Die Hüpfburg als Ausdruck hipper Gegenwärtigkeit

Vorweg ein Dank für die Zusendung eines Romans: „Thomas Mann macht Ferien“ von Kerstin Holzer. Laut dieser Rezension geht es um das Gewinnen von Haltung, ist damit also topaktuell und jederzeit anwendbar. Herzlichen Dank!

Das Buch "Thomas Mann macht Ferien" von Kerstin Holzer

Und apropos Thomas Mann: In der ARD-Audiothek gibt es eine Lesung seines Erzählstückchens „Eisenbahnunglücks“ aus dem Jahr 1909, noch vor der Tegernseezeit aus dem oben erwähnten Roman geschrieben. Gesprochen vom Autor selbst. Da hat man noch einmal eine nicht mehr zeitgemäße Sprache in nicht mehr zeitgemäßer Betonung, das 19. Jahrhundert weht durch den Text. Einige moderne Einsprengsel hier und da, es ist ungemein interessant.

Etwas geziert und manieriert klingt es, was da berichtet wird, und dass den Text in einer anderen Version Loriot vorliest, es scheint perfekt zu passen.

Ich höre keine Spur eines Tonfalls aus Lübeck in der Aussprache von Thomas Mann, nicht den geringsten Anklang. Und ich wundere mich, wieso er das Wort „gottlob“ nicht so ausspricht, wie ich es kenne, sondern eindeutig als „gottlopp“. Bei der ersten Nennung halte ich es noch für einen Fehler, einen Verleser, wie er jedem passieren kann, bei der zweiten muss es doch Methode haben. Gottlopp. Seltsam. Gehört das irgendwo so?

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Am Sonnabendmorgen frage ich bekannte und ruhmreiche AI-Modelle nach dem Veranstaltungsprogramm für Hamburg, denn ich stelle fest, an diesem Tag ein verblüffendes Ausmaß an freier Zeit zu haben. Das ist ein wundersamer Zustand, mit dem ich nach gründlicher Entwöhnung nicht mehr gut umgehen kann. Da brauche ich Hilfe und Hinweise.

Das eine Modell sagt mir, es fände heute ein großer Marathon statt. Was nicht stimmt, der war am letzten Wochenende, ich berichtete. Das andere Modell sagt, es fände heute der Hafengeburtstag statt. Was ebenfalls nicht stimmt, der ist erst am nächsten Wochenende, ich werde keineswegs berichten. Es ist mit diesen Modellen also manchmal in etwa wie mit dem Googeln früher, nur mit viel schlechteren Ergebnissen.

Aber hey, es geht voran. Oder wohin auch immer.

Einig sind sich die beiden Modelle dann darin, dass die Spider Murphy Gang am Abend ein Konzert in der Stadt geben wird, das immerhin. Demnach sind wir erneut Richtung Achtziger abgebogen, aber darauf kommt es mir schon nicht mehr an.

Der Fairness halber: Bei zwei Recherchen zu abwegigen Themen habe ich gestern hervorragende Antworten von diesen Modellen bekommen, wirklich gutes Zeug, das noch vor etwa einem Jahr so nicht möglich gewesen wäre.

Das muss man auch sehen, wollte ich nur eben sagen: Es ist nicht so, dass die gar nix können, diese Modelle. Spitzenleistungen und Desaster liegen bei ihnen vielmehr direkt nebeneinander in seltsamer, staunenswerter Gleichzeitigkeit vor.

Woher kennen wir das nur? Genau, aus dem eigenen Hirn. Tu quoque, AI.

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Das Veranstaltungsprogramm der Millionenstadt Hamburg liest sich ansonsten, wenn man es sich erfolgreich zusammengeklickt hat, wie das einer mittleren Kreisstadt. Es gibt Flohmärkte, eine Hüpfburg in einem Park, einen Lagerverkauf in einem Industriegebiet am Rand der Welt und dergleichen, sowie abendliche Naturführungen mit Fledermäusen und Vogelsang. Hm.

Vielleicht bin ich zu größenwahnsinnig anspruchsvoll für diese Angebote. Was gut sein kann, denn was stelle ich mir eigentlich vor. Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk.

Das mit Edding geschriebene Wort Nimmersatt auf den weißen Kacheln einer U-Bahnstation

Oder aber, diesen logischen Schluss darf ich nicht vergessen, Kreisstädte sind unterschätzt und im Grunde auf der Höhe der Zeit, welche durch Hüpfburgen hinreichend symbolisiert werden kann.

Immer positiv enden, wenn es geht. Ja, ja.

