Woanders – diesmal mit der Emanzipation, Vätern, Kinderüberwachung und anderem

Ich verlege diese Rubrik jetzt auf den Sonntag, das ist viel praktischer und entspannter. Zumindest für mich. Vielleicht ja auch für Sie.

Das Stilhäschen hat ein kinderfreies Wochenende und macht Erfahrungen, die ich auch so kenne. “Kommen Sie denn zurecht?”

Der Tagesanzeiger mit einer Meldung zur technischen Überwachung von Kleinkindern. Da wird im Text so scherzhaft auf PRISM angespielt. Ich möchte jedoch bitten, beim Lesen die scherzhafte Andeutung etwas zu steigern, denn es ist eine echte Spiegelung der großen Welt in der kleinen. Totale Überwachung, weil es geht. Mit bester Absicht, versteht sich, das muss man gar nicht anzweifeln, es geht natürlich um das Supergrundrecht der Kinder auf Sicherheit. Aber Eltern, die so anfangen – wie leicht werden die wohl ihr Kind später alleine zur Grundschule gehen lassen? Überhaupt jemals aus den Augen lassen? Ab wann werden sie ihrem Kind wohl zutrauen, irgendetwas ohne den prüfenden Blick und die Sicherheitschecks von Mama oder Papa zu machen? Als Sohn I hier mit 5 Jahren zum ersten Mal alleine zum Bäcker ging um morgens die Brötchen zu holen, haben uns nicht wenige Eltern hier für verrückt erklärt. Weil wir ihn dabei nicht gesehen haben. Ab wann dürfen die Kinder wohl etwas am Computer oder iPad oder an der Spielkonsole machen, ohne dass die Eltern hinterher nachsehen? Noch einmal: es ist eine Spiegelung. Es hängt zusammen. Zu Kindern und dem Internet schreibt auch Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach gerade etwas.

Jochen Wegner, der Onlinchef der Zeit, über seine Arbeit, paid content und hysterische Tickermeldungen. Wer sich für die Medienbranche interessiert, dürfte das Interview spannend finden.

Ein in Hamburg lebender Brite schreibt über die Operation Gomorrha, an die in der letzten Woche wegen des Jahrestages viel gedacht wurde. Via Papascott.

Im Standard ein langer Text über den erstaunlich lebendigen Gavrilo Princip. Den Namen kennen Sie doch noch aus dem Geschichtsbuch? Dachte ich mir.

Die liebe Nessy hat das Reisebuch von Meike Winnemuth gelesen und notiert 12 Städte, in die sie selbst gerne reisen würde. Mir fallen nicht einmal 12 Hamburger Stadtteile ein, in die ich gerne möchte. Hm.

Im Tagesanzeiger ist man schwerst genervt von Bono. und verweist zurecht darauf, dass wir nur Sunday Bloody Sunday hören wollen und keine Reden von ihm. So ist es.

Bilder: Porträts von Autorinnen, die das Zeug im Erotikregal schreiben. Mit Textbeispielen.

Film: Und wie binden Sie so Ihre Schuhe?

 

 

 

Für die Urlaubszeit

Wer regelmäßig viele Blogs liest, wird es bereits gemerkt haben – da kommt gerade nichts. Oder nur wenig, ganz wenig, ein kleines Rinnsal an Texten, das füllt nicht einmal mehr die Mittagspause. Das liegt entweder an der Urlaubszeit (bei allen anderen Bloggern) oder an ungeplanter Arbeitsüberlastung (bei mir). Egal warum, jedenfalls ist da gerade nichts. Da könnte man als Ersatzhandlung mal wieder zu einem Buch greifen, das hat früher auch oft gut funktioniert. Wer in Urlaub fährt, möchte das aber vielleicht zeitgemäß mit einem E-Book-Reader tun, um die Gepäckmenge gering zu halten? Da hab ich was für Sie.

Wir verlosen einen Reader von Sony, einen PRS-T2. Und damit die Aktion hier im Urlaubskontext bleibt und auch etwas Entertainment stattfindet, nimmt an der Verlosung jeder teil, der bis Sonntagabend (28. Juli 2013) 20 Uhr hier per Kommentar vermerkt, wohin sie oder er ganz bestimmt nie wieder in den Urlaub fährt und warum nicht. Das reicht in einer bündigen Version à la  “Sahara war zu heiß” oder “Helgoland hatte keine Autobahnausfahrt”. Wer mag, kann aber natürlich auch gerne weiter ausholen und uns en detail erklären, warum die Ameisenplage in dem Zeltlager in XY damals ihn heute noch in Träumen heimsucht und seitdem vom Campen abhält. Das eine oder andere größere Urlaubsdesaster werden doch die meisten schon erlebt haben?

