Bis in die Luft

Eine bemerkenswert pünktliche Angelegenheit ist das in diesem Jahr. Während wir noch probehalber das Kalenderblatt mit dem Februar darauf am Donnerstag einmal kurz anheben, um eben zu prüfen, ob danach wirklich der März kommt oder ob die Welt nicht vielleicht mittlerweile in noch weitere Unordnung geraten ist, während wir also noch das Papier zwischen den Fingern haben, kommt draußen die Sonne durch, steigen die Temperaturen, bläut der Himmel. Wie durch uns animiert, so geht es vor den Fenstern zu.

Auf dem Spielplatz unten sitzt zum ersten Mal in diesem Jahr eine Frau und hält ihr Gesicht in die Sonne. Es ist dies ihre einzige Beschäftigung, für eine lange Zeit sogar, sicher eine halbe Stunde nimmt sie sich. Konzentriert macht sie das, unbewegt und ganz so, als sei das eine recht ernsthafte Übung, die es unbedingt zu absolvieren gilt. Ihr Freund schaukelt währenddessen. Ein erwachsener Mann ist das, der nicht lässig und etwas ironisch nebenbei schaukelt, wie es Väter auf diesem Platz oft zur Erheiterung ihrer Kinder tun, nein, ambitioniert wie ein Kind schaukelt er, „hoch bis in die Luft“, wie die Kleinen sagen, und mit durchaus sportlichem Schwung. Die beiden haben kein Kind dabei, die sind da nur so, die wollten wohl einfach nur raus.

Ich lehne oben am Fenster und sehe den beiden zu, und es ist das erste Hinauslehnen ohne die geringste Kühle, ohne Frische, ohne jede Pullovermahnung.

Am Nachmittag habe ich wieder etwas Bewegungslust, es geht also programmgemäß aufwärts, auch mit meiner Form. Ich gehe durchs kleine Bahnhofsviertel. Vor den Cafés und Restaurants, vor den Imbissen und Bars wird überall geräumt und gewerkelt. Es werden Tische zusammengeschraubt, es wird Mobiliar gereinigt, abgeschliffen, neu angepinselt, frisch angesprüht, neu arrangiert und aufgebaut. Die kalendarisch festgelegte Wiederkehr der Außengastro wird inszeniert.

Und wo ein erster Tisch schon steht, mit ein paar Stühlen oder einer Bank dabei, da nähert sich sehr bald ein Mensch und besetzt ein Revier. Setzt sich, streckt sich, strahlt die Passanten an. Ein höchst ungewöhnlicher Anblick, so also sieht gute Laune aus.

Bier, in das Sonne fällt, lange habe ich das nicht mehr gesehen. Und Sonnenbrillen, die gibt es auch wieder, und Übergangsjäckchen. Es wird März, wir haben es geschafft.

Auch wenn wir sonst nichts geschafft haben – das immerhin.

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Ein Kommentar

  1. Ach ja, das auf Spielplätzen in der Sonne sitzen, kicher. Traf Donnerstag – sonnig! – einen Freund, Beine langestreckt, Augen geschlossen, zwei Hände im Pulloverkragen, jenen so weit herabziehend, dass Sonne die Brust treffen möge. „So so“, sagte ich, mich neben ihn stellend, „da sitzt er in der Sonne und grillt das Brusthaar“. Der Blick aus leicht verwirrt erwachenden gletscherblauen Augen traf mich und sofort sprang seine Schauspielerstimme an und ich höre ein “ aber nein, für Brusthaar müsste ich den Pullover zerreissen, so weit dehnt sich der Rollkragen nun doch nicht! Da musst Du mich im April treffen, wenn ich wieder Hemden trage, die kann man aufknöpfen, bis dahin (zeigts) da ist dann auch Brusthaar!“ Soifz und Gelächter. Wir genossen der Sonne nachrückend den Nachmittag im Freien.

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