Golden und mit Glitzer

Gehört: Ein Stück beim Deutschlandfunk, US-Superreiche – Nicht von dieser Welt. Zwischen Gesellschaftsutopie und Gottkomplex. Keine allzu beruhigende Sendung, wie man sich denken kann. Man möchte das alles gar nicht wissen, aber nichts davon zu wissen ist auch wieder nicht richtig. Der so unangenehm schmale Grat der korrekten Informationsmenge.

Außerdem gehört: Ein Zeitzeichen zu Antoine de Saint-Exupéry. Aus dem die Diktatfunktion gestern beim Spaziergang einen Antony the Saint-Super machte, das ist auch schön. Vielleicht muss ich an meiner Aussprache französischer Begriffe arbeiten, das mag sein. Es gibt auch eine Lange Nacht über ihn, soweit reicht mein Interesse an Fuchs und Prinz allerdings nicht. Ich melde es hier nur eben als Service-Hinweis.

Und schließlich habe ich weiter die Lange Nacht über Erich Kästner bis zum Ende gehört. Ich fand in der Reihe bisher zwar alle Folgen gut, diese aber besonders. Ich empfehle sie noch einmal und ausdrücklich.

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Ein Lebenszeichen von Frau Novemberregen, wie erfreulich.

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Wo waren wir. Wir waren in München, gerade angekommen. Menschen in Lederhosen und Dirndl ziehen an unserem Hotel vorbei. Sie besuchen ein Event in einem nahen Biergarten, bekommen wir dann mit. Es geht mir etwas gegen den Strich, dies so zu notieren, es ist wieder zu viel Klischeeware. Aber wenn sie da doch tatsächlich in Rudeln so gekleidet herumlaufen, was soll man machen.

Kurz überlege ich zum wiederholten Mal, wie außerordentlich fremd uns das ist, so historisierend volkstümlich ausstaffiert herumzulaufen. Wie undenkbar das für den norddeutschen Landesteil längst geworden ist. Oder immer war, so genau kenne ich mich nicht aus.

Es stellt keine Wertung dar, dieses Überlegen. Ich habe da keine Meinung, auch keine reflexmäßige Aversion. Ich finde es eher amüsant, wie schwer es ist, sich auch nur auszumalen, wir würden in Hamburg oder in Küstennähe gewohnheitsmäßig in Buscherump, dunkelblauem Troyer und mit Elblotsenmütze auf dem Kopf herumlaufen. Wir würden in diesem Outfit routinemäßig auf Reisen gehen und Staatsgäste so gewandet empfangen. Zur Kirche, zur Wahl und zu anderen wichtigen Anlässen so gehen etc., Alltag in Marineblau.

Wobei ich eine Elblotsenmütze sogar besitze, fällt mir ein, sie steht mir aber nicht. Das Helmutschmidthafte ist vielleicht nicht ausgeprägt genug in mir vorhanden, mag sein.

Ich stelle mir einen Moment bemüht vor, wir würden bei uns so herumlaufen, gerne und oft und viele von uns. Die Frauen und Mädchen vielleicht in Kleidern, wie sie bei den Auftritten der Finkwarder Speeldeel getragen werden, und wie man sie sonst nie im Alltag sieht.

Ich stelle mir vor, wir würden uns am Wochenende mit Freunden unter freiem Himmel treffen, gemeinsam Unmengen Kööm trinken und inbrünstig Shantys dabei singen. Familienverbände mit Gitarre und Flöte und allem. Rolling home, Wir lagen vor Madagaskar etc. Ich stelle mir vor, das wäre normal.

Vielleicht würde ich Letzteres sogar nett finden. Ich mag Shantys manchmal, so viel innere und verstetigte Küstennähe muss sein.

Aber davon abgesehen – wir würden uns eben verkleidet fühlen. Anders gibt es meine Fantasie nicht her. Und die Bayern, also viele Bayern, fühlen sich in dieser Kleidung nicht so, unterstelle ich. Sie fühlen sich im Gegenteil besonders echt, wenn sie ihre Trachten tragen, so wird es sein. Sie fühlen sich authentisch. Es ist immer wieder ein faszinierender Umstand für mich.

Die Familie der Herzdame hat in ihrem Heimatdorf vor zwei Generationen eine Volkstanzgruppe gegründet, mit traditioneller Kleidung aus der Region und allem. Wir haben also etwas Bezug zum Thema, und diese Volkstanzgruppe war fraglos auch wichtig für die Dorfgemeinschaft. Aber ob da künftig noch genug mitmachen werden – es ist nicht normal und etabliert genug, bei uns ein derartiges Hobby zu pflegen.

Man kann auf das latent unheimlich Rückwärtsorientierte in der einen und auf das geschichtsvergessene, so bedauerlich Traditionslose in der anderen Ausprägung kommen. Man kann das Thema lange diskutieren, schon klar. Vorteile, Nachteile, kulturgeschichtliche Ableitungen. Historische Erklärungen und auch die soziologischen Besonderheiten der Bundesländer.

Wie auch immer: München ist jedenfalls immer ein Erlebnis für uns.

Ein Erlebnis, bei dem es auch vorkommen kann, wie ich kurz darauf in einer Bahn sehe, dass grell geschminkte Platinblondinen mit höchst unwahrscheinlichen und stark überzeichnet wirkenden Figuren goldene Dirndl mit Glitzer und reichlich Blingbling auf dramatisch hohen Absätzen durch die Stadt balancieren. Wie inszeniert ist das denn wieder.

Da will ich mich jedenfalls nicht beschweren und auch keineswegs lästern. Ich finde es meist unterhaltsam dort. Man sieht einmal andere Menschen, man kann etwas notieren. Und dann bin ich auch schon zufrieden, denn ich bin ein genügsamer Reisender.

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Alles durchziehen

Die Herzdame und ich machen dann den Fehler, im Zug nach München eine Mail an uns zu lesen. Eine Mail, die stark stimmungsverderbend und vom Timing her so ungünstig wie nur denkbar ist.