Auf die Gewinnchance hat Ihr Text allerdings keinen Einfluss, so lange Sie überhaupt ein Ziel und einen Grund nennen, der dagegen spricht. Von der pauschalen und womöglich diskrimierenden Beleidigung anderer Nationen und ihrer Einwohner bitte ich abzusehen.

Am Sonntagabend werden die Söhne per kleiner Schlägerei konstruktiv ausmachen, wer von den beiden das Gewinnlos ziehen darf, anschließend vermelde ich den Namen dann hier. Der Gewinner wird mir per Mail seine Postanschrift nennen müssen, wenn das für Sie ein Problem ist, nehmen Sie bitte nicht teil.

Der Preis wird uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Holidaycheck.

 Los geht’s.

 

Es ist warm

Ich sitze im Schatten am Rand des Spielplatzes, die Kinder spielen in der Sandkiste weiter hinten mit einem Wasserschlauch und kühlen sich kreischend gegenseitig ab. Neben mir sitzen andere Eltern, nicht wenige sehen ein wenig fertig aus, es ist wirklich heiß. Derangierte Frisuren, durchgeschwitzte Hemden. Die Luft steht und glüht, der Sauerstoff in Hamburg scheint nach ein paar Tagen Sonne allmählich knapp zu werden.

Manche Eltern lesen, manche dösen. Wer nach seinem Kind sehen muss, hat verloren, der muss nämlich durch die Sonne gehen. Einige Mütter und Väter unterhalten sich über Einschulungen, welches Kind wann auf welche Schule kommt und warum. Darüber kann man endlos reden, immer wieder von vorne. Jeder hat irgendwas gehört, weiß irgendwas, was die anderen nicht wissen oder ganz anders gehört haben. Eine Mutter erzählt ihrem Banknachbarn, was sie allgemein von Lehrern hält, nämlich allgemein nichts, gar nichts, also wirklich. Sie erläutert an Beispielen, wie schlimm sich Lehrer gegenüber Eltern benehmen, im Allgemeinen, sie redet überhaupt dauernd von der Allgemeinheit. Allgemein, denke ich, alle gemein. Lehrer im Allgemeinen, die Lehrer im All sind gemein, so gemein, es ist wirklich heiß heute, was? Worum ging es gerade? Die Mutter erzählt immer noch von den allgemeinen Lehrern, während ich langsam wegdöse und wieder aufwache, ich schlängele mich zwischen Nickerchen und Wachzustand durch und bemühe mich, dabei nicht von der Bank zu fallen. Wie arrogant sie doch seien, die Lehrer, höre ich nebenbei. Wie rechthaberisch, die Mutter kriegt sich gar nicht  mehr ein. Hören nicht auf zu reden, die Lehrer, haben die Weisheit gepachtet und lassen nie jemanden ausreden, es ist wirklich ein Kreuz mit dem Berufsstand. Diese Haltung! Diese Überheblichkeit! Und immer dieses Gegenanreden! Zum Kotzen. Ob er das nicht auch kennen würde? Hm?

Ja, sagt der angesprochene Vater freundlich nickend, das kenne er auch, sehr gut sogar. Er sei nämlich selber Lehrer. Und nur weil er heute so müde sei, wirklich ganz ungewöhnlich müde, durch die Hitze vielleicht, nicht wahr, habe sie heute einmal ausreden dürfen. Das sei doch schön. Dann schließt er die Augen und lehnt sich zurück, die Hände auf dem Bauch verschränkt.

Es ist wirklich verdammt warm da draußen.

 

Woanders – diesmal mit einem Buch für Eltern, der igs und der Zuversicht

Der Kinderdoc empfiehlt ein Buch für Eltern. Ich habe es noch nicht gelesen, aber es klingt gut.

Oliver Driesen war auch auf der igs. Aber es sind immer noch nicht alle Hamburger Blogger durch, glaube ich. Schlimme Schlamperei.

Peter Breuer funkt Zuversicht.

“Unser Sand soll sauber bleiben” ist eine grandiose Überschrift für eine fürchterliche Angelegenheit. Der kleine Alltagsrassismus, so übrigens auch in Hamburg gut zu beobachten.

