Wieder das Wort mit R vorne

In den letzten Tagen ging es in Gesprächen um mich herum und auch mit mir um die Rente, um das Weiterarbeiten in der Rente, um das frühere Aufhören vor dem regulären Rentenbeginn, um die verbleibenden Jahre bis zur Rente, um die Regelungen der Verrentung in Details, natürlich auch um die aktuelle Rentenpolitik – wenn man im weitesten Sinne meiner Generation angehört, hört man das Wort mit R vorne mittlerweile doch recht häufig. Wenn nicht ständig.

Interessant war dabei immerhin die Frage: Wenn man seine Arbeitszeit reduzieren würde, also später in der regulären Rentenphase, und wenn man sich die Aufgaben dabei auch noch halbwegs aussuchen könnte, käme man dann auf einen sozusagen besinnlichen, erstrebenswert wirkenden Restarbeitsmodus im aktuellen Beruf? Irgendetwas in wenigen Stunden gemütlich abwickeln, einfach nur, weil man es doch nun einmal kann, weil man es zumindest gefühlt immer schon gemacht hat, weil man dabei doch Erfahrungen hat? Gibt es also eine beschauliche, stressfreie Rumpfversion der jetzigen Tätigkeit? Die Frage hat etwas.

Da also auch mal drüber nachdenken. Irgendwann. Hat ja noch etwas Zeit. Erst einmal sagen wir uns alle noch gegenseitig auf, wann wir sechzig werden oder geworden sind und sagen dann bei allen entgeistert: „Was, du auch!?“ Neue Gesellschaftsspiele.

Und ja, ich kann jetzt schon verstehen, dass junge Menschen von unserer grauen Mehrheit überaus genervt sind. Sehr gut verstehe ich das.

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Ansonsten weitere Genesung nach Plan, während ein Sohn über Start geht, sich neu krank meldet und aus der Schule nach Hause kommt. Die Saison ist noch nicht vorbei, das Virenglücksrad dreht sich noch etwas weiter.

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Im Bild heute der alte Asterdampfer Sankt Georg. Den höre ich in der Saison regelmäßig unten von der Alster her auf seinen Runden tuten, wenn er Touristengruppen an uns vorbeischippert. Immerhin tutet er in einer angenehmeren Tonlage als die nervenzersetzenden Autohupen vor der Haustür, viel tiefer, gefälliger.

Der Bug des historischen Alsterdampfers St Georg.

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Dauerhafte Provokation

Ein Bürotag, das hatte ich lange nicht mehr. Immerhin ist draußen alles ansprechend beleuchtet und in Hammerbrook fällt sogar Sonne auf die große Schandsammlung der deutschen Büroarchitektur und das Wirrwarr der Großbaustellen, eine strahlende Sonne, die uns allerdings nicht recht wärmt in diesen Märztagen, die erst mühsam die Winternachtkälte überwinden müssen.

Die rote Außenbegrenzung des Bahnsteigs Hammerbrook im Sonnenschein

Vor dem Bürofenster steht dann wieder stundenlang der Lieferwagen mit der Aufschrift „Besser zuhause“, das wird allmählich zur dauerhaften Provokation hier. Lieber nicht hinsehen, am besten gar nicht erst aus dem Fenster sehen. Ich bekomme dann aber doch mit, dass noch ein zweiter Wagen neben diesem Lieferfahrzeug hält, und auf dem steht tatsächlich: „Das macht Sinn!“ Ich möchte lange hinaussehen und abwarten, ob heute noch weitere Autos kommen und vielleicht mehr Sätze bilden, ob mir am Ende noch weitere gut lesbare Zeichen gegeben werden.

Aber man muss ja zwischendurch auch etwas arbeiten, wenn man schon in so ein Büro geht, fällt mir noch rechtzeitig ein. Und das mache ich dann auch.

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Nach der Arbeit kurz im Alsterhaus gewesen. Und kaum war man da mal zehn, fünfzehn Jahre nicht, schon findet man da nichts wieder. Es hat alles keinen Bestand mehr heutzutage, in diesen unruhigen Zeiten, es wird alles um eine herum auf den Kopf gestellt. Na, egal. Wenn mir in etwa zehn Jahren einmal wieder ein Grund einfallen sollte, ins Alsterhaus zu gehen, wird es das wahrscheinlich schon gar nicht mehr geben.

