Was wäre wenn

Gesehen: Die Paul-Auster-Doku auf arte, Was wäre wenn. Ich finde es etwas irritierend, allerdings nicht unangenehm irritierend, dass Auster, seine Kleidung und seine Wohnung etc. in manchen Momenten so aussehen, als seien sie aus einer Woody-Allen-Film-Szene geschnitten. Es ist irritierend, obwohl es nur logisch und naheliegend ist. Diese Optik, die man gut kennt, dieses New York einer intellektuellen Oberschicht, in der Geld vorhanden und kein Thema ist, wie auch immer man dazu gekommen ist. Es ist diese Art, eher langsam zu reden, sich nur moderat zu bewegen, bestimmte Hemden und Pullover zu tragen und gelassen durch ein großes Wohnzimmer zu gehen, es ist dieses besondere Licht im Raum, es sind diese Möbel und die Bücherregale. Es ist ein seltsam vertrautes Setting, man hat es schon oft gesehen.

Einen kurzen und heftigen Moment der New-York-Sehnsucht hatte ich beim Zusehen. Ich war einmal beruflich da, lange ist es schon her, aber es war genauso beindruckend, wie es dem Klischee entspricht. Sprachlos dort an einer Ampel nahe dem Broadway gestanden und gedacht: „Das ist alles echt. Das gibt es alles wirklich.“ Zu geistreicheren Erkenntnissen gar nicht in der Lage gewesen. Später aus einem Hotelzimmer gesehen, irgendwo von einem surreal hohen Stockwerk aus. Mit Kolleginnen da am Fenster gestanden, und ich weiß noch, wir fanden es alle vollkommen unbegreiflich, was wir da sahen, nur fühlbar. New York war zu viel für den Verstand, aber die Bilder reichen bis in meine Gegenwart.

Mein damaliger Chef, wie er in die Twin Towers geht, und wir auf einer Bank davor, draußen in der Sonne auf ihn wartend, denn wir wollten nur diese Szenerie ansehen, am besten stundenlang. Angaffen eher.

Man könnte die Stadt auch mehrfach besuchen, rein theoretisch. Da ich nicht fliege, müsste ich allerdings Zeit und Geld für eine gemütliche und möglichst stilvolle Überfahrt haben und einplanen. Und bei einem gewissen Wahlausgang in den USA würde ich wohl für längere Zeit nicht mehr in dieses Land wollen. Es ist kompliziert, es wird sicher eher nichts, und es macht nichts aus. Es ist nur ein Nebentraum.

Und nebenbei bemerkt, für die Freunde von History Repeating – es geht in der Doku auch kurz um die revolutionäre Stimmung und die Unruhen an der Columbia University im Jahr 1968. Auster wurde dort damals bei einer Demo von der Polizei festgenommen und verprügelt. Er erzählt es so in der Doku, während man beim Zuschauen am Notebook nur einen Tab weiter auf der nächstbesten Nachrichtenseite im Browser noch die aktuellen Bilder und Videoclips aus dieser Universität sehen kann, die Polizeieinsätze, die Proteste, die Rangeleien, die Räumungen.

Anyhow. Ein Sohn lernt hier gerade, solche Floskeln in sein Schulenglisch einzubauen, deswegen denke ich das dauernd: Anyhow. Nach der Doku habe ich noch mehr Lust, Austers Bücher und auch die von Siri Hustvedt zu lesen. Noch einmal vielen Dank dafür, dass eines schon als Geschenksendung hier ankam.

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Ich habe in diesem Text beim Goethe-Institut gelernt, dass kafkaesk auf Polnisch kafkowski heißt, und ich freue mich seitdem enorm über dieses Wissen. Kafkowski – großartig. Stundenlang kann man sich über das Wort begeistern, finde ich.

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2 Kommentare

  1. Ach, Herr Buddenbohm: Wie immer finden Sie die rechten Worte – hier zu meinem, ebenfalls lange zurückliegendem New York-Besuch. Dieses Gefühl „ich, kleine Piephenne aus der tiefsten bayrischen Provinz – wirklich HIER “ ist bis heute unvergessen (eben nachgerechnet – 35 Jahre – oh Gott) .

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