Film: Ein Vater hat sein Baby ein Jahr lang jeden Tag eine Sekunde gefilmt. Und nun bitte alle im Chor: „Sie wachsen so schnell!“

Fotos: Sehr, wirklich sehr spezielle Bilder aus Google Street View.  Via Kwerfeldein.

 

Es gibt Streit

Man erzieht nicht, man lebt vor, das ist wohl Allgemeingut geworden. All die zahllosen pädagogischen Bemühungen sind sinnlos, am Ende machen Kinder die Eltern doch einfach nach. Dann hat man die Bescherung und sieht sich in einem seltsamen Zerrspiegel, wahr wie selten. Das kann fatal sein, es kann aber auch gutgehen. Manchmal steht man zerknirscht, manchmal freut man sich, es ist ein Spiel mit Höhepunkten und Niederlagen.

Man lebt auch dann vor, wenn man streitet, das scheint vielen Paaren gar nicht klar zu sein. Alle Paare streiten natürlich hin und wieder und jede Meinungsverschiedenheit zwischen den Eltern wird vom Nachwuchs genau beobachtet und ausgewertet. Wie klären die das? Welche Methoden wenden die an? Gibt es Kompromisse? Oder gewinnt nur einer? Wie schafft er das? Und was macht dann der Verlierer? Wie vertragen sich die beiden wieder? Man kann sich jahrelang mit seiner Frau herumstreiten, erst wenn man Kinder hat, wird es richtig spannend. Jeder Streit wird dann ein großer Auftritt. Und das Publikum sieht nicht nur zu, es fragt nach, es will genau verstehen. So wie Sohn I neulich, der gespannt einer fortgeschritten wilderen Diskussion zwischen der Herzdame und mir folgte, in der es um das sonntägliche Ausflugsprogramm ging: “Also wie jetzt, Moment! Erst will Papa nicht zum Schwimmen, jetzt will er aber doch? Wieso das denn?”

Und die Herzdame erklärte freundlich lächelnd: “Genau. Er will jetzt auch. Ich habe ihn überzeugt, dass es so richtig ist, wie ich es will. Also wie immer.” Das Kind sah die Herzdame an, sah mich an, dachte nach und sagte dann: “Ach was, du hast ihn doch gar nicht überzeugt. Er will überhaupt nicht zum Schwimmen. Ich glaube, Papa ist einfach nur ein Gentleman. Find ich gut.”

So ist das mit dem Streit in der Ehe. Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man. Und manchmal kann man es gar nicht unterscheiden.

(Dieser Text erschien als Sonntags-Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)

Auf der igs

Auf der igs geht es um Gärten, und was interessieren mich schon Gärten? Genau, Gärten interessieren mich rein gar nicht. Gärten sind eben da, irgendwer macht immer irgendwo Gärten. Ab und zu sehen sie ganz nett aus, oft auch nicht, ich nehme beide Phänomene im Stadtbild mit  Gelassenheit und Toleranz zur Kenntnis. Ich würde  sicher nicht in eine Ausstellung gehen, um mir Gärten anzusehen.

Ich könnte natürlich  einfach als Hamburger Bürger auf die igs gehen, das ist immerhin eine der touristischen Hauptattraktionen in diesem Jahr. Da wurde ziemlich viel öffentliche Fläche verbaut oder begrünt, da wurden meine Steuergelder im wahrsten Sinne des Wortes vergraben, das kann man sich doch  ansehen? Nun ja. Kann man wohl. Das klingt allerdings auch nicht richtig überzeugend und verlockend. Ich kann aber, und da wird es endlich sinnvoller, auf die igs gehen, weil es dort  fünf nagelneue Spielplätze gibt und ich zwei Kinder im richtigen Alter dafür habe! Und weil zumindest eines der Kinder von diesen Spielplätzen gehört hat und mir daher vorschlug, einfach darüber eine Kolumne zu schreiben, denn dann könnten wir doch kostenlos dahin… und das Kind grinste mich an und guckte fragend, ja, Papa, können wir doch? Es ist immer ein schönes und besonderes Erlebnis, wenn der Nachwuchs den Beruf der Eltern endlich versteht und auch noch als sinnvoll erkennt.