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Danach später Mittagsschlaf, wie ausgeschaltet, wie narkotisiert, mit entsprechender Verwirrung nach dem Aufwachen: Wer bin ich und warum. Wohl doch noch halb- oder viertelkrank. Gut, dann ist es morgen nur noch ein Achtel usw.

Kein Buch gelesen, keinen Film gesehen, keinen Podcast gehört. Dafür längere Raufaserbetrachtungen, die muss es auch regelmäßig geben.

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Der Dienstag

So eine zögerliche Genesung ist nichts für ungeduldige Menschen wie mich. Ich möchte bitte entweder krank (ungern) oder gesund (jederzeit gerne) sein, aber dieses Dazwischen, bei dem man auf jede Frage „Wie geht’s“ erst einmal minutenlang ratlos in sich hineinfühlen müsste, weil man einfach keine Ahnung hat, ob es wirklich etwas besser geworden ist – das ist nicht so meins. Im Zweifel mit den Briten antworten: „I’ve had better days.“ Passt eh fast immer.

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Die Berliner Ballade gesehen, also noch einmal gesehen, mit vielen Jahren Abstand zum ersten Mal irgendwann ganz damals (Hauptrolle Gert Fröbe, Regie Robert A. Stemmle und einer der Produzenten war Heinz Rühmann). Bei Filmfriend, Amazon und Apple verfügbar und unbedingt sehenswert.

Der Film ist sogar noch viel besser, als ich ihn Erinnerung hatte, vor allem natürlich, wenn man sich ohnehin gerade für die Nachkriegszeit interessiert.

Auf Youtube gibt es ein Lied aus dem Film, das halbwegs bekannte Lied vom Wartesaal des Lebens. Tatjana Sais singt:

„Im großen Wartesaal des Lebens

Da wartet jeder auf das Glück

Und manche warten ganz vergebens

Das hält vom Warten nicht zurück.“

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Draußen im kleinen Bahnhofsviertel hängen währenddessen Plakate und werben für „Falco – das Musical“, direkt daneben aber und im verdächtig gleichen Layout für „Elvis – das Musical“. Fließbandproduktionen vielleicht. Wie viele tote Sänger werden auf diese Art geehrt, warum keine Sängerinnen, und wie viele Theatersäle hat man dafür bloß auftreiben können. Ich warte ab, bis sie mit der Musikszene durch sind und zur Literatur wechseln, „Günter Grass – das Musical“ und „Peter Rühmkorf – das Musical“, dann gucke ich interessierter.

Wobei vorher noch eben „Mascha Kaléko – das Musical“ von Dota Kehr inszeniert werden müsste, versteht sich.

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Die Temperaturen gehen zurück, Schluss mit der feinen Milde. Die Stühle in der Außengastro bleiben stehen, und weil sie dort stehen, werden sie auch besetzt, das gehört so. Frierende Menschen in Jacken und unter mehreren Decken wärmen Hände und Lippen an Heißgetränken, aber hey, wir habe draußen gesessen, auch am Abend noch. Drei Grad immerhin. So schön.

Vor der Haustür blüht währenddessen mit beispielhaftem Optimismus die Mirabelle auf und es ist dermaßen wunderbar, man müsste es vertonen. Die Mirabelle – das Musical.

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Alles noch einmal sehen

Beim Deutschlandfunk habe ich ein Stück (27 Min.) über das Prompting für KI gehört und mich zunächst gefreut, dass mir fast nichts neu war, dann aber gestaunt über das, was mir doch noch neu war – dass nämlich KI auch auf Belohnung und Bestrafung reagiert, auf emotionale Erpressung also, die letztlich selbstverständlich nur Code ist. Aber wie abgefahren das ist.

