Alles, was ich tat

Am Freitag noch einmal ein Werktag der unangenehm überbordenden Art. Passend zum Rest der Woche füllen sich die Stunden, und es hebt die Laune nicht, dass da gerade generell kein Ende in Sicht ist. Nicht im nächsten Monat und auch nicht in dem danach. Ich könnte die Reihe noch weiter fortsetzen, aber die Länge des Satzes würde mich irgendwann verunsichern, nehme ich an.

Ich bin jedenfalls im Home-Office. Allerdings muss nur ich an diesem Tag arbeiten, in der Wohnung stören herumhängende Jugendliche und eine ausschlafende Herzdame die Bürostimmung. Das macht die Lage nicht besser, die Motivation erst recht nicht. Knurrend alles abarbeiten und verbissen einige Immerhin-Gedanken pflegen. Dass die nächste Woche für mich immerhin nur drei Werktage haben wird etwa, oder dass immerhin auch diesem Freitag unweigerlich ein Wochenende folgen wird, so etwas in der Art.

Nach der Arbeit gehe ich kurz zur Reinigung, um meine Hemden abzuholen. In Gedanken weiterhin im Büro, an einer Entscheidung kurz vor Toresschluss zweifelnd, hin und her grübelnd. Nach einigermaßen erschöpfender Woche außerdem einiges in Frage stellend, auf der Sach- und auch auf der Sinnebene, aber wenn man mit der erst einmal anfängt.

In der Reinigung trägt die Frau, die den ganzen Tag die Oberhemden auf den Bügelautomaten spannt und diesen dann kurz dampfen lässt, ein mit Text bedrucktes T-Shirt. Sie steht mit dem Rücken zu mir, ich kann die kleineren Schriftteile nicht lesen. Es sieht aus, wie manche Band-T-Shirts aussehen, vorne wird vermutlich der Name eines Sängers oder einer Sängerin, einer Gruppe vielleicht zu lesen sein, was weiß ich. Hinten jedenfalls ein großes Zitat, und das kann ich einwandfrei entziffern. Während sie das vielleicht tausendste Hemd des Tages auf den Bügelautomaten spannt, lese ich da: „Alles, was ich tat, tat ich mit Leidenschaft.

Ich aber nicht, denke ich. Das nun wahrhaftig nicht, und ist das ein Problem oder was. Ich neige hier als Verfechter des Durchhaltens und des Abarbeitens, der steten Bemühung und der allmählichen Verfertigung doch der Verneinung zu, und mit more passion, more energy, more footwork muss man mir bitte nicht kommen.

Aber wer bin ich andererseits, dass ich in jedem Fall eher Recht hätte als ein T-Shirt. In Kurzgeschichten wäre der T-Shirt-Aufdruck selbstverständlich deep und in Interpretationen unbedingt zu beachten. Niemand zieht in Kurzgeschichten zufällig etwas mit Aufdruck an, siehe auch Filme, Serien etc. Es wird schon seinen Sinn haben, wenn die Kamera das erfasst, es wird schon geplant, es wird schon durchdacht gewesen sein. Ob man nun allerdings Teil eines Drehbuchs ist oder nicht – eine ganz große Frage, zu der man eh nie Zeit hat.

Generell aber, dabei möchte ich doch widerständig bleiben, traue ich den Leidenschaftsaposteln in beruflicher Hinsicht nicht recht über den Weg. Alles, was ich in dieser Woche tat, tat ich mit erheblicher Skepsis, denke ich. So geht es auch, und vielleicht geht es sogar besser so.

Es kommt darauf an, um den Text versöhnlich enden zu lassen. Denn vielleicht tragen Sie ja auch so ein T-Shirt mit Leidenschaftserwähnung im Aufdruck. Am Ende trägt man das jetzt allgemein so, und ich habe es nur wieder nicht mitbekommen.

Meinetwegen!

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Das Bild ist schon einige Wochen alt, man sieht es. Ein Graureiher auf meiner Abendrunde durch Planten un Blomen. Er stand da direkt vor mir, in ebenfalls eher skeptischer Betrachtung seines Arbeitsgebietes. So leidenschaftslos wie das Grau seines Outfits, das auch gut zu meinem Anzug passte.

Ein Graureiher steht am Rand eines Teiches in Planten un Blomen

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Orgeln und Pfeifen

Am Donnerstagmorgen ist es noch dunkel, als ich mir den ersten Kaffee mache. Herbstlich neblig ist es dazu, ich sehe es im Licht der Straßenlaternen. Es sieht da unten aus wie in alten Krimis, „Hier spricht Edgar Wallace.“ Und irgendwo um die Ecke schleicht schon der Kinski herum. Die Stadt schläft, kein Licht hinter irgendeinem Fenster ringsum. Ich habe diese Stunde wieder für mich, die wee small hour, die Schreibstunde.

Allerdings, ich sehe es dann einigermaßen fassungslos, als ich die Milch aus dem Kühlschrank hole, kreisen vor dem Haus drei riesige Lichter durch den schwarzen Nachthimmel neben dem Kirchturm, und spukhaft ist für diesen Anblick milde ausgedrückt. Wobei Science-Fiction noch besser als Spuk passt. Über unserem Haus kreisen oft Hubschrauber, es ist eben die Stadtmitte, die großen Demos, die fliegende Polizei. Aber die Hubschrauber machen verlässlich Geräusche, und wie sie die machen. Diese Lichter kreisen dagegen vollkommen lautlos. Was auch immer da fliegt, es ist zu tief. Und wenn es Drohnen sind, dann ist es ein ganzer Trupp davon, sie sind perfekt synchron im Flug, sie sind groß, was passiert da.

Würde man für Hollywood die Außerirdischen nachts landen lassen, es sähe so aus, und wäre ich Hauptdarsteller, die Milch fiele mir jetzt aus der Hand. Was bei einem Tetrapack allerdings nichts hermacht, lassen wir das.

Kein Zweifel jedenfalls, dieses Bild auf einer Kinoleinwand – exakt passend. Und was auch immer das da für ein Objekt vor dem Fenster sein mag, es ist entschieden zu dicht vor mir und auch zu dicht neben dem alten Kirchturm. Ich schlafe nicht, ich träume nicht, und die Lichter kreisen gemächlich. Am Ende ist es dann selbstverständlich ein gigantischer Baukran, nachts erst aufgebaut, dessen Monsterarm da zum frühen Arbeitsbeginn vorbei und durch den Dunst dreht, ein paar Häuser weiter. Langsam und majestätisch dreht der, mit drei großen Lichtern daran.

Ich weiß jetzt immerhin, dass ich bei einer allfälligen Alieninvasion nicht etwa geistreiche Schlusserkenntnisse haben werde, sondern vermutlich genau das denken werde, was mir in diesem Moment, die Milch noch in der Hand, spontan durch den Kopf ging: „Das jetzt also auch noch.“

Wie genervt von allem kann man sein.

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Am Nachmittag müsste ich eigentlich im Kontext des Brotberufs weiter mit Kolleginnen auf anderen Kontinenten über künstliche Intelligenz nachdenken, breche das aber zur Rettung der spärlichen Reste meiner menschlichen Intelligenz mittendrin und schon wie in Notwehr ab.

Ich klappe das Notebook entschlossen zu und gehe in die Innenstadt. In der Hauptkirche St. Jacobi gibt es wieder das kleine Donnerstagnachmittagskonzert, eine halbe Stunde wird uns etwas Bach auf der Barockorgel vorgespielt, und es ist wiederum schön und beruhigend. Es nimmt einen kurz aus dem Alltag, und wie angenehm ist das denn.

Berankte Außenmauern von St. Jacobi

In der letzten Woche erst hatte ich mir vorgenommen, dort regelmäßig hinzugehen. Schon in dieser Woche bin ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich sitze entsprechend stolz wie Bolle in der Kirchenbank, ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.

Neben mir ein älterer Herr in gepflegter Lederkluft. Er geht mit dem Oberkörper wippend mit wie bei einem Rockkonzert und hört offensichtlich Rhythmen heraus, die ich nicht einmal wahrnehme. Das ist vermutlich auch schön, aber nicht jedem gegeben.

Die Schlussakkorde jedenfalls, besonders die betonten, kräftigen, wenn die Orgel noch einmal alles gibt und majestätisch aushallt, wenn die Töne danach einen Augenblick im Kirchenschiff über den Köpfen zu stehen scheinen – das sind mit die besten Hörerlebnisse der Woche, keine Frage. Sensationell ist so etwas, und zuhause mit keinem Audiogerät nachzuempfinden, wie perfekt auch immer man ausgerüstet ist.

Ein alter Beichtstuhl in einem Nebenraum des Kirchenschiffs in St. Jacobi

Und in den leisen Momenten, wenn die Töne höher werden, immer feiner, dezenter – zwischendurch habe ich kurz gedacht, wenn mein Tinnitus etwas auf sich hielte, etwas kultivierter wäre, er könnte zumindest zwischendurch auch gut klingen.

Aber es ist, wie es ist, er pfeift nur lapidar. Man kann nicht alles haben.

Gerade habe ich beim Schreiben den Verdacht gehabt, dass auch andere schon über diese Verbindung nachgedacht haben müssen. Ich habe etwas nachgelesen – und guck:

Einen komponierten Tinnitus gibt es im Streichquartett Nr. 1 e-Moll Aus meinem Leben des tschechischen Komponisten Bedrich Smetana. Etwa zweieinhalb Minuten vor dem Ende des vierten Satzes Vivace (nach heutiger Aufführungspraxis) bricht die bis dahin beschwingte Musik plötzlich ab, und über einem bedrohlich klingenden tiefen Tremolo von 2. Violine, Viola und Violoncello setzt für etwa zehn Sekunden die erste Violine mit einem langgezogenen viergestrichenen E ein, das durch seine extrem hohe Lage im Gegensatz zu den übrigen Instrumenten wie ein störender Pfeifton wirkt. Dieses E soll den Tinnitus wiedergeben, der den Komponisten quälte.

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Willkommen in der Dunkelheit

Andere bloggen Sinnvolles, etwa eindrucksvolle Warnungen vor dem Riechen an dem, was man gerade kocht. In den USA würde man jetzt den Topfdeckelhersteller verklagen, nehme ich an. Immerhin war das Ding ohne jede Sicherheitsmaßnahme abnehmbar und es stand vermutlich auch keine Warnung dran. Schlimm. Gute Besserung nach drüben gewünscht, schnelle Heilung!

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Gehört: Eine angenehm umfassende Stunde von Jonas Fansa: „Zum selbstverständlichen Luxus der öffentlichen Bibliothek.“ Ausdrücklich empfehlenswert, ein Rundumschlag zum Thema und zur Lage in Deutschland. Aus kultureller und auch aus demokratischer Sicht, man unterschätzt da einige Aspekte vermutlich gerne.

