Geschenktipps für Kinder – die seltsameren Ideen

Die nächsten Wochen bieten sich für Geschenktipps an, nicht wahr, einige ratlose Menschen werden schon auf der Suche sein. Die Söhne und ich geben also ab und zu ein paar Hinweise auf Sachen, die uns in diesem Jahr gefallen haben – ohne Affiliate-Gerödel, ohne bezahlte Werbung, einfach so.

Los geht es mit zwei vermutlich seltsam anmutenden Hinweisen. Nach den Spielerfahrungen hier zu urteilen, die ich nicht nur bei den Söhnen sondern auch bei deren Freunden beobachtet habe, handelt es sich aber in beiden Fällen um so etwas wie völlig unterschätze Knaller. Nämlich erstens: Ein Geldzählbrett. Wenn unklar, bitte den Begriff genauso googeln, dann staunen und erinnern, das hat man doch mal bei der Bank oder der Post gesehen. Das soll ein Spielzeug sein? Was?

Und ob es eines ist. Es ist erheblich interessanter als jedes Sparschwein, es führt zu stundenlanger und hochkonzentrierter Geldzählerei, es übt ganz nebenbei auch noch Mathe mit den Kindern. Und nachdem ich das jetzt wochenlang beobachtet habe, möchte ich mit großer Sicherheit behaupten – das Ding macht Kindern Spaß. Man kann es natürlich auch sehr passend mit einem Sack Kleingeld überreichen, das macht das Geschenk sicher noch attraktiver, sehr kleines Kleingeld reicht auch.

Hier gab es das zur Einschulung von Sohn II, und die Söhne haben spontan beschlossen, künftig gemeinsam zu sparen und das Geld nur noch in dem Teil aufzureihen und zu zählen. Das hatte dann noch einen Nebeneffekt, denn weil die Söhne selbstverständlich zwischendurch doch einmal Einzelwünsche haben, müssen sie eventuell entnommene Anteile von der Gesamtsumme abziehen, die dann wieder neu durch zwei geteilt werden muss, um die Anteile neu zu justieren und wieder und wieder abzuwägen, ob nun gemeinsame oder Einzelziele attraktiver sind. Das ist gar nicht unkompliziert, denn man muss sich für derartige geschäftliche Entscheidungen mehrere Zahlenwerte merken – aber man staunt, wie die Kinder plötzlich rechnen können, dabei entstehen sogar erstmals im Leben formelartige Notierungen. Es ist eben alles eine Frage der Motivation.

Der zweite Tipp ist eigentlich so naheliegend, dass ich mich fast wundere, wieso man das Gerät nicht längst in jedem Kinderzimmer findet: eine mechanische Schreibmaschine. Die bekommt man auf dem Flohmarkt für kleines Geld, Farbbänder und Tippex gibt es immer noch im Handel, das Zeug riecht sogar noch wie früher, da staunt man. Eine mechanische Schreibmaschine ist für alle Kinder ab Vorschule ein Hauptspaß, ein Sofortdrucker ohne Bildschirm, ein krasses Gadget mit Retromechanik – und man kann damit sogar richtige Botschaften produzieren! Die andere gleich lesen können! Ohne App oder Programm oder besondere Hardware oder so, ganz einfach, das freut auch den Feind des Digitalen, es gibt doch in allen Familien solche seltsamen Vögel. So eine Schreibmaschine ist erstens wirklich bestes Entertainment für die Kinder, sie ist zweitens mittlerweile aber auch ein veritables Stück Kulturgeschichte und übt dann noch Buchstaben und sowieso irgendwann erwünschte Tastaturkenntnisse – und sie sorgt für eine Geräuschkulisse im Kinderzimmer, bei der zumindest Menschen meines Alters schwerst nostalgisch werden und plötzlich bei der Arbeit wieder rauchen möchten, wie damals, als man noch im Einzelbüro saß und tagelang zweifingrig auf die Buchstaben hämmerte, man kann es sich schon fast nicht mehr vorstellen.

