Gehört: Der teilende Mensch

Das ist eine Folge von SWR2 Wissen, sie dauert 26 Minuten. Da geht es u.a. auch um ein Thema, das mich immer mehr interessiert, nachdem ich einmal für die Nido darüber geschrieben habe, da geht es um Unterschiede im sozialen Verhalten von Kindern und Erwachsenen.

In meiner Kolumne damals (“Kekse für alle”) ging es um den Widerspruch zwischen den meist recht erfolgreich durchgesetzten Erziehungsidealen in Kitas, Vorschulen und Schulen einerseits, bei denen soziales Denken, Rücksicht, Gerechtigkeit etc. stark betont werden, und der bekanntlich dramatisch ungerechten Realität der Erwachsenen andererseits, die viele von uns überhaupt nicht mehr stört. Oder doch nicht so stört, dass wir energisch etwas daran ändern. Die Welt ist eben schlecht, fertig. Wir sind in unserem Alltag sehr, sehr weit weg von dem, was wir Kindern als common sense der Eltern beibringen, nicht nur bei diesem Thema übrigens, das gilt auch z.B. beim Umweltschutz.

Irgendwo in der Adoleszenz gibt es dann einen Punkt, bei dem alles kippt und zack, haben wir einen normal Erwachsenen mit erheblichen moralischen Defiziten, der in der Lage ist, sich in dem Irrsinn des Arbeitsmarktes, in der gentrifizierten Stadt, in der rabiaten und konkurrenzorientierten Gesellschaft durchzuschlagen.

Ich wäre da vermutlich nicht drüber gestolpert, wenn mich die Söhne nicht darauf gebracht hätten, sie liefern mir aber immer wieder Beispiele für dieses Phänomen. In der Grundschule von Sohn I werden z.B. soziale Konflikte ziemlich konstruktiv gemeinschaftlich im Gespräch gelöst. Sie lernen da verschiedene Kommunikationsstrategien, und sie lernen sie sogar recht erfolgreich. Das haben wir damals nicht so in der Schule gelernt, ich jedenfalls ganz gewiss nicht. Und es ist doch eine spannende Frage, ob diese Generation heute das jetzt alles lernt, um es später wieder zu vergessen und sich dann normal schlecht zu benehmen?

Ich war am Wochenende mit Sohn I in der Kunsthalle, es folgt etwas anekdotische Evidenz. Da gibt es einen Saal für Kinder, in dem eine Art Steckspiel ausliegt, man kann aus bunten Plastikstäben und Verbindungskugeln wilde Konstruktionen bauen, auch sehr große, auch sehr kunstvolle, auch solche, die schon nach Ingenieurskunst aussehen. Und natürlich auch kleine bunte Sternchen, die jeder hinbekommt, jedes Kind.

Die Plastikstäbe liegen dort einfach herum, werden verbaut, werden wieder demontiert und immer so weiter. Zwischendurch werden sie auch mal knapp, wenn zu viele Nachwuchsingenieure gleichzeitig bauen. Und es war deutlich zu erkennen, dass die Kinder, viele so um acht Jahre herum, erstaunlich höflich und freundlich mit dem Problem umgingen. Man tauschte Stäbe aus, man gab frei, man gab weiter, das lief gut. Was ganz und gar nicht gut lief, das waren mehrere durchdrehende Eltenteile, die es nicht ertragen konnten, dass ihr Nachwuchs bei dem Spiel vermeintlich zu kurz kommen konnte, und die deswegen meinten, sich gegen andere Kinder durchsetzen zu müsen, die also schlicht Stäbe weggriffen. Ohne zu fragen, ohne jede Höflichkeit und Rücksicht. Und nachdem ich da etwa eine Stunde saß, kam mir das nicht mehr zufällig vor.

Ich will nicht sagen, dass Kinder gut sind, nein. Aber sie sind jedenfalls fähig, etwas Gutes zu lernen, das wir als Gesellschaft dann doch lieber nicht bewahren.

Die oben verlinkte Radiosendung hat übrigens ein feines Ende mit einem klaren Auftrag für Erwachsene, es lohnt sich also, sie bis zum Schluss zu hören.

Kurz und klein

12 von 12 im Mai

(The same procedure: 12 von 12 hier generell erklärt, die anderen Mai-Ausgaben von vielen, vielen Bloggerinnen findet man hier. Ich neige dabei zum Schummeln und trickse oft mit eingebauten Videos statt Bildern. Schlimm.)

