Das ist eben, was wir machen

Montagmorgen, das Fenster auf und den Kopf rausgehalten. Es sieht hellgrau aus, es riecht nach Winter, die Vögel klingen nach Frühling, es fühlt sich an wie Februar. Die Lichter in den Häusern gegenüber gehen an, man macht sich überall bereit, die letzte Woche dieses elenden Monats abzuarbeiten. Hunde trotten um Blöcke, die Nasen am Boden, die Besitzerinnen im Schlepptau.

Die Herzdame macht Frühsport im Wohnzimmer, ich mache mehr Kaffee und mehr Texte, wir wecken die Söhne, ich belege Brote, so geht es in den Werktag.

Regen auf den Dachfenstern. Das dezente Gerumpel der Waschmaschine, das sachte Rauschen der Spülmaschine, das Tippen auf zwei Tastaturen. Schritte im Treppenhaus, leises Schlüsselklirren, Nachbarbewegungen. Müllcontainerrollgeräusche von der Straße. Alltag durch und durch.

I woke up this morning to a garbage truck
Looks like this ol‘ horseshoe’s done run out of luck.”

John Prine wieder. Einer von denen übrigens, die wir durch das Corona-Virus verloren haben. Boundless love hieß der Titel.

Sometimes my ol‘ heart is like a washing machineIt bounces around ‚til my soul comes clean.”

Man arbeitet so vor sich hin. Zwischendurch ein Blick auf die Nachrichtenlage. Dann lieber doch nicht. Aber dabei immerhin gesehen, dass in Paris die Fashion Week beginnt. Der WDR schreibt, ein Trend für Frauen sei jetzt die Mafia-Mode: „Getragen werden Pelze, auffälliger Goldschmuck und üppige Toupet-Frisuren.“

Wenn mir das im Hauptbahnhof beim Abendspaziergang so begegnen sollte – ich werde berichten.

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Gesehen (bei Filmfriend): Die Koffer des Herrn Spalek, das ist eine ruhige, betont langsame Doku über John Spalek, selbst ein alter Mann, der in den USA die Nachlässe von alten und sehr alten Menschen sichert, die im letzten Jahrhundert aus Deutschland dorthin zu Zeiten der Nazis, also der ersten Nazis, emigriert sind. Ihre Notizen, ihre Tagebücher, Briefe, Postkarten, Visa und Tickets, all die Papiere und Belege.

Unbedingt interessant für den Freundeskreis Archiv, Bibliothek und Geschichte, es geht auch um die Einlagerung der Funde in Deutschland.

Der Herr Spalek wird im Film intensiv bei seiner Arbeit beobachtet, und am Rande kann man feststellen, dass diese Arbeit dabei gar nicht wie Arbeit wirkt. Es wirkt mehr so, als sei er einfach durchgehend beschäftigt, und als sei das auch gar nicht anders denkbar, denn das ist eben, was er macht. Das ist seine Lebensform, nicht sein Job.

Auf diese Art wirkt Arbeit dann auch im hohen Alter vorstellbar. Menschen meiner Ausprägung werden vermutlich auch im Rentenalter immer weiter bloggen. Denn das ist eben, was wir machen.

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2 Kommentare

  1. In Anbetracht der Weltlage ist es doch ein riesiges Glück und ein großes Geschenk so etwas wie Alltag haben zu dürfen.
    Sehr beruhigend, was Sie da beschreiben. In seinen geregelten Abläufen nahezu still, der Alltag.

    Und um das Bloggen bis ins hohe Alter möchte ich doch mit Nachdruck bitten. Ein buddenbohmleeres Leben inzwischen unvorstellbar. Ich bleib auch da, versprochen. Vorausgesetzt Sie werden kein alter, weißer Mann. Aber da mach ich mir bei Ihnen wenig Sorgen. 🙂

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