Aber da reißt man sich als Vorbild natürlich zusammen und raucht nicht. Und man braucht auch kein Nikotin, man kann ja ab und zu ja am Tippex schnüffeln. Wenn die Kinder nicht hingucken, versteht sich.

Geldzählbrett und mechanische Schreibmaschine jedenfalls – beides Zeug aus der Vergangenheit, beides sicher überaschende Geschenke. Es muss nicht immer alles erwartbar sein.

Kurz und klein

Wider den Zeitgeist: Clowns

Es ist so oft die Rede davon, dass man gegen den Hass angehen muss, gegen den allgegenwärtigen Schwachsinn und den Irrsinn, ich hatte dazu in der letzten Zeit auch einige Texte hier verlinkt, etwa zum Umgang mit Trollen. Aber Verlinken reicht nicht, man muss auch etwas tun, weswegen ich jetzt eines der brandaktuellen Themen dem Zeitgeist entreiße und in diesem kleinen und kulturverklärenden Blog auf ein harmloses, wenn auch sehr trauriges Lied zurückführe, in dem die Figuren aus dem Titel ausdrücklich überhaupt nicht vorkommen, zumindest nicht als reale Erscheinung. Nix mit Horror, nix mit Grusel, es sei denn, man hält Liebeskummer für ein Thema in diesen Kategorien, aber das führt jetzt zu weit.

“Send in the clowns” von Stephen Sondheim ist ein Klassiker im Repertoire aller großen und ganz großen Sängerinnen und Sänger, ein zunächst vielleicht nicht übermäßig kompliziert wirkendes Stück, aber wohl nicht eben einfach zu singen. Und beim ersten Hören vielleicht auch gar nicht recht zu verstehen – worum geht es da? Es geht um etwas Tragisches, das hört man gleich, um eine schmerzhafte Erfahrung, aber was genau? Es geht um falsches Timing in der Liebe. Eines verliebt sich, das andere will nicht recht, dann doch – da ist der Zug schon abgefahren, “nun steh ich da, vor leerem Haus” – mehr dazu hier.  Im Theater hat man früher Clowns auf die Bühne geschickt, wenn etwas schief ging, um die Panne zu überspielen: send in the clowns. Wobei das eventuell historisch gar nicht stimmt, aber so ist das Bild jedenfalls gemeint, das hat Sondheim immer so erklärt. Das muss man vorab wissen, sonst versteht man den Song nicht.

Auch Frank Sinatra erzählte übrigens bei einem seiner Auftritte, dass ihn wieder und wieder Menschen gefragt haben, was das mit den Clowns denn bloß bedeuten soll, es erschließt sich also auch englischsprachigen Hörern nicht sofort.

Beginnen wir zum besseren Verständnis aber gleich mit der deutsche Version von Tim Fischer, wobei das eigentlich die Version von Zarah Leander ist, geradezu gruselig genau wiedergegeben, da sitzt wirklich jeder Konsonant.

Und danach dann Frankie und Tony Mottola, ebenfalls eine großartige, aber auch hinreißend entspannt wirkende Aufnahme von zwei Altmeistern.

Dann kann man nach seltsameren Sachen suchen, wer hat das denn noch aufgenommen? Da gibt es auch Überraschungen.

Hier noch mit etwas Kontext und Kostüm aus dem Stück, das ist die Version von Liz Taylor:

Man merkt vielleicht schon, das Stück wird nicht zwingend besser, wenn es “schön” gesungen wird, im Gegenteil. Aber noch einmal zum Vergleich:

Es gibt herrliche Clips, in denen Sondheim selbst das Lied unterrichtet, sein Lächeln ist ganz wunderbar und es ist sehr interessant, was er anmerkt:

Aber die Killerversion ist und bleibt doch die von Judi Dench. Herzzerreißend, todtraurig, hoffnungslos. Das ist großes Schauspiel, man sehe sich einmal die Mimik über das ganze Stück hinweg genau an. Umwerfend.