Und interessant fand ich auch den Hinweis zum Geschlechter-Bias. Sie bekommen tendenziell bessere Antworten, wenn Sie etwa bei medizinischen Fragen im Prompt vorgeben: „Du bist Arzt“, heißt es da in dieser Sendung, sei also besser als „Du bist Ärztin.“ Das ist schrecklich, aber man sollte es doch wissen, wie sehr diese so neuen Systeme ihre Interpretation der Vergangenheit auf diese Art fortschreiben, und wie sie dadurch sowohl selbst Entwicklung sind als auch der Entwicklung im Weg stehen.

Wobei ich auch nicht weiß, wer so irre ist, der KI medizinische Fragen zu stellen, aber egal. Am besten noch der Dosierungsempfehlung bei Medikamenten dort folgen, und schon ist man ein recht eindeutiger Fall für den Darwin-Award.

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Ansonsten, apropos Medizin, weiterhin halbkrank. Hustend durch die Tage, irgendwo bellte ein Buddenbohm.

Und apropos Darwin-Award, in der Überschrift der New York Times sah ich den Begriff „Last-Chance-Tourism“, der sich dort auf die schmelzenden Gletscher in den französischen Alpen bezog. Bevor sie weggetaut sind, wollen sie alle noch einmal sehen, “but as climate change threatens a growing number of tourist destinations, some worry the tourism is making the problem worse.”

Ach was?!

Im Bild das Hamburger Rathaus am Abend. Warum auch nicht.

Blick auf das Hamburger Rathaus am Abend

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Präsentabel durchs Frühjahr

Die Herzdame und Sohn I waren pünktlich zum März im Garten und haben nach ihren eigenen und nur leicht übertrieben klingenden Angaben dort alles in Grund und Boden gehäckselt, besonders den im letzten Herbst schon reichlich gekappten Efeu, dem die Herzdame stets mit einer mir etwas irrational vorkommenden anmutenden Abneigung begegnet. Meine sicher auch etwas irre Abneigung gilt dagegen dem Kirschlorbeer und den Koniferen, aber die kommen bei uns mittlerweile auch nicht mehr vor.

Ich habe währenddessen und dummerweise bei bestem Wetter doch lieber wieder krank herumgelegen und dabei derart gehustet, dass sich Sohn II nach einer Weile im Vorbeigehen schon einmal freundlich interessiert nach meinen weiteren Überlebenschancen erkundigt hat.

Es geht doch nichts über eine sorgende Familie.

Die Nachbarin, die neulich der Herzdame jenes bemerkenswerte Kompliment gemacht hatte, „Du siehst im Alter immer besser aus“, traf ich später im Treppenhaus, als ich doch einmal kurz draußen und wenigstens zum Müll runter war, fiebrig, zerschlagen, ungeduscht und insgesamt gewiss nicht präsentabel, sie sah mich von oben bis unten an und sagte mit strahlendem Lächeln: „Du siehst aber gut aus im Frühling!“

Nicht drüber nachdenken. Nur leise freuen. Wer weiß, wie ich sonst so aussehe, wenn ich mich einigermaßen präsentabel fühle. Selbstbild/Fremdbild, daran scheitern wir alle, und zwar seriell.

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Auf dem Spielplatz unten sah ich am Sonntag die ersten Menschen in T-Shirts, Erwachsene und Kinder, Menschen im Sonnenschein und mit Tagesfreizeit. Im Laufe der Woche soll es wieder kälter werden, jede Stunde wird bis dahin maximal ausgenutzt.

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Nils Minkmar, wie immer lesenswert. Das im Text erwähnte Buch von Philippe Lançon „Der Fetzen“ gleich einmal vorgemerkt.

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Im Bild der Stadtteilfrühling, so fällt das hier aus. Man blüht aus der Versteinerung heraus, wer kennt es nicht.

Leuchtend blühende Osterglocken in einem Pflanzbottich am Straßenrand vor Häuserwand und viel Stein

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Ausdehnung in zwei Richtungen

Gesehen und gemocht: Die dreiteilige Verfilmung von Strittmatters Laden. In Kinoqualität inszeniert und ins Bild gesetzt, das war, Moment, Gernot Roll an der Kamera, und wie gut. Und Martin Benrath als Großvater, den ich in dieser Ausprägung auch gerne gehabt hätte. Meiner Großväter starben beide vor meinem Erscheinen, einmal Krieg, einmal Krebs. Das fand ich als Kind ungeheuerlich, dass ich die einfach nicht hatte, alle anderen hatten welche, zumindest fast alle. Eine Ungerechtigkeit war das, eine schlimme Sache.