Es reicht nämlich nicht, die beruflichen Mails zu ignorieren. Man müsste eigentlich alle Mails, Meldungen und Mitteilungen auf sämtlichen Kanälen komplett ausblenden. Etwa so, wie man es früher im Urlaubsfall getan hat, schon weil es gar nicht anders ging. Im letzten Jahrhundert noch, als man auf seiner Liege unter dem Sonnenschirm höchstens durch Telegramme gestört wurde, und dann war so etwas von Weltuntergang. Dergleichen kam aber ohnehin nur in Romanen und Filmen vor.

Auch alle Nachrichten zu privaten Themen müsste man für eine Weile sämtlich unterbinden, besonders die zu den eher unangenehmen Bereichen, wovon es sicher bei allen Menschen welche gibt. Rechts- und Finanzfragen, Konflikte, Klärungen und sonstige dunkelgraue Problemzonen der Familienbewirtschaftung. Die ganzen Gräuel der Administration des eigenen Daseins – ich werde nie aufhören, über ihre Ausmaße zu staunen.

Aber gut, gelesen ist gelesen. Wir sitzen danach glühend vor Zorn und mit unangenehm beschleunigtem Puls zwischen Göttingen und Augsburg. Wie viele Reisekilometer weit so ein Ärgernis reichen kann! Quer durch ein ganzes Land. Zur fachgerechten Beantwortung dieser Mail müssten wir mehrere Stunden oder gleich einen Tag investieren und am besten vorher noch schnell eine Schreitherapie machen.

Das schließen wir erst einmal aus. Wir haben immerhin Urlaub, und so oft hat man den nicht. Sparwillige Menschen wie ich überschlagen in solchen Situationen auch gerne kurz den Wert eines Reisetages, den man auf diese Weise vergeigt. Und stellt fest, dass man sich das gar nicht leisten will. Bin ich Krösus oder was, eine solche Verschwendung.

Ein größeres Problem tatsächlich und gelingend geistig so auszublenden, dass man in zumindest halber Seelenruhe annähernd entspannt Ferien machen kann, es scheint mir eine doch hohe Kunst zu sein. Und Experten sind wir darin nicht, so viel steht auch fest.

Schon die nächste Mail (ich lerne nicht so schnell aus Fehlern, q.e.d.) ist dann allerdings eine Projektanfrage an mich, eine recht erfreuliche, es ist ein Ausgleichstreffer des Schicksals. Sportliche Vergleiche aller Art liegen in der Luft in diesen Wochen, nicht wahr.

Nebenbei sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Olympia zwar groß und wichtig und global ist, im Norden aber gerade die Meisterschaft im Schlickrutschen entschieden wurde.

Wir kommen jedenfalls auf die Minute pünktlich in München an, die Deutsche Bahn kann es noch hier und da.

In dieser zusammengezimmert wirkenden und nur von Gerüsten aufrechtgehaltenen Bahnhofsattrappe kommen wir an, die wohl erst in Jahren wieder ein funktionales Stück Infrastruktur darstellen wird. Vielleicht zu dem Zeitpunkt, an dem in Hamburg endlich der große, der seit Ewigkeiten diskutierte und stets doch vollkommen ungewiss bleibende, fast sagenhafte Bahnhofsumbau losgehen wird. Ein großer Nordsüdtausch der Riesenbaustellen könnte es werden. Ich notierte es so bereits bei der letzten Reise, schwant mir.

Das Leben als Abfolge von sich ähnelnden Textpassagen und Erzählspiralen.

Bezüglich Hitze und Verelendung können wir uns in München dann auch gleich wie zuhause fühlen. Es ist entschieden zu warm in dieser Stadt und die an der Gesellschaft oder an sich selbst gründlich gescheiterten Menschen sind unübersehbar zahlreich und elend, wie sie es überall an den großen Stationen sind. All die Hände, die sich uns bittend entgegenstrecken.

Wir ziehen Koffer und Kinder zu Fuß zum Hotel.

Nein, in Wahrheit ziehen die Kinder die Koffer. Sie sind nun immerhin Teenager der ausgeprägt großen und starken Sorte, sie können das. Eine halbe Stunde Weg ist es nur, und wir brauchen dringend Bewegung nach der langen Fahrt, denken wir uns. Nach 15 Minuten zweifeln wir allerdings temperaturbedingt und schon wieder hitzederangiert an dieser uns auf einmal seltsam abwegig vorkommenden Idee. Aber nun ist es zu spät.

Alles durchziehen. Die Wege, die Abenteuer, den Urlaub, die Woche und den Sommer.

Exakt beim Betreten des Hotels poppt auf meinem Handy prompt eine Hochwasserwarnung für München auf. Der erste Mensch, der uns im Treppenhaus begegnet, grüßt uns mit einem vertraut knappen „Moin.“ Es bleibt alles noch einen Moment erstaunlich heimatlich und fühlt sich ausgesprochen norddeutsch an.

Bis wir nach einer kurzen Rast wieder vor die Tür gehen. Wo auf einmal alle Tracht tragen und es gründlich München geworden ist.

Die Türme der Theatinerkirche in München

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Das Bastel-Abteil im Freizeit-Express

Update Klimawandel im Alltag: Es gibt immer mehr gefälschtes Olivenöl.

Passend dazu gehört: Algenblüten weltweit – Symptom einer Erd-Krise. Interessanter, als es vielleicht zunächst klingt. Allerdings auch apokalyptischer.

Außerdem noch: Die Nordsee ist so warm wie nie. Auch für den Freundeskreis Inseln und Küste lehrreich.

Im Feuilletonteil des Tages gehört: Ein Kalenderblatt zur Verlorenen Ehre der Katharina Blum von Heinrich Böll.

Schließlich angefangen, die Sendung ist etwas umfangreicher: Eine Lange Nacht zu Erich Kästner.

Gelesen: Es werden die Hundstage erklärt, die Canicule. Getippt bei 34 Grad, es passt schon.