Und so hat man Clowns dann doch wieder ganz gerne – als Andeutung, als etwas unklares Symbol, als bloße Metapher für Pannenhilfe und Seelentrost, als Verkörperung des schöneren Scheiterns. Dazu muss man die Clowns nicht einmal sehen, man muss es nicht einmal für möglich halten, dass sie tatsächlich auftauchen – und da ist auch gut so.

Kleine Anmerkung zum Thema Kindkrankmeldung

Hier drüben gab es etwas zum Wahnsinn der Kindkrankmeldungen, ein völlig irres Thema, je länger man darüber nachdenkt. Auch die Kommentare sind dort lesenswert, da kommen dann noch spannende Zusatzthemen wie etwa Privatversichungen und Beamte. Es ist kompliziert.

Ich kann mich ja schon aufregen, dass einen dieser komplett wahnwitzige Vorgang dazu zwingt, Briefe hin- und herzuschicken, ich meine: Briefe! Mit bunten Briefmarken und so! Alle Welt hat meine Daten, Datenschutz gibt es längst nur noch als Gerücht, aber wenn es einmal total sinnvoll und praktisch wäre, diese auch auszutauschen, dann geht das plötzlich nicht, dann muss man im letzten Schreibwarenladen der Stadt Umschläge kaufen und Briefe schreiben und im Kinderzimmer Stifte suchen und per Hand Adressen abmalen und herausfinden, ob diese Postkutschen heute überhaupt noch fahren und danach auch noch, wo eigentlich im Betrieb dieses Personalbüro ist von dem immer alle reden und wer da für was zuständig sein mag und das alles. Das erzeugt an allen Ecken und Enden des Prozesses komplett sinnfreie Beschäftigungen, nichts als ABM, jemand verkauft Umschläge, jemand trägt Briefe aus, jemand öffnet Briefe, jemand schreibt sie ab, jemand rechnet etwas nach, jemand kopiert ein Blatt, jemand heftet etwas ab und vermerkt etwas darauf, vermutlich sind sogar Stempel im Spiel, die Älteren erinnern sich, alles sinnfrei, ich kann so etwas schon aus beruflichen Gründen nicht ab, das macht mich wahnsinnig. 

Und dann ist es ja so, dass jeder Betroffene irgendwann auf die Idee kommt, dass es doch wirklich wesentlich einfacher ist, sich selbst krank zu melden, statt dieses Riesenrad “Kindkrank” zu drehen und dafür noch finanziell bestraft zu werden, zumal man ja beim Nachdenken über das Thema tatsächlich Kopfschmerzen bekommt. Ich mache das natürlich nicht, ich mache immer alles richtig, eh klar. Aber Menschen bei Verstand? Man muss sich ja nur mal etwas im Bekanntenkreis umhören. Das System zwingt einen geradezu zur Lüge, man kommt sich doch bekloppt vor, wenn man sich dabei richtig verhält. Und wer kann damit schon umgehen, sich bekloppt zu fühlen? Also wer außer mir? Eben.

Ich kann mich noch gut an mein Staunen erinnern, als ich mich zum ersten Mal brav, systemkonform und schafdumm kindkrank gemeldet habe – und mir dann erklärt wurde, wie das geht. Das Procedere ist ein Relikt aus der Bürosteinzeit, das war 1980 vielleicht mal eine moderne, zeitgemäße Lösung, aber das ist wirklich schon eine Weile her.

Pädagogisch wertvolles Gemüse für Familien

Keine bezahlte Werbung, keine Blogkooperation. Einfach nur aus Neugier gestestet.

Etepetete verschickt Biogemüse, das für den Handel zu murkelig ist. Rumpelrüben, verquere Kartoffeln und so weiter, alles, was auf den ersten Blick nicht ganz dem Standard im Supermarkt entspricht. Das kann man alles drüben bei der Firma nachlesen, wie das genau funktioniert, ich schreibe das nicht ab. Da sind manchmal auch Exemplare in den Kisten, bei denen man nicht recht versteht, warum die nicht in den normalen Handel gingen, das folgt alles höchst eigenartigen Gesetzen.