Dass der eine von meinen Großvätern gefallen war, wie die Erwachsenen sagten, und dann oft noch kopfschüttelnd ergänzten, wie wenige Tage vor Kriegsende, zwei Wochen hätte er doch nur noch schaffen müssen, also wirklich, blieb für mich lange Zeit inhaltsleer. Es gab zu dem Begriff gefallen keine Assoziationen bei mir, keine Kenntnisse, nichts, ich habe mich dem spät im Leben erst angenähert. Wie ich ohnehin das seltsame Gefühl habe, mit jedem Lebensjahr mehr nicht nur weiter in der Zukunft, sondern gleichzeitig auch tiefer in der Vergangenheit anzukommen.

Der Mensch, also zumindest der geschichtlich etwas interessierte Mensch, sollte ich wohl einschränken, dehnt sich im Alter in zwei Zeitrichtungen aus, das war mir lange nicht klar. Es wird mir aber immer deutlicher, und die Spanne, mit der man es da dann zu tun hat, sie ist im Grunde vollkommen unfassbar. Vielleicht ist sie auch unzumutbar – für etwas so Gegenwärtiges wie das Ich.

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Draußen jetzt bei 12 Grad auch wieder um Blöcke kurvende Cabrio-Fahrer, die so gucken, als hätten sie den ganzen Frühling selbst bezahlt. Als sei das komplett ihre privatfinanzierte Veranstaltung und man würde da als Gast bestenfalls kurz und gnadenhalber durch die Szenerie gehen dürfen. Dabei sind sie in vielen Fällen schon deutlich zu alt, diese Fahrer, um einen ganzen Frühling allein zu verbrauchen. Man sieht es ihnen an, sie übernehmen sich schwer.

Und wenn man einmal kurz hochsieht, es wird nun auch auf den Balkonen ringsum geräumt, gefegt, geschrubbt und umgetopft. Ein Stadtteil in Vorbereitung und Frischluftbereitschaft. „Der Winter gibt nicht auf“, schreiben die Zeitungen mahnend.

Aber wer würde das glauben wollen.

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Bis in die Luft

Eine bemerkenswert pünktliche Angelegenheit ist das in diesem Jahr. Während wir noch probehalber das Kalenderblatt mit dem Februar darauf am Donnerstag einmal kurz anheben, um eben zu prüfen, ob danach wirklich der März kommt oder ob die Welt nicht vielleicht mittlerweile in noch weitere Unordnung geraten ist, während wir also noch das Papier zwischen den Fingern haben, kommt draußen die Sonne durch, steigen die Temperaturen, bläut der Himmel. Wie durch uns animiert, so geht es vor den Fenstern zu.

Auf dem Spielplatz unten sitzt zum ersten Mal in diesem Jahr eine Frau und hält ihr Gesicht in die Sonne. Es ist dies ihre einzige Beschäftigung, für eine lange Zeit sogar, sicher eine halbe Stunde nimmt sie sich. Konzentriert macht sie das, unbewegt und ganz so, als sei das eine recht ernsthafte Übung, die es unbedingt zu absolvieren gilt. Ihr Freund schaukelt währenddessen. Ein erwachsener Mann ist das, der nicht lässig und etwas ironisch nebenbei schaukelt, wie es Väter auf diesem Platz oft zur Erheiterung ihrer Kinder tun, nein, ambitioniert wie ein Kind schaukelt er, „hoch bis in die Luft“, wie die Kleinen sagen, und mit durchaus sportlichem Schwung. Die beiden haben kein Kind dabei, die sind da nur so, die wollten wohl einfach nur raus.

Ich lehne oben am Fenster und sehe den beiden zu, und es ist das erste Hinauslehnen ohne die geringste Kühle, ohne Frische, ohne jede Pullovermahnung.