Ich lese ansonsten in den Erinnerungen der Vicki Baum, Es war alles ganz anders, und das ist angenehm geeignete Urlaubslektüre, ich dachte es mir. Sie erzählt gut, wen könnte es überraschen.

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Das Dumme an Urlauben und Reiserei für schreibende Menschen ist natürlich, dass man dabei unwillkürlich noch mehr aufpasst, noch mehr Eindrücke aufnimmt und auf noch mehr Gedanken kommt. Das zu Beschreibende sprengt bald jedes Format, wuchert vor sich hin und dehnt sich absurd aus. Irrwitzige Ausmaße der Randaspektverästelungen gilt es abzubilden oder irgendwo zu kappen. Kill your darlings etc., Sie kennen das.

Mein schönstes Ferienerlebnis, Band 1 von 50, enthaltend lediglich den Weg zum Bahnhof.

Egal, wo war ich. Der Zug war pünktlich, das war die erste angenehme Überraschung auf unserer Reise. Die Reservierungen waren allerdings hinfällig, es war ein Zug anderer Baureihe. Eine dieser fatalen Standarddurchsagen, die man nicht gerne hört. Ein zwar ärgerliches, aber noch hinnehmbares Problem, besonders wenn man erfolgreich einen Platz gefunden und verteidigt hat. Und immer ist diese Situation auch eine interessante Sozialstudie:

„Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
Sich alle Bande frommer Scheu,
Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
Und alle Laster walten frei.“

Auch Schiller passt noch hier und da in den Alltag.

Im gefundenen Abteil sitzen dann neben uns freundliche Swifties, besinnlich an ihren bunten Armbändern mit den kennzeichnenden Buchstabenelementen bastelnd. Auf dem Weg zum Konzert in München sind sie selbstverständlich, und also mitschuldig daran, dass unser Hotel für eine Nacht dort dezent überteuert ist. Anlässlich des Auftritts von Taylor Swift wird eine Steigerung der Hotelbuchungen um 600 Prozent in der Stadt verzeichnet. Im normalerweise nicht ganz so intensiv bereisten Gelsenkirchen waren es stolze 7000 Prozent.

Sie sitzen da also und basteln, diese Fans, und sie freuen sich unübersehbar auf das Konzert. In den anderen Abteilen, in den Großraumwagen und auch auf den Gängen sieht man Ähnliches und hat bald schon eine Ahnung: Es müssen wirklich verdammt viele sein. Eine Ahnung, die sich später in München deutlich bestätigen wird.

Während ich in Hamburg nur zwei klar als solche erkennbaren Fans bei uns im Stadtteil sah, sind es im Süden Hunderte, wenn nicht Tausende, sie sind überall in der Stadt und sie sind unübersehbar. Sie haben vielleicht die beeindruckenden Bilder der Fanmassen vor dem Stadion auf dem Olympiaberg gesehen. Das hatte alles gewaltige Ausmaße dort.

Aber ich schweife ab, noch sitzen wir im Zug. Die Herzdame holt Panzerfolie aus ihrem Gepäck und verarztet damit das angeschlagene Handy eines Sohnes. Das passt äußerst harmonisch zum Kunsthandwerk der vielen Swifties um uns herum. Ich sitze offensichtlich in einem Bastel-Abteil im Freizeit-Express.

Und damit nicht genug, denn Sohn I, der seit einiger Zeit seine Klamotten selbst umarbeitet, verziert, ändert etc. holt auch noch sein Nähzeug heraus. Jetzt sieht die Szenerie im Abteil endgültig aus wie in einem Sketch. Es ist ein mobiler DIY-Workshop, wie die junge Frau mit den vielen Armbändern neben mir zufrieden lächelnd befindet.

Nur Sohn II und ich wirken noch etwas deplatziert dort, ganz ohne Beschäftigung der Hände. Lediglich auf unsere Handys sehend, wie Menschen ohne interessante Hobbys.

Sohn I hatte sich vorgenommen, im Zug weiter entspannt und womöglich stundenlang an einer Hose zu arbeiten. Er hat alles dafür Notwendige dabei und nach München braucht man immerhin eine Weile, es war ein guter Plan. Und es passieren dann in den nächsten Minuten interessante Dinge in seinem Gesicht, die ein wenig an die mimischen Künste von Stan Laurel erinnern. Er merkt nämlich in sicher hitzebedingt reduzierter Denkgeschwindigkeit, unsere glühende Dachgeschosswohnung macht uns stets etwas dümmer im Sommer, dass er gar nicht an dieser Hose arbeiten kann: Er hat sie an.

Es erheitert mich bis weit hinter Hannover. Und so etwas muss man in diesen Zeiten auch ausreichend wertschätzen.

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Es fängt alles erst an

Der Journalist Jonas Schaible hat einen neuen Newsletter, „als Ort, um nachzudenken, über die Welt, die Krisen, das Leben im Anthropozän.“ So schrieb er auf Threads. Gerne gelesen, auch wegen solcher Sätze:

Menschen sind lernfähig. Gesellschaften sind beweglich. Die Zukunft steht nicht schon fest, auch nicht in der Klimakrise. Menschen sind klüger und interessanter und komplexer, als es scheint, wenn man vor allem liest, was jene schreiben, die Provokation, Unirritierbarkeit und Boshaftigkeit zu ihrem Geschäftsmodell gemacht haben oder zu ihrem politischen Programm.

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Gehört: Im Spektrum-Podcast eine Folge über Extremwetter. Während zuhause in Hamburg der Westteil der Stadt im Starkregen gründlich absoff, ich las im eher zu heißen Italien (34 Grad) davon. Die Folge enthielt für mich nichts auffällig Neues, stellt Bekanntes aber gut dar. Ich habe bei dem Thema also in letzter Zeit halbwegs aufgepasst, das muss man aber auch. Schon um allfälligen Gegenargumenten der Leugner manchmal noch halbwegs souverän begegnen zu können. Wenn man gerade die Kraft dafür hat.

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Es ist sicher ein etwas morbides Nebeninteresse von mir, aber ich mag nun einmal Kompost und verfolge daher regelmäßig die Berichte über die Kompostierung von Menschen, hier etwa in der taz. Eine so attraktive Bestattungsform.