Gemüsebox

 

Die handlichen Pappkisten kommen per UPS und am Freitag, das hat hier problemlos und pünktlich geklappt, das Gemüse war auch trotz der Reise in bestem Zustand, das kann man alles so machen. Wir machen das zwar nach zwei Testwochen nicht weiter, aber das liegt daran, dass ich mit dem Versandkistenkonzept generell nicht mehr gut zurechtkomme und mittlerweile eher ein überzeugter Freund des Wochenmarkts bin. Ware, die ich will, weniger Müll, aus der Region und so weiter, das passt alles. Für andere kommt das Versandkonzept aber gut hin und wir haben jedenfalls nichts gefunden, was uns an der Ware gestört hätte.

Aber das alles nur am Rande, das ist alles ganz unerheblich. Wichtig war die Reaktion der Söhne, die nämlich als typische Stadtkinder tatsächlich keine Ahnung hatten, in welcher Formenvielfalt so etwas wie die normale Karotte aus der Erde kommen kann. Oder die Kartoffel. Es gibt sie ja nur in Perfektion im Handel. In der Kiste waren sehr verschwurbelte Exemplare, auch solche, die zu äußerst flachhumorigen Betrachtungen Anlaß gaben, das ist bei Kindern in dem Alter wohl nicht ganz zu vermeiden. So kam es hier zu der äußerst ungewohnten Situation, dass die Söhne voller Begeisterung Gemüse ausgepackt haben, sehr interessiert an der Formenvielfal, an all den Abweichungen von der Norm. Es kam dabei auch zu spontanen Verliebtheiten in besonders liebenswert vermurkelte Gemüseschönheiten, die dann in ein etwas unreflektiertes Behaltenwollen eskalierten. Da kann man dann als Vater schöne Gespräche über die Vergänglichkeit der Knollen und der Schönheit anhängen, da ist die Sache mit dem Bildungsauftrag dann auch gleich wieder geregelt.

Karotte

 

Tatsächlich wurden die schönsten Sondermöhren dann nur unter Protest der Söhne verarbeitet und auch erst, als sie noch etwas seltsamer aussahen als ohnehin schon. Geschmeckt haben sie dennoch.

Paprika

 

Für Stadtkinder, die ansonsten von Ernte und Landwirtschaft keinen Schimmer haben, ist diese Kiste auf jeden Fall zu empfehlen. Das klingt vielleicht wie ein Scherz, aber ich fand es wirklich sinnvoll.

Das Bestellmodell sieht ein Abo vor, man kann nach zwei Lieferungen kündigen, das hat auch sofort und reibungslos geklappt. Regional wäre das Konzept sicher noch sympathischer und zum Versandhandel kann man eh verschieden Meinungen haben, aber generell finde ich es gut und richtig, wenn solche Firmengründungen ausprobiert werden.

Gemüsebox

Kleiner Nachtrag zur Lesung in Stuttgart

Die Lesung in Stuttgart im überaus empfehlenswerten Merlin – wenn ich da wohnen würde, ich wäre sicher Stammgast – wurde auch von Kindern besucht, weswegen ich das erste Mal überhaupt das große Glück hatte, während einer Lesung gezeichnet zu werden. Fotografiert wird heute ja jeder, gezeichnet zu werden ist viel cooler.

Die Künstlerin war etwa sieben oder acht Jahre alt, ich weiß leider nicht, ob ich ihren Namen hier nennen darf, sie hieß also einfach K. Und sie hat sehr genau hingesehen und mich wirklich gut getroffen, mit Mikro, Buch, Getränk und Charakterohren. Die Söhne hier haben das Bild lange studiert und sind dann zum Schluss gekommen, dass sie eindeutig saugut zeichnen kann, was mit deutlichem Respekt und vielleicht sogar ein wenig Neid in den Stimmen verkündet wurde. Ich glaube, sie zeichnen in nächster Zeit beide etwas mehr, da muss etwas aufgeholt werden.

buddenbohm-liest

 

Und ich möchte jetzt bitte immer auf Lesungen von Kinder gezeichnet werden, das ist ganz großartig.