Wir waren also an einem Tag mit gutem Wetter auf der igs, um uns die Spielplätze anzusehen und sie zu testen. Die igs war auch an diesem Tag bestenfalls mäßig besucht, mit Menschenmassen ist dort wirklich nicht zu rechnen. Kein Gedrängel, keine Schlangen, nicht an den Kassen, nicht an den Eisbuden oder an den Pommesklappen. Vor denen übrigens Touristen stehen und statt der Blumen ringsum die Preisschilder mit dem Wert der Wurst fotografieren, damit sie daheim etwas Tolles zeigen können. Und mehr muss man über die Preispolitik der igs wirklich nicht wissen.

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Es laufen nicht viele Menschen herum und auf den Spielplätzen wenig Kinder. Oder, um präzise zu sein – auf drei von fünf Spielplätzen gar keine Kinder, bis wir kamen. Das ist für Kinder auf den ersten Blick nett, hurra, alles frei, da kann man alles sofort machen! Alles meins! Auf den zweiten Blick ist es aber etwas beklemmend und auf den dritten Blick geht man lieber weiter, zum nächsten Spielplatz. Wo die anderen Kinder womöglich stören, aber eben dazugehören. Leere Spielplätze sind einfach deprimierend.

Das Gelände der igs ist nicht groß, wenn man erwachsen und gut zu Fuß ist. Das Gelände der igs ist ziemlich groß, wenn man kleine Kinder dabei hat. Kleine Kinder, die früh müde werden, aber nicht mehr im Buggy sitzen und schon zu groß sind, um dauernd getragen zu werden, kleine Kinder zwischen 3 und 5 also. Meine Kinder sind 3 und 5 Jahre alt. Da nimmt man am besten diese aufgeständerte drollige Bahn mit der Monoschiene, damit kommt man über das ganze Gelände, einmal im Kreis mit vier Stationen. Eine Station fahren, aussteigen, Spielplatz suchen, spielen, weiterfahren, das geht auf, das macht auch den Kindern Spaß. Man fährt wie in einem Weltraumbahnhof, große Freude bei den Kleinen. Allerdings kostet die Bahn extra, und nicht wenig. Das mag den einen oder anderen schon überraschen, für mich lag die Überraschung des Tages allerdings darin, dass ich für diesen wirklich stolzen Extrapreis nur einmal im Kreis fahren darf. Danach fliegt man raus und das ist, das kann man nicht umschreiben, wirklich dreist. Es wäre nämlich nett, eine Runde im Kreis zu fahren, sich die ganze Sache in Ruhe von oben zu besehen und dann hier oder da noch einmal auszusteigen. Aber das darf man nicht und da waren wir alle erst einmal ein wenig beleidigt und haben im Familienverbund probiert, wer die Unterlippe am weitesten vorschieben kann.

Der erste Spielplatz, den wir gefunden haben, war “Hütten und Paläste”. Der ist eher klein, im Grunde ist es nur ein etwas exzentrisches Klettergestell. Der Dreijährige kam noch nirgendwo an, konnte also nicht richtig klettern und stand mit immer weiter vorgeschobener Unterlippe daneben, der Fünfjährige kletterte einmal durch, fertig. Der Spielspaß war noch nicht im meßbaren Bereich. Hinter dem Spielplatz eine industriell anmutende Wand, es war kein Mensch außer uns zu sehen, wir gingen lieber weiter.

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Der zweite Spielplatz, “Der verlorene Garten”. Das soll Atlantis darstellen und besteht aus ein paar mehr oder weniger versenkten Röhren. Da kann man durchkrabbeln, was die Söhne pflichtgemäß erledigten. Aus der einen Röhre kann man nach oben durchgucken, blau spiegelndes Glas in einer Röhre in der Röhre. Netter optischer Effekt für Erwachsene, den Kindern natürlich völlig schnurz. Die Betonröhren sehen selbst mit der Phantasie eines Fünfjährigen betrachtet nach Betonröhren aus, der große Spielplatztester wurde allmählich etwas misstrauisch und fragte, ob denn wohl noch mehr käme? Der kleine Spielplatztester stapfte entnervt mit den Worten “Blöde Blumen” quer durch die Rabatten, Blüten flogen abgeschlagen durch die Gegend, bis wir ihn endlich wieder einfangen konnten.

