Tuesday afternoon

Die Herzdame hatte Geburtstag, ich überreichte am Morgen etliche Rosen. Die Rosensorte hieß Moody Blues, ich wies beiläufig auf die Band hin, drei zu junge Familienmitglieder sahen mich leer an – und dann darf man ja keine spontanen Vorträge halten, weil man nicht noch sonderlicher als ohnehin schon wirken möchte. Es ist manchmal nicht einfach.

Es gibt da sogar ein Lied zur Tageszeit, fällt mir ein, es passt gerade:


Tuesday afternoonI’m just beginning to seeNow I’m on my wayIt doesn’t matter to meChasing the clouds away.

Na ja. Das entspricht textlich nicht exakt der Situation hier, aber egal.

Die Söhne gingen dann zur Schule, die Herzdame und ich waren mittags in einem Restaurant. Die Bedienung dort sprach kein perfektes Deutsch, sie fragte nach dem Essen in liebenswertester Weise bemüht: „Haben Sie gut geschmeckt?“ Diese Frage haben wir sehr gemocht, mehr noch als das Essen.

Am Montagnachmittag habe ich dann drei Stunden still auf dem Sofa gelegen und Bach gehört. Die letzten Wochen waren mir nennendwert zu anstrengend, in meinem Hirn fand die dringend notwendige Resteverwertung von angerissenen Gedankenschnipseln, halbgaren Ideen, allerlei unausgegorenen Einfällen und halbdeutlichen To-Dos der Zukunft statt. Ich ließ das alles brodeln und abspulen und gab mich möglichst unbeteiligt, wie so ein ausgebuffter Meditationsprofi.

Das hat zwar etwas geholfen, gegen alles sozusagen, aber es kommt mir doch deutlich so vor, als müsste ich das etwa ein Quartal lang täglich wiederholen, wenn es sich nachhaltig positiv auswirken sollte. Und wer hätte die Zeit dazu.

Weitersuchen also, nach Möglichkeiten und Auswegen, immer weitersuchen.

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Den letzten Kolumnen-Text des Jahres abgeschickt. Und in dem Moment, in dem ich am frühen Dienstagmorgen auf „Send“ klickte, gingen auf der Straße vor dem Haus die ersten Silvesterdinger hoch, die zu dieser Jahreszeit immer irgendwer verfrüht aus dem Keller kramt oder schon neu Gott weiß woher neu bekommen hat. Pyrotechnologia praecox.

Der nächste Text für die Zeitung erscheint dann schon in diesem, Moment … 2024, ja, so wird es heißen. Na, auf die geraden und attraktiven Zahlen ist auch kein rechter Verlass mehr, wie wir alle spätestens seit 2020 wissen. Davon lassen wir uns nicht mehr blenden.

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Im Bild die Skulpturen „Mann und Frau“ von Stephan Balkenhol. Sie stehen vor der Zentralbücherei und blicken am Hauptbahnhof vorbei unentwegt auf die Innenstadt, und vorbildlich stoisch ertragen sie ihre Rolle als Selfie-Hintergrund für Büchereibenutzerinnen und Touristenschwärme.

Die großen Skulpturen "Mann und Frau" vor der Zentralbücherei

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Währenddessen in den Blogs

Bei Frau Novemberregen gibt es eine originelle Sichtweise zu Back-Ups.

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Die logische Verbindung zwischen der Schlagersängerin Nicole und Homer Simpson.

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Die Glasmetalltanne von Bordeaux

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Jochen schreibt eine Reihe über die WG, die es noch gar nicht gibt. Es erinnert ein wenig an die Zeiten, als es noch serielle Formate in Blogs gab, die Älteren erinnern sich vielleicht. Meine Güte, sind wir gut abgehangen, denke ich in solchen Momenten wieder, und ich denke es recht vergnügt und gleich unten noch weiter.

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Noch eine Anmerkung zur neu sortierten Lage in den sozialen Medien.

