Junge Menschen mit gekonnt verwuschelten Haaren stehen mir im Weg

In der Innenstadt stehen gerade besonders viele und leider gut ausgebildete, topfitte Spendensammlerinnen der Wohltätigkeitsorganisationen herum. Sicher wird das Timing dieser Aktionen besonders gut geplant sein, ausführlich mit Zahlenreihen belegt, mit bunten Diagrammen unterfüttert etc. Warum gerade jetzt. Peak October und dergleichen. Ich kann mir die Workshops und Präsentationen, die zu dieser in der Vorvorweihnachtszeit stark anschwellenden Passantenbelästigung geführt haben, dummerweise sogar vorstellen.

Vorsicht bei der Berufswahl, man muss es immer wieder betonen.

Sie werfen sich jedenfalls den allmählich flächendeckend schwer genervten Passanten in den Weg. Säuselnd und fast singend umschmeicheln sie diese werbend und hoffen auf eine derart professionell durchgestylte Masche auf Geld, dass ich meine Aversion gegen dieses Vorgehen kaum noch beschreiben kann. Früher, denke ich, früher standen noch gebeugte alte Männer mit einem räudigen Lama in der Fußgängerzone herum, konnten außer „Bitte“ und „Danke“ kein deutsches Wort und schüttelten eine verbeulte Blechdose, um für einen kleinen Zirkus im Winterquartier zu sammeln.

Das hätten wir damals auch nicht unbedingt erwartet, dass wir darauf einmal in nostalgischen Momenten zurückblicken würden, aber was war das doch für eine unschuldige, naive Bettelmasche. Fast fällt einem das Wort „volkstümlich“ ein.

Etwas in dieser Art denken wir vielleicht beim Gang durch die Stadt, während uns schon wieder junge Menschen mit gekonnt verwuschelten Haaren dynamisch in den Weg springen und derart anstrahlen, dass sie vermutlich auf Drogen sein müssen. Aber es sind dann Drogen, die ich eher nicht probieren wollen würde. „Hallo“, jauchzt mich eine sehr junge und unangemessen aufgeregt wirkende Frau an und winkt mir zappelnd zu, als sei ich unverkennbar der Messias oder mindestens ein enorm bekannter Influencer von Tiktok oder dergleichen: „Hallo! Hihi!“

Warum kichert sie nach diesem Hallo, wer spricht denn so. Mein Drogenverdacht ist am Ende nicht nur eine polemische Randbemerkung. Überhaupt quiekt sie ihr Sprechen eigentlich eher, so sehr bemüht sie sich, reine Freude und helle Begeisterung über mein Daherkommen in ihrer Stimme auszudrücken. „Hallo“, und sie breitet ihre Arme ruckartig weit aus, als müsse ich mich da umgehend hineinstürzen: „Sie sehen ja DERMASSEN sympathisch aus!“

Sie spricht mitten im Satz auf einmal in Großbuchstaben. Sicher haben sie auch das in ihrem Ausbildungslager gelernt. In diesen Trainingscamps, deren Ablauf ich mir lieber nicht zu genau vorstelle. Sonst schlafe ich vermutlich noch schlechter als ohnehin schon, und da geht gar nicht mehr viel.

„Das täuscht!“ belle ich im Vorbeigehen, und ich meine es auch so. Immer bei den Tatsachen bleiben.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Be true

In laientheaterhaft ausgespielter Betroffenheit, mit einem traurigen Welpen- oder Bambi-Blick und natürlich mit einem wehen Klagelaut der jähen Enttäuschung auf den Lippen, sieht sie zu, wie ich vorbeigehe. Sie hebt noch schnell die Hände wie flehend. Es ist der letzte Versuch in ihrem vorgesehenen Repertoire, noch etwas zu erreichen. Aber nicht bei mir.

Meine Güte, was gehen mir diese Menschen auf die Nerven. Im Vergleich zu denen sind sogar die komplett verstrahlt wirkenden christlich beseelten Laienprediger in den Fußgängerzonen erträglich.

Und das will wirklich etwas heißen, das muss man erst einmal erreichen.

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Fischer, Grebe, Erotikdramen

Nach dem Posten des gestrigen Artikels sah ich meinen eigenen Text in meinem Feedreader (das ist ein Stück Internettechnik von damals, liebe Kinder), und da heute überall aufdringliche KI irgendwie mitmacht, ob man nun möchte oder nicht, fragte mich dieser Reader, als müsse er es dringend für irgendetwas wissen oder als wäre es hilfreich, ob dieser Text von mir vielleicht Musik sei.

Was ich als schmeichelhaft hätte verstehen können, wenn ich denn so weit gehen würde, mir überhaupt von KI schmeicheln zu lassen. Was aber doch derart billig und leicht zu haben ist … also nein. Man muss sich einen Rest von Würde bewahren, oder es zumindest versuchen. Immerhin aber erinnerte mich diese Frage in Bezug auf einen Text von mir an ein Lied von Tim Fischer, und das war gut. Denn das Lied mag ich gerne, hatte es aber lange nicht mehr gehört: „Meine Lieder“.

„Ich habe ja noch meine Lieder,

damit sing ich mich nachts in den Schlaf.

Ich habe ja noch meine Lieder,

Und schon wieder hab‘ ich eins mehr,

Seit ich dich traf.“

Man kann das auch mühelos auf geschriebene Texte beziehen, es reimt sich dann nur nicht mehr so elegant. Irgendwas ist eben immer.

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Gesehen: Nach längerer Zeit mal wieder einen Film, nämlich “Nathalie“ aus dem Jahr 2002 auf arte. Um das zu sehen, genügten mir zwei Argumente, nämlich Fanny Ardant und Emmanuelle Béart. Der damals noch unvermeidliche Monsieur Depardieu spielt auch mit und trägt hauptsächlich gut sitzende Anzüge durch die Szenen. Es gibt außerdem eine Handlung, in der es selbstverständlich um Liebe und körperliche Anziehung geht, aber egal. Ein „erotisches Filmdrama“, heißt es in der Wikipedia, wo allerdings ungemein spielverderbend gespoilert wird. Man muss da abraten, wenn man den Film sehen will.