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Weiter in der Urlaubsberichterstattung, es fängt alles erst an (ich musste einen Augenblick überlegen, woher der letzte Halbsatz kommt: Juliane Werding, Stimmen im Wind, 1986. Meine Güte, was hat man im Kopf).

Der erste Gedanke nach dem Aufwachen am ersten Urlaubstag: „Oh, wie großartig, ich habe ja Urlaub im Hauptjob!“ Und gleich der zweite Gedanke nach dem Aufwachen aber: „Oh, da war doch noch eine Deadline im anderen Job!“ Es ist immer so eine Sache mit der beruflichen Vielseitigkeit. Einige deutliche Nachteile gibt es dabei auch, manchmal fallen sie mir deutlicher auf als sonst im geregelten Alltag.

Es hat aber auch wieder nicht genug Nachteile, um alles anders zu machen oder sogar noch einmal neu auszurichten.

Unterm Strich bin ich zufrieden damit, mehrere Seiten von mir beruflich auszuleben. Für 9 to 5 bin ich mittlerweile eh verloren, das ist für mich längst fast unvorstellbar geworden. Acht Stunden oder noch deutlich mehr nur für ein einziges Thema – ein entsetzlich gewordener Gedanke. Weit habe ich mich davon entfernt, und ich mag meine Umschaltmomente im Laufe des Tages. Meistens.

Wir sehen siebenmal nach, ob der Herd aus ist. Wir ziehen die Koffer zum Bahnhof und sind wieder nicht allein damit. Immer in der Herde bleiben, immer machen, was so viele andere auch machen. Es sind Hunderte, die wie wir zum Bahnhof ziehen, eine Bewegung durch das Viertel und auf die große Halle im Zentrum der Stadt zu. Mit einer Drohne könnte man es von oben gut erkennen, dieses vielfache Streben zu einem Mittelpunkt, auf den auch die Bahngleise und Straßen verweisen.

Koffer und Kinder verschiedener Größe hinter den Leuten. Es ist auch in diesem Jahr dieses eine Reisewochenende, vor dem der ADAC immer so ausführlich und drohend, etwas onkelhaft mahnend warnt. Wir planen unsere Reisen oft so, ohne es allerdings zu beabsichtigen. Es fällt einfach an, wie bei all den anderen auch.

Und dabei haben wir noch gut verteilte Ferien in diesem Land. Ich habe, und es war eine lehrreiche, beeindruckende Erfahrung, einmal einen Sommerferienanfang in Frankreich erlebt. Diesen Tag also, an dem die komplette Gesellschaft dort raus aus den Städten und in die Provinzen reist, an die Meere und in die Berge. Das ist ein Großereignis anderer Art. Da reichen unsere Stau- und Reisewarnungen gar nicht ran, an diese unfassbaren Dimensionen des Irrsinns auf den Reisewegen dort. Dagegen läuft bei uns alles schön sortiert ab, fast klischeemäßig deutsch und gut durchgeplant.

Wir ziehen also unsere Koffer zum Bahnhof. Wir ziehen sie und spüren dabei die leider mit jedem Jahr unangenehmer werdenden Spannung, ob und wann unser Zug nach München denn fahren wird. Unseren Pessimismus und die Skepsis haben wir schon Tage vorher sicherheitshalber immer weiter und bis zum Anschlag hochgedreht, um Enttäuschungen möglichst frühzeitig abzumildern.

Gar nicht erst annehmen, dass da ein Zug fahren wird! Gar nicht erst davon ausgehen, reibungslos und ohne unbestellte Abenteuer reisen zu können. Gleich bei allem das Schlimmste annehmen, und fast lustvoll. Sich alles ausmalen, und zwar tiefschwarz.

Dann geht es, so denkt man sich das heute. Dann geht es auch mit der Bahn.

Aber es kommt an diesem Tag dann doch wieder das beliebte Böll-Titelzitat zum Einsatz. Dieses Zitat, das man als heiteres Versatzstück im Text verwenden kann, ohne an den grausigen Inhalt des Buches auch nur eine Minute zu denken: „Der Zug war pünktlich.“

Der ursprüngliche Titel dieser Erzählung war Zwischen Lemberg und Czernowitz, sehe ich in der Wikipedia. Damit hätte ich gar nichts anfangen können, denn wir bewegen uns in den nächsten Stunden zwischen Hamburg und München.

Wie auch Taylor Swift, und darüber wird noch zu reden sein.

Die Figuren Mann und Frau vom Bildhauer Dtephan Balkenhol vor der Zentralbücherei in Hamburg, im Hintergrund Saturn und der Hauotbahnhof

Im Bild „Mann und Frau“ von Stephan Balkenhol. Die Figuren stehen vor der Hambuger Zentralbücherei, im Hintergrund rechts der Hauptbahnhof.

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Warten auf den Abpfiff und Dank

Der Urlaubsanfang dann am Donnerstag. Ich habe das Firmennotebook endlich final zugeklappt, ich habe das erste Halbjahr damit erst richtig beendet. Wir sind jetzt in einer seltsamen Zwischenzeit, danach geht es dann in zwei, drei Wochen mit der Rutsche zum Jahresende weiter. In Finanzabteilungen geht man manchmal voraus und ziemlich oft nach, nur mit der Gegenwart haben wir es meist nicht so. Die betrachten wir mit Skepsis und etwas Abwehr in der Haltung, sie wirkt so unsortiert und flüchtig. Sie wirkt so blurry, wie die Söhne sagen würden, und blurry lässt sich nicht gut in Excel abbilden.

Ich habe das Firmennnotebook also zugeklappt. Nachdem ich noch eine ganze Weile mit einer Art Restneugier und in seltsamer Starre eher sinnlos auf letzte und allerletzte Mails gewartet habe. Warten auf einen Abpfiff, den ich mir aber in diesem Spiel schon selbst pfeifen muss.