Wenn man Threads, Bluesky und Mastodon jetzt in drei Browserfenstern öffnet, wenn sich die Timelines also auf dem Bildschirm aufblättern und entwickeln, sitzt man vor einem Triptychon der sensationell schlechten Laune. Zynismus, boshafter Spott, bierernste Belehrungen und wüste Weltuntergangsvorhersagen aller Art und Dringlichkeit. Ich bin sicher nicht anders oder gar besser, ich werde da selbstverständlich auch gespiegelt und mache immer noch mit, und ich teile auch etliche der eher finsteren Annahmen über die nähere Zukunft. Ich sehe aber auch, dass es uns nicht weiterhilft, dass es uns eher weiter runterzieht.

Es dient weder der Laune noch irgendeiner guten Sache dort, es fehlt in aller Regel der Bogen zum Konstruktiven, er ist meist nicht einmal zu erahnen.

Schwierig, schwierig. Vielleicht ist es nur noch ein eher schrulliges Hobby für ergraute Twitter-Nostalgiker und Online-Veteranenvereine, die Timelines lesen sich zumindest im Moment sehr so.

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Seitlich aus dem Jahr kippen

Es ist vielleicht nur ein Zufall, aber ich habe am Freitag, nach einem zu langen Arbeitstag, einen seltsam überzeugenden Dreiklang in meinen immer mehr zerfransenden Timelines. Da schreibt eine, sie sei urlaubsreif wie nie, eine andere postet kurz darauf, sie sei müde wie nie und dann kommt noch, etwas weiter unten, jemand mit der Formulierung „durch wie nie“, alles innerhalb von etwa zehn Minuten. Am Ende ist es auch wieder ein mehrheitsfähiger Zustand, man möchte nun allgemein am liebsten seitlich aus dem Jahr kippen. Und erst einmal eine Weile ruhig liegenbleiben.

In meinem Umfeld viel Krankheit, sehr viele Infektionen, viel Stress und arg wenig Weihnachtsstimmung, und es fällt doch auf, wie wenig irgendeine Vorfreude erwähnt wird. Nicht auf das Fest, nicht auf irgendeine Art von Besinnlichkeit und bisher in keinem einzigen Fall auf das nächste Jahr. Das spiegelt sich auch in Umfragedaten, sehe ich, die Gesellschaften, nicht nur die in diesem Land, sind eher skeptisch, vorsichtig, misstrauisch, eine hoffnungsvolle Haltung geht anders. Und ich sehe nicht, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird, man wird zu einem fundamentalen seelischen „Dennoch“ finden müssen.

Eine kleine Szene aus den Tagen davor noch. Da saß ich zwischendurch am Schreibtisch und zweifelte wieder einmal erheblich sowohl an meinem eigenen als auch am Verstand aller anderen, so viel misslingende Kommunikation fiel da gerade an, so viele logische Brüche fielen mir auf. Ich stand irgendwann mit dem Standardgedanken „Alle bekloppt“ auf und ging kurz zum Fenster, denn manchmal hilft es noch, hinauszusehen und zu atmen. Unten ging gerade jemand die Straße entlang, der kräftig gegen jede Autotür trat, an der er vorbeikam. Gründlich machte er das, mit Schwung. Er brüllte dabei nicht herum, er gestikulierte nicht, er war nur ernsthaft mit zügigem Gehen und Treten beschäftigt. Passanten riefen schon die Polizei, sah und hörte ich, was ihn allerdings nicht störte, er war viel zu beschäftigt.

Mit anderen Worten, es hilft nicht immer, einen Moment aus dem Fenster zu sehen und bloß durchzuatmen. Man muss sich manchmal etwas anderes suchen, das noch hilft, aber einfach ist das nicht immer. Denn am Ende werden wir gerade tatsächlich alle bekloppt und man steht allzu lange und auch zu tief grübelnd vor der Frage: Würde man es eigentlich merken wollen?

