In der Innenstadt stehen gerade besonders viele und leider gut ausgebildete, topfitte Spendensammlerinnen der Wohltätigkeitsorganisationen herum. Sicher wird das Timing dieser Aktionen besonders gut geplant sein, ausführlich mit Zahlenreihen belegt, mit bunten Diagrammen unterfüttert etc. Warum gerade jetzt. Peak October und dergleichen. Ich kann mir die Workshops und Präsentationen, die zu dieser in der Vorvorweihnachtszeit stark anschwellenden Passantenbelästigung geführt haben, dummerweise sogar vorstellen.
Vorsicht bei der Berufswahl, man muss es immer wieder betonen.
Sie werfen sich jedenfalls den allmählich flächendeckend schwer genervten Passanten in den Weg. Säuselnd und fast singend umschmeicheln sie diese werbend und hoffen auf eine derart professionell durchgestylte Masche auf Geld, dass ich meine Aversion gegen dieses Vorgehen kaum noch beschreiben kann. Früher, denke ich, früher standen noch gebeugte alte Männer mit einem räudigen Lama in der Fußgängerzone herum, konnten außer „Bitte“ und „Danke“ kein deutsches Wort und schüttelten eine verbeulte Blechdose, um für einen kleinen Zirkus im Winterquartier zu sammeln.
Das hätten wir damals auch nicht unbedingt erwartet, dass wir darauf einmal in nostalgischen Momenten zurückblicken würden, aber was war das doch für eine unschuldige, naive Bettelmasche. Fast fällt einem das Wort „volkstümlich“ ein.
Etwas in dieser Art denken wir vielleicht beim Gang durch die Stadt, während uns schon wieder junge Menschen mit gekonnt verwuschelten Haaren dynamisch in den Weg springen und derart anstrahlen, dass sie vermutlich auf Drogen sein müssen. Aber es sind dann Drogen, die ich eher nicht probieren wollen würde. „Hallo“, jauchzt mich eine sehr junge und unangemessen aufgeregt wirkende Frau an und winkt mir zappelnd zu, als sei ich unverkennbar der Messias oder mindestens ein enorm bekannter Influencer von Tiktok oder dergleichen: „Hallo! Hihi!“
Warum kichert sie nach diesem Hallo, wer spricht denn so. Mein Drogenverdacht ist am Ende nicht nur eine polemische Randbemerkung. Überhaupt quiekt sie ihr Sprechen eigentlich eher, so sehr bemüht sie sich, reine Freude und helle Begeisterung über mein Daherkommen in ihrer Stimme auszudrücken. „Hallo“, und sie breitet ihre Arme ruckartig weit aus, als müsse ich mich da umgehend hineinstürzen: „Sie sehen ja DERMASSEN sympathisch aus!“
Sie spricht mitten im Satz auf einmal in Großbuchstaben. Sicher haben sie auch das in ihrem Ausbildungslager gelernt. In diesen Trainingscamps, deren Ablauf ich mir lieber nicht zu genau vorstelle. Sonst schlafe ich vermutlich noch schlechter als ohnehin schon, und da geht gar nicht mehr viel.
„Das täuscht!“ belle ich im Vorbeigehen, und ich meine es auch so. Immer bei den Tatsachen bleiben.

In laientheaterhaft ausgespielter Betroffenheit, mit einem traurigen Welpen- oder Bambi-Blick und natürlich mit einem wehen Klagelaut der jähen Enttäuschung auf den Lippen, sieht sie zu, wie ich vorbeigehe. Sie hebt noch schnell die Hände wie flehend. Es ist der letzte Versuch in ihrem vorgesehenen Repertoire, noch etwas zu erreichen. Aber nicht bei mir.
Meine Güte, was gehen mir diese Menschen auf die Nerven. Im Vergleich zu denen sind sogar die komplett verstrahlt wirkenden christlich beseelten Laienprediger in den Fußgängerzonen erträglich.
Und das will wirklich etwas heißen, das muss man erst einmal erreichen.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.









Schon wegen des Blicks, den man dort nach dem Aussteigen hat. Bei dem man das altgediente Bernd-Begemann-Zitat geradezu pflichtgemäß murmeln muss: „In Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung.“ Bei Kettcar wird dieser Satz aufgesagt, bevor sie „An den Landungsbrücken raus“ singen. Bei mir heißt es „Elbbrücken raus“, das gefällt mir bis dahin alles ausgesprochen gut.