Am Nachmittag habe ich wieder etwas Bewegungslust, es geht also programmgemäß aufwärts, auch mit meiner Form. Ich gehe durchs kleine Bahnhofsviertel. Vor den Cafés und Restaurants, vor den Imbissen und Bars wird überall geräumt und gewerkelt. Es werden Tische zusammengeschraubt, es wird Mobiliar gereinigt, abgeschliffen, neu angepinselt, frisch angesprüht, neu arrangiert und aufgebaut. Die kalendarisch festgelegte Wiederkehr der Außengastro wird inszeniert.

Und wo ein erster Tisch schon steht, mit ein paar Stühlen oder einer Bank dabei, da nähert sich sehr bald ein Mensch und besetzt ein Revier. Setzt sich, streckt sich, strahlt die Passanten an. Ein höchst ungewöhnlicher Anblick, so also sieht gute Laune aus.

Bier, in das Sonne fällt, lange habe ich das nicht mehr gesehen. Und Sonnenbrillen, die gibt es auch wieder, und Übergangsjäckchen. Es wird März, wir haben es geschafft.

Auch wenn wir sonst nichts geschafft haben – das immerhin.

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Der Affe und Bonn

Eine Sendung (RadioWissen) zum Deutschen Herbst gehört (23 Min.). RAF-Themen werden medial ja gerade wieder erstaunlich präsent („Sie hat immer so nett gegrüßt“) und auswendig könnte ich die Chronologie der Vorfälle im Jahr 1977 auch nicht herbeten. Ich habe, wie alle Kinder dieser Zeit, Erinnerungen an die Polizeikontrollen mit bedrohlich schwerbewaffneten Beamten, an die omnipräsenten Fahndungsplakate mit den vielen Köpfen darauf. Auch an die Diskussionen der Erwachsenen im familiären Umfeld, bei Kaffee und Kuchen, ob die Todesstrafe vielleicht in diesen Fällen doch, und warum denn eigentlich nicht. „Was meinst du denn“, fragte mich überraschend eine Tante, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. So etwas wurde ich sonst nicht gefragt.

Eher vage Erinnerungen sind das allerdings nur. Als Zeitzeuge bin ich völlig unbrauchbar. Damals habe ich vermutlich keine Zeitung jemals gelesen, auch kein Radio gehört, keine Nachrichtensendung gesehen. Oder doch nur wie versehentlich und nebenbei, schon auf dem Weg ins Bett. Ich glaube auch nicht, dass ich eine brauchbare Vorstellung von dem Westdeutschland hatte, in dem ich lebte, erst recht keine Meinung dazu.

Jemand sagte im Fernseher um acht Uhr abends laut „Bonn“ und machte danach eine kurze, bedeutungsschwere Pause, als sei das eine sinnvolle Einleitung für irgendwas, und dann wurde es langweilig und enorm ernst, viel zu ernst für mich. Alles um den Begriff Bonn herum war für mich dunkelgraues, staubiges, knochentrockenes Erwachsensein, noch erfreulich fern.

Vermutlich habe ich dann doch lieber Abenteuergeschichten oder Asterix gelesen. Diese vielen Geschichten von Enid Blyton etwa, in denen der zahme Affe vorkam. Hätte ich so einen Affen gehabt, das war klar, alles wäre besser gewesen, und Bonn noch viel weiter weg.

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Am Mittwoch ansonsten krank herumgelegen, was sich als recht langweilig herausstellte, das kann ich so nicht empfehlen. In der Familie werden es mir einige wohl dennoch nachmachen. Unbelehrbar bei allem.

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Nur die Hälfte von allem

Am Dienstag mit unvermutet starken Halsschmerzen aufgewacht, das umfassende Formtief äußert sich jetzt auch in körperlicher Ausprägung, na gut. Aber das vergeht ebenfalls mit dem Februar, das wird im Kalender demnächst alles energisch weggeblättert.

Erst einmal halblang machen. Halbe Texte schreiben, halbe Artikel lesen, halbe Exceltabellen ausfüllen, überall nur mit halbem Ohr zuhören und den Tag nur halbherzig mögen, das muss heute reichen.