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Im Tagesbild immerhin noch einmal ein Beleg für die Nützlichkeit des Hafens in dieser Stadt – die Farben der Schiffe leuchten auch an den durchgehend grauen Tagen noch. „Sei wie ein Schiffslack“, das mal irgendwo ins Poesiealbum schreiben. Vielleicht vorher noch irgendwas drumherum reimen.

Blick auf de Rickmer Rickmer und die Cap San Diego, die Schutzlacke leuchten rot und grün an einem sehr grauen Tag

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Währenddessen in den Blogs

Zur Inflation, ein Erfahrungsbericht, bei dem wir sicher alle etwas Text anlegen könnten.

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Nils Minkmar: „Es liegt im Interesse der Feinde der offenen Gesellschaft, ihr Ende vorherzusagen. Aber nicht in unserem.“

Das könnte man doch einmal für einen wichtigen Satz halten.

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Christian zum Thema der Saison, mit Verweis auf den Artikel im Manager-Magazin, den schon alle überall verlinkt haben, der aber auch tatsächlich lesenswert ist.

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Die Kaltmamsell bespricht ausführlich Grete Weils „Weg zur Grenze“

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Es wird dieses Jahr auch nichts mehr

Eine Kleinigkeit beim morgendlichen Brötchenholen. Ich frage, ob die Brotschneidemaschine, die schon seit 14 Tagen kaputt ist, endlich wieder benutzbar ist, die Verkäuferin winkt nur ab und sagt: „Nein, und es wird dieses Jahr auch nichts mehr. Alle krank.“ Wir reden noch ein wenig darüber, dass diese Bäckerei immerhin noch regelmäßig öffnet, andere nicht mehr, denn es geht ja nun einmal nicht, ohne Leute.

Das ist nur eine Lappalie, aber es ist eine von vielen, sie spiegelt sich in zahlreichen anderen Erfahrungen, etwa in der mit einem nicht funktionierenden Gerät in einem Büro, einem Kaffeeautomaten, an dem dann typischerweise steht: „Techniker ist informiert“, so kennt man das. Neu und sehr 2023 ist, dass der Techniker, der vielleicht auch eine Technikerin ist, zwar in der Tat kommt, aber erst in vier, fünf Wochen.

Es zieht sich so durch. Das Land lahmt, hinkt und kränkelt, so fühlt es sich an, und wir verabschieden uns also nicht nur immer deutlicher von dem früheren Hocheffizienz-Image, dem wir eh lange nicht mehr gerecht wurden, wir bewegen uns vielleicht sogar schon auf das Gegenteil zu und nähern uns bei vielen Gelegenheiten einem Szenario und einer Haltung, die wir früher gerne dem Ostblock und dem globalen Süden nachgesagt haben: Hinnehmendes Abwarten in bröckelnden Kulissen.

Vielleicht auch ein Fall von ausgleichender Gerechtigkeit der Geschichte. Und wenn man es so sieht, betrachtet man es doch gleich viel gelassener.

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Am Dienstag habe ich nichts erlebt oder gefunden, dass schön gewesen wäre, wenn ich vom geschätzten Hörbuch absehe, mit dem ich jetzt durch bin. Ansonsten viel Arbeit, viel Alltag, viele Probleme. Viel Unerfreuliches. Krankmeldungen in der Familie, eigene Wehwehchen. Der Einkauf zu teuer, das Wetter mau, die Musik unpassend und nervtötend, wie lange ich auch suche. Unangenehme Termine tauchen auf, die mir den Weihnachtsurlaub zuverlässig versauen werden, es ist insgesamt ein Tag für die Tonne und ich maule abends mein Spiegelbild an, was das denn jetzt wieder gewesen sei? Hm?

Mein Spiegelbild guckt nur müde zurück und weiß es doch auch nicht. Wir winken beide ab und gehen unserer abendlichen Wege. Der meine führt schnell ins Bett.

