Konstruktive Kartofffeln

Ich finde die Nachrichten am Morgen zusehends unangenehm, fast schon körperlich unangenehm. Dieses fortwährende Fremdschämen ob all der Dummheiten, Frechheiten und Schrecklichkeiten. Dabei finde ich mich selbst ausreichend peinlich und unerträglich und habe mit eigenen Problemen genug zu tun. Aber all diese zusätzlichen, entsetzlich abstoßenden Menschen, diese furchtbaren, belastenden Themen und Ereignisse, die ich lieber nicht zur Kenntnis nehmen möchte, sie aber doch immer wieder alle beflissen und teils sogar in der Tiefe studiere. Als sei es die erste und wichtigste Bürgerinnenpflicht, sich mit der FDP zu befassen, mit den Ansichten von Merz, von Trump, auch mit Nazis, mit grauenvollen Kriegen, mit der Klimakrise und der Apokalypse und immer so fort. Dabei immer den Poisel im Ohr, wie soll ein Mensch das ertragen.

Aber nur ironisch, versteht sich, denn andere ertragen doch viel mehr, viel Schlimmeres, daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Sich immer gleich zurückpfeifen und relativieren. Das ist allerdings auch so ein Pflichtding, und am Ende ist es eng verwandt mit der protestantischen Arbeitsethik, Hauptsache, man macht sich nieder und klein und funktional.

Lindner hat gesagt … Um Gottes willen, was ist das für ein Niveau, worüber reden wir da. Lieber vom Bildschirm hochsehen und den Blick ins Regal vor mir lenken, da keimen Kartoffeln in Eierkartons vor, sie kommen demnächst ins Beet. Bizarre Triebe tastend in den Raum gestreckt. Das ist etwas Konstruktives, das ist der Zukunft zugewandt und gleichzeitig dermaßen traditionsverbunden. Gartenbau als geteilter Wert quer durch die Generationen, meine Großmutter hätte diese Kartoffelsache sicher gemocht. Kartoffeln ansehen und weiteratmen, Kartoffeln sind okay.

Gleich neben den Kartoffeln steht der Lehmann, das Bukolische Tagebuch 1927 – 1932. Der Herr hat auch woanders hingesehen, wie konsequent er das gemacht hat, und es war keine Biedermeier-Attitüde bei ihm. Ich habe mich eine Weile mit Nature Writing befasst, dieses Buch blieb mir aus der Zeit in Erinnerung und steht für mich zum gelegentlichen Wiederlesen bereit. Wie ich überhaupt meine Bücher nach und nach auf die reduziere, bei denen ein Wiederlesen noch in Betracht kommt.

Im Sommer wird das Buch in die Laube gestellt, um im Garten verfügbar zu sein, es ist passende Draußenlektüre. Wenn Sie in der Richtung Interesse haben, ich empfehle es erneut, wie schon vor längerer Zeit einmal.

Aber unterm Strich, das wollte ich eigentlich nur sagen, und Sie wissen eh schon, dass es mich beschäftigt, ist die Themenwahl, unsere Themenwahl, selbst ein großes, ein immenses und manchmal tagesfüllendes Thema.

Womit vergeht die Zeit, die mir auf Erden gegeben ist, kleiner muss man es nicht denken.

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Ein Kommentar

  1. „…und ich geh Blumen gießen, Blumen gießen, Herz, was willst du noch mehr!“ sang einst Geord Kreisler. Und ich bin auch immer froh, wenn ich es schaffe, mich von den News ab und den Tomaten zuzuwenden, die auf der Fensterbank in Anzuchttabletten gewachsen sind und heute in kleine Töpfe umgesetzt werden. 🙂

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