßen vorbildlich gerecht und staubsauge dann noch schnell. Wenn man schon dabei ist!

Ich höre auf meinen Wegen Wolfgang Borchert, auf den ich gestern wegen der Story mit Bill Brook wieder gekommen bin, gelesen von Peter Bieringer. Borchert ist auch einer von denen, die sich gut damit auskannten, was passiert, wenn Rechtsaußen an die Macht kommt, man nannte das, was er schrieb, dann folgerichtig auch Trümmerliteratur. Nicht weit von unserer Wohnung steht ein Denkmal für ihn am Alsterufer, es wird oft besprüht und beschmiert.

„Stell Dich mitten in den Regen,
glaube an den Tropfensegen,
spinn Dich in dies Rauschen ein
und versuche, gut zu sein!“

Das ist ein Imperativ fürs Leben, nicht wahr, „und versuche, gut zu sein.“ Ich mag das Gedicht sehr, „Versuch es“ hat er es betitelt. Ja, man versucht so vor sich hin.

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Es regnet, es windet, es oktobert heute etwas, ich finde es ausgesprochen nett so. Die nächste Hitzewelle baut sich währenddessen schon auf, über 30 Grad sollen es in Kürze wieder werden. Ich mache Home-Office, ich sehe zwischendurch aus dem Küchenfenster runter auf den Spielplatz. Da sitzt ein Elternpaar im Nieselregen am Sandkistenrand, der Nachwuchs krabbelt und schaufelt Matsch, dreimal Regenjacken, dreimal Gummistiefelpaare, alles werbeprospektbunt. Wie lange das bei uns schon her ist, dass wir dort gesessen haben.

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Die Herzdame und ich fahren am frühen Abend in den Garten, wir haben am Wochenende dort etwas vergessen. Ich pflücke etwas regenkaltes Obst, ich werde nass dabei, ich finde es schön. Glitzernde Tropfen auf sauren Kirschen, und Regen wäscht dann auch das Blut vom Finger, den ich mir in den Stachelbeeren schon wieder beim gierigen Grabbeln im Gesträuch aufgerissen habe.

Wir essen noch ein Stück Kirschkuchen in der Laube, es trommelt dabei auf das Dach, einige Schauer fegen über uns hinweg.

Wir sind die einzigen Menschen weit und breit. An verregneten Werktagen fährt niemand in die Gärten, an Montagen schon gar nicht. Wir sind hier wie abgetaucht im Laubenland, fern von allem, Parzellenpartisanen im grünen Untergrund. Ringsum Vögel, Eichhörnchen und Igel, eine freundliche Gesellschaft.

Immerhin eine halbe Stunde lang. Und wir haben Kuchen.

Ein Kirschkuchen, ein Stück auf einem Teller, daneben Gläser mit frischer Kirschmarmelade

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Später werde ich lesen, dass dieser Montag ungeachtet der Kühle bei uns der heißeste Tag auf der Welt in der Geschichte der Messungen war.

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