Den Firmenkram jetzt eine Weile gründlich ausblenden., so gut es eben geht. Der Anteil der Menschen, die auch im Urlaub und bei Krankheiten regelmäßig Mails lesen, diese sorgsam beantworten und mindestens teilweise also arbeiten, er stieg in letzter Zeit immer weiter und weiter, las ich neulich.

Ich habe das auch längere Zeit gemacht. Besonders damals, als es technisch überhaupt erst möglich und cool wurde, als es noch pionierhaft und aufregend war. Immer und gerne bin ich an der Spitze der Bewegung gewesen, als Arbeitsprozesse modernisiert wurden, eine ganze Weile lang. Alles habe ich also mitversursacht. Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche, ja, ja. Ich habe in jenen Jahren nebenbei auch meinen Stadtteil gentrifiziert und weiß Gott was noch alles mit sozialen Auswirkungen angerichtet. Ab- und Umwege, so folgenschwer wie normal. Es irrt der Mensch, solang er strebt.

(Neulich habe ich wieder einmal in eine Hörbuchversion von Goethes Faust reingehört, das ist nämlich auch etwas, dass ich mit jedem Jahr mehr genießen kann. Eine halbe Stunde bin ich hell begeistert vom Text gewesen, manche Sätze habe ich dabei nachgeplappert, wie so ein Fanboy. Das war schön, das wird sicher bald wiederholt.)

Ich mache es jedenfalls nicht mehr, das mit dem Büro im Urlaub oder bei Grippe, Corona, Bandscheibe und Magendarm. Kategorisch mache ich es nicht mehr. Ich finde es mittlerweile auch gesellschaftlich falsch. Umentschieden habe ich mich da, es ist aus meiner Sicht eine für die Mehrheit eher fatale Entwicklung.

Aber Ausnahmen, Regeln, dies, das. Ich weiß, fühlen Sie sich bitte bloß nicht direkt angesprochen und machen Sie vor allem, was Sie wollen. Das Missionarische lasse ich bei diesem Themenblock aus.

Raus ist heute jedenfalls raus für mich, ich bin doch früh genug wieder drin. Zu früh wird es in jedem Fall sein, das scheint schon festzustehen. Unerholt seit März 2020, das wäre nach wie vor ein passendes T-Shirt für mich, und vielleicht wäre es dann sogar mein Lieblings-T-Shirt. Obwohl ich eigentlich nichts mit ausdrücklicher Message darauf trage. Nein, nicht mehr trage, denn auch das war schon anders.

Blick von einem Steg an der Alster mit Außengastro. Liegestühle, eine Palme in einem Kübel, Abendstimmung

Bevor es hier also unweigerlich etwas Reise-Content geben wird, das wollte ich nur eben sagen, bringe ich den üblichen, notwendigen und auch herzlichen, den immer noch begeisterten Dank unter, dass die angesparten Trinkgelder aus den letzten Monaten ein weiteres Mal einen erheblichen Teil unseres Familienurlaubs nach Südtirol finanziert haben. Das ist unfassbar nett von Ihnen, von Euch, wie es beliebt, dass dies so läuft, und nun sogar seit Jahren.

Wenn hier also in Kürze einige Unterwegs-Meldungen kommen, denken Sie sich bitte zu jedem Text und Bild wieder die unten am Bildschirm durchlaufende Einblendung: „Diese Reise wurde ermöglich durch Leser:innen.“

Ganz herzlichen Dank, so ein überaus freundliches Publikum! Das ist alles nicht selbstverständlich, ich weiß.

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Maschinenwehmut, meine Güte, komm mal klar.

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Zunächst uneinsichtig

Ein kleiner Nachtrag fällt mir noch ein. Da geht es um die Wiederankunft der Herzdame aus Berlin neulich, ich berichtete von dem besonders heißen Tag. Der dann auch noch global Hitzerekorde brach, es passte wieder alles zusammen. In dem Beitrag erwähnte ich auch das Chaos im Bahnverkehr. All diese Verspätungen, Verschiebungen, Gleisänderungen, Ausfälle etc. All die verwirrten und teils verzweifelten Reisenden, das Gedränge und Geschiebe im Bahnhof.

(Christian hat drüben meine hier oft geschilderte Einschätzung der stets rappelvollen Bahnhofssituation gerade freundlich bestätigt, das ist auch einmal nett.)

Die Komplikationen lagen an diesem Tag zu einem erheblichen Teil auch wieder an Personen im Gleisbereich. Also an unbefugten Personen, es wurde immer wieder so durchgesagt. Bei früheren Gelegenheiten hörte ich auch die Formulierung „bahnfremde Personen“, was angenehm altmodisch amtsdeutsch klang. Bahnfremd als zulässige Abwertung.

Das ist jedenfalls ein Umstand, der etwas rätselhaft anmutet. Denn eindeutig gibt es doch eine Steigerung in der Häufigkeit dieser Vorkommnisse in den letzten Jahren. Zumindest leite ich das aus der mir bekannten Stichprobe ab. Die Herzdame und ich hatten solche Vorfälle auf sämtlichen Bahnfahrten in letzter Zeit und dauernd wird davon berichtet. Gestern etwa habe ich es zweimal in den sozialen Medien gesehen.

Ich kann es mir nicht vollkommen plausibel zusammenreinen, warum neuerdings dauernd irgendwelche Menschen auf Schienen herumlatschen und es früher deutlich weniger gemacht haben. Es gab einmal, und so lange ist es gar nicht her, ein paar Jahre nur, vielleicht eine Pandemie, eine allgemeine Übereinkunft, dass so etwas eher keine gute Idee sein kann. Auf den ersten Blick ist es ein Rätsel der Gegenwart.

Vor ein paar Tagen habe ich aber irgendwo noch eine Meldung dazu gesehen. Es war eine norddeutsche Lokalmeldung, glaube ich, dass da jemand telefonierend auf einem Gleis stand. Dass diese Person damit Züge aufhielt und sich, als Sicherheitskräfte versuchten, sie dort zu entfernen, „zunächst uneinsichtig“ zeigte. Womit wir also mit ziemlicher Sicherheit wieder bei Freiheit, Freiheit sind, nicht wahr. Ich kann hier machen, was immer ich will, eine Art Karen Langstrumpf. Vermutlich war das Telefonat einfach noch nicht beendet.