Beim Anriss des Themas Bibliotheksbau wird reflexmäßig Helsinki erwähnt, ebenso erwartbar wie richtig und angemessen. Und es ist so bedauerlich, wie selten uns großartige, leuchtende, prägende und richtungsweisende, eventuell mutige Beispiele für moderne Großprojekte aus Deutschland einfallen. Nicht bei diesem Thema, nicht bei der Verkehrswende, nicht beim Städtebau, nicht bei der Kulturpolitik, nicht bei der demokratischen Absicherung, bei der Sozialpolitik etc. Immer die Verweise auf andere Länder.

Es wird nicht so sein, dass es gar keine Beispiele gibt, und es ist kein Beweis, dass ich gerade nichts parat habe (schrieb er und wohnte dabei in nur geringer Spaziergangsentfernung von der Elbphilharmonie entfernt) – aber doch immer das Gefühl, es ginge gerne noch mehr, es wäre da mehr zu machen.

Außerdem gehört: „Was kommt nach dem Neoliberalismus?“ Etwas VWL-Nachhilfe, schadet nicht.

Und erst angefangen, aber hier schon einmal weitergereicht: Eine neue Folge Radiowissen: „Franziska zu Reventlow – Schriftstellerin, Rebellin und Freigeist.“ Falls Ihnen der Name nichts sagt, umso empfehlenswerter, die Dame war und ist interessant und bemerkenswert.

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Der Mittwoch war dann prompt der erste Tag, an dem ich es bei Tageslicht nicht mehr entspannt vor die Tür geschafft habe, willkommen in der Dunkelheit. Vorgestern noch den leuchtenden Herbst im Park bewundert, einen Tag später ist der Vorhang bereits gefallen.

Aber ohne Hadern und Händeringen, da muss man sich eben umstellen und entweder nicht mehr fotografieren oder doch ganz anderes. Muss man also darauf achten, was man überhaupt noch wahrnehmen kann und sich erst einmal anderen Lichtquellen im Vorbeigehen zuwenden, bis die Sonne wiederkommt.

Blick von außen in ein Restaurantfenster, man sieht nur eine Gabel auf einem Tisch

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Anmerkungen am Rand

Der Herbst dreht auf, ich habe kaum Zeit, es ausreichend mitzubekommen und zu würdigen. Sonnenuntergang schon 18:04. Da wird es eng im Plan, wenn am Rand des Tages noch Bewegung im Freien und bei Licht stattfinden soll. Die Arbeit dehnt sich gerade allzu weit aus und beansprucht Stunden, die ihr gar nicht zustehen.

Eine flotte Runde durch Planten un Blomen ist gerade noch zu schaffen, als herbeigetrickster Waldbadersatz. Und so schlecht ist der Notbehelf nicht. Menschen, die besser aufgepasst haben als ich, wüssten vielleicht gleich den japanischen Begriff Shinrin-Yoku, er war doch häufig genug in den Medien. Ich hatte den allerdings nicht parat.

Unabhängig vom eben verlinkten Artikel habe ich beim Spaziergang jedenfalls überall da, wo es mitten in der Stadt doch einmal deutlich nach Natur riecht, nach Herbstlaub und Erde, nach Wasser oder nach gesundem Vermodern, einigermaßen überzeugend das Gefühl, dass die Luft dort gesund sei.

Gefallenes Hernstlaub im Park, ein Steg über einen Wasserlauf

Ich sehe es auch bei anderen, dass sie an diesen Stellen unwillkürlich kurz stehenbleiben und so atmen, wie wir vermutlich alle atmen, wenn wir an den Strand fahren und dort endlich wieder das Meer riechen. Es muss ein ähnlicher Effekt sein, und es ist immerhin ein billiger, halbwegs gut verfügbarer Effekt. Wenn man einen Park oder sonst ein Stück Natur in der Nähe hat.

Blick durch herbstliche Parkanlagen auf den Fernehturm am frühen Abend

Es eilt auch, wie immer eilt es alles schon. Denn die ersten Bäume, ich sehe es im schwächer werdenden Gegenlicht des Sonnenuntergangs, sind fast kahl, nackte Äste sind bereits zu sehen. Einige dramatisch zitternde letzte Blätter, die aus ihrem Fallen eine große Show machen, die Grandezza des Verfalls. Eine Show, der man gerne zusieht, auch wenn es eine Wiederholung ist, auch wenn wir wissen, wie es ausgeht.

In einem Gebüsch an einer besonders landschaftsbildtauglichen Stelle ein Typ, der wiederum einige Klischees bedient. Wenn Sie sich bitte für einen Moment jemanden vorstellen wollen, dem man eventuell lieber ausweichen möchte. Das kann verschiedene Ausprägungen haben, aber einigen wir uns auf enorm kräftige Schultern und einen überbreiten Nacken sowie auf ein Gesicht, das in jedem Film den Bösen kennzeichnen würde. Da haben wir ihn in etwa, die Kleidung, Accessoires etc. können Sie nach Belieben und Erfahrung variieren. Und der steht also derart im Gebüsch, dass man gleich denkt, der pinkelt da.

Was in einer Großstadt eben passiert, zu oft und an zu vielen Stellen, Männer nach Biergenuss, es ist immer das Gleiche. Diese Haltung, die erkennt man, auch von hinten, auch aus der Distanz, und man sieht dann bemüht woanders hin.

Muss man aber nicht immer. Denn dieser Typ da z.B., der pinkelt gar nicht. Der fotografiert vielmehr in seiner geschützten Ecke sorgsam güldenes Herbstlaub. Fein durchbrochene Blätter, filigrane Schönheiten, so etwas. Sieht hinterher auf sein Smartphone und schüttelt den Kopf, macht weitere Aufnahmen im warmen Abendlicht, vergleicht dann wieder scrollend die Ergebnisse auf dem Bildschirm. Ist nach einer ganzen Weile und vielen Aufnahmen erst zufrieden und geht schließlich weiter, sieht sich nach anderen guten Stellen und attraktiven Pflanzen um, während das Licht schnell schwindet.

