Nachlassende Dringlichkeit

Donnerstag, der 6. Juli. Ein unangenehmer Ameisentag, auftragsgemäße Betriebsamkeit im Nonstop-Modus. Die Herzdame und ich machen eskalierendes Home-Office in getrennten Zimmern, ab und zu treffen wir uns zufällig im Flur und fragen uns dann, was denn das bitte für ein Tag sei? Wir rennen nicht gerade schreiend im Kreis, aber es fehlt auch nicht viel.

Am Abend habe ich ein neues Buch angefangen, Mercè Rodoreda: Auf der Placa del Diamant, die Software verweigert mir gerade das korrekte Sonderzeichen unter dem C im Titel, pardon. Aus dem Katalanischen sensationell toll übersetzt von Hans Weiss, mit einem Nachwort von Gabriel Garcia Márquez. Der Verlag spricht von „ungewöhnlicher Eindringlichkeit“, ich kann das nach wenigen Seiten bestätigen. Von der Rodoreda ist auch der „Garten über dem Meer“, ein unbedingt empfehlenswertes Buch mit etlichen und ganz wunderbaren erzähltechnischen Besonderheiten, wirklich etwas sehr Feines. Falls Sie noch Urlaubslektüre suchen … sie ist eher unterschätzt und zu wenig bekannt, eine hervorragende Autorin. Den Garten über dem Meer gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Roger Willemsen.

Das Taschenbuch "Auf der Placa del Diamant"

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Und die geschätzte Dota Kehr hat wieder Mascha Kaléko vertont, es gibt ein neues, feines Album mit vielen Gästen, hier dazu ein Interview mit ihr.

Besonders schön auf dem Album auch das Duett mit Gisbert Zu Knyphausen, hören Sie mal rein. Noch eben die Konzertdaten für den Herbst.

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Die Welt redet ansonsten viel über die neue App „Threads“ von Meta, die allerdings in der EU noch nicht verfügbar ist. Einige drängen sich dennoch trickreich durch, legen sich fiktive amerikanische Postadressen zu und melden sich über Umwege von hier aus an, posten Screenshots, Anleitungen und Bewertungen – ich stelle fest, dass ich es nicht mehr so eilig habe. Deutlich nachlassende Dringlichkeit, was solche Versuche angeht, ich muss nicht mehr unter den Ersten sein, ich muss vielleicht auch gar nicht dabei sein, das hat sich gründlich geändert. Wenn ich mir das gravierende, völlig absurd anmutende Datenschutzproblem dort ansehe … ich weiß ja nicht.

Und die Timeline gibt es in dieser App nicht chronologisch, sie ist nur nach Algorithmus ausgewählt und zusortiert verfügbar… ach nee, ich glaube, ich habe gar keine Lust.

Auf meine Konsequenz in dieser Hinsicht würde ich zwar keinen allzu hohen Betrag wetten, aber doch mittlerweile einen viel höheren als früher.

Bei den Menschen in meinem Umfeld, die weniger internetaffin sind als ich, nehme ich überhaupt kein Interesse an den Meldungen zum Thema wahr. Aber gut, da ist dann wieder der Stichprobenfehler zu beachten. Würde man die App morgen freigeben, sie wäre sicher auch in Europa ein enormer Erfolg, gar keine Frage. So weit reichen Datenschutzbedenken dann doch nicht in den Alltag hinein.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für den Hinweis auf Dota Kehr. Sehr beeindruckend und berührend, was an Kaleko-Gedichten von ihr im Netz ist. Ich habe in den 1990iger Jahren noch Menschen kennengelernt, die sie als Jugendliche kannten.

  2. Verrückt. Ich erinnere mich dunkel, das Buch einmal gelesen zu haben. Versuche, irgendwas inhaltlich zu rekonstruieren – das Hirn lässt mich nicht. Ich werde googlen. Haben Sie vielen Dank für diese Erinnerung! War es großartig? Dann glaube ich das jetzt einfach mal gleich mit.

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