Briefkastenonkel Buddenbohm

Mal wieder ein paar Anmerkungen zu Suchbegriffen, mit denen Menschen via Google etc. in den letzten Wochen auf diese Seite kamen.

“Früher war alles besser”

Damit landet man nun also bei diesem kleinen Fachblog für nostalgische Verklärung, ist das nicht schön? Nun. Kleiner Scherz. Früher war sehr wenig wirklich besser. Aber tatsächlich fand ich die Gesellschaft um mich herum “früher” (sagen wir: bis Herbst 2015) erträglicher, als der tägliche, routinierte Hass noch nicht ganz so offensichtlich aus der Büchse der Pandora entwichen war. Und damit meine ich nicht nur die Kommentare im Internet, ich meine auch den Hass, die Verachtung und das hemmungslose Ausleben von Vorurteilen im Real-Life-Alltag, denn all dies scheint sich überdeutlich immer mehr auszubreiten. Ich habe neulich zwei Autofahrer gesehen, die sich hier um die Ecke beim Einparken in die Quere kamen. Die stiegen nach dem ersten Hupen beide aus und haben sofort angefangen, sich zu prügeln, wie in einem Bud-Spencer-Film. Keine Diskussion, kein Gepöbel, kein Geschubse, gleich zack, richtig auf’s Maul. Und die sahen beide ganz normal und bürgerlich und zurechnungsfähig aus, die waren auch beide älter als achtzehn Jahre. Das ist seltsam, so ein Verhalten, das war doch sonst nicht so, nicht wahr, aber es passt irgendwie ins Bild dieses Jahres. Als hätte ein gelangweilter Gott den Aggressionsregler hochgedreht, um mal zu sehen, was dann passiert. 

“Trauma Einschulung”

Ich zum Beispiel musste bei der Einschulung eine kratzende und auch noch karierte Hose tragen, darüber habe ich sogar schon einmal geschrieben, so sehr beschäftigt mich das noch, da kann man mal sehen. Mit der Spätfolge, dass ich immer noch alles hasse, was kariert ist und insgeheim alle Menschen für Psychopathen halte, die freiwillig karierte Kleidung, insbesondere aber karierte Hosen tragen. Auf dem Weg zur Arbeit komme ich täglich an einem Fachgeschäft für Golfzubehör und – bekleidung vorbei, das finde ich sehr herausfordernd. Schlimm. Die Söhne allerdings fanden ihre Einschulung beide super, soweit mir bekannt.

“Schwangerschaftsmanager”

Siehe Parkraum-Manager? Siehe Gebäude-Manager? Alle bekloppt. Alleine das Wort schon! Schwangerschaftsmanager. Du meine Güte! Früher, als alles noch besser war – ach nee.

“Wo Schafe am Deich sich begatten”

Da will ich hin, genau, da ist es nämlich auch abgesehen von den Schafen schön und eine größere Dosis Nordfriesland wäre im Moment genau richtig für mich, oh ja. Ergänzend könnte man zum Begatten erwähnen, dass der Schafbock dabei in der Regel eine Art Stempelgerät trägt, damit der Landwirt erkennen kann, welche Schafe ihm schon, haha, untergekommen sind. Das lädt natürlich noch zu vielen weiteren Witzen ein, die ich aber alle nicht mache. So geht Selbstbeherrschung, meine Damen und Herren.

“Lobpreisung eines Hundes”

Gewiss nicht in diesem Blog. Oder zumindest nicht, solange ich in der Stadt wohne. Ich habe einen erheblichen Teil meines Lebens mit Hunden verbracht und sie alle sehr geliebt, seit ich aber da wohne, wo mir Hunde dauernd vor die Tür und auf den Spielplatz der Söhne kacken, ist unser Verhältnis deutlich abgekühlt. Theoretisch ist man in Hamburg gehalten, die Kacke seines Hundes aufzusammeln und zu entsorgen. Ich habe finsterste Gefühle für Menschen, die sich an diese Regel nicht halten, möchte aber auch auf gar keinen Fall einer von denen sein, die das tun. Denn das ist doch tatsächlich ein Fall von: Wenn mir jetzt ein Außerirdischer zuguckt, wie ich frische und noch körperwarme Kacke liebevoll einbeutele … nein. Einfach nein.