Wobei mir auffiel, dass „zunächst uneinsichtig“ bei genauerer Betrachtung eine treffende Beschreibung unserer Gesellschaft geworden ist. Es wäre auch ein hervorragender Buchtitel für eine umfassende, tiefschürfende, schwartendicke und Hartmut-Rosa-mäßige soziologische Erklärung des postpandemischen kollektiven Zustandes, möchte ich meinen: „Zunächst uneinsichtig – die Entwicklung der Gesellschaft seit 2020“.

Und es ist, jetzt der trostreiche Abschluss, ein Begriff, der, wenn man es besonders dringend so sehen möchte und auch immer noch über die Fähigkeit zum wenigstens zaghaften Optimismus verfügt, immerhin einen Rest Hoffnung in dem Wort „zunächst“ beinhaltet.

Da mal dran klammern.

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Urlaub und Unbill

In den Blogs und Timelines mehren sich saisongerecht die Urlaubsmeldungen, die Reiseberichte und die Postkartenfotos von Meeren und anderen Landschaften mit ausgeprägtem Schönheitsaspekt. Diesmal alles mit einem markanten Nord- und vor allem Dänemark-Schwerpunkt. Teils ist es dort gerade etwas herausfordernd, was das Wetter angeht. Kapuzenbilder sieht man hier und da, aber wann ist das Wetter schon perfekt. Und über Unbill aller Art schreibt es sich ohnehin besser und leichter als über reinen Genuss und ruhigen Seelenfrieden. Das Wetter dort oben soll uns als Konsumenten dieser Art von Abenteuermeldungen also nicht weiter stören, im Gegenteil.

Mich erreicht passend dazu eine verlockende Einladung auf eine Lieblingsinsel. Der ich diesmal zwar wegen anderer Pläne nicht folgen kann, aber es ergeben sich Optionen, das ist immer schön.

Ich lese über Urlaube, ich verlinke Artikel zum Tourismus, ich denke über das Reisen nach. Ich führe mehrere Gespräche über Urlaub und Ferien, vom Kolleginnen-Smalltalk am Kaffeeautomaten bis hin zu tiefsinnigeren Austauschversuchen. Auch über die stets irritierende Urlaubs- und Entspannungsunfähigkeit rede ich, mit der ich wieder nicht allein bin. Nie ist man mit etwas allein. Manchmal ist es ein Trost, manchmal ist es ein Fluch.

Wer fährt also wie lange wohin und was wird dann dort gemacht. Überall klingt es gerade an, „Warst du schon“ als Gesprächseinstieg. Das gemeine Fernweh bleibt bei mir weiterhin aus, das ist vermutlich eine Art Glück – muss ich mich damit nicht auch noch herumschlagen. Man hat doch in der Regel schon genug Probleme im Alltag. Ich lese und höre Reiseberichte manchmal gerne, aber sie locken mich meistens nicht.

Dennoch nebenbei schon einmal Koffer packen. Für ein wenig Reiserei, die Familie zieht mich mit. Nicht alles im Leben muss man selbst entscheiden, und auch das kann ein Vorteil sein. Und man packt ohnehin viel konzentrierter, glaube ich, wenn man nicht durch übermäßige Vorfreude abgelenkt wird.

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Schnell noch einmal in der Bücherei gewesen. Ich hatte doch glatt Italo Svevo vergessen, und so geht es ja nicht. Seinen Zeno Cosini auf der Reise endlich einmal nachholen, das ist auch so ein Vorhaben seit Jahrzehnten.

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In den Medien gibt es mehr und mehr Schlagzeilen zu Olympia und mir fällt wieder ein, dass wir das als Kinder stunden- oder tagelang im Fernsehen gesehen haben. Ohne jedes Interesse an Sport, nicht nur in meinem Fall. Nur weil es nichts anderes gab, siehe auch Wintersport. Man kann es heute kaum noch erklären, dass man da stundenlang vor dem Dressurreiten oder sogar vor dem Biathlon gesessen hat, weil es immerhin bunte Bilder mit Ton waren und damit doch besser als alles andere. Immer in der Hoffnung, dass da irgendwas halbwegs Unterhaltsames, Unvorhergesehenes passieren könnte. Ein scheuendes Pferd, ein Sturz, ein Unfall. Die Erwartungshaltung war moralisch keineswegs einwandfrei.

Man kann es heute kaum noch vermitteln, meine Söhne machen keine auch nur annähernd ähnliche kollektive Erfahrung. Man kann es sich auch selbst kaum noch vorstellen, aber so war es eben. Opa erzählt vom Krieg, Opa erzählt vom Fernsehen im letzten Jahrhundert.

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Halbwegs passend dazu gehört: Eine neue Folge Radiowissen über Zeitzeugen und ihre Bedeutung.

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Zwei Tretboote an einem Steg an der Außenalster

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Glitzersichtungen und Abwesenheitsmeldungen

Bitte bei der Kaltmamsell das eingebundene neue Video der Pet Shop Boys beachten, New Bohemia. Und auch ihren Kommentar dazu, den ich gut nachvollziehen kann.

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Im englischen Guardian gibt es in letzter Zeit ein irritierend ansteigendes Interesse an Germany. Immer öfter findet unser Land dort auf der Online-Titelseite statt, mit recht bunten Themen, keineswegs nur mit den üblichen Nachrichten zur Regierungspolitik und internationalen Verbindungen. Sondern etwa auch mit El Hotzo oder mit den Punks auf Sylt. Ungewohnt, das so häufig analysiert zu sehen.

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Zwei Updates zum Thema Overtourism. Zum einen eine Sendung beim Deutschlandfunk über Barcelona: Warum sich Massentourismus so schwer regulieren lässt (18 Minuten). Auch hörenswert, wenn Sie in Hamburg, München, Berlin oder anderen Städten und Gegenden wohnen, die routinemäßig stark bereist werden.

Zum anderen gibt es eine weitere Quotenregelung für ein allzu attraktives Ziel, diesmal auf einer Insel in Frankreich. Da dann auch wieder Sylt etc. mitdenken.

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Auf filmfriend wird die alte Maigret-Serie aus Frankreich mit Bruno Cremer wiederholt. Damit werde ich eine Weile angenehm beschäftigt sein, diese Serie habe ich in bester Erinnerung. Mir war so, als würde sie durch Besetzung und Machart die Stimmung der Bücher besonders treffend wiedergeben, und Bruno Cremer schien hervorragend zu meinem vorgestellten Maigret zu passen. So sagt jedenfalls mein Gedächtnis.

Ich werde das gründlich überprüfen. Die Folgen haben, das kann ich jetzt schon sagen, eine herrliche Ruhe in den Einstellungen. Sie sind auf die denkbar beste Art sedierend nach einem wilden Tag. Wie manchmal auch die Simenon-Lektüre.

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Ansonsten ist Taylor Swift in der Stadt. Was ich vor allem daran merke, dass sämtliche lokalen Medien in etlichen Meldungen aufgeregt berichten, dass man es überall merkt. Das Stadion, in dem sie auftritt, ist allerdings weit weg von uns. Von den Konzerten werden wir hier nichts mitbekommen und die jüngeren Menschen in meinem privaten Umfeld interessieren sich eher nicht für ihre Musik.

Ich sehe im kleinen Bahnhofsviertel beim Einkaufen lediglich zwei junge Frauen, die hohe Stiefel, Glitzerkleidchen und seltsame Armbänder tragen. Exakt die in den Medien beschriebenen Kennzeichen der Fans sind das, ich habe natürlich aufgepasst. Das werden also die berühmten Swifties sein, stelle ich kundig und eingeweiht fest. Hat man die auch einmal gesehen.

Im Büro sehe ich außerdem eine Abwesenheitsmeldung, die sich ausdrücklich auf dieses Konzert bezieht. Das ist eine Premiere für mich, so etwas ist mir bisher noch nie begegnet. Ein Erfolg für Taylor Swift, das dann auch einmal anerkennen.

Wobei ich ohnehin seit einiger Zeit einen noch weiter zu verifizierenden Trendverdacht bezüglich automatisierter Antwortmails im Job habe. Die Abwesenheitsmeldungen aus verschiedenen Firmen scheinen gerade deutlich persönlicher zu werden, ausgeschmückter, heiterer und erklärender.

Man ist nicht mehr einfach nur weg oder ooo, man ist nicht nur dann und dann wieder erreichbar. Nein, man macht vielmehr ausdrücklich in der Zwischenzeit dieses oder jenes. Man lebt ein unterhaltsames, buntes Leben und man sagt auch, wie es dabei zugeht, in auffällig lockerem Tonfall.

Vielleicht fiel es in Ihrem Umfeld auch schon auf? Kurz gegoogelt, und guck an, auf Cosmopolitan steht: „Der Trend aus den USA, sich in den Abwesenheitsnotizen auch mal einen Spaß zu erlauben, schwappt peu à peu auch nach Deutschland über …

Da kommt also noch etwas. Man wird sich vermutlich bald eine bunte Sammlung der schönsten Sätze anlegen können, die man als Antwort auf berufliche Anliegen bekommen wird, heiter-besinnliche Bonmots. Wie früher im Poesiealbum.

Schön, schön.

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Von Schnecken und Menschen

Am Sonntagabend der Biden-Rückzug und ich stelle bei der Gelegenheit wieder etwas fest, und gar nicht mal gerne. Denn während ich jahrelang bei solchen Ereignissen den Abend in den Timelines Reaktionen mitgelesen und dort alle relevanten Links und Kommentare kundiger Menschen zuverlässig serviert bekommen habe, kommt es mir heute dort deutlich verändert vor. So viele eher, nun ja, altkluge Bemerkungen, das Wort trifft es leider, so viele Anmerkungen nach Art der Kalenderweisheiten auch. Dazu matte Scherze, substanzlose Prophezeiungen, Unkenrufe aller Art … und wenig Links zu guten Quellen. Entweder es hat sich tatsächlich nach Twitter etwas verändert, oder ich habe es früher nur nicht bemerkt. Ich weiß gar nicht, welche Möglichkeit ich schlimmer finden soll.

Am Ende wird die Erklärung wieder nur sein, dass wir alle älter werden. Und warum sollten wir dabei besser werden. Das haben wir an den Generationen vor uns auch nicht so beobachtet, nicht wahr. Man peilt Waldorf und Statler an, muss dabei aber bedenken, dass es junge Menschen waren, die ihre Pointen geschrieben haben.

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Die Herzdame ist aus Berlin zurück. Das war ihre letzte Station, sie kam in einem pünktlichen Zug wieder in Hamburg an. Dem Chaos im Hauptbahnhof nach zu urteilen war es der einzige pünktliche Zug weit und breit, ein seltenes Glück. Der Bahnhof war am Sonntagnachmittag unfassbar voll, wie immer zur besten Reisezeit. So viele Menschen mit teils monströsen Gepäckmengen, wahre Berge von Zeug. Wie auch immer das alles in überfüllte Züge passen sollte, man bekam schon im Vorbeigehen erhebliche Zweifel.

Auf den Gesichtern in der Wandelhalle und an den Bahnsteigen war deutlich zu sehen, dass nach drei Tage Hitze und immer noch weiter steigenden Temperaturen sogar der große und so überaus meinungsstarke Freundeskreis Sommerwetter allmählich stimmungsmäßig und körperlich nachgab. All die ungesund aussehenden roten Flecken auf der Haut, dazu die durchgeschwitzt nasse Kleidung, der von jedem Menschen tropfende Schweiß, die glasigen Blicke, der hier und da versagende Kreislauf, das Japsen, das stöhnende, ächzende Stehenbleiben.