Wir sind hinausgegangen, den Sonnenschein zu fangen.“ Was einem alles auf einmal wieder einfällt, bei Sonnenuntergang im Park. Es ist ein Frühlingslied, ich lese dennoch zuhause den Text noch einmal nach: „Werft ab alle Sorge und Qual, fallera.

Na ja. Ab einem gewissen Alter möchte man bei solchen Stellen einige Anmerkungen am Rand machen.

Eine Fußgängerbrücke in Planten un Blomen vor herbstlichen Bäumen

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Zwischen zwei Sätzen

Ein weiterer unangenehmer Werktag der dramatisch überladenen Art. Zu viele Themen, zu wenig Zeit, und ich sehe nicht, dass das bald besser werden kann. Nicht in den nächsten Wochen, nicht in den nächsten Monaten. Problem.

Später am Tag dann ein Behördentermin mit beiden Söhnen. Vorher den passenden Tag und die Uhrzeit online bestellt, vor Ort an der Servicestelle exakt auf die Minute genau aufgerufen worden. Pünktlich wie ein Uhrwerk waren die Beamten dort. Freundlicher bedient worden als in vielen Läden oder Coffeeshops hier, geradezu ungewohnt herzlich.

Nach zehn Minuten schon wieder draußen gewesen, mit allen Papieren, Stempeln und Belegen, auch mit sinnvollen Informationen. Zwischendurch mitbekommen, dass am Nebentisch mit zwei Personen, die nur gebrochenes Deutsch sprachen und behördliche Anforderungen nicht gleich verstanden, angenehm einfühlsam und geduldig umgegangen wurde.

Es gibt schon auch Szenen und Abläufe im Zusammenhang mit dem Staat und der Stadt, die funktionieren, die richtig gut funktionieren. Nicht immer, nicht bei jedem Thema, nicht in jedem Bundesland oder in jeder Gemeinde, ich weiß. Die Menschen aus Berlin winken vermutlich wieder routiniert an dieser Stelle ab. Aber immerhin bei uns und gestern und bei diesem Anliegen. Muss man auch einmal würdigen.

Ich könnte passend dazu noch erwähnen, dass auch Autoparkplätze in Fahrradparklätze umgewandelt werden, etwa direkt vor unserer Haustür, und dass ich das richtig finde. Oder dass Fahrradwege in der Nähe neu entstehen. Sicher nicht genug, vermutlich auch wieder nicht sicher genug, aber immerhin überhaupt. Und dass die Schule um die Ecke gerade neu gebaut wird, ziemlich schnell sogar, das gehört ebenfalls in diesen Kontext.

Ja, ich vermerke das alles eben. Zwischen dem routinierten Genörgel, den Zweifeln und dem Fatalismus.

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Beim Abendspaziergang, nach viel zu viel Zeit am Schreibtisch und nach dem Abfüttern der Familie, gehe ich an einem älteren Paar vorbei. Sie haben sich auf die Stühle vor einem geschlossenen Restaurant gesetzt, nein, sie sind dort eher niedergesunken, so sieht es aus. Mit denen stimmt etwas nicht, das erkennt man gleich. Er wirkt apathisch, sie wirkt eher panisch, da wird etwas ganz und gar nicht in Ordnung sein.

Sie merkt, dass ich kurz hinsehe, ob da etwas zu machen sei, und sie fragt mit großer Dringlichkeit: „Wissen Sie, wo wir sind?“ Sie fragt es so, als sei es nicht einigermaßen selbstverständlich, das zu wissen. Was es, wenn man darüber kurz nachdenkt, auch nicht ist.

Ich weiß allerdings, wo wir sind, wenn ich schon sonst nicht viel weiß, ich sage es ihr. Daraufhin kann sie für ihren Mann einen Krankenwagen rufen, der nach wenigen Minuten auch kommt. Meine verspätete Runde um den Block hat auf einmal etwas Sinnzuwachs. Das ist an diesem Tag ebenfalls positiv zu werten, finde ich, denn manchmal kann man schon dadurch hilfreich sein, dass man weiß, wo man ist.

That was easy! Es gibt überdimensionierte Spielzeugbutttondinger, die diesen Satz abspielen, wenn man draufdrückt. Ein Kollege hatte so einen lange auf seinem Schreitisch stehen: „That was easy!“ Er hat da oft draufgedrückt, es gab genug Anlässe. Vielleicht gab es damals auch noch mehr Anlässe als heute, aber das könnte eine der vielen Nostalgiefallen sein. Er war außerdem umschaltbar, dieser Button, fällt mir gerade wieder ein. Und der andere einprogrammierte Satz war: „That was bullshit!“ Das hat man auch oft aus einem Büro gehört.

Zwischen diese beiden Sätze passt unser ganzer Alltag. Im Büro und auch da draußen.

Gänse auf einer Wiese an der Alster, eine, recht dicht, sieht in die Kamera

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Geht doch

Es gibt demnächst Thomas Mann als Playmobilfigur, lese ich in den kleineren Meldungen, zu seinem 150. Geburtstag. Mit einem Buch als mitgeliefertem Kleinteil in der Packung, mit den Buddenbrooks. Es gab schon Goethe und Schiller in dieser Spielzeug-Reihe, auch Fontane, das wusste ich gar nicht. Und, er ist ebenfalls als bedeutender Autor zu werten, es gab Luther. Eine schreibende Frau gab es wohl nicht, man muss nicht lange zählen.