“Kochbuch Helgoland”

Ist mir noch nicht begegnet. Wenn auf Helgoland, dann unbedingt hier sehr gut oder hier völlig in Ordnung essen, alles andere ist auf der Insel eventuell etwas heikel, wir haben da Erfahrung.

“Das Bedeut fangen”

Das ist so schön, das hänge ich mir über den Schreibtisch, als ständige Mahnung beim Schreiben. Fang das Bedeut! Fang es noch heut!

“Mi beim Fangen”

Das Mi beim Fangen heißt Klipp, alles andere ist albern. Insbesondere die Variante Klippo ist gerade unerträglich falsch und tut im Ohr weh.

Gelesen – Alberto Manguel: Tagebuch eines Lesers

Deutsch von Chris Hirte. Das Buch fand ich nicht überzeugend. Eine etwas unentschlossene Mischung zwischen Tagebuch und Essay, nichts Halbes und nichts Ganzes, dabei ist die Grundidee schon nett: Der Autor räumt wegen eines Umzugs seine Bücher um, dabei nimmt er auch die in die Hand, die er lange nicht mehr im Sinn gehabt hat, er sieht noch einmal rein und schreibt darüber. Don Quijote, Sherlock Holmes, Kim … Eigentlich ein feiner Plan um Erinnerungen aufzuschreiben, also wann kam das Buch ins Leben, welche Situation war das, wie war die Lektüre damals, wie ist sie heute usw. – der Plan geht allerdings in diesem Buch nicht recht auf, weil der Tagebuchanteil zu entbehrlich ist, als reines Erinnerungsbuch hätte das besser funktioniert. Die Passagen über die Bücher sind selbstverständlich sehr interessant, das wundert bei Manguel nicht.

Aber das kann man natürlich auch einmal überlegen. Ob es nicht vielleicht sinnvoll ist, den steten Zustrom neuer Bücher einmal zu begrenzen und lieber das noch einmal anzusehen, was da seit Jahren oder Jahrzehnten im Regal steht. Ich sortiere regelmäßig Bücher aus, die meisten behalte ich nicht, da stehen nur die, bei denen ich mir ein Wiederlesen vorstellen kann. Aber das ist natürlich ein sehr theoretisches Wiederlesen, wann soll das denn sein? Das ist immer in irgendeinem imaginären Später auf einem herbeiphantasierten Landsitz mit Schaukelstuhl und Kamin, das sich mit jedem Tag weiter vor mir her verschiebt ins Nimmerland.

Aber wenn man nun tatsächlich mal wieder hineinsieht – etwa in Hemingway oder Fitzgerald, die ich als Jugendlicher gelesen habe. Sind das dann immer noch gute Bücher oder ergibt das beim Lesen nur so ein schales Gefühl, als würde ich noch einmal einen Parka mit AKW-Nee-Sticker anziehen? Oder noch einmal so etwas wie Kästners “Drei Männer im Schnee”, eines der ersten “Erwachsenenbücher”, die ich als Kind gelesen habe, etwa mit 12. Oder Eric Malpass. Heute noch gut? Ich möchte es annehmen, gerade bei Malpass, aber ganz sicher bin ich nicht. Das war der erste Autor, der mich mit Familienthemen gekriegt hat, der also das Kunststück geschafft hat, mir Menschen vorzusetzen, ganz normale Menschen, über die ich mit Begeisterung auch zwanzig Bände gelesen hätte, so spannend und amüsant waren deren Verwicklungen, die doch ganz ohne wilde Abenteuer, Sex und Raumfahrt auskamen. Die Idee, dass Familie bei aller Tragik auch lustig sein kann, habe ich wohl von Malpass.

Und natürlich von Kishon, der hier aber nicht mehr im Regal steht, ich weiß gar nicht, wo der geblieben ist, den hatte ich sicher komplett. Kishon fand ich damals so gut, dass ich auch die politischen Bücher gelesen habe, “Pardon, wir haben gewonnen”, das brachte mich dann auf ganz andere Themen. Es ist eigentlich ganz spannend, sich die eigene Lesegeschichte noch einmal ins Gedächtnis zu rufen.

Andererseits ist der Stapel ungelesener neuer Bücher auf dem Nachttisch noch so hoch und es ist wieder gerade etwas erschienen … ach, es ist schwierig. Und komme mir niemand mit langen Winterabenden. Es gibt keine langen Winterabende, an denen man Zeit für irgendwas hat, wozu man sonst nicht kommt. Das ist nur eine schöne Geschichte für Kinder, genau wie die vom Weihnachtsmann.

 

Gelesen: Rüdiger Safranski: Goethe – Kunstwerk des Lebens

Daran habe ich eine halbe Ewigkeit gelesen, immer nur ein paar Seiten am Abend, das Buch ist kiloschwer. Es hebt sehr auf die Ideengeschichte des Herrn Goethe ab, auf die Gestaltung des Lebens nach mehr oder weniger selbstgeschaffenen Maximen, es geht darum, “wie Goethe sich zu Goethe gemacht hat”. Die Themen sind teils nicht gerade einfach, entsprechend bin ich ab und zu dabei eingeschlafen, was mir überhaupt nicht peinlich ist, denn das wird dem Geheimrat selbst auch so gegangen sein.

Das private Leben wird eher kurz abgehandelt, das ist vielleicht ein wenig schade, aber das mag an meinen Interessen liegen, ich lese so etwas gerne. Goethes Ehe kommt sogar etwas arg knapp vor, obwohl sie so unwichtig nun auch nicht war. Es gibt aber dennoch auch für Menschen, die zu Goethe schon ein, zwei Bücher gelesen haben, noch reichlich Details zu entdecken. Dass etwa Goethe der erste deutsche Autor war, der sein Urheberrecht durchgesetzt hat, war mir neu.

image

Und das Ganze lässt mich mit dem etwas unangenehmen Verdacht zurück, dass man vielleicht doch etwas zu wenig nachdenkt. So insgesamt und unterm Strich. Denn das hat Goethe zweifellos getan, stundenlang, tagelang, ach was, lebenslang. Hochkonzentriert und immer mit Ehrgeiz und Einsatz. Man muss nun sicher beim Grübeln nicht gerade das Niveau Goethes erreichen, er galt nicht umsonst als Genie, aber die Frage, ob die Brettchen eigentlich angemessen dick sind, an denen man so herumbohrt – es schadet ja nicht, die Frage einmal zuzulassen. Ich stelle da etwa fest, um im Prozess ganz vorne anzufangen, dass die Zeit, die ich zum ungestützten Denken überhaupt zur Verfügung habe, also mir zur Verfügung lasse, eher knapp bemessen ist. Ich meine die Phasen ohne Bildschirm, Handy, Gespräche, Arbeit, Hausarbeit, Ablenkung, die Phasen, in denen ich einen Gedanken etwas länger spinnen kann – sie sind sehr, sehr kurz. Das ist eventuell gar nicht richtig so, darüber könnte ich ja auch mal nachdenken, wenn ich mich nur mal zum Nachdenken kommen lassen würde. Wofür ich wieder mehr herumgehen müsste, also um die Alster oder sonstwohin, sonst wird das sowieso nichts, ich muss Gegend angucken, um nicht auf Bildschirme zu gucken, soweit ist es dann doch mittlerweile.

Und so ging der Herr Buddenbohm nach 700 Seiten Goethe also feierlich einmal um den Block, wobei er ernst guckte und sich auch sonst alle Mühe gab, einen sinnenden Eindruck zu erwecken. Immerhin! Wer immer strebend sich bemüht! Ja, da geht noch was, schon klar. Aber um auf solche Gedanken überhaupt erst zu kommen, ist das Lesen von Biographien jedenfalls ganz gut geeignet.