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Der dritte Spielplatz, “Wüstenwellen”. Da wurde es dann endlich besser, da kam doch noch Freude auf. Dünen mit Gummibelag, da kann man rauf und runterrennen, das gibt es sonst so nicht. Da sind Trampoline eingebaut, Trampoline sind natürlich immer gut. Kletternetze auf den Dünen, ein Kletterhaus daneben, eine Rutsche an einer Düne und die ganze Anlage so groß, dass es eine Weile dauert, bis die Kinder alle Kletterkonstellationen, Laufpisten und Hüpfszenarien durchhaben. Die Rutsche wird schön schnell, wenn man sich auf eine Jacke setzt, doch, das ist wirklich gut gemacht. Die Kinder waren plötzlich deutlich entspannter.

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Der vierte Spielplatz, “Die geheimnisvolle Insel”, das war dann endlich die Offenbarung. Der Spielplatz ist groß, vielfältig, originell und toll. Da waren auch ein paar Kinder mehr drauf, da turnten noch Erwachsene an den Gerüsten herum oder schaukelten auf überdimensionierten Riesenschaukeln, da war endlich etwas los. Für jede Altersgruppe etwas dabei. Hier könnte man es länger aushalten. Gleich daneben hängen Schaukelstühle für Erwachsene in den Bäumen, das ist alles sehr in Ordnung. Wer mit Kindern zur igs geht – am besten gleich hierhin oder zum Wüstenspielplatz, dann steigt die Stimmung verlässlich.

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Der fünfte Spielplatz, “Windflüchter”. Da ist dann wohl niemandem mehr ein schicker Name eingefallen, da musste der Begriff aus der Botanik herhalten. Das ist ein eher uninspirierter Wasserspielplatz, da gibt es deutlich bessere Anlagen in der Stadt, zum Beispiel auf dem Gelände der historischen Gartenschau Planten und Blomen. Ein Park, der bekanntlich keinen Eintritt kostet und auch ein paar Spielplätze zu bieten hat, und nicht einmal die schlechtesten. Auf denen an jedem Tag der Teufel los ist. Und die viel größer sind als die auf der igs und an deren Rand man Kaffee, Pommes und Eis zu normalen Preisen bekommt und nicht plötzlich an die Preise auf der Cebit denken muss. Und wo es ringsum übrigens auch riesige Blumenbeete gibt und wo man, wenn man die beiden Parks vergleicht, die Welt nicht mehr versteht.

Neben diesem fünften Spielplatz sind jedenfalls aus Gründen, die ich schon wieder vergessen habe, riesige Holzkisten aufgestapelt. Das sagt natürlich irgendwas aus, dieser Kistenstapel, denn auf der igs sagt alles dauernd irgendwas aus, das ist wie bei der Kunst im öffentlichen Raum. Findet man ein kleines Schildchen, wird man schlagartig erhellt und belehrt. Findet man kein Schildchen, steht man wie Ochs vorm Berg und denkt aha, Holzkisten, schau, schau. Wie man eben auch vor dem Rathaus einer Kleinstadt steht und “ah, ein Stahlknäuel” denkt, bis einem jemand erklärt, was es sein soll. Alle paar Meter steht auf der igs irgendwas in der Gegend herum, Stahlkugeln mit Stacheln dran, Reagenzgläser mit Algen drin, Wasserkanister zu Tausenden, Bambusgerüste, Teekisten oder auch ein Indianerzelt. Ein Fernrohr auf einer Pyramide, ein Schiffswrack, irgendein Arrangement aus leeren Dosen, ein Kamel aus Stahl. Dauernd denkt man: hä?

Und man findet keine Antwort, wenn man Kinder dabei hat. Denn wenn man so ein kleines Schild liest, das einen erhellen soll, machen die Kinder währenddessen Unfug, hauen ab oder klettern irgendwo drauf. Und wenn man doch einmal ein Schild ganz durchliest, dann liest es sich leider wie die Erläuterung zu den Ergebnissen der Projektwoche irgendeiner gymnasialen Oberstufe. Nichts gegen die Projektwochen gymnasialer Oberstufen, aber wenn man ehrlich ist und die eigenen Kinder nicht gerade in dieser Oberstufe hat – da ist noch Luft nach oben. Die amerikanischen Werte mit einem Monopoly-Spiel zu erläutern, ja, das kann man machen, klar. Das ist nett und bemüht. Toll oder innovativ geht aber sicherlich anders. Und warum überhaupt amerikanische Werte auf der Gartenschau? Warum nicht Trends aus dem Urban Gardening, warum nicht etwas über Öko-Bio-Gärtnerei, warum nicht etwas zur Stadtbegrünung, zum Gemüse auf dem Balkon? Zu Gärten in den Slums der Dritten Welt, zu den Gärten der Superreichen, was weiß ich. Wenn man etwas nachdenkt, dann fallen einem doch spannende und aktuelle Gartenthemen ein, abseits von amerikanischen Werten und Monopoly?