Wenn sich alle Literaturaffinen oder Bildungsbeflissenen aus der Boomer-Generation jeweils einen Thomas Mann von Playmobil als Deko für den Schreibtisch zu Weihnachten schenken, dürfte der wirtschaftliche Erfolg der Produktion gesichert sein. Wobei der Luther bei den Sonderfiguren sicher nicht einzuholen ist, der war oder ist ein besonderer Verkaufsschlager.

Ob nach Thomas Mann noch einmal jemand aus der neueren Literaturgeschichte dieser Richtung vorstellbar wird? Die Bachmann vielleicht, mit dem Zubehörteilchen Max Frisch, den sie an die Hand nimmt? Klackend kann man ihn an sie herandrücken? Sarah Kirsch mit Aquarellpinsel oder Mascha Kaléko mit gepacktem Koffer. Aber das sind dann eher Insider, ein Verkaufserfolg wäre äußerst zweifelhaft.

Den Grass könnte man sich dagegen leicht als Figur vorstellen, mit abnehmbarem Schnurrbart und rotweißer Blechtrommel.

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Mit der Herzdame spaziere ich am Sonntag durch die neuesten Ecken der Hafencity . Ab und zu dort das murmeln, was alle aus Hamburg mit einem gewissen Alter dort von sich geben: „Wir wissen noch, wie hier nichts war.“

Ein Neubau mit bemerkenswerter, modern verschachtelter Fassade in der Hübenerstraße, Hafencity

Einige Erinnerungsaspekte bekommen wir nicht mehr zusammen, es stehen Neubauten in den Bildern herum. Irgendwo dort haben wir einmal Lindy-Hop getanzt, aber die eine Kaimauer passt nicht ins Bild, wie ging das zu. Ist das alles verlagert worden, fließt das Wasser nun woanders, ist es ein Erinnerungs-Glitch.

Wenn man an den Elbbrücken aussteigt, wo die U-Bahnlinie noch knapp vor dem Wasser endet und irgendwann rübermachen wird, geht man durch fast menschenleere Neubaugebiete. Hier und da noch etwas Brachland und Baustellenschutt am Straßenrand, einige verloren wirkende Bagger. Wenn man durchs ganze Revier auf die historischen Landungsbrücken zugeht, wird es nach und nach immer voller um einen herum. Als würde man in einem Film alle paar Meter auf einer besonders langen Kamerafahrt mehr und mehr Komparsen aus den Nebenstraßen ins Bild strömen lassen, so sieht das aus.

Der Versmannkai mit Blick in Richtung Elbbrücken

Erreicht man dann die Stellen, an denen man die ersten guten Foto-Aussichten auf die Elbphilharmonie hat, wird es derart volksfesthaft voll um einen herum, dass man schon wieder bitterböse Essays über den Overtourism und die Disneyfizierung von Städten und Häfen schreiben möchte.

Man kann schließlich nicht mehr geradeausgehen. Man muss sich überall durchdrängeln und biegt endlich als Mensch, der tatsächlich Strecke machen möchte, entnervt ab. Schlägt sich quer und durch eher untouristische Abkürzungen in die gute, alte Innenstadt, in der man an Sonntagen ausreichend Platz für sich hat. „Geht doch“, möchte man da sagen, und mit diesem Satz, mit dem man in der Hafencity noch die anderen am liebsten aus dem Weg pöbeln wollte, nun zur Abwechslung die eigene Bewegungsform meinen.

„Geht doch!“

In den Bildern habe ich heute noch etwas Vorrat aus dem Sommer abgebaut. Es fällt kaum auf, es sind in der Hafencity längst nicht überall herbstliche Bäume oder Büsche im Bild.

Hongkongstraße, das Greenpeace-Gebäude

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Abends sehr schlecht gelaunt und in Anbetracht der anstehenden Termine verfrüht verärgert die neue Woche erwartet, die sich im Kalender besonders vollgepackt präsentiert, vielleicht sogar rekordverdächtig für dieses Jahr. Mich dann intensiv darüber geärgert, dass ich mich geärgert habe, dann über meine Entspannungsunfähigkeit geflucht, dann über alles. Wenn man es draufhat, hat man es drauf.

Nichts angezündet. Immer auch das Positive werten.

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Einer der kleinen Zufälle noch, einer der eher liebenswerten Art: Auf dem Weg ins Theater am Sonnabend, zu Macbeth in den Kammerspielen, hörte ich Tusk von Fleetwood Mac, weil ich die neulich gesehene Doku auf arte immer noch etwas verarbeite, wie auch eine Art stark verspäteten Crush auf Stevie Nicks.

Tusk hat diesen eingängigen Rhythmus, der da das ganze Stück durchgetrommelt wird, und im Theater gab es dann zwischendurch einen etwas spartanischen, harten Soundtrack – sehr ähnlich diesem Trommelrhythmus, wenn nicht genau gleich, jedenfalls eine schlüssige Fortsetzung. Ich fand wieder alles sehr fein verbunden.

Es ist aber auch ein gutes Stück, um in die Woche zu starten, glaube ich, ein gewisser Rhythmus für die nächsten Tage wird gebraucht. Das mal lauter und öfter hören.

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Marienkäfer, Macbeth

In der Regenrinne unter den Dachfenstern gehen suizidale Marienkäfer ins dort seit Tagen stehende Wasser, Hunderte von ihnen. Würde man sie retten wollen, es wäre ein stundenfüllendes Programm. Eine nicht zu bewältigende Aufgabe wäre das, man kommt auch gar nicht überall an, so lange Arme hat hier niemand. Nur anderes Wetter würde den Insekten noch zur Überwinterung im Trockenen verhelfen. Aber danach sieht es nicht aus, es kommt weiter ab und zu Wasser von oben nach.