Mehrere bereits umgekippte Personen gleich auf einen Blick im Bahnhofsgewirr. Dienstbeflissene Sanitäterinnen, herbeieilendes Aufsichtspersonal, selbst fast eingehend in den Dienstklamotten – also man konnte deutlich sehen, dass Hitze, wahre Hitze kein Spaß ist. Eher eine Bedrohung.

Eine Luft wie geschmolzene Butter, dazu allmählich gelblicher werdendes Licht. Die schon den ganzen Tag erwarteten Unwetterwarnungen auf den Smartphones, eine nach der anderen, pingpingping, eine Unzahl. Und das Gewitter, die Gewitter zogen dann über Stunden langsam, quälend langsam die Elbe entlang von Niedersachsen heran.

Ich sah gerade aus einem Dachfenster, als der erste Windstoß des deutlichen Wetterumschwungs ums Hotel nebenan geschossen kam, unerwartet schnell und erstaunlich ruppig. Der knallte mir das hochgeklappte Fenster mit einer solch rüpelhaften Verve auf den Kopf, dass ich erst nicht wusste, ob ich am anderen Alsterufer die ersten Blitze über Harvestehude oder doch nur aufschlagbedingte Sterne sah.

Mit Beule in die nächste Woche, so wirkt das Wetter nach und man erinnert sich besser.

Als es dann regnete, als es endlich viel regnete, wenn auch von Starkregen diesmal keine Rede sein konnte, kamen ringsum nach und nach immer mehr Menschen auf die Balkone und an die Fenster, leicht oder kaum bekleidet. Sie atmeten gierig die frischer werdende Luft und steckten die Köpfe in den Regen, hielten auch in kindlich anmutender Begeisterung Hände in die Tropfen. Wie Schnecken von der Feuchtigkeit belebt und ermuntert.

Sie winkten sich manchmal sogar zu, diese Menschen im Regen, von Balkon zu Balkon und zu Fenster, ein eher ungewohnter sozialer Überschwang in dieser Stadt. Man grüßte sich durch die allgemeine und hochwillkommene Erfrischung. Und unten auf der Straße gingen welche ohne Schirm und alles, die ihren Schritt dennoch nicht beschleunigten, trotz des Wolkenbruchs. Die nur wehrlos nass und nasser wurden, wie unter ihrer Dusche zuhause.

Und wenn man so etwas sieht, dann weiß man, es war längere Zeit viel zu warm in der Stadt.

Ein Aufkleber an einem Verkehrsschildmast: "FCKAFD", im Hintergrund unscharf eine leere Straße

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Fortschritte hier und da

Am Nachmittag des heißen Freitags mit der weltweit so spektakulär zerschossenen virtuellen Arbeitsumgebung ging ich zum Friseur. Zauselig wochenlang verspätet wie immer und trotz Hitze windverweht. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann es hier zuletzt windstill war, es muss mittlerweile lange her sein. 2024 auch als durchwehendes Jahr betrachten, es ist doch ein markanter Umstand.

Der Friseur ist im Souterrain unter einem alten Gebäude, quasi in einem Kellergewölbe. Darin war es herrlich temperiert, höhlenhaft kühl und bei der immer drückenderen Juliluft in der glühenden Stadt überaus angenehm. Das Kürzen der Haare fühlte sich an wie das Abnehmen einer saisonal verfehlten Pelzmütze. An Hitzetagen ist so ein Untergrundfriseur eine unbedingte Empfehlung, man macht eine belebende, befreiende Erfahrung. Beschwingt für wenigstens einen Moment ging ich danach wieder nach Hause. Zurück ins Backofendachgeschoss, um dort den hochsommerlichen Schmelzprozess fortzusetzen.

Kurz war es immerhin nett, da unten im Keller. Aber ich kann bei Hitze auch nicht jeden Tag zum Friseur gehen, ich habe weder so viele Haare noch so viel Geld.

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Am Sonnabend in der Bücherei gewesen und einen Arm voll italienischer Literatur besorgt, wie geplant. Dazu die Erinnerungen von Vicki Baum, von denen die Kaltmamsell mehrfach schrieb.

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Ich habe in letzter Zeit etliche Filme aus den Siebzigern gesehen (es ist alles nur eine Phase) und gar nicht hier untergebracht. Mit immer größerem historischem Interesse an diesem Jahrzehnt habe ich die gesehen, an dieser seltsamen Zeit, in der ich Kind war und Teenager wurde.

Mit immer mehr Augenmerk darauf, dass das, was in diesen Filmen abgebildet und geschildert wurde, doch wohl zwingend das war, was mir damals als kollektive Erzählung die zu erwartende Welt der Erwachsenen erklärt hat. Und also sicher auch meine Vorstellungen für eine Weile geprägt haben wird. So hat man mir erwachsene Männer und Frauen und ihr Benehmen vorgeführt, ihr Paarungsverhalten, ihre Karrieren, Ziele und alles.

Vor diesem Hintergrund ist es dann die Zeit wert, auch Filme, die ausdrücklich schlecht gealtert sind, wie aktuell etwa „Ein Elefant irrt sich gewaltig“ (1976) auf arte, noch einmal zu sehen. Darüber hat man damals also gelacht. Über dieses platte Männer- und Frauenbild, über diese ruckelige Beziehungssystematik und die kaum zu ertragende Kommunikationsunfähigkeit bei allen Beteiligten. Über diesen schlichten Chauvinismus etc. Lässige Klapse auf Kellnerinnenpopos als Ausdruck heiteren Überschwangs und dergleichen, man schämt sich fast beim Zusehen. Aber so war es eben.

Nur Jean Rochefort ist weiter sehenswert in seiner Rolle, er spielt einfach gut. Oder er hat ein Gesicht, das ich heute noch gerne sehe, ich kann es kaum unterscheiden.

Aber der Rest … meine Güte. Wie viele hundert Jahre sind die 70er her, wie weit war der Weg. Diese Frage bei jedem Film aus der Zeit.

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Fleetblick von der Fleetinsel elbwärts

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