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Das eingangs erwähnte Problem mit der freien Zeit löste ich dann ebenso routiniert wie konstruktiv durch Gulasch. Mit der Zubereitung von Gulasch kann man nämlich ein paar Stunden in der Küche verbringen. Man ist weg von der Straße, die Familie wird satt und der Tag geht vorbei.

Immerhin.

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Gardam, Lewis, Diverses

In der FAZ gibt es einen Nachruf auf Jane Gardam, in welchem allerdings die Verdienste ihrer ersten Übersetzerin in die deutsche Sprache, Isabel Bogdan, versehentlich nicht gewürdigt werden. Wie auch immer, wenn Sie Jane Gardam nicht gelesen haben, was dann ebenfalls versehentlich wäre, holen Sie das ruhig nach. An den langen Sommerabenden oder so, es lohnt sich.

Siehe dazu auch im Guardian: A natural storyteller.

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Apropos Würdigung: Ein letztes Mal empfehle ich nach finalem Umblättern den „Gentleman über Bord“ von Herbert Clyde Lewis. Ein Roman aus dem Jahr 1937, vor zwei Jahren erst entdeckt und übersetzt (von Klaus Bonn). Der Titel umreißt und spoilert zugleich den Inhalt, ein Mann geht über Bord, absichtslos, durch banales Ausrutschen auf einem Ölfleck. Er hat dann im Pazifik viel Zeit, bis zu seinem endgültigen Untergang über sich und sein wenig bemerkenswertes Leben als mittelmäßiger Börsenmakler nachzudenken. Deutlich mehr Zeit, als er diesem Nachdenken sonst jemals zubilligen würde. Wie ergebnisreich dieses Nachdenken ist, darüber könnte man debattieren. Wie auch darüber, was es nützt, in seinen letzten Stunden noch zu Erkenntnissen zu kommen.

Ein äußerst elegantes Buch über den Tod, der die Leserinnen hier nicht tränendrückend erwischt, der sie zunächst eher kaltlässt, aber irgendwann doch noch fast unvermutet anfasst. Und die Frage, ob und was man selbst denken würde, allein im Pazifik, während es dunkel wird und das Schiff, von dem man fiel, gerade am Horizont verschwindet, sie erscheint nicht eben abwegig. Sie wird einem aber auch nicht aufgedrängt.

Die Passagiere auf dem Schiff, von dem dieser Gentleman gefallen ist, sie nehmen, nachdem ihnen sein Fehlen erstaunlich lange entgeht, einfach an, dass er gesprungen sein muss. Wie würde man sonst im Meer landen, einfach so, es ist doch etwas ungehörig. Und sie beginnen, seine Person nachträglich ein wenig umzudeuten, so dass dieser seltsame Abgang auch zu ihrem Bild von ihm passt. Eine feine Gesellschaft, aber eben: Die Gesellschaft, in geradezu lässig kurzen Beschreibungen festgehalten.

Auf der Verlagsseite stehen Rezensionszitate, ich gebe das der Gießener Allgemeinen wieder, es trifft besonders gut: „Auf nur rund 160 Seiten lässt Lewis Tragik und Komik gleichberechtigt nebeneinanderstehen, wirft die großen Fragen im Kleinen auf, wird bei aller Dramatik nie hysterisch. Es passiert nicht viel, und doch alles.“

Ein schmales Buch ist das, schön im Schuber, gepflegt mit Nachwort (Jochen Schimmang) und allem. Jetzt ans Schenken denken, es wird auch wieder Dezember. Irgendwann.

Das Buch "Gentleman über Bord"

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Und sonst: Herr Paul spielt mit ChatGPT und Thomas Gigold erklärt noch etwas zur bereits erwähnten BloggerRolle.

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Mauersegler, Mai, Magnetic Fields

In den Timelines sehe ich in dieser Woche die ersten Mauerseglermeldungen, aus Hamburg-Mitte kann ich aber noch keine Sichtung vermelden. Eventuell verspätet sich bei uns auch der Mauerseglerzug, das passt dann immerhin gut zum Hauptbahnhof im Stadtteil. Es bleibt alles in einem harmonischen Gefüge.

Es gibt ferner die ersten Anzeichen für den Frühsommer im phänologischen Kalender, etwa vier Wochen sind sie wohl zu früh. So verzeichnen wir etwa den Blühbeginn des schwarzen Holunders und der Kastanie. Einzelne Pfingstrosen gehen auch deutlich vor, außerdem ist es Herrn Buddenbohm und sicher auch Frau Novemberregen bereits zu warm. Selbst wenn ich aktuell noch keine Wetterbeschwerden in ihrem Blog gelesen habe.