Es wird also unübersehbar viel gestorben, noch ein Vorgriff auf den traditionell damit verbundenen November.

Passend dazu habe ich mir Macbeth in den Hamburger Kammerspielen angesehen, aus dem Drama kommt bekanntlich kaum eine Figur lebend raus. Damals in der Oberstufe haben wir den Text ein Schuljahr lang durchgekaut, Zeile für Zeile, Stunde um Stunde. „Like two spent swimmers, that do cling together“, manche Zeilen sind mir daher bis heute seltsam präsent. So viel Zeit haben wir damit zugebracht, mühsam herumgebracht.

Die Fassade der Hamburger Kammerspiele bei Dunkelheit

Es spricht für Shakespeare, dass mir das Stück trotz dieser Qualen guter Erinnerung blieb. Schier unkaputtbar durch Unterricht kamen und kommen mir Shakespeares Werke vor, vielleicht kann man als dichtender Mensch mehr nicht erreichen.

In den Kammerspielen nun eine Version von John von Düffel. Er hat aus dem Drama ein Zweipersonenstück gemacht, nur Macbeth und seine Gattin treten auf. Alles wurde drastisch reduziert auf den Kern. Die beiden spielen 90 Minuten ohne Pause durch und verfallen in erheblicher Geschwindigkeit der Macht, dem Wahnsinn und der Dynamik ihrer Beziehung. In eben der anschaulichen Entwicklung, die Shakespeare, das stellt man unweigerlich erneut fest, so unfassbar treffend und leider ewiggültig dargestellt hat.

Es wurden keine aktuellen Bezüge ins Stück eingebaut, obwohl man es als Kulturkonsument routiniert erwartet. Man denkt die Bezüge aber ohnehin unwillkürlich mit. Die Zeiten, unsere Zeiten, sind vielleicht auch wieder Macbeth-lastiger geworden in den letzten zehn, zwanzig Jahren, es kommt vermutlich nicht nur mir so vor. Das Drama wird ohne jede Hilfe wieder frischer. Und was für ein schlechtes Zeichen das ist, was für eine unerfreuliche Erkenntnis. „Wenn wir die Macht besitzen, machen wir die Wahrheit, und was wir sagen, wird Gesetz.“ Neofeudalismus ist ein Schlagwort unserer Zeit, es passt schon alles zusammen.

Beim Deutschlandfunk gibt es gerade ein empfehlenswertes Gespräch über sein neues Buch mit dem Soziologen Andreas Reckwitz: „Verlust ist die prägende Erfahrung unserer Zeit.“ Es sind viele anregende Passagen darin, gerne gehört. Wenn man den aktuellen und aus meiner Sicht krassen Verlust unserer Fortschrittsgläubigkeit betrachtet, erscheint es nicht so abwegig, bei einigen Aspekten wieder näher an Shakespeare zu sein. In dessen Zeit eine selbstverständliche Fortschrittserwartung noch nicht einmal erfunden war. Es gibt Verbindungslinien, scheint mir.

Ankreiden muss ich der Inszenierung, dass ich jetzt Interesse und Neigung hätte, bei Shakespeare nachzulesen, wie es im Original zuging, mit deutlich mehr als zwei Personen. Wer hat denn Zeit für so etwas.

Regie Sewan Latchinian. Auf der Bühne verausgaben sich Jacqueline Macaulay (Tochter eines schottischen Offiziers, wie passend geht das zu) und Hans-Werner Meyer bis zum bitteren Ende. Die beiden sind auch abseits der Bühne ein Ehepaar und haben in Streitfällen also berufsbedingt ganz andere Text- und Inszenierungsmöglichkeiten als unsereiner, das muss auch faszinierend sein.

Vorführungen bis zum 17. November, man kann das noch einplanen.

Der Fußweg an der Binnenalster, Ballindamm, mit Herbstlaub bedeckt

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Klischee-Herbst der goldigen Art

Gehört: Ein Zeitzeichen zu Chopin und auch ein Kalenderblatt. Die feinen Damen in Paris fühlten sich damals verpflichtet, heißt es da, in seinem Sterbezimmer in Ohnmacht zu fallen. So etwas lernt man doch gerne. Und sein Herz wurde dann in einem Cognac-Glas nach Polen verbracht, wo es sich bis heute befindet, auch interessant. Aber Zeitzeichen und Kalenderblätter eh meistens gute Unterhaltung.

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Man sollte oder könnte zumindest auf Spaziergängen gründlich zur Kenntnis nehmen, was einem begegnet und was man sieht. Bis hin zu den Aushängen an den Kirchen, an denen religionslose Menschen wie ich eher vorbeilaufen, was soll da schon stehen. Gottesdienste, Seniorennachmittage, Adventsveranstaltungen, dies, das, eher nicht so interessant.

Aber eben doch. Dem Konzertkalender von St. Jacobi in der Innenstadt entnehme ich etwa, was ich längst hätte wissen können, nämlich dass es dort an jedem Donnerstag, außer an Feiertagen, um 16:30 eine halbe Stunde Orgelmusik gibt, bei freiem Eintritt. Und Orgelmusik, gerade im Herbst und Winter, nehme ich gerne mit.