Mitten auf dem igs-Gelände gibt es übrigens Schrebergärten, und gar nicht wenig. Die waren schon vorher da, die hat man wohl nicht wegbekommen und musste also um sie herumbauen. Und aus dieser unfassbaren Steilvorlage, echte, fertige, jahrelang gepflegte Gärten aus lebendiger Tradition mitten auf dem Gelände vorrätig zu haben, was macht man daraus? Nichts. Gar nichts. Die sind da einfach nur, die Schrebergärten. Da geht man eben dran vorbei. Keine Erklärung dazu, kein Versuch, sie irgendwie einzubinden, kein Brückenschlag. Durch die Schrebergärten aber stromern die einheimischen Kinder und versuchen, den Touristen händeweise frisch gepflückte Johannisbeeren zu abenteuerlichen Höchstpreisen durch die Zäune zu verkaufen, ein schönes Lehrstück über einen aufstrebenden Stadtteil, durch den bis vor ein paar Wochen kein Tourist freiwillig gelaufen wäre. Aber das ist inoffiziell, dieser Beerenhandel, versteht sich, der kommt nicht von der igs. Ich habe trotzdem sehr gelacht.

Auf den großen Holzkisten am Rande des Wasserspielplatzes jedenfalls, und das wollte ich eigentlich sagen, ist das Klettern verboten, obwohl die bestimmt prima zu erklimmen wären. Sie liegen wirklich einladend direkt neben dem Spielplatz. Da ist kein Zaun dazwischen. Nur ein Hinweisschild, immer ist hier alles mit Schildern erläuert, wie in einem Museum. Die Kinder stehen vor dem Holzkistenstapel und wollen da rauf. Und spätestens hier hätte ich mit den Machern der igs dann doch gerne einmal ein ernstes Wort geredet, was sie sich eigentlich dabei gedacht haben. Aber das denkt an irgendeinem Punkt im Park vermutlich jeder, der da durchläuft.

Man lasse sich aber nicht täuschen, das sind natürlich nur langweilige Erwachsenenvorbehalte. Die Kinder fanden es toll da. Wenn die Kinder die eigentliche Zielgruppe wären – herzlichen Glückwunsch, die Zielgruppe war komplett zufrieden und kommt gerne wieder. Großartige Bahn, sie wären gerne auch fünf Runden damit gefahren. Zwei tolle Spielplätze und der mit dem Wasser doch immerhin nett, Wasser ist sowieso toll. Viele obskure Dinge in der Gegend, Kinder mögen so etwas, die brauchen dafür gar keine Erklärungen. Es gibt Eis, es fahren keine Autos herum, die einen überfahren können. Aus Kindersicht kann man da auch ein zweites Mal hin, sehr gerne sogar, und am besten bald. Und um Kinder geht es in dieser Kolumne schließlich. “Wie fandet ihr den Ausflug?” “Das war super. Musst du auch so schreiben, Papa.” Na, vielleicht können sie ja noch einmal hin, etwa mit dem neuen Großelternrabatt. Dann aber gerne ohne mich. Die Großeltern haben dann bestimmt auch viel mehr Interesse an den Blümchen als ich.

Eines der wenigen Schildchen, das ich in Ruhe gelesen habe, informierte mich übrigens darüber, dass es Bambus-Sorten gibt, die bis zu einem Meter pro Tag wachsen. Das geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf und ich will nicht unfair sein, ich habe von der igs dann doch genau einen begeisternden Gedanken mitgenommen. Das muss man sich mal vorstellen! Einen Meter. Pro Tag. Der Hammer. Was man eben so lernt, auf einer Gartenschau. Wirklich inspirierend, doch, doch.

Woanders – Der Wirtschaftsteil

Gemüse selbst anzubauen ist sicher eine feine Sache, aber leider heillos kompliziert. Das wächst alles nicht ganz von selbst, das muss alles irgendwie gepflegt und gehegt, begossen und behütet werden und die meisten von uns haben die paar tausend Jahre Erfahrung der Vorfahren damit leider nicht mehr parat. Und die Großmutter ist vielleicht auch gerade nicht verfügbar, die womöglich noch weiß, was mit einem Samenkorn genau zu tun ist. Sehr praktisch, wenn man dann so ein Set hier greifbar hat. Es sieht ein wenig so aus, als würde es bei einem schwedischen Möbelhaus an der Kasse liegen, und vielleicht tut es das ja auch bald. Passt schon.

