02:30

Montag, der 11. September. Ein ausgesprochen schwieriger Morgen nach nahezu komplett schlafloser Nacht, da ein Sohn auf eine Klassenfahrt geht, die um 02:30 startet. Kann man so etwas bitte verbieten, es kostet hier zwei Erwachsene eine Nacht und damit quasi einen Werktag, den ich jetzt nämlich in einem Zustand durchleben muss, als hätte ich wüst feiernd durchgemacht, meine Güte. Ich hatte schon ganz vergessen, wie sich das anfühlt, aber es fällt mir jetzt doch wieder ein. Ein heruntergedimmtes Denkvermögen wie bei schlimmstem Kater, wobei ich einen solchen seit etlichen Jahren nicht mehr hatte. Lange ist es her und ich vermisse es nicht.

02:30 jedenfalls. Was erlauben Schule! Aber Hauptsache, die Kinder, nein, die Teenager haben Spaß, schon klar, es sei ihnen auch alles von Herzen gegönnt, ich freue mich für sie. Für das begleitende Lehrpersonal, stelle ich mir vor, ist das allerdings auch kein reines Vergnügen.

Es geht nach England, mit der Fähre von Calais to the white cliffs of Dover, nach England, wo sie so seltsames Geld haben, das war im Vorwege schon Thema. Gute Güte, andere Scheine und Münzen! Die spinnen, die Briten.

Um 4:00, nachdem wir endlich wieder eingeschlafen waren, dann eine Schlägerei mit filmreifen Geräuschen (*smack*, *batsch*) vor unserem Haus, es ist alles wieder sehr vergnüglich in diesem so besonders beliebten Stadtteil.

***

Ich sehe in den Timelines, dass viele Erinnerungen an 9/11 geteilt werden, da wir alle, die wir es bewusst erlebt haben, noch wissen, was wir zu dem Zeitpunkt gemacht haben, als wir es damals erfahren haben. Oder fast alle. Und so viele Ereignisse mit dieser Wirkung gab es gar nicht, über mein ganzes Leben gesehen. Es mag heute vielleicht überraschen, nehme ich an, dass Dianas Tod für viele ein anderer dieser Momente war.

Bei 9/11 war ich in einem stundenlangen Meeting im Büro, wir verhandelten zu dritt, zäh und mühsam, es war kein gutes Gespräch. Mein damaliger Chef war kurz vorm Durchdrehen, weil er im Büro des Oberchefs nicht rauchen durfte. Der Mann war ohne Zigaretten schnell in höchster Not, er war Gauloises-Kettenraucher in der heftigsten Ausprägung, Pariser Taxifahrer nichts dagegen. Und es zog und zog sich alles, die Argumente kamen im Kreisverkehr immer wieder vorbei, immer noch eine Runde und noch eine. Nach dem vollkommen ergebnislosen Meeting gingen wir aus dem Büro, so erinnere ich es, und würde mich übrigens nicht wundern, wenn es anders war, denn das Gedächtnis lügt wie ChatGPT, und die Büros und Flure waren sämtlich leer. In dem Stockwerk, in dem wir waren, und auch in dem darunter. Es war in diesem Moment schon eine dystopische Situation, denn es konnte einfach keine vernünftige Erklärung dafür geben, es war mitten am Tag.

Es waren dann alle unten im großen Konferenzraum, vor dem einzigen Fernseher weit und breit. Niemand sagte etwas, nur die Stimmen und Bilder aus dem Gerät, und alle sahen dahin. Lange.

Mein Chef hatte später am Tag einen Nervenzusammenbruch. Es gab niemanden, der das nicht verstanden hätte.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

 

 

4 Kommentare

  1. Ein Hallo nach Hanburg,
    die letzte Klassenfahrt hier startete ähnlich früh.
    Vom Ruhrgebiet nach Bozen…
    Was erlauben Busunternehmen?
    Die Rückfahrt endete dafür zur Frühstückszeit;-)
    Und zu 9/11:
    hier saß ich als junge Mutter mit Baby auf dem Arm weinend vor dem Fernseher….
    Unsere gemeinsame Abneigung gegen Flugreisen kommt vielleicht nicht von ungefähr!
    Ganz liebe Grüsse
    Sandra

  2. Klassenfahrt von NRW nach Amsterdam – da konnte man gemütlich nach dem Frühstück aufbrechen.
    Zu 9/11 – Ich wohnte damals im Staat New York, es war früher Vormittag und ich arbeitete im Garten. Mein Mann rief mich ans Telefon und meine Schwägerin aus dem fernen Deutschland erzählte mir sehr aufgeregt, was gerade in New York passierte. Wir haben sofort den Fernseher angemacht und gefühlt tagelang nicht wieder abgeschaltet. 3 Wochen vorher waren wir noch mit Gästen aus Deutschland auf den Twin Towers gewesen, 4 Wochen später in dem ganzen Chaos haben wir meine Schwiegermutter in New York City beerdigt.
    Ein anderes für mich sehr verstörendes Ereignis – die Ermordung von John F Kennedy.

  3. Oh London-Klassenfahrt hatten wir hier auch, Abfahrt hier aus dem Süden statt mitten in der Nacht am Abend – geräderte Teenies, die wie Zombies durch London schlichen weil die Unterkunft erst nach dem ersten Sightseeing bezogen werden kann inklusive. Geld braucht man dort übrigens nicht, es wurde explizit drauf hingewiesen, dass ohne Kreditkarte dort eigentlich gar nichts mehr geht. 9/11 auch hier noch in Erinnerung. Ein paar wenige Wochen davor gestanden, keine Lust auf Schlangestehen und gesagt „das läuft ja nicht weg“, mit Besuch Stunden vor dem Fernseher gehockt, die Freundin hatte eine Schwester in Washington. Das war echt gruselig. Schrägerweise ist der Tod von Diana ähnlich präsent, an den Tag erinnere ich mich auch facettenreich…

  4. 9/11 waren wir in Slowenien. Unser älterer Sohn rief uns gegen Mittag total aufgewühlt an, wir sollten, wenn möglich, sofort Radio oder TV anzustellen, es habe einen terroristischen Anschlag in den USA gegeben. Via TV haben wir dann den restlichen Tag voll Entsetzen die Berichterstattung verfolgt. Furchtbare, grausame Bilder der einstürzenden Türme, fallender Menschen, fliehender Menschen, Staub, ständige Wiederholungen dieser Szenen, von denen man sich nicht lösen könnte, weil man es nicht wahrhaben wollte. Und die nie mehr aus dem Kopf gehen.

    Im Sommer 1972 waren wir in Kroatien, übernachteten in Split, stellten am Abend erschöpft nach der Autofahrt (bei unseren Reisen durch die Länder war oft auch der Weg das Ziel) das Radio an und wurden tief erschreckt vom Attentat auf die israelische Mannschaft im Olympiadorf. Dem Reporter hörte man die Erschütterung an.
    Schrecklich und unvergesslich.

    In meinem schon etwas längeren Leben gibt es noch andere tiefgreifende Ereignisse, die mir ebenso präsent sind: der Mauerbau, das Attentat auf J.F.Kennedy, später auf seinen Bruder Robert Kennedy, das Attentat auf den Papst, auch der tragische Tod von Lady Di.

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