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Im Tagesbild die Inszenierung der Hafencity als Hamburgensie, man lege dazu einfach alte Schiffe mit trauten Namen vor neue Häuser, schon wird es irgendwie maritim heimelig und man tritt am Morgen wie Hans Albers auf den Balkon seines Glaskastens, vermutlich La Paloma pfeifend.

Alte Schiffe vor neuen Bauten in der Hafencity

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Die Fülle, die Leere

Auch der Montag beginnt piwarm, dazu regnet es immer weiter, après nous, le déluge, und es scheint schon loszugehen. Gut, wenn man für die Zeit am Abend genug Bücher, Hörbücher und auch leere Notizbücher vorrätig hat. Der Füller von Faber-Castell übrigens, das ist immer noch keine bezahlte Werbung, der hier neulich als Geschenk ankam, er ist überraschend gut, wirklich sehr gut. Ein überaus angenehmes Schreibgefühl.

Und, versteht sich, vielen Dank auch immer wieder für die Summen via Paypal etc., ich schaffe es leider nicht, die teils mitgeschickten und oft überaus freundlichen Nachrichten einzeln zu beantworten, aber ich freue mich.

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Neulich habe ich, obwohl ich doch einiges gewohnt bin, meinen Rekord an Bahnhofsfülle erlebt, der auch kaum noch zu steigern sein wird, weil es dabei nun einmal physikalische Grenzen gibt. Da war der ganze Südsteg (das ist, wenn Sie den Bahnhof vielleicht flüchtig kennen, nicht die Seite mit der großen Wandelhalle, sondern die andere) eine kompakte Masse Mensch, eine Masse von so viel Menschen, Tausenden gewiss, dass sie sich nicht mehr bewegte, dass sie für einen Moment wie ein Gesamtblock stand und stockte und man kaum noch mehr als einen Schritt machen konnte. An dem einen Ausgang dieser Passage war eine größere Polizeiaktion, an dem anderen Gott weiß was, vielleicht nur die querstehende Schlange vor dem Dönerladen im Tunnel zur Innenstadt, es ging jedenfalls nichts mehr, ein veritabler Fußgängerstau.

Für Menschen, die zu Panikreaktionen in Mengen neigen, wäre das ein überaus passender Moment für eine erinnerungswürdige Attacke gewesen, aber auch ohne solche Neigungen schien es dringend ratsam, sich vorsichtig nach Fluchtmöglichkeiten umzusehen, etwa über die Treppen runter zu den Gleisen. Es fühlte sich deutlich falsch an, dort zu sein, und da musste man nicht einmal an die allfälligen Infektionsrisiken denken und Masken zählen, wozu man aber ohnehin nur die Finger eine Hand gebraucht hätte.

Ich bin, fällt mir gerade auf, durch meine Bahnhofsspaziergänge mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit derjenige unter uns, der regelmäßig die größte Anzahl von Menschen pro Tag sieht. Dabei kontaktscheu wie ein alter Dachs, es ist schon auch eine seltsame Fügung.

Kurz darauf dann abends ein überraschend leerer Bahnhof. Es kam mir vor wie in einer Zeitmaschine, ruckartig einige Jahre zurück in die erste Hochphase der Pandemie geschaltet, Sie erinnern sich vielleicht, als die ganze Stadt auf einmal nicht mehr draußen stattfand, und ich stand einen Moment staunend – bis mir einfiel, dass es selbstverständlich am Bahnstreik lag. Man rechnete an diesem Abend kaum mit fahrenden Zügen, leere Gleise sah ich, leere Treppen und Tunnel, leere Wege. Also verhältnismäßig leer zumindest, für Hamburger Hauptbahnhofsverhältnisse. Für kleinstadt- oder dorfgewohnte Augen wäre dort immer noch Betrieb gewesen.