Eine Jacobs-Figur an einer Säule in St. Jacobi

César Franck wurde am letzten Donnerstag gespielt, er war mir nicht geläufig. Aber bei klassischer Musik ist bei mir eh alles Bildungsbrache, auch wenn ich gerne und viel Bach oder etwa Händel höre. Sonst habe ich nur vereinzelte, eher zufällige Kenntnisse und geläufig ist mir manchmal das, was vermutlich fast alle kennen. Ein wenig von dem oben erwähnten Chopin etwa, die Gassenhauer von Brahms und Beethoven und dergleichen, die Mozart-Tophits.

Aber das ist alles ohne jede Expertise, ohne Hintergrund und also ohne diesen besonderen Genuss, der sich vermutlich erst durch besonders kundiges Wahrnehmen und langes Studium ergibt, wenn man mit Klavier im Wohnzimmer, Hausmusik und dergleichen aufgewachsen ist und vielleicht auch selbst musizieren kann.

Egal, dennoch ab und zu Klassik hören. Dennoch manchmal etwas mutig gut finden, auch laienhaft.

Die Kirche war ordentlich besucht. Das wird dort eine erfolgreiche Reihe sein, nehme ich an, und vermutlich hat sie nun einen neuen Stammgast. Wenn ich mir die Termine denn erkämpfen kann, aber eine halbe Stunde Orgelmusik pro Woche klingt auch nicht wie ein maßlos übertriebenes Ansinnen.

Orgeln sind nicht jedermanns Sache, aber hier zur Illustration noch etwas von César Franck:


Nächste Woche Bach am Donnerstag, das gleich mal fester einplanen.

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Ansonsten Klischee-Herbst der ausgeprägt goldigen Art. Das gleiche Programm wie immer, es ist alles bekannt aus den Vorjahren, ohne jede Originalität in der Ästhetik oder Überraschung im Stil. Dennoch stehen wir staunend und verzückt vor dem, was uns saisonal geboten wird und möchten jeden Oktobersonnenuntergang einrahmen und am liebsten behalten. Es ist das gleiche Gefühl, das wir bei den ersten Kastanien haben, nach denen wir uns begeistert bücken und die wir auch so gerne festhalten wollen.

Wir schlichten Gemüter.

Ein Baum mit Herbstlaub an einer Uferpromenade in der Hafencity

Während es weiter noch wärmer wird und das gestern halb im Scherz erwähnte T-Shirt-Wetter nun von vielen in aller Deutlichkeit ausgelebt und vorgeführt wird, in der Fußgängerzone sehe ich Szenen wie im frühen September, schließen die Eisbuden, fällt das Laub, dunkelt es früher, novembert es im Hintergrund heran.

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Butternut mit Plätzchen

Die Kaltmamsell weist auf Fluter hin. Ich habe dieses Magazin vor einiger Zeit aus den Augen verloren, so etwas passiert in diesem Internet leider ab und zu. Es ist auch etwas unübersichtlich, so in der Gesamtheit, wie ich als studierter Bibliothekar gelegentlich missbilligend feststelle.

Wie aber auch mein Feedreader immer wieder einfach beschließt, einige Seiten lieber doch nicht mehr zu abonnieren. Ohne mir vorher Bescheid zu sagen. Ich merke das längst nicht in jedem Fall, denn es ist tendenziell schwer, Fehlendes zu bemerken.

Es ist eigentlich das Gegenteil von KI, was da in diesem Feedreader passiert. Es ist eher KD, Künstliche Dummheit. So etwas wie digitale Schusseligkeit, oops, weg ist das Abo. „Das macht doch nichts, das merkt doch keiner.Hans Scheibner hat das vor hundert Jahren so gesungen, manche erinnern sich vielleicht noch.

Und apropos KI, dieser Feedreader hat jetzt auch so ein vermeintlich durchblickendes Feature. Es versucht, die Texte der abonnierten Medien einzusortieren. Und fragt mich dabei dauernd etwas zu den Artikeln, etwa bei der Kaltmamsell schon fast stereotyp: „Is this article about weather?“

Ja, das Wetter wird bei ihr vielleicht in einem Satz erwähnt, aber this article is not about weather, you artificial idiot.

Ich beantworte diese Fragen nicht, in keinem Fall, warum sollte ich eine KI freiwillig und unbezahlt trainieren. Aber ich finde doch interessant – das Ding liegt in der Mehrheit der Fälle falsch. Gewürfelt wären manche Ergebnisse besser oder gleich.

Wie auch immer. Ich bin jedenfalls oft dankbar, wenn irgendwo wieder an Seiten, kleinere oder etwas entlegenere Medien, Blogs, Newsletter etc. erinnert wird und ich diese Quellen dann finden oder wiederfinden kann.

Verlinkungen sind nach wie vor eine feine Sache, das wollte ich nur eben sagen.

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In diesem Sinne: Kid37 über das Bahnfahren und mangelnde Sitzgelegenheiten im Bahnhof. Im Hamburger Hauptbahnhof, das wäre Zeitreisenden vermutlich schwer zu erklären, hat man sich gefälligst nicht hinzusetzen, möglichst nirgendwo. Und falls man als durchreisender Mensch ermattet auf einer Treppe niedersinkt, um auf den Stufen endlich etwas zu verweilen, was recht vielen Menschen dort passiert, dann kommt der Sicherheitsdienst und belehrt ebenso stramm wie verweisend.

Die Halle des Hamburger Hauptbahnhofs am Abend

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Am Donnerstagnachmittag fällt T-Shirt-Wetter noch einmal über Norddeutschland her, neunzehn Grad gibt es auf einmal, zumindest hier in der Innenstadt.