Ich beginne den Tag mit dem Sisyphos-Syndrom der modernen Eltern, denn Steine herumzurollen ist irgendwie total vorchristlich, das macht man so nicht mehr, man sammelt jetzt im Kinderzimmer Bügelperlen auf. Der Effekt ist exakt gleich.
 

Danach Frühstück beim Portugiesen, also im zweiten Wohnzimmer, wo man jeden kennt, aber morgens nur reden kann, nicht reden muss. Das ist also sogar besser als im ersten Wohnzimmer, fällt mir gerade auf.

Danach schlendere ich mit der Herzdame über den Wochenmarkt und wir tun zehn Minuten lang so, als hätten wir Zeit, wie so ein entspanntes Pärchen aus einer Lifestyle-Zeitschrift. Das fühlt sich schon nett an, leider muss ich aber marktbedingt die ganze Zeit an den fürchterlichen Begriff Wechseljuicer denken, das stört doch sehr (wer das Wort nicht kennt, bitte auf eigene Gefahr googeln).

Dann geht es ins, nun ja, architektonisch reizvolle Hammerbrook. Und zwar mit der Bahn, weil ich auf dem Markt zu viel Zeit vertändelt habe, um noch zu Fuß gehen zu können. Schlimm.

Es folgen sechs Stunden im Büro. Ich denke nebenbei unentwegt darüber nach, mit welchem Symbolbild ich diese Zeit hier illustrieren kann. Mit fällt aber nichts ein.

Auf dem Rückweg gehe ich an dem vorbei, was Hammerbrook dann doch tatsächlich zu bieten hat: Wasser.

Da ich bei diesen Temperaturen meine Ernährung auf Wassermelone umstelle, gehe ich bei Sönmez vorbei. Wie das Schattenselfie beweist: “Ich habe eine Wassermelone getragen”. Quasi Baby Buddenbohm, und wer das jetzt nicht verstanden hat, der muss wirklich erstaunlich jung sein. Ob ich aber am Abend noch mit der Herzdame Hebefiguren übe – ich weiß ja nicht, wir haben beide Rücken.

Dann folgt der Bügelmarathon der Woche.

Wobei mich die Leserin Frau Z. aus H. nach meinem Podcastgejammere neulich darauf hingewiesen hat – ich habe nämlich durchaus fürsorgliche Leserinnen, das ist sehr erfreulich – dass man beim Bügeln auch gut Podcasts hören kann. Recht hat sie! Ich werde mehr und besser bügeln müssen. Frau Z. aus H. ist übrigens auch beruflich fürsorglich, denn sie ist Inhaberin der unlängst hier bereits bejubelten Villa Dorothea. Nein, keine bezahlte Werbung, reine Überzeugung. Gutes Haus, das.

Ich habe aber dann doch keine Podcasts gehört, ich habe einen Film gesehen. Das sollten Sie auch, und zwar den hier:

Das ist nicht gerade leichte Unterhaltung, da muss man aber durch, das ist nämlich das berühmte Mindeste, was man tun kann. Und hinterher reicht es dann wieder für etwas mehr, so ist zumindest der Plan.

Ich wechsele danach aber erst einmal ohne jeden sinnvollen Zusammenhang zu einem Lied, das mir gestern beim Tanzen im Lindy-Hop-Kurs wieder eingefallen ist. Lange nicht mehr gehört, das Stück, da sehe ich dann gerne bei Youtube nach, ob es einen Film dazu gibt. Gibt es tatsächlich:

Ein wunderbares Lied, wobei die Version, in der es jener Mann singt, der es geschrieben hat, noch besser ist. Das war Hoagy Carmichael, der in seiner Variante noch etwas besser rüberbringt, dass es halbgesprochen beginnt. Es ist ein Liedchen, aber ein recht kunstvoll gestaltetes. Man hört die Stimmung ganz genau, dieses wunderbare Gefühl, reichlich oder auch zu viel getanzt zu haben, sehr müde zu sein, vielleicht doch noch zwei, drei Schrittchen swingen zu können – oder doch lieber in einem Arm einzuschlafen – das ist ganz bezaubernd eingefangen. Es swingt so halb, es swingt also perfekt, es ist ein Tanzsehnsuchtslied. Man könnte einen sehr, sehr langsamen Lindy-Hop dazu tanzen, einen geradezu albern langsamen, und es würde genau passen.