Am Nachmittag dann eine weitere Saisoneröffnung. Zum ersten Mal stehen stundenlang Hubschrauber über dem Haus, vermutlich um die Maidemos von oben zu beobachten. Brummende Riesenhummeln aus Metall, ein Geräusch, das man kaum ausblenden kann, dystopisch-bedrohlich dringt es durch alle Versuche, sich auf etwas zu konzentrieren. Dazu anschwellender Baulichtverkehr auf den größeren Straßen. Ein besinnlicher Feiertag ist es auf diese Art eher nicht, sondern wiederum so etwas wie die urban buzzing version eines Sondersonntags.

Die bei uns so furchtbar zahlreichen obdachlosen Opfer des Alkohols und anderer Drogen, die vor einigen Tagen noch in zu leichter Kleidung draußen gefroren haben, sie schlafen jetzt in der prallen Sonne ihren Rausch aus. Wiederum zu leicht bekleidet, mit sich rötender Haut. Hast Du kein Dach überm Kopf, hast Du auch kein gutes Wetter mehr.

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In der ARD-Audiothek gibt es das Buch zur aktuellen Woche und zur historischen Erinnerung: Volker Ullrichs „Acht Tage im Mai“, über das Ende des Dritte Reichs. Hier die Perlentaucherseite dazu. Das Buch ist erschreckend spannend, obwohl man weiß, wie es ausgeht.

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Das Erholungskonzert des Tages gab es von The Magnetic Fields. Sie spielten dabei am Ende auch den Song „The book of love“, und das ist ein Lied, dessen Text man nicht genug loben kann.

“The book of love is long and boring

And written very long ago

It’s full of flowers and heart shaped boxes

And things we’re all too young to know.”

 

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Im Bild architektonische Highlights der Hafencity, direkt neben dem neuen Einkaufszentrum.

Hässlich wirkende Neubauten in der Hafencity, so aufgenommen, dass keine Schönheit den Eindruck mildert

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Auf Kosten meiner Ruhe

In Kanada gab es neulich das, was in Demokratien normal sein sollte, nämlich eine Wahl. Die man aber heute, siehe nahezu sämtliche Medien, stets Schicksalswahl zu nennen pflegt. Was vermutlich mittlerweile für alle Restdemokratien gilt, in denen Rechtspopulisten und Rechtsextreme antreten, um die Parlamente von innen anzugreifen. Es gilt also schlicht für alle Länder, in denen überhaupt noch freie Wahlen stattfinden können: Überall Schicksalswahlen.

Dieses Wort daher am besten auch gleich normalisieren, den modernen Sprachgebrauch einfach annehmen. Was soll der Widerstand gegen den Wandel, am Ende gewinnt der doch. Deswegen schlage ich vor, dass wir bei der nächsten Wahl, welche ist es denn überhaupt, dass wir also bei der Kommunalwahl in NRW im September auch korrekt von Briefschicksalswahlunterlagen reden, von Schicksalswahllokalen, Schicksalswahlberechtigten und überhaupt von der Kommunalschicksalswahl, die man dann an den ganzen Schicksalswahlplakaten im Stadtbild erkennen wird, wenn es soweit ist.

Und hinterher reden wir entsprechend von den schicksalsgewählten Bürgermeisterinnen usw., die ihre Dankesreden selbstverständlich alle standardmäßig anzufangen haben mit „Ich danke meinen Schicksalswählerinnen und -wählern.“

Und dann werden diese beiden Silben so häufig, dass man sie gar nicht mehr hört und also auch wieder weglassen kann.

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Gehört: Einen Zeit-Podcast über den politischen Aktivisten Thomas Mann, dessen Leben auch nicht unerheblich von Schicksalswahlen beeinflusst wurde. Auch für Thomas-Mann-Kennerinnen sind vielleicht noch zwei, drei Bildungs-Updates in dem enthalten, was da berichtet wird. Mir war etwa nicht bewusst, in welchem Ausmaß er nach dem Kriegsende aus Deutschland angefeindet wurde.

Sympathisch fand ich außerdem eine Kleinigkeit am Rande. Als er seine Ansprache im Goethejahr hielt, 1949 in Frankfurt am Main, verwies er auf seinen Kampf der vergangenen zehn Jahre, den er „auf Kosten seiner Ruhe“ geführt habe. Eine Formulierung, die man spontan nachempfinden kann. Man möchte lediglich ungestört vor sich hindichten und in Frieden am Schreibtisch sitzen, und dann findet da draußen aber Welt und Politik, