Septembertropen

Montag, der 18. September. Immer noch ist es warm am Morgen, sommerwarm, schwülwarm auch, es ist fast Ende September und die Wohnung kühlt nachts kaum ab. Nicht einmal kalte Füße bekomme ich am Morgen, während ich mir einen Eimer Kaffee zum Wochenstart mache. Ich mache das Radio an, da reden sie von einer weiteren Tropennacht, die Temperaturen liegen in vielen Gegenden in Deutschland nicht unter 20 Grad. Septembertropen. Oktobertropen klingen dann noch besser, vielleicht haben wir die auch in ein paar Jahren. Vermutlich wird es so sein.

Gestern gab es am Nachmittag einige dünne Regenschauer und es waren wieder solche, um die sich niemand gekümmert hat. Keine aufgeklappten Schirme, keine Regenjacken, nichts. Ein paar Tropfen auf T-Shirts, es stört einfach keinen mehr, es ist eher ganz angenehm, eine kleine Erfrischung, auf dem Spielplatz unten wurde einfach weitergeschaukelt. Kein Gedanke an schlechtes Wetter.

Home-Office, Datenschubsen, Excel bunt ausmalen, was man so macht.

Nach der Arbeit kurz in die Stadt, wenn es jemals Herbst werden sollte, brauche ich noch ein zwei Kleidungsstücke. Schweißausbrüche beim Anprobieren.

Nein, es wird kein Herbst, da draußen jedenfalls nicht, es sind auch kaum Blätter gelb geworden bisher, es ist keine herbstliche Atmosphäre. In den Timelines aber kippt die Stimmung angesichts der weltweiten und deutschen Entwicklungen unübersehbar ins Dunkle, dort ist es schon später im Jahr, dort herrschen Gallenbitternis und Depression, Zynismus, Sarkasmus und alle Varianten von Schwermut, Anhedonie und Dysphorie, Fatalismus und Aufgabe. In den Timelines ist längst tiefster Stimmungsnovember, herrscht schon lastende Dunkelheit.

Und nachdem ich das mit den sozialen Medien nun schon lange mitmache und dort einiges erlebt habe – schlimmer war es noch nie. So runtergerockt waren wir als soziale Gruppe bisher nicht, so schlecht wurde die Gesamtsituation von uns nie gedeutet. Ich kann mit dieser Erkenntnis allerdings nichts anfangen, ich weiß nicht, was daraus abzuleiten ist. Es hilft mir jedenfalls nicht weiter, das alles zu lesen und zu verstehen oder wieder und wieder zu teilen, man sinkt nur immer tiefer, dann eben gemeinsam.

Ich teile den Fatalismus inhaltlich, so ist es nicht, aber ich verweigere mich noch der durchgehenden Depression und der Selbstaufgabe. Die Bordkapelle spielt weiter. Ich habe das immer sehr gemocht, das Bild.

Wenn wir untergehen, sei es politisch oder anders, dann doch bitte mit Haltung.

Ein Schriftzug an einem Fensterrahmen von außen: "I'm still standing"

Hier noch ein Song, dessen Einstieg meine Generation vielleicht für die letzten Jahrzehnte und auch für das Heute nutzen kann, denn es wird fraglos alles besser, wenn man den richtigen Soundtrack hat: „Dass es gut war, wie es war, das weiß man hinterher, dass es schlecht ist, wie es ist, weiß man gleich.“ Es ist auch ein Song über das Weitermachen, und das passt schon. Es ist Montagmorgen, jeder rollt seinen Stein.

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4 Kommentare

  1. Wieviele Weltuntergänge wurde. schon orakelt ? Mein Lieblingstermin war im Dezember 2012- im allgemeinen Weihnachtstrubel entfiel der Weltuntergang… Also werfen wir uns in die neue Woche ( jetzt sind die Nächte kalt) und schauen, was das Leben Neues bringt.

  2. Ja. Mir fällt das an der Bubble gar nicht so auf, aber in mir selber, und ich versuche, frohgemut und optimistisch zu bleiben und das auch zu signalisieren. Aber die kleinen Sprünge werden vielleicht schon immer sichtbarer.

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