Auf Spotify gibt es endlos viele Versionen des Liedes, auch die von Hoagy Charmichal, auch die von Fats Waller, auch die von Sammy Davis Jr., ich habe hier eine Playlist angelegt, fast zwei Stunden nur dieser Song. Ja, ich bin seltsam, ich weiß. Und übrigens! Eine fast spekatkuläre Erkenntnis nebenbei, es ist ein Lied, bei dem Dean Martin seine Version völlig vergeigt hat, wirklich schlimm. Dass der überhaupt irgendwas einmal nicht großartig singen konnte!

Wo war ich? Auf Youtube, genau. Zufällig sah ich nach dem Film zum Lied noch eine Tanznummer mit James Cagney und Bob Hope, die darf hier jetzt auch nicht fehlen:

Und, ich springe hier seltsam hin und her, aber egal: In meiner Playlist zu “Two sleepy people” gibt es auch eine Version von Carsie Blanton, die überhaupt wunderbar ist. Und die wiederum hat einen Song, der ganz ausgezeichnet zu einem heißen Tag in einer heißen Dachgeschoßwohung passt, also zu meinem Nachmittag heute zum Beispiel: Sweet Lorraine. Sehr, sehr entspannt, man möchte sofort auch in so eine Hängematte.

Entspannt geht es auch weiter, das Feierabendbier findet im Park statt. Daher kein Craftbeer, sondern eine konventionelle Marke.

Im Park dreht sich alles um die Panini-Karten, Kinder und Erwachsene tauschen hin und her, zahlen, klauen, es blickt ohnehin keiner mehr durch. Sohn II ist darauf gekommen, dass man mit gesammelten Pfandflaschen Geld vedienen kann, er braucht im Park nur zehn Minuten Suche für einen Euro in Pfand, ein Euro reicht für die nächsten Karten. Sein Geschäft läuft.

Da die Kinder bis zur letzten Minute tauschen, entfällt das gesunde Abendbrot, es wird Ersatz beschafft.

Und auf dem Heimweg darf ich wieder aktuelle Straßenkunst erklären. Es ist kompliziert.

Damit genug für heute, ich gehe gleich noch zu einer Lindy-Hop-Party, so viel Spaß muss sein. Danach werde ich aber sicher zu kaputt sein, um noch etwas zu bloggen.

Gehört: Eva

Ich bin immer noch dabei, mich mit dem Radio wieder und mit den Podcasts neu anzufreunden, und ich höre abends daher gerade, statt Bücher zu lesen. Das mache ich vermutlich sogar den ganzen Mai durch, warum auch nicht, ich möchte auch einmal verhaltensoriginell sein.  Sonst kann ich das nämlich nie testen, ich fahre nun einmal nicht genug Auto oder Bahn, um das Hören irgendwo im Alltag unterbringen zu können, da ist einfach keine Lücke. Ich dachte kurz, ich könnte gut beim Kochen etwas hören, aber es stellte sich heraus, dass ich zu dynamisch und zu laut Karotten und anderes Zeug zerteile, um dabei alles verstehen zu können. Und es macht mich wahnsinnig, wenn ich mit der Lautstärke des Tablets gegen die Lautstärke der Dunstabzugshaube angehen muss, das geht so alles nicht.  

Am Abend also, während der Stapel ungelesener Bücher neben dem Bett bald baugenehmigungspflichtig wird, höre ich mir jetzt etwas an. Ein ausgesprochen komisches Gefühl. Ich müsste vielleicht zusätzlich Stricken oder Häkeln oder so etwas lernen, um mich nebenbei zu beschäftigen, denn irgendwie werde ich den Impuls nicht los, beim Hören noch etwas Sinnvolleres zu tun. Herumliegen ist einfach nicht mein Ding, das ist eher Stress. Es ist ein wenig kompliziert.

Wenn es so weitergeht, werde ich es auf diese Art aber sogar noch zum Hörbuch bringen, eine wirklich abgefahrene Vorstellung. Was ich eigentlich sagen wollte: Es wird in nächster Zeit vermutlich öfter ein paar Links zu Sendungen/Podcasts geben, da müssen wir jetzt durch.