Man hat nach Gebrauch des Sets jedenfalls Lebensmittel, die so was von regional sind, dagegen sind die vom Bio-Wochenmarkt schon von weit her. Oder auch nicht, es ist eben alles eine Definitionsfrage. Dazu mehr bei der Stiftung Warentest. Was ist regional?

Die Süddeutsche berichtet von der Nordic Diet und radikaler Regionalität. Früher waren die Radikalen links oder rechts, heute sind sie regional, warum auch nicht. Schon einmal Fichtensprossen probiert?

Und während wir liebevoll an der Bio-Balkon-Tomate herumgärtnern, denken wir mitleidig an die Kunden in den Fast-Food-Restaurants, die nicht nur grauenvolles Essen bekommen, sondern auch nicht mit Geld umgehen können, aber das haben wir uns natürlich schon gedacht.

Aber man soll auch nicht immer glauben, die Welle des Trends zu reiten, wenn man es gar nicht tut. Zwei Drittel der Menschheit essen Insekten, wir noch nicht. Man ist eben immer bei irgendeinem Thema auch hoffnungsloser Late-Adopter. Aber wenn man die Wahl hat zwischen Gen-Food aus den USA und schmackhaften Raupen aus der Region? Denkt man dann um? Na, so lange wir noch ein Drittel der Lebensmittel hier wegwerfen, ändert sich wohl wenig.

Genug von Lebensmitteln, vielleicht lesen Sie das hier gerade im Urlaub, da wird eh gegessen, was auf den Tisch kommt. Das ist alles bezahlt, das muss alles weg. Vielleicht ärgern Sie sich dann aber beim Lesen auf dem Smartphone schon über die Kosten für das Lesen? Das geht Nico Lumma ganz ähnlich.

Auf Reisen lebt man aus dem Koffer oder aus dem Rucksack, das ist natürlich eine hervorragende Gelegenheit, noch einmal über den Minimalismus nachzudenken und sich zu fragen, was man wirklich braucht und warum eigentlich.

Und wenn die Reise nach Spanien führt, das wäre immerhin kein völlig absurder Zufall, dann achten Sie doch einmal im Stadtbild von Villariba oder Villabajo auf Mütter mit Babys. Vielleicht fällt Ihnen etwas auf. Wer mehr Geld zur Verfügung hat und Fernreisen macht, der landet vielleicht sogar auf Kuba. Dort dann aber bitte nicht auf Babys achten, sondern auf 120-jährige Rentner.

Wer auf irgendeine kleinere Insel reist, Helgoland oder Graciosa etwa, der kann dort auch einmal über die Energieversorgung nachdenken, die man für die Menschen dort braucht.

Oder Sie reisen in die USA, dort sind Sie als zahlender Gast wahrscheinlich willkommen. Hier ein paar Bilder von Menschen, die dort überhaupt nicht willkommen sind.

Und wer nicht ans Mittelmeer, sondern an die Nord- oder Ostsee fährt, der blickt auf ein Meer, in dem es wieder ein paar mehr Fische gibt. Auch schön.

Egal an welchem Meer, den Smalltalk-Bereicherungsbegriff der Woche kann man an jeder Küste und in jedem Urlaubsort verwenden, denn die Plastisphäre ist immer nur einen Wellenschlag entfernt.

Genug gereist, ökologisch sinnvoller ist es sicherlich, Reisen gar nicht erst anzutreten. Im Lande bleiben, zuhause bleiben, auf dem Balkon bleiben. Dort wachsen immerhin die weiter oben bereits erwähnten Tomaten, auch schön. Die könnten aber einen schickeren Blumenkasten gebrauchen, und den kauft man natürlich nicht, den baut man selbst. Ab in den Baumarkt!

Der Design-Link der Woche schließlich für ein Auto, das aus dem Kofferraum heraus eine Solar-Ladevorrichtung entfalten kann, die sehr nach Science-Fiction aussieht. Oder nach halb-organischen Autos. Ist dies vielleicht bald das Land, wo die Autos blühen? Auch das wäre natürlich ein ökologischer Fortschritt. Wer hätte das gedacht.

GLS Bank mit Sinn

Kurz und klein