Einen Film angefangen, der im März 2020 spielte, den habe ich gleich wieder abgebrochen, und wie schnell. Ich merke, dass ich nicht die geringste Lust auf die Aufarbeitung dieser Zeit als Geschichte habe, als Besinnungsstück, als Lehrbeispiel, als Plot. Vielleicht ist es noch zu früh dafür, vielleicht werde ich es nie haben, das kann ich noch nicht abschätzen.

Ich habe jedenfalls auch keine Neigung, selbst Geschichten aus dieser Zeit zu erzählen und, vielleicht geht es Ihnen auch so, ich gerate im Zusammensein mit anderen Menschen kategorisch nicht in Weißt-Du-Noch-Situationen, welche die Pandemie, die Maßnahmen, die Belastungen betreffen. Auch interessant.

Wohlfeile Sprüche über Verdrängung und geschichtliche Spiegelungen bitte selbst hier einfügen, am Ende stimmen sie sogar.

Ich lege mich wieder hin. Und mache vielleicht einen Test, wo ich schon beim Thema bin. Wissen Sie noch, all die Tests?

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Das ist eben, was wir machen

Montagmorgen, das Fenster auf und den Kopf rausgehalten. Es sieht hellgrau aus, es riecht nach Winter, die Vögel klingen nach Frühling, es fühlt sich an wie Februar. Die Lichter in den Häusern gegenüber gehen an, man macht sich überall bereit, die letzte Woche dieses elenden Monats abzuarbeiten. Hunde trotten um Blöcke, die Nasen am Boden, die Besitzerinnen im Schlepptau.

Die Herzdame macht Frühsport im Wohnzimmer, ich mache mehr Kaffee und mehr Texte, wir wecken die Söhne, ich belege Brote, so geht es in den Werktag.

Regen auf den Dachfenstern. Das dezente Gerumpel der Waschmaschine, das sachte Rauschen der Spülmaschine, das Tippen auf zwei Tastaturen. Schritte im Treppenhaus, leises Schlüsselklirren, Nachbarbewegungen. Müllcontainerrollgeräusche von der Straße. Alltag durch und durch.

I woke up this morning to a garbage truck
Looks like this ol‘ horseshoe’s done run out of luck.”

John Prine wieder. Einer von denen übrigens, die wir durch das Corona-Virus verloren haben. Boundless love hieß der Titel.

Sometimes my ol‘ heart is like a washing machineIt bounces around ‚til my soul comes clean.”

Man arbeitet so vor sich hin. Zwischendurch ein Blick auf die Nachrichtenlage. Dann lieber doch nicht. Aber dabei immerhin gesehen, dass in Paris die Fashion Week beginnt. Der WDR schreibt, ein Trend für Frauen sei jetzt die Mafia-Mode: „Getragen werden Pelze, auffälliger Goldschmuck und üppige Toupet-Frisuren.“

Wenn mir das im Hauptbahnhof beim Abendspaziergang so begegnen sollte – ich werde berichten.

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Gesehen (bei Filmfriend): Die Koffer des Herrn Spalek, das ist eine ruhige, betont langsame Doku über John Spalek, selbst ein alter Mann, der in den USA die Nachlässe von alten und sehr alten Menschen sichert, die im letzten Jahrhundert aus Deutschland dorthin zu Zeiten der Nazis, also der ersten Nazis, emigriert sind. Ihre Notizen, ihre Tagebücher, Briefe, Postkarten, Visa und Tickets, all die Papiere und Belege.

Unbedingt interessant für den Freundeskreis Archiv, Bibliothek und Geschichte, es geht auch um die Einlagerung der Funde in Deutschland.

Der Herr Spalek wird im Film intensiv bei seiner Arbeit beobachtet, und am Rande kann man feststellen, dass diese Arbeit dabei gar nicht wie Arbeit wirkt. Es wirkt mehr so, als sei er einfach durchgehend beschäftigt, und als sei das auch gar nicht anders denkbar, denn das ist eben, was er macht. Das ist seine Lebensform, nicht sein Job.

Auf diese Art wirkt Arbeit dann auch im hohen Alter vorstellbar. Menschen meiner Ausprägung werden vermutlich auch im Rentenalter immer weiter bloggen. Denn das ist eben, was wir machen.

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