Hier etwa eine beeindruckende Sendung über die Stiefschwester von Anne Frank. Lang und schlimm, wie könnte es anders sein. Das sind immerhin 53 Minuten, aber es lohnt wirklich sehr, der Dame zuzuhören.

Um so etwas in der S-Bahn zu hören, müsste ich allerdings bis Buxtehude oder weiter fahren, nein, sogar noch weiter als bis nach Lübeck, fast bis Berlin, wohin aber bis jetzt gar keine S-Bahn fährt,m das wird also teuer. Oder ich müsste mit dem Auto bis nach Dänemark, woraufhin ich jetzt einen wieder Ulla-Meinecke-Ohrwurm habe, die Älteren verstehen das. Schlimm!

Zielgruppe verfehlt, alles richtig gemacht (2)

Noch eine Verlagszusendung, diesmal vorher angefragt. Ob wir Interesse an einem Geo-Epoche-Heft hätten? Zum Thema Hamburg? Das habe ich reflexmäßig zugesagt, weil die Herzdame beim Thema Hamburg und Geschichte auch bei Krimis immer zuschlägt, das konnte so verkehrt für sie also nicht sein.

Geo-Epoche-Heft

 

Und dann lag das Heft eine Weile dekorativ auf dem Wohnzimmertisch herum, als würden da dauernd Coffeetablemags liegen, was hier durchaus nicht der Fall ist. Unser Konsum an Printperiodika geht eher gegen Null. Und das Heft lag und lag, die Herzdame kam nicht dazu, ich kam nicht dazu. Es war aber ganz richtig, dass es da so dauerhaft lag, denn dadurch wurde es für die Kinder interessant, die es dann durchgeblättert haben, bevor wir überhaupt dazu kamen. Sie haben es auch nicht nur einmal durchgeblättert, sie haben es ziemlich oft in der Hand gehabt und sich die Bilder sehr genau angesehen. Es sind viele Bilder und wenig Text im Heft. Und die Söhne haben nach ein paar Tagen erst angefangen, Fragen dazu zu stellen. Fragen nach den großen Seglern im Hafen, nach den armen Leuten und besonders nach den hungernden Kindern auf den Fotos. Fragen nach dem U-Bahn-Bau und nach den Naziaufmärschen und nach Hitler. Sohn I wird bald neun Jahre alt, da gibt es allmählich ein gewisses Geschichtsverständnis. Es gab auch wieder Fragen nach dem Krieg und nach den Nazis damals und heute und warum denn bloß und wie isses nun bloß möglich, was ganz zufällig das ist, was sich ihr Vater seit Monaten auch die ganze Zeit fragt.

Geo-Epoche-Heft

 

In der Folge gab es auch noch Fragen nach der Nachkriegszeit und der Sache mit der innerdeutschen Grenze und der DDR und Honecker, und es gab auch Fragen nach der allgemeinen Arschlochhaftigkeit von Diktatoren, und absurderweise genau einen Tag vor ihrem Tod wurde hier festgestellt, dass die Witwe von Honecker noch lebt und es wurde etwas beunruhigt gefragt, ob sie nicht doch noch gefährlich sei. Es gab Fragen nach dem Zeppelin, wozu ich ihnen sagen konnte, dass bei den Männern, die das Luftschiff damals bei der Landung auf den Schultern trugen, vielleicht einer ihrer Urgroßonkel mit auf diesem Bild ist, das fanden sie natürlich spannend. Es gab Fragen nach der Speicherstadt usw., das Heft hat sie wirklich zum Grübeln gebracht, und das ist pädagogisch ja oft erstrebenswert. Und wie leicht das war – einfach durch ein paar Bilder.

Geo-Epoche-Heft

 