Ein Drama war es jedenfalls, welches bei der Kritik eher kein großer Erfolg war.

Ich aber bin schon angetan, wenn es eine solche Geschichte geben darf, ohne dass die Beteiligten am Liebesreigen sich mittendrin gegenseitig oder selbst umbringen, wie es heute in Drehbüchern für meinen Geschmack allzu oft fast unvermeidlich erscheint. Es ist eine seltsame Entwicklung, alles in Richtung Thriller zu drehen. Denn das Auf und Ab der Beziehungen gibt doch allemal genug her, um daraus eine ansprechende Story zu machen, auch in der einmillionhundertzwanzigtausendsten Version noch.

„Er und sie am Frühstückstisch

Sie schaut ihn an, er sie aber nicht …“

Et voilà, da hat man doch ein vollkommen brauchbares Exposé. Wie auch Rainald Grebe fand.

„Man kennt sich halt, wie das Holz im Wald.“ Als Beschreibung von langjährigen Ehen gar nicht verkehrt.

Mein neuer Arbeitsweg übrigens gibt auch Motive zum Thema Erotikdrama her. Na, zumindest so in der Richtung.

Schrift auf einem Brückengeländer in der Hafencity: "Penis"

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Im Podcast „Alles Geschichte“ hörte ich, wo ich schon bei Erotikdrama war, eine Folge (24 Min.) über die Macht der Syphilis. Ein gruselig interessantes Thema.

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Gesenkten Kopfes gegangen

Schon das, was in den Überschriften gerade in sämtlichen Medien angerissen wird, es klingt überaus scheußlich. Die Timelines sind sämtlich voll davon, man ist wieder aufgebracht, empört und verärgert, und man hat sicher auch Recht damit. Aber es kostet eben alles Kraft. Und zwar selbst dann, wenn man in seiner Meinungsgemeinde bleibt und also beständig lediglich dem Chor predigt. Es hat keinen stärkenden oder tröstenden Effekt, es zieht einen nur runter und immer weiter runter – und unten, da sind wir doch eh schon.

Nein, denke ich, das will ich daher alles gar nicht gründlich nachlesen, und ich klappe das Notebook entschlossen zu. Ich greife zum Übergangsmantel, den man in diesem Land stets auch so nennen muss, weil das zu unserem Wertesystem gehört, und ich gehe einfach vor die Tür. Ich sehe mir dort dieses Dings an, von dem da neuerdings dauernd gesprochen wird, dieses Stadtbild.

Weil ich dabei aber den Kopf gesenkt halte, ob all der schlechten Stimmung und der stark bedrückenden Gesamtsituation geht es schließlich kaum noch anders, erschließen sich mir Stadtbild und Lage mittlerweile nur noch durch die Pflasterschriftzüge. Was man eben so sieht, wenn man hinuntersieht. Und dann sogar noch manchmal am Smartphone vorbei.

Mit diesen Fußwegbetextungen wird aber vielleicht, ich habe da so einen Verdacht, die Lage manchmal erstaunlich gut erfasst.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Merz muss weg

Kreideschrift auf dem Pflaster: No Kings

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In einem Musikpodcast, den ich hier bereits einmal empfohlen habe, „Interpretationssache“ vom SR Kultur, in dem Songvarianten kundig verglichen werden, geht es passend zu meinen in den letzten Tagen geposteten Musikclips um das Lied der Saison, um die Feuilles Mortes, bzw. die Falling Leaves (36 interessante Minuten). Von Jo Stafford, welche die erste englische Version sang, über Exkurse bis zu Tschaikowski und weiter etwa zu Patricia Kaas. Von der ich nicht wusste, dass sie wegen Burn-Out lange Zeit bühnenfern war. Acht Jahre immerhin.

Ich lege nur noch eben eine Stadtteilnachbarin an. Die in ihrer niederdeutschen Version passend das aufgreift, was gestern hier schon anklang. Die Sache mit dem Winter nämlich: „Schnee fallt bald“. Es beginnt im Text aber jahreszeitlich etwas weiter vorne in der meteorologischen Entwicklung und ist daher noch korrekt mit dem aktuellen Wetterbericht abzugleichen: „Regen geiht nu dal, mi is koolt.

Und was macht der Regen im Stadtbild? Die Kreideschriften spült er fort. Raum schafft er für neue Notizen der bodenständigen Art, für Änderungen der Lage, und hier lege ich wieder die Erinnerung an meinen Chef in der Antiquariatszeit an. Der bei solchen Gelegenheiten und bei solchen Sätzen gerne von seinem Stuhl am Schreibtisch aufstand, zum Regal ging, ein dickes Buch herauszog und damit stumm winkte: „Das Prinzip Hoffnung.“

Es ist sehr schwer zu sagen, wie ironisch oder gar zynisch er es gemeint hat, aber ein Grundverdacht ist allemal angebracht.

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Dringende Hinweise, wilde Träume

Am Sonntagmorgen synchronisiert sich das Gefüge meiner Wahrnehmung zu einem zumindest herbeibehaupteten Jahreszeitenwechsel: Ich trete zum ersten Spaziergang aus dem Haus und denke kurz: „Frost“. Denn so fühlt es sich zum ersten Mal in dieser Saison an, der erste Atemzug da draußen, in der etwas scharfen Kälte, er hat ein Winter-Feeling. Gleichzeitig sehe ich, dass der erste Nachbar, vielleicht ist es auch eine Nachbarin, einen Fensterrahmen schon komplett mit trauten Blinke-Lichtlein umwoben hat. Da geht also das bereits dezemberhaft anmutende Lichterkettenwettrüsten bereits los, es wird wie immer schnell eskalieren.

Dazu berichtet mir punktgenau die Erzählerin im Gösta-Berling-Hörbuch in meine Kopfhörer hinein, dass es auf Ekeby im fünften Kapitel ein großes Weihnachtsmahl gab. Und dann zählt sie die Folge der Gerichte auf, so dass ich noch vor meinem Frühstück plötzlich Hunger auf Festtagsbraten bekomme. Zu allem Überfluss poppt schließlich noch, kaum zehn Schritte weiter, die Meldung einer Wetter-App auf, die mich über die phänologischen Anzeichen des Winterbeginns informiert. Blattfall der Stieleiche, langjähriges Mittel allerdings erst am 7.11..

Vier auf einen Streich, denke ich mir. Immerhin, das kommt mir deutlich vor. Da übertreibt es doch wieder jemand und trägt besonders dick auf. Jemand, von dem oder der ich allerdings nicht weiß, wer es sein könnte. Und wir sind mit dem Herbst auch noch gar nicht fertig, befinde ich dann, und vermutlich befinde es auch in Ihrem Sinne. Es wird wohl noch etwas goldener Oktober für uns alle übrig sein?

Ich sehe die Eiche auf dem Spielplatz im Vorbeigehen skeptisch an: Da kann von Laubfall gar keine Rede sein. Ich weise das mit dem Winter also vorerst entschieden zurück, auch wenn man mich noch so aufdringlich mit Hinweisen bewirft.

Sollte es morgen schneien, schieben Sie es also ruhig auf meine Renitenz. Die Wirklichkeit und ich, wir haben hier wieder Meinungsverschiedenheiten. Am Ende aber, man kennt das, gewinnt sie doch irgendwann und setzt sich durch. Sie hat Mittel, sie hat Wege, sie hat keinen Begriff von Fairness. Ein harter Gegner.

Die Binnenalster am Ballindamm in herbstlicher Anmutung, Schwäne am Ufer warten auf Futter

Erst einmal gehe ich aber davon aus, mich noch weiter an diesen Herbst zu gewöhnen. Mich auch mit dem demnächst einsetzenden Regen zu versöhnen, so wie Michel van Dyke.

Im Text des Songs heißt es: „Noch im Dunkeln bin ich aufgewacht, hatte wild von dir geträumt.“ Da warnt mich YouTube doch glatt vor Explicit Lyrics. Was mir bei diesen Zeilen etwas arg tantenhaft und überbemüht vorkommt.

Denn von wilden Träumen kann man auch Kindern erzählen, denke ich. Wilde Träume kennen die.


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Für eine Handvoll Links

Ein Verlink-Loop-Link im Blogstyle, wir hüpfen von Text zu Text und von Blog zu Blog. Ja, so war das damals, und so ist es auch heute noch hier und da.

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Gehört: Einen Podcast aus der Reihe „Systemfragenzu einem der schwierigen Aspekte im Stadtteil. Es ging zwar gar nicht um Hamburg, es ging um Düsseldorf, wo ich trotz Herkunftsbezug noch nie war, aber es gibt einige Themen, wenige sind es wohl nur, da ist das ziemlich egal: „Drogenszene – Wegschauen ist oft Selbstschutz“ (21 Min.).

Es geht also um die Frage, wie man sich zum Elend und zur offenkundigen Not verhält. Das ist keine leichte Kost, es gibt keine einfachen Antworten, wie ich leider aus mittlerweile überreicher Erfahrung weiß. Weder ich noch sonst jemand, mit dem ich hier im Stadtteil rede, hat zufriedenstellende, stets passende und angemessene Verhaltensmuster parat. Oder auch nur zu Ende gedachte Abwägungen.

Es ist leider sehr kompliziert.

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Dann gab es einen Podcast für den Freundeskreis deutsche Nordseeküste und Deichschutz. Es ging bei His2Go nämlich um den Untergang von Rungholt und den aktuellen Forschungsstand dazu. Wie es bei dem Thema nicht ausbleiben kann, denken sich die Bezüge zur Gegenwart und etwa zur so sehr geschätzten Halbinsel Eiderstedt fast wie von selbst (56 Min.).

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Bei DWDS sah ich nebenbei die sympathische Erläuterung zur Herkunft der Redewendung „Mein Name ist Hase“. Ich merkte mir dabei aber auch den Teil des ursprünglichen Zitats, der es nicht in unsere Redewendung geschafft hat: „Ich verneine die Generalfragen.“ Es kommt mir so vor, als könne man auch das bei Gelegenheit irgendwo gut verwenden, beispielsweise im Büro.

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Ein Thema, für das man sich als User von allem, was Entertainment- und Endless-Scroll-Aspekte hat, schon pflichtgemäß zu interessieren hat: Brainrot. Dazu eine Sendung bei Deutschlandfunk Nova, in der Reihe „Facts & Feelings“: „Macht endloses Scrollen unser Gehirn kaputt?“ (23 Min.).

Kreideschrift auf dem Pflaster: Waiting for doomsday

Wenn man Mediendiskussionen allerdings schon ein paar Jahre länger verfolgt, vielleicht auch ein paar Jahrzehnte länger, fühlt man sich hier und da überaus deutlich an Diskussionen zum Fernsehkonsum, zu Fernsehzeiten und zur Programmvielfalt, zum Programmniveau etc. erinnert. Leg die Argumente von damals auf …

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Schließlich hörte ich einen Essay von Roberto Simanowski über KI und Werte: „Die Verbesserung der Welt durch die Hintertür der Technik“. Da ist vieles zum Weiterdenken dabei. Immer wieder aber hängt man wohl an der Frage fest, die dann übrigens auch eine General-, nämlich eine Systemfrage ist, nämlich wieviel Macht Firmen haben dürfen und was da wie von wem zu regeln ist.