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Im Tagesbild der Kirchturm, der hier bereits in unzähligen Texten vorkam, mein geschätzter Nachbar. Im Moment mit leuchtendem Stern daran, wie in jedem Winter, und mit höchst attraktiven Schneerestdekostreifen. Das Bild ist schon ein paar Tage alt, merkt man daran.

Der Turm der Dreieinigkeitskirche in St. Georg bei Nacht

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In Eintracht mit der Amsel

Es regnete den ganzen Sonntag über, feiner, lästiger Stadtregen. Und warm ist es dabei, acht Grad, schon wieder zu viel für die Winterjacken, an die wir uns doch gerade erst gewöhnt haben. Ein unerfreuliches Wetter ist es, ich gehe zehntausend Schritte durch Pfützen, Matsch, über modernde, rutschige Herbstlaubreste und an nassem Müll vorbei. Es ist alles nicht sehr attraktiv heute und die Schmutzspritzer reichen nach einer halben Stunde Marsch bis über die Knie, die Menschen tragen Sprenkel. An den Wegrändern und unter den Brücken die aufgeweichten Lager der Obdachlosen, in der Fußgängerzone die verlaufende Schrift auf den Pappschildern der Bettelnden.

In der Deutschstunde schildert Lenz gerade den letzten Einsatz des Volkssturms, und während mein Hörbuch durch dieses Kapitel läuft, gehe ich an der zerschossenen Gedächtniskirche St. Nikolai vorbei, es ist fürchterlich passend.

Ich gehe dann tatsächlich, wie gestern erwähnt, runter zum Hafen, um wenigstens Bewegung zu haben, und auch um Bilder für die nächsten zwei, drei Tage und Blogeinträge zu organisieren. Wie etwa dieses hier, mit dem ich vielleicht plausibel belegen kann, dass es gewisse ästhetische Mängel gibt, wenn der Stadtschnee allmählich aufgebraucht ist und der Winter graue Wochen einlegt.

Ein schmuddeliger Schneerest auf der Hafenpromenade, kurz vor der Rickmer Rickmers, im Hintergrund die Elbphilharmonie vor grauem Himmel

Es sind nicht viele Touristen unterwegs, für Hamburger Verhältnisse ist es fast leer im Regen an der Elbe. Man kann zügig geradeaus gehen und muss nicht alle zwei Meter jemandem ausweichen, das ist auch einmal schön. „Es wird langsam Zeit, über Glühwein nachzudenken“ steht auf einem Schild vor einem Restaurant, und das mache ich dann also auch und koche später am Tag das hier, Zimthähnchen in Glühweinsauce, das hatte sich früher bereits bewährt. Es ist auch als für die Köchin oder den Koch eher simples Weihnachtsessen brauchbar, denke ich, falls Sie da gerade einen Tipp brauchen. Nicht alle wollen wahnsinnig viel Aufwand treiben.

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Auf unseren Balkon kommt neuerdings auch eine Amsel, und sie kommt nicht nur, sie bleibt auch, im Gegensatz zu allen anderen Vögeln. Sie isst ein wenig und setzt sich dann mitten auf den Balkontisch, guckt sich um, guckt auch zu mir herein, plustert sich etwas auf und scheint es sich gemütlich zu machen, sofern das für Amseln eine überhaupt sinnvoll anwendbare Kategorie ist – und sitzt dann da. Lange. Ich sitze auch, nur eben drinnen, ich tippe am Notebook. Ab und zu sehe ich raus zum Vogel, ab und zu guckt der Vogel rein zu mir, und ich denke, wir finden das beide gut. Dann sehen wir beide einen Moment in den öden hellgrauen Himmel über uns, dann wieder einander an.