Vorderansicht des Hulbe-Hauses in der Hamburger Innenstadt

(Im Bild das Hulbe-Haus)

Man möchte alles von sich werfen und irgendwo in den Resten der verbliebenen Außengastro Aperol in der Pumpkin-Spice-Variante zu sich nehmen. Falls es das überhaupt gibt. Wenn es das nicht gibt, ist es vielleicht eine Marktlücke. Eine besonders einladende Marktlücke sogar, Kürbis und Aperol passen immerhin schon farblich vorzüglich zusammen. Da mal ein Konzept schreiben.

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In Hamburg öffnet der erste Weihnachtsmarkt bereits in zwei Wochen. Gleich nachdem ich die entsprechende Nachricht in den lokalen Medien eher unwillig zur Kenntnis genommen habe, sehe ich in zwei Foodblogs auch prompt die ersten Plätzchenrezepte.

That escalated quickly, dabei bin ich noch nicht einmal über den Einstieg in die Kürbissaison hinweggekommen. Der Rest vom Butternut liegt hier noch im Kühlschrank und will dringend versuppt werden.

Mit Süßkartoffel, Ingwer und Kokosmilch, denke ich.

Herbstlaub in der Hamburger Innenstadt (Gertrudenkirchhof)

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Müde Hunde und versenkte Fahrräder

Gehört: Ein Zeitzeichen über Oscar Wilde.

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In Hammerbrook gibt es Kunst an der S-Bahn. Urban Art an den Säulen bei der Station, ich sehe das Projekt auf dem Weg ins Büro (hier ein erhellender Artikel darüber, hier noch einer). Ich habe die neu gestalteten Säulen schon in der letzten Woche gesehen, aber sicherheitshalber erst einmal nicht fotografiert. Um ausschließen zu können, dass es am Ende nur Werbung für eine neue Limo, ein chinesisches Auto oder ein weiteres Smartphone ist. Denn dann hätte es mir nicht gefallen, was da zu sehen ist. Wie bunt auch immer es ausfällt, dann hätte es mir kaum gefallen dürfen.

Eine bunt mit dem Wort Dreams bemalte Säule unter der S-Bahn in Hammerbrook

Jetzt aber, wo ich weiß, dass es keine Werbung ist, könnte es mir immerhin gefallen. Jetzt lasse ich das vorsichtig zu und könnte darüber nachdenken, quasi die Eröffnung einer Möglichkeit. Was vermutlich nebenbei interessant für das Kunstverständnis an sich ist. Aber Urban Art muss bei mir ohnehin erst eine Weile einwirken. Ich finde diese Arbeiten selten spontan schön oder gut, oft auf den ersten Blick eher störend. Manchmal nach Wochen des Vorbeigehens dann doch okay oder im besten Fall sympathisch. Wenn sie erst dazugehören und Teil der Stadt, der Spaziergangsroutinen und Alltagsausblicke geworden sind. Heimataspekte und Zuhausezubehör im Reviersinne.

Dass einem die so farbigen DREAMS aber von einem müden Hund auf der ersten Morgenrunde achtlos angepinkelt werden, nun, es ist eben Hammerbrook. Es passt schon. Es passt sogar sehr gut.

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Ein weiterer besonders wilder Tag ist der Mittwoch ansonsten und selbst der Abendspaziergang wird noch mit Terminen, Aufgaben, Absprachen und ehelichen Debriefings verbunden. Es geht zu weit und soll sich so nicht fortsetzen, wenn es nach mir geht. Wonach allerdings wenig zu gehen scheint, wie ich mittlerweile einsehen muss.

An der Alster, nein, in der Alster eher, ich sehe es im allzu zügigen und zielorientierten Vorbeimarsch, liegt eine Installation, die schon darauf hinweist, dass wir in der zweiten Hälfte des Oktobers sind. Noch einmal durchdachte und sorgfältig ausgeführte Urban Art, die zeitig mahnt, dass wir alle haltlos in den November fallen werden, und wie bald schon.

Ein Fahrrad liegt am Ufer in der Alster

Die uns also verdeutlicht, dass Texte von Tom Waits und anderen Experten für Düsternis und Depressives bald in den nur gedachten Untertiteln mitlaufen dürfen, während wir uns die spätherbstliche Stadt beim abendlichen Gang ansehen.

Denn nicht nur in Berlin wird es dunkel und kalt, wie es der Herr Regener mit seiner Truppe so ansprechend und einprägsam besungen hat.

Ich habe gute Erinnerungen an dieses Lied, besonders gute, denn anlässlich der ersten Verse habe ich vor Jahren mit einem Sohn ein langes und für unsere bescheidenen Verhältnisse tiefsinniges Gespräch über Liedtexte und Lyrik überhaupt geführt. Was da alles geht, wie genau und mit welchem Zweck, ob sich diese Frage überhaupt stellt und warum nicht.

Weil der Anfang damals so einladend war, schon beim ersten Hören, diese einleitenden drei Zeilen:

Ich wäre gerne ein Gummibär
Da gibts die gelben und die roten
Das sind alles Vollidioten.

Ein Texteinstieg, mit dem man etwas anfangen kann, auch als Kind. Ist das Ernst, ist das Unsinn, was soll das, was macht das.

Aber ich schweife unkontrolliert ab, pardon.

Die Inszenierung in der Alster gemahnt selbstverständlich mit einiger Dringlichkeit nicht an Element of Crime, sondern an diese Textzeilen des anderen Großmeisters:

Somebody must have an orphanage for

All these things that nobody wants evermore.

Passend und very deep, dass ich ausgerechnet an diesem Tag nicht allein, sondern mit der Herzdame dort entlanggehe, das kommt bei uns sonst kaum vor. Aber es gilt eben:

Summer is gone, our love will remain

Like old broken bicycles out in the rain.

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