Wobei mir aufgefallen ist, dass so ein Coffeetableding ein hervorragendes Mittel ist, um die Jungs neugierig auf ein Thema zu machen, das hat so dermaßen gut funktioniert, man sollte vielleicht öfter Bildbände wie zufällig irgendwo herumliegen lassen. Bildbände zur Geschichte, zu anderen Ländern, was auch immer. Als ich Kind war, lag im Wohnzimmer meiner Eltern so eine Sammelreihe mit Heften zur Kunstgeschichte, ein Heft pro Künstler, seitenweise Ölgemälde. Darunter auch schauderhaft detailgetreue und blutige Bilder der Kreuzigung Jesu, von Operationen mit herausgegriffenem Gedärm und von kämpfenden Gladiatoren mit offenen Wunden, das war ganz und gar nicht kindgemäß aufbereitet. Das fand ich alles hochinteressant und habe es sehr oft durchgeblättert, so oft, dass ich einige der Maler aus der Reihe heute noch an ihrem Stil erkenne. Das hat aber nur geklappt, weil es bei uns eben nur diese Reihe gab, nicht noch zehn andere, nicht hundert andere Bücher. Das war also eine Verknappung, die wir heute so nicht mehr herstellen könnten und wollten. Und dennoch – beim nächsten Büchereibesuch sehe ich mir mal ein paar große und üppig bebilderte Bände zur Geschichte für diesen Zweck genauer an. Und zwar aus der Erwachsenenabteilung. Sonst wirken sie vielleicht nicht, das ist im Grunde wie bei den Malbüchern.

Das Geo-Epoche-Heft Hamburg hat bei den Söhnen super funktioniert. Zu grauenvolle Bilder sind auch nicht darin, erklärungsbedürftige umso mehr. Für Kinder ab etwa Grundschulalter ist das Heft nach den Erfahrungen bei uns jedenfalls wesentlich interessanter, als man vielleicht zunächst annimmt.

Das Missverständnis mit den Malbüchern für Erwachsene

Nach der Blogfamilia war ich plötzlich im Besitz eines Malbuches für Erwachsene, Berlinreisen sind eben immer sehr bereichernd. Und nachdem dieses Erwachsenenmalbuch nun von mehreren Personen in dieser Familie getestet worden ist, habe ich die starke Vermutung, dass viele Menschen, besonders Eltern, sie vollkommen falsch anwenden. Und da kläre ich natürlich gerne auf, edel und hilfreich wie ich routinemäßig bin.

Es ist sehr zu empfehlen, Malbücher für Erwachsene Kindern zu geben, am besten noch mit einigen stark motivierenden Sätzen dabei, wie etwa: “Das kannst du noch nicht” oder “Das ist wirklich nur für Erwachsene” oder “Das dürfen Kinder eigentlich nicht” oder “Das ist aber meins, kapiert?” Das gesund empfindende Kind wird sich umgehend über die diffizil gestalteten Bilder hermachen, und weil es so eine feine Arbeit ja mutmaßlich noch gar nicht leisten kann, wird es sich große, wirklich sehr große Mühe geben, die winzigkleinen Felder leuchtend bunt und ästhetisch koloriert auszumalen. Durchdachte Farbgebung, saubere Arbeit. Und es wird ein besinnlicher Friede in der Wohnung sein, wie man ihn seit Wochen nicht erlebt hat. Wenn man ganz flach atmet, hört man nur gerade eben das leise Wischen des Stiftes auf dem Papier – sonst nichts. Je nach charakterlicher Ausführung des Kindes kann das verblüffend lange so gehen.

Kinder gucken nach ein paar Minuten auf ihre bereits ausgemalten zwei Quadratzentimeter und denken: “Stark, so viel habe ich schon geschafft. Und toll, noch so viel übrig!”

Es ist dagegen nicht zu empfehlen, Malbücher für Erwachsene Erwachsenen zu geben, denn sie fluchen bereits nach wenigen Minuten über schwachsinnige Motive, Stifte mit der falschen Strichstärke, die blöde Papierstruktur, eine ungesunde Sitzhaltung und die vollkommen unzumutbare Vorstellung, das ganze Ding Seite für Seite akribisch auszumalen. Sie überschlagen im Kopf die Gesamtausmalzeit, sie erfinden wildeste Ausreden, wenn sie irgendwo hektikgetrieben übermalen und sie blättern alle paar Minuten seufzend und kopfschüttelnd durch die vielen Seiten voller extrem kleinteiliger Motive, die noch vor ihnen liegen. Nach zwei farbigen Feldern erwägen sie bereits eine monochrome Ausführung, denn Vereinfachung ist bei jeglicher Arbeit immer anzustreben. Und hätte die Herzdame noch ein wenig länger irgendein byzantinisch verschwurbeltes Mandala ausgemalt, sie hätte mich womöglich zwischendurch mit Stiften beworfen, denn irgendwo muss die Aggression ja hin.

Erwachsene sehen nach ein paar Minuten auf ihre bereits ausgemalten zwei Quadratzentimeter und denken: “Was ein Wahnsinn, das wird ja nie fertig, warum tue ich mir das an? Wer soll das schaffen? Wer hat so viel Zeit? Bin ich irre?”

Wenn man diese beiden Verhaltensweisen bedenkt, kann man Malbücher wirklich sinnvoll in der Familie einsetzen. Für Euch getestet.

Zielgruppe verfehlt, alles richtig gemacht (1)

Manchmal schicken uns Verlage etwas zu, einfach so, ohne vorher zu fragen. Wenn mir das Produkt nicht passt, wird es gleich wieder verschenkt oder irgendwo ausgesetzt, wenn es toll ist, schreibe ich vielleicht auch etwas darüber.

Und weil das gerade überall Thema ist, noch einmal eine schnelle Anmerkung zum rechtlichen Aspekt. Ich schreibe in solchen Fällen ausdrücklich immer dazu, dass ich das Ding zugeschickt bekommen habe, ich nenne es im Falle von Rezensionsexemplaren aber nicht Werbung. Denn erstens sind sie von relativ geringem Wert, zweitens habe ich keine Verpflichtung, irgendwas zu schreiben, drittens ist es gerade bei Büchern vollkommen unüblich, so etwas als Werbung zu klassifizieren. Ich finde es aber auch deswegen abwegig, diese Nebenbeitexte als Werbung zu markieren, weil man sie dann von tatsächlicher und vertraglich bestellter Werbung, bei der man honoriert und einigermaßen aufwändig Inhalte für jemanden erstellt, nicht mehr unterscheiden könnte. Es ist wirklich etwas kompliziert.

Wie auch immer, zugesandt werden dabei manchmal auch Bücher oder andere Produkte, die an der hier im Haushalt vorhandenen Zielgruppe dezent oder auch drastisch vorbeigehen. Sie sind für zu kleine Kinder, für viel zu große Kinder, für Männer, die Fußball oder Grillen mögen, für Weintrinker usw. Das passt alles nicht, das kann weg. Aber ansehen, na klar, ansehen kann man sich das ja einmal. Und manchmal gibt es dabei überraschende Effekte.

So geschehen bei dem Hamburg-ABC von Karen Lindeskov Andersen aus dem Junius-Verlag, das sich eher an deutlich jüngere Kinder richtet. Ein Tier pro Buchstabe mit einer Hamburger Attraktion, das kann man nebenbei mal eben auswendig lernen, das geht ganz fix. Und man kann sich dann mit den Kindern darüber unterhalten, was denn bloß ein Nüdelkasten ist, was ein Tüdelband, was ein Peterwagen und wo eigentlich der Isemarkt ist oder das Millerntor.

Bilderbuchbild: Nashorn mit Nüdelkasten

 

Sohn II mag das sehr, das wird auch zum Lesenüben gerne genommen. Und deswegen wird es nicht weiterverschenkt, sondern liegt gerade dauernd neben seinem Bett, das lasse ich hier jetzt als Qualitätsmerkmal einfach so stehen.

Bilderbuchbild: Zebra mit Zampelbüdel

 

Ansonsten ein schönes Buch für Hamburger Eltern mit jüngeren Kindern.

Hamburg-ABC, ein Bilderbuch

Kurz und klein

Sandman

Es ist auch irgendwie konsequent, einen Tag, den man im Blog mit einem Lied begonnen hat, mit einem weiteren Lied zu beenden. Mit einem Lied zum Abend, zur Ruhe. Die ich nicht habe, aber egal. Ich sitze fluchend am Schreibtisch, statt entspannt und vergnügt zum Lindy-Hop zu gehen, die Lage ist also angespannt, to say the least. Ruhige Musik ist dennoch gut, ich brauche so etwas einfach beim Arbeiten.

Kirsty McGee war mir bisher kein Begriff, das ist eine Entdeckung aus meinem Spotify-Mix der Woche, der ansonsten fast schon peinliche Ähnlichkeit mit einer Kuschelrock-CD hat – der Algorithmus dahinter kann mir auch gerne mal im Mondschein begegnen.

Sandman immerhin ist ein schönes Stück. Finde ich. Das Video ist entbehrlich, dieses ewige “Frau an Pflanze” und “Frau an Wasser” kann doch keiner mehr sehen, also wirklich, aber das Lied, doch, das Lied ist schon nett.