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In einem Podcast der Zeit geht es um das Thema Lobbyismus und den Kampf von konservativen und noch weiter rechts verorteten Gruppen gegen NGOs. Ein eher kompliziertes Thema, aber es lässt sich herunterbrechen: Diejenigen, die einigen verbieten wollen, ihre Interessen zu vertreten, vertreten durchaus Interessen. Die man ihnen daher logischerweise auch verbieten sollte. So dass wir dann am Ende alle keine Interessen mehr haben und vertreten werden.

Das klingt für mich eher nicht nach einer plausiblen Aussicht, es wird da also eine andere Lösung geben müssen.

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Bill Nighy hat die zweite Folge seines neuen Podcasts „Ill-advised“ draußen. Es war für mich bei der ersten Folge schon abzusehen, aber es wird nun noch klarer, dass diese Sendung mich zur interessanten und nicht eben oft gestellten Frage führt: Wie sympathisch kann mir ein Mensch sein?

Bei Bill Nighy muss ich mich wohl als Fan bezeichnen. Und warum auch nicht.

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Musikalisch setze ich die Reihe mit dem immer gleichen Lied fort, noch fallen die Blätter immerhin. Diesmal mit einer längeren Version des Songs, mit Zeit für den Aufbau, für die Ahnungen und die Andeutungen. Es spielt das Trio von Beegie Adair (Wikipedia-Link).

Das Video hier als Link, nachfolgend eingebunden.

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Just wait and see

Ich habe gesehen und auch gehört, dass es hier und da missverstanden wurde, sicher weil ich mich wieder einmal allzu ungenau ausgedrückt habe, aber ich habe keinen neuen Job. Meine Firma ist nur umgezogen. Jene Firma, in der ich immer schon arbeite, quasi seit dem Anbeginn der Welt. Jedenfalls fühlt es sich mittlerweile so an.

Wenn man lange genug in einer wachsenden Firma bleibt, fiel mir früh auf, dann ändert sie sich bald um einen herum. Ohne dass man dafür erst mühsam den Laden wechseln muss. Mit all dem Aufwand für Bewerbungen etc., den ich also tatsächlich nie betrieben habe. Und zwar ändern sich sowohl der Name als auch die Rechtsform, die Organisation und selbstverständlich dann auch absehbar Struktur und Standort.

Just wait and see, wie sich gerade wieder beweist. Ich kann nicht sicher sein, ob ich das gerade zum letzten Mal erlebe, es ist wohl eher unwahrscheinlich. Gut, man braucht über die gesamte Strecke ein wenig Geduld, das mag sein, aber es ist doch insgesamt ein zuverlässiger Vorgang.

Wenn ich von heute aus auf die Zeit blicke, in der ich dort angefangen habe, dann brauche ich eine Weile, um, wenn ich von mir selbst und von der Branchenzugehörigkeit einmal absehe, überhaupt noch erkennbare Bezüge und Gemeinsamkeiten mit jenem Betrieb von damals ausmachen zu können. Die Unterschiede sind dramatisch und betreffen fast alle Aspekte des Arbeitsalltags.

Einen jener Rückbezüge besuche ich nach der Arbeit. Eine sehr alte Exkollegin, an die sich kaum noch jemand erinnert. Vermutlich sind es nur noch etwa zehn Menschen von mehreren Hundert in der Belegschaft, die noch vage wissen, wer das war. Diese ehemalige Chefsekretärin, was natürlich auch ein Beruf ist, den nicht nur wir mittlerweile größtenteils abgeschafft haben.

Ich habe sie damals spontan kurz vertreten, diese Chefsekretärin, etwa vierzehn Tage nach meinem Abitur. Mit der entscheidenden Hauptqualifikation, dass ich mit zwei Fingern schnell und weitgehend fehlerfrei tippen konnte. Damit fing das alles an, und aus den 14 Tagen wurden dann ein paar mehr, die bis heute reichen. Das Studium und dergleichen liefen nebenbei. Es gab nicht einmal ein Einstellungsgespräch, ich wurde da einfach mit einem Anruf hinbeordert, weil gerade dringender Bedarf bestand und ihnen dort sonst niemand einfiel, lange suchen wollte man nicht. Was so nur möglich war, weil diese Chefsekretärin nebenbei auch meine Mutter war und immer noch ist.

Dort also gehe ich nach der Arbeit vorbei. Ich biete ihr oft auch mobile Onlinedienste an, denn sie hat keinen Internetzugang mehr, seit sie sich mit Vodafone in einer Weise gestritten hat, die wohl selbst Michael Kohlhaas imponiert hätte. Ab und zu google ich also etwas für sie, wenn man das jetzt noch so sagt. Ich sehe etwas nach, ich finde etwas heraus. Per Telefon wird das für sie mit jedem Jahr schwerer, denn es geht niemand mehr ran, etwa in Arztpraxen. Man findet auch die Nummern nicht mehr so leicht.

Wir reden über den aktuellen Firmenumzug und geraten im Gespräch unversehens immer weiter in den Weißt-Du-Noch-Modus. Mir fällt ein, wie ein Kollege damals, der gar keinen spektakulären Job hatte, nichts wirklich Herausragendes und übrigens ein Job, den ich bald darauf übernommen habe, mit seinem Gehalt eine aus heutiger Sicht gigantische Wohnung in Eppendorf finanzieren konnte. Wie extrem sich das verschoben hat. Welchen Job braucht man denn heute bitte, um eine große Wohnung in Eppendorf finanzieren zu können.

Wir sind beide kurz etwas beeindruckt, meine Mutter und ich, von dem, was uns da alles an schon geschichtlich interessanten Fakten einfällt, als wir über diese Dimensionsunterschiede und die paar Jahrzehnte nachdenken. Was man da für eine Spanne überblickt – es fühlt sich doch fortgeschritten seltsam an.

Wir kommen dann selbstverständlich noch auf weitere Namen von Kolleginnen und Kollegen von damals. Ich suche im Internet nach diesem und nach jener, deren Namen markant genug dafür waren. Ich lese Todesanzeigen und Nachrufe vor. Das ist allerdings nur begrenzt erbaulich, wie wir schnell bemerken. Es ist eher schon vorausgreifend novembrig. Aber okay, wir sind immerhin in der zweiten Hälfte des Oktobers.

Kreideschrift auf dem Pflaster: "Auch du bist das Überbleibsel vieler Tode"

Diese Kreideschrift, ich muss es wohl ergänzen, findet man hier vor dem Schaufenster eines Bestatters. Die Fußwege werden hier durchaus durchdacht beschriftet, wie man sieht.

Es ist so unpassend jedenfalls auch wieder nicht, was wir da treiben, und normalerweise, das sagen meine Mutter und ich uns schließlich noch, normalerweise gehen wir mit den gemeinsamen Erinnerungen doch etwas munterer um. Wie … na, sagen wir: wie Mel Tormé (Wikipedia-Link) mit dem saisonal weiterhin angemessenen Song. Es ist eine Version, die ich noch nicht kannte, und ich finde sie einigermaßen beeindruckend.

Das Video hier auch als Link, nachfolgend eingebettet.

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Altes Rezept, leicht abgewandelt

Den Schimmelreiter von Storm habe ich wieder einmal durchgehört und entschieden genossen. Danach ging ich zum schon lange eingeplanten Schließen einer klaffenden Bildungslücke über: Gösta Berling (Wikipedialink) von Selma Lagerlöf aus dem Jahr 1891. Es ist gerade erfreulicherweise in der ARD-Audiothek verfügbar, gelesen von Anja Gawlick.

Dieses etwas märchenhafte Ekeby, auf dem ein Großteil der Handlung ihres ersten Romans spielt, es passt mir ausgezeichnet hinter meine gestrigen Anmerkungen zum Stadtpalais, es fügt sich also wieder.

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In dem Buch auf dem Nachttisch aber, in dem, das aktuell ganz oben auf dem stets bedenklich hohen Stapel liegt, in Virginia Woolfs Orlando, kam ich kaum weiter. Wenig mehr als die ersten 50 Seiten habe ich geschafft, obwohl die durchaus interessant waren. Schon wegen der Beschreibung der Winterkälte und des Frostes, der ganz England vereist. Das gibt es heute kaum noch, das kann man also ruhig einmal nachlesen.

Nein, es lag nicht am Buch, es lag an mir. Und es lag (der Autor zeigt mit dem Finger vage auf alles) an der Gesamtsituation. Mit der auch nur ansatzweise zufrieden zu sein mir weiterhin kaum einfallen kann. Zu müde bin ich am Abend, zu unkonzentriert und geistig zu zerfleddert und verbraucht. Zu sehr mit meiner längst chronifizierten Unzufriedenheit beschäftigt, vor allem zu sehr mit zu vielen eher unschönen Themen. Es wäre Zeit, aus der Nummer herauszukommen, aber ich suche noch nach dem Weg.

Manchmal dauert es allerdings etwas länger, man kennt es auch aus mehrbändigen Romanen und von Serien mit zu vielen Staffeln.

Das Gute daran – es soll ja ungemein nützlich sein, stets noch etwas Gutes zu finden – scheint mir dabei, dass ich mit großer Sicherheit bereit bin, ein bescheiden anmutendes, eher stilles, unspektakuläres Freizeit- oder auch Alltags-Setting als angenehm zu empfinden. Also im Gegensatz zur drohenden FOMO und den damit verbundenen Problemen, die ebenso möglich, denkbar und auch nicht unwahrscheinlich wären. Vermutlich in jeder Altersphase, besonders aber in meiner.

(Zu dem Abkürzungswirrwar um FOMO, JOMO etc. gehört übrigens auch MOMO, sehe ich gerade, das kannte ich nicht. Mystery of Missing Out: Das Gefühl, etwas zu verpassen, ohne zu wissen, was es ist. Etwa weil andere nichts mehr über ihr vermeintlich tolles Erleben in den sozialen Medien teilen. Das ist ein sehr schönes Beispiel für Probleme, auf die ich noch nicht einmal ansatzweise gekommen bin. Aber das nur am Rande.)

Ich könne mich schließlich auch, wie ich es bei einigen aus meiner Generation tatsächlich gerade erlebe, kurz vor dem Eintritt ins nächste und deutlich rentnerhaft klingende Lebensjahrzehnt intensiv mit all dem vermeintlich Verpassten beschäftigen. Mit der ominösen Bucket-List also. Mit all dem aus irgendwelchen Gründen ernsthaft noch bei zureichender Gesundheit Nachzuholenden, mit vorletzten Neuanfängen auch noch. Überhaupt mit dem Ausfüllen irgendeiner zumindest gefühlten, drohenden Leere.

Es wäre nicht abwegig, die Gedanken als einigermaßen trainierter Overthinker nahezu permanent um derlei Leerstellen kreisen zu lassen, nehme ich an.

Ich aber möchte hier einfach nur sitzen. Gerne mit einer kleinen Abwandlung des berühmten Rezeptes vom Hausarzt Friedrich Grabow, welches Thomas Manns ihn der anderen Familie mit Budden-  vorne mehrfach empfehlen ließ: „Etwas Täubchen, etwas Franzbrot“. Ich würde ab und zu gerne noch „etwas Konzert, etwas Kammerspiel“ zu mir nehmen wollen.

In einem nicht unwichtigen Sinne scheint mir das eine vorteilhafte, am Ende auch Geld und Energie sparende Haltung zu sein.

Aber auch dies ist unterm Strich nur ein weiteres Kapitelchen in der schier endlos wirkenden Reihe: Man muss es sich alles passend zurechtbiegen.