Näher komme ich hier nicht an ein Haustiergefühl. Es reicht mir allerdings auch so und ich freue mich sehr über die Amsel, der ich später noch etwas Nachschub hinstelle, was sie ohne Fluchtgedanken freundlich zur Kenntnis nimmt und dann ohne Hast noch etwas davon zu sich nimmt. Ich fühle mich, ohne recht zu wissen, ob ich auf Gegenseitigkeit hoffen darf, in Eintracht mit der Amsel.

Es sind die kleinen Freuden, wissen Sie, die man höher gewichten, die man immer ausführlicher beschreiben muss.

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Die Wirklichkeit in aller Härte

Manchmal auch interessant, wie lange ein Highlight im Internet kursieren kann, ohne dass man es mitbekommt. Was für eine absonderliche Aneinanderreihung von Zufällen das sein muss. Wenn etwas wieder und wieder durch die Timelines geistert und man es aber nach Jahren erst sieht – so geht es mir gerade mit der Leipziger WG-Version des Weihnachtsoratoriums von Bach, immerhin schon zehn Jahre alt. Ich habe es mir ganz angesehen und fand es deutlich stimmungsaufhellend, nehmen wir es als Advent-Highlight heute:

Nebenbei habe ich beim Sehen dieses schon etwas abgehangenen Videos wieder gemerkt, dass ich die letzten zwei Jahrzehnte bis zur Gegenwart modisch nicht recht auseinanderhalten kann. Ich sehe da keine Anhaltspunkte, um zu sagen: „Ah ja, die Nuller“, wie ich es bei den Sechzigern, Siebzigern, Achtzigern doch deutlich zu sehen meine. Ich weiß nicht zuverlässig, wie sich die Zehner von den Zwanzigern unterscheiden, es fällt mir nicht auf. Die Gegenwart beginnt für mich kurz nach 2000 und ist ein einziger Block, was den Look angeht. Aber vielleicht geht es Ihnen ja anders, vielleicht fehlt mir da etwas in der Wahrnehmung.

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Auch interessant: Über die Geschichte der Weihnachtsmärkte. Gefunden via Nicola Karnick auf Bluesky.

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Ich bin in der Bücherei gewesen und habe mir Bücher für den allerdings eher unwahrscheinlichen Fall besorgt, dass im Dezember irgendwann überraschend noch einer dieser langen Winterabende eintritt, an denen auch Zeit für die dickere Romane anfällt, etwa für Volter Kilpi mit „Im Saal von Alastalo“, Deutsch von Stefan Moster, das ich schon einmal begonnen und dann doch in Richtung Winter verschoben habe.

Über tausend Seiten sind das, die an einem einzigen Nachmittag spielen, und die man sicher nicht an einem einzigen Abend lesen kann. Ich finde das ansprechend.

Bis dahin lese ich zwischendurch die Erzählungen von Siegfried Lenz und höre weiter seine Deutschstunde, ich bin im letzten Drittel. Vermutlich ist es dann nach Moby Dick das umfangreichste Werk, das ich als Hörbuch konsumiert habe.

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Auf arte gesehen und gemocht: Undine von Christian Petzold, mit Paula Beer und Franz Rogowski in den Hauptrollen. Etwas zu sommerlich für die Jahreszeit, aber irgendwas ist ja immer. Hier ein Interview mit dem Regisseur über die Dreharbeiten und die Geschichte.

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Im Tagesbild noch einmal winterliche Schönheit an der Alster, von der in Wahrheit allerdings nichts mehr da ist, wir sind in einer ziemlich hässlichen Winterphase, wie meistens kurz vor und auch an Weihnachten. In den Timelines klagen vor allem Menschen aus Berlin über das Wetter und die Aussichten vor den Fenstern, als sei es da noch furchtbarer als anderswo, noch dunkler, kälter, grässlicher. Ich weiß nicht, ob das so ist, aber hier kann man immerhin zur Not runter zum Hafen gehen, dem das Grau irgendwie steht.

Die Schneebilder sind damit leider verbraucht, entweder das Wetter legt bald nach oder die Wirklichkeit wird in aller Härte abgebildet werden müssen. Schlimm.

Ein eingeschneites Segelboot unter einer Persenning an der Alster

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Währenddessen in den Blogs

Long-Covid, ein Link verbunden mit den besten Wünschen für Besserung. Und wie tolldreist die diagnostischen Kommentare unter dem Text wieder …

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Die Kaltmamsell empfiehlt “Menschen im Hotel“, das mir auch als sehr lesbares Buch in Erinnerung ist.

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Frau Büüsker erneut im Weiterbildungsteil, sie erklärt uns die Klimakonferenz.

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Frau Herzbruch mit zwei Themen der Zeit, es geht um das Heizen und um Schöffen.

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Kiki verlinkt das Video zur tanzbarsten Beerdigung des Jahres. Es sieht alles sehr angemessen aus und es klingt auch so.

Vorher sang Nick Cave, und wem das nicht das Herz bricht, der hat vielleicht nie eines gehabt.


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Angeschmutzte Schneereste mit gelben Spuren darin

Vorweg ein herzlicher Dank für die überaus freundliche Zusendung eines Füllfederhalters von Faber-Castell mit Birnbaumholzgriff (keine bezahlte Werbung, nein), es war mir ein Fest, damit testzuschreiben.

Das Wetter präsentiert sich in den letzten Tagen in fast beleidigender Hässlichkeit, man möchte das da draußen nicht einmal zur Kenntnis nehmen. Angeschmutzte Schneereste mit gelben Spuren von Hunden oder Menschen darin, in der großen Stadt taugt der Schnee wirklich nur etwas, wenn er ganz frisch ist, noch warm hätte ich fast geschrieben. Lieber nicht aus dem Fenster auf das urbane Elend in den Straßen sehen, lieber auf arte Nosferatu in der Version von Werner Herzog sehen, mit der Adjani und ihrem sehr weißen Hals, mit Kinski und seinen sehr bleichen Ohren und den Rattenzähnen, und mit einem ach so jungen Bruno Ganz geschwind zu Pferd. Und, nicht zu vergessen, mit Roland Topor als Renfield, dessen Gehabe und Gekichere ich zu gerne einmal im Büro nachspielen würde.

Meine Heimatstadt kommt auch kurz vor, als Wismar-Ersatz, da muss ich dann kurz „Kenne ich!“ rufen, das ist auch wichtig.

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Im Laufe des Donnerstags stieß ich mehrfach und in verschiedenen beruflichen Umfeldern auf KI-Bilder in Präsentationen und ich stelle für mich fest, dass ich die in ihrer leichten Erkennbarkeit und in ihrem im wahrsten Sinne des Wortes berechenbaren Stil mittlerweile ganz furchtbar langweilig finde. Wir können meinetwegen gerne wieder Illustratorinnen und Fotografinnen beschäftigen, das hat mir und denen doch deutlich mehr Spaß gemacht.

Für Texte kann man sich leicht Entsprechendes denken, eh klar. Wobei mich ein KI-Text in einem eher sachlichen Zusammenhang im Brotberuf nicht stört, aber doch heftig gegen den Strich geht, sobald emotionale Aspekte dazu kommen, wenn also Menschen „mitgenommen werden sollen“, wenn es um eine Ansprache geht, die irgendetwas Gefühliges auslösen soll – da graut es mir doch sehr, und ich bilde mir auch immer noch ein, diese Texte gerade im Business-Umfeld halbwegs gut erkennen zu können. Solche Texte waren meist vorher schon schlecht, sie werden plastifiziert eindeutig nicht besser.

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Im Bild des Tages fortgeschritten eingewinterte Tretboote am Ufer der Außenalster. Man bekommt nicht sofort Lust auf eine Fahrt, nicht wahr. Oder ich zumindest nicht.

Eingeschneite Tretboote an einem Steg an der Außenalster

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