Kreideschrift auf dem Pflaster: "Mensch, du irrst ein Leben lang"

Mittlerweile übrigens sind es mindestens drei Menschen, die hier meist nachts auf dem Pflaster schreibe. Es scheint eine spezielle, hochinteressante Form der Stadtteilalltagskultur zu werden und wirkt schon recht selbstverständlich: Morgens nachsehen gehen, was draußen am Fußweg wieder dransteht.

Und dann kann man es deuten und auf seinen Tag anwenden oder auch nicht, nach Belieben.


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Schön hier. Aber ein Palais wäre mir lieber.

Das neue Büro ist in einem neuen Gebäude. Erstbezug, alles topmodern, state of the office-art. In den Beschreibungen kriegen sich Entwickler, Architekten etc. entsprechend gar nicht mehr ein. Man sollte dieses große Gebäude eigentlich jauchzend vor Glück betreten, wenn es mit rechten Dingen zugeht: Dass man das noch erleben darf.

Also denken die, nicht ich. Es ist tatsächlich nicht unbedingt das, was ich empfinde oder auch nur ansatzweise nachvollziehen kann. Aber gut, ich bin auch altmodisch und weiche vom Geschmack her stark ab. Ich würde lieber in einem kleinen Stadtpalais aus dem 19. Jahrhundert arbeiten, mit Stuck an hohen Decken, attraktiv bekachelten Öfen, mit gepflegtem Parkett und sinnlosen Türmchen an der ehrwürdigen, efeuüberwucherten Fassade. Mit überdimensionierten Treppen für die großen Auftritte und außerdem mit einem geheimnisvollen Dachboden, einem melancholisch anmutenden Park drumherum und allem. Ich bin also gewiss kein Maßstab in Sachen Architektur oder Office-Design. Nein, ich bin raus, und ich sehe es auch ein.

Nicht alles, was heute dazugehört, erschließt sich mir sofort, merke ich außerdem. Wobei ich auch, das steht mir altersmäßig mittlerweile sicher ebenfalls zu, nicht mehr allen Neuerungen wohlwollend genug begegne. Die Idee etwa, Türen per App zu öffnen, statt per Schlüssel oder Chip – der Vorteil erschließt sich mir nicht, die Nachteile fallen mir aber sofort und reichlich ein. Wie sie eben jedem und jeder einfallen, bei denen eine App schon einmal nicht ging, hing, nicht lud usw. Oder bei denen das Handy schon einmal keinen Akku mehr hatte. Also, man kommt da auf Situationen, die eher ungünstig sind, nicht wahr.

Wohingegen so ein Schlüssel, ein schlichter metallener Schlüssel, seit Jahrtausenden bewährt und nahezu unverwüstlich … es gibt doch Bereiche und Themen, da verorte ich mich als eher rabiat konservativ und zum Krückstockfuchteln früh bereit. Etwa bei diesen vielen, wahnsinnig lästigen Verschlimmbesserungen des Alltags, also immer aus meiner Sicht, versteht sich. Siehe dazu auch Touchpads an Stellen, bei denen andere, mechanisch anmutende und vor allem auch wirkende Bedienelemente deutlich sinnvoller wären.

Die Beispiele dazu werden mittlerweile alle parat haben, die vielleicht schon einmal an einem modernen Herd gescheitert sind oder an einem Mietwagen der neuesten Generation. Man steht davor, versteht zu wenig und zweifelt grundsätzlich an der Möglichkeit weiteren Fortschritts.

Wie es in modernen Bürogebäuden üblich ist, gibt es auch alle denkbaren Formen von Arbeitsmobiliar, dazugehöriger Raumaufteilung und Office-Elements, oder wie auch immer man das alles gerade nennen mag. Von Chill-Zones bis Co-Working-Spaces. Es gibt also auch diese Flächen, die von der Ausstattung her aussehen wie eine therapeutisch interessante Mischung aus Spielplatz und Konferenzraum. Nur das gute, alte Einzelbüro mit blickdichter Tür, das für – siehe oben – konservative Menschen wie mich selbstverständlich und unbedingt stets die erste Wahl wäre, das findet man eher selten. O tempora, o mores.

Und sogar solche Interieur-Elemente sind dabei, die ich auf den ersten Blick gar nicht recht deuten kann. Es ist wieder einer dieser Momente, in denen man gefühlt ruckartig altert, wenn man vor so etwas steht. Etwa vor diesen grün berankten Metallkonstruktionen um ein oder zwei Sitzgelegenheiten herum, was ist das eigentlich. Und vor allem, was soll das. Man kann dort im vermutlich künstlichen und dabei privat anmutenden Grünen sitzen, hat Blätter und Blüten vor und über sich und kann dabei arbeiten, deuten wir dann schließlich im Kollegenkreis. Vielleicht hilft es der Seelenlage, vielleicht nützt es der Fantasie oder dem Ehrgeiz? Ich weiß es nicht, aber vielleicht finde ich es noch heraus.

Mein Chef jedenfalls benennt diese seltsam begrünten Office-Elemente angenehm bodenständig als „Gestrüppwürfel“ und rettet mir schon dadurch diesen Tag der Erstbegehung. Denn ich kann mich intensiv und auch lange über großartige Begriffe und passende Bezeichnungen freuen. Sie sind für mich eindeutig und stark welt- und launeverbessernd.

Ich meine, wer möchte nicht in einem Gestrüppwürfel arbeiten, wie anziehend klingt das denn? „Wir treffen uns um zehn zur Besprechung der Lage, wir nehmen uns jeder einen Gestrüppwürfel.“

Ich möchte fast sagen, ich finde es äußerst motivierend.

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Das unten abgebildete Türmchen, Lighthouse Zero heißt es wohl, gehört nicht zum Office. Es hätte mich als Rückzugsort aber durchaus interessiert. Schade.

Das Lighthouse Zero in der Hafencity

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Was nach vorne geht

Dann der erste Tag im neuen Büro. Welches ich, ein Großstadtluxus, mit der U-Bahn, der S-Bahn, mit dem Bus oder zu Fuß in jeweils weniger als einer halben Stunde erreichen kann. Wie es beliebt und wie die Laune und das Wetter ausfallen.

Ich beginne mit der U-Bahn-Variante. Weil das obligatorische Tunnelfoto so ein mitziehendes Element hat, das einen förmlich in den Werktag saugt. Es könnte der Motivation nachhelfen, so die Annahme. Endstation Elbbrücken, meine ohnehin im Moment liebste U-Bahn-Station.

Die Tunnelröhre der U4 in der Station Hauptbahnhof

Die Dachkonstruktion der U-Bahnstation Elbbrücken und das GleisSchon wegen des Blicks, den man dort nach dem Aussteigen hat. Bei dem man das altgediente Bernd-Begemann-Zitat geradezu pflichtgemäß murmeln muss: „In Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung.“ Bei Kettcar wird dieser Satz aufgesagt, bevor sie „An den Landungsbrücken raus“ singen. Bei mir heißt es „Elbbrücken raus“, das gefällt mir bis dahin alles ausgesprochen gut.

Blick über die Elbe von der Station Elbbrücken aus

Das Büro befindet nun in der Hafencity. Ähnlich wie in Hammerbrook also in einer Gegend mit moderner Architektur. Allerdings noch moderner, teils noch im Bau befindlich, nach dem Morgen weisend. Man kann dort sicher mit Fug und Recht Architekturkritik üben, man kann auch Stadtplanung seltsam finden und all das. Aber die Stimmung ist doch grundlegend anders als in Hammerbrooklyn, wo mittlerweile eher abgerissen als neu gebaut wird.

Eine wie auch immer genau geartete positive Stimmung kann man in der Hafencity leichter entwickeln, ich jedenfalls. Wenn man sich etwas bemüht, findet man hier und da auch Aspekte der Gegend, die man ganz okay, fast attraktiv oder zumindest fotogen finden kann.

Blick über den Baakenhafen vom Amerigo-Vespucchiplatz ausDie Versmannnstraße mit Baakenhafen

Vom Büro aus haben wir außerdem einen attraktiven Blick auf das große Hamburger Demotivations-Mahnmal, auf den berühmten kurzen Olaf, den Stummel, den unvollendeten Elbtower. Aus dem nun, wie man gerade lesen konnte, vermutlich und zumindest teilweise ein Naturkundemuseum werden soll, aber das ist im Moment noch Theorie. Ein Gebäudewrack jedenfalls, mit dem man sich stets geistig auseinandersetzen kann, wenn es um große Projekte, hehre Ziele und gewaltige Vorhaben geht.

Blick von oben aus einem Hochhaus auf den Kurzen Olaf, den halbruinösen Elbtower

Man wird zur Not sicher auch in entsprechenden Meetings einfach mahnend aus dem Fenster zeigen können. Das finde ich hervorragend eingerichtet.

Auf der anderen Seite des Gebäudes entsteht gerade das Digital Art Museum. Ich habe daher sicherheitshalber nachgesehen: An unserem Gebäude steht nichts von Museum. Es wird sich also vermutlich bei dem, was wir da tun, noch um echte Büroarbeit handeln, wir üben dort nach meinem Wissen kein Reenactment von aussterbenden Tätigkeiten in Konzernen ein. Aber es ist sicher besser, man durchdenkt auch so etwas ab und zu und bleibt wachsam.

Die Arbeit ist groß, doch Rettung lauert überall, könnte ich zum Feierabend denken. Es bietet sich bildlich unterstützt an diesem Standort an.

Ein Rettungsring am Baakenhafen

Wenn ich zu Fuß nach Hause gehe, durch die Hafencity, am neuen, riesigen Westfield-Einkaufszentrum vorbei, durch die alte Speicherstadt, durch die darbende Innenstadt, komme ich an Motiven vorbei, vor denen Touristen Schlange stehen. Was nicht übertrieben ist, und ich könnte gar nicht benennen, seit wann das eigentlich so ist. Aber es ist jedenfalls noch gar nicht seit so langer Zeit zu beobachten, es ist eher neu.

Der Zollkanal mit Speicherstadtbauten

Unterm Strich habe ich jedenfalls neue Beobachtungs- und Durchmarschgebiete, das kommt mir entgegen. Und wenn es um einige der interessantesten Zonen der Stadtentwicklung geht, so habe ich die durch meinen Arbeitsweg nun alle im Programm. Ich kann hier und da nachsehen, was nach vorne geht, was überhaupt geht, was gar nicht geht. Oder, auch die kommenden Sturmfluten mitdenken, was zwischendurch untergeht.

Das ist der Teil, der sich an Gegenwart und Zukunft orientiert. Ich komme auf meinem Weg aber auch an einem kleinen Kabäuschen vorbei, an einer Art Wachhütte, einer kleinen Zollstation. Die heute Teil eines Museums ist, da habe ich das Stichwort seltsamerweise schon wieder, und an die Zeit erinnert, als die Zollgrenze noch im Hamburger Hafen lag. In dieser kleinen Station hat ein Großonkel von mir damals Dienst geschoben. Er war ein glühender Lokalpatriot, und dass sich unsere Arbeitswege jetzt teils überlagern, wenn auch durch etliche Jahrzehnte getrennt, es wäre ihm sicher eine helle Freude gewesen.

Warum es aber gestern ausschließlich in den 30 Minuten ergiebig geregnet hat, in denen ich ohne Schirm oder geeignete Jacke zu Fuß nach Hause ging … irgendwas ist wirklich immer.

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Bemerknissse zur Podcastnacht

Die Podcastnacht war für mich mit einer Lernkurve verbunden, wenn es auch keine sehr steile war. Aber ich weiß noch, dass ich vor nicht allzu langer Zeit darüber gespottet habe, wie man sich denn Podcasts bitte live anhören könne. Das sei doch merkwürdig und eine eher seltsame Idee? Quasi bestuhlt vorm Radio?

Insofern war ich an diesem Abend etwas außerhalb meiner argumentativen Komfortzone. Das soll ab und zu gut sein, steht überall, und das war es dann auch. Denn tatsächlich war es ein sehr unterhaltsamer, ausdrücklich belebender Abend. Ich kam zu dem Schluss, dass man sich Podcasts sehr wohl live anhören kann, gut sogar. Wobei es der Sache dienlich war, dass mehrere kurze Podcasts mit erzählfreudigem Gast auf der Bühne waren, je rund zwanzig Minuten, das kam mir sehr geeignet vor.

Bei etwa nur einem und dann vielleicht über mehr als eine Stunde wäre ich weiterhin etwas skeptisch und müsste erst überzeugt werden. Aber bitte, vielleicht lässt sich das noch einrichten.

Sven hatte die Teilnehmenden der Podcastnacht schon alle aufgeführt, verlinkt und vorgestellt, mir die Fleißarbeit damit also abgenommen. Er hat im Gegensatz zu mir auch vorzeigbare Bilder gemacht, wobei ich diesmal komplett versagt habe.

Einige Bemerknisse von mir aber noch:

Wie auch bereits von Sven erwähnt, das Hansa-Theater ist toll. Passend zu meinem Text mit dem Erinnerungsmoment gestern ist es ein Fenster in die Bühnen-Vergangenheit. Ein baulicher Rückblick auf die Unterhaltungsprogramme von damals, die teils auch heute noch bestens funktionieren. Ich weiß, dass es erstaunlich viele Menschen in dieser Stadt gibt, die noch nie im Hansa-Theater waren (gilt auch für das Ohnsorg-Theater und ist dort genauso falsch), ich kann es lebhaft empfehlen. Und zwar tatsächlich schon wegen des Gebäudes, wegen des Saals oder etwa wegen der hölzernen Drehtür (!) am Eingang zum Toilettenbereich. Großartig.

Detailaufnahme Hansa-Theater, die alten Kippschalter an den Tischen, um die Kellner zum Platz zu rufen

Und wenn ich auf die Seite von denen gucke, ich hätte dort auch „Cabaret“ mit Tim Fischer sehen können und ärgere mich nun etwas, das nicht rechtzeitig eingeplant zu haben. Wobei ich aber auch das „normale“ Varieté-Programm dort in guter Erinnerung habe. Was nur mit der kleinen Peinlichkeit verbunden ist, dass ich beim besten Willen nicht mehr darauf komme, wer dort meine weibliche Begleitung war.  Als hätte ich Hunderte von ausgehwilligen Damenbekanntschaften zur Auswahl, als sei dieser Lebensbereich bei mir eher unübersichtlich.

Was noch? Es begegneten mir auf der Bühne und auch im Publikum, direkt um mich herum, an diesem Abend geradezu aufreizend viele Menschen, die dramatisch bunter lebten und leben als ich. Die also eine beachtliche berufliche Strecke voller Aufbrüche und Neuanfänge hinter sich haben. Die gerade auch schon wieder etwas beginnen, die hier probieren, dort versuchen, die machen, lernen und spielen, verlieren, gewinnen und dann sichtlich lustvoll weitermachen, sei es bezogen auf private oder berufliche Aspekte. Experimentierfreude als Grundeinstellung, das ist vermutlich das richtige Stichwort.

Ich deute das nicht gerade als Botschaft des Universums, wie eine frühere Freundin es sicher in deutlicher Esoterikneigung genannt hätte, aber ich denke dann doch pflichtgemäß darüber nach. Weil ich immer über das nachzudenken versuche, was mir da draußen vorgesetzt wird, und insofern war es mir willkommen.

Meine Lebenssituation ist gerade deutlich gegenteilig, vollkommen verbaut, verrammelt, verklemmt und in mancher Hinsicht schier ausweglos festgefahren verbaut. In einem Ausmaß, das sogar mich stört. Und das will etwas heißen, denn ich stehe bekanntlich auf Routinen und geregelten Alltag. Aber die Grenze zwischen geregeltem Alltag und Gefängnisleben möchte man vielleicht ab und zu überprüfen, nicht wahr.

Ein Zettel in einem Schaufenster mit dem Aufdruck "Nicht verkeilen"

Also auch dafür kann so ein Abend gut sein. Man kann sich anregen lassen, kommt auf andere Gedanken und hat, selbst wenn rein gar nichts daraus folgen sollte, immerhin mal wieder etwas bemüht durchdacht.

Das fand ich gut, richtig und erfreulich.

Daraus lässt sich ohne Umstände allerdings auch weiter ableiten, dass es sicher sinnvoll wäre, generell mehr auszugehen und das Angebot dieser Großstadt also ab und zu anzunehmen. Ich freue mich immer, dass es dieses Angebot hier gibt, auch wenn ich es monatelang nicht nutze. Es gehört für mich zum guten Lebensgefühl dazu, dass ich jederzeit weiß, was ich alles könnte, und zwar schon um die Ecke.

Wenn ich nur wollte.

Nach solchen Theaterabenden, ob nun mit Podcasts oder mit etwas anderem, denke ich dann wieder, ich sollte wohl mehr wollen. Und im besten Fall nützt dieser Gedanke sogar eine Weile etwas. Die Seite mit dem Hamburger Theater-Spielplan etwa, ich hatte sie gerade eben schon auf, und das ist nicht nichts.

Denn selbst wenn die gute Absicht auch diesmal wieder irgendwann im werktäglichen Einerlei versickert, wie es einigermaßen klar zu erwarten ist, wird es dennoch nicht falsch sein, sich an im Prinzip richtige Vorhaben zu erinnern. Was vermutlich sogar lebenslänglich gilt und im Gegensatz zu Haftstrafen als annehmbare Herausforderung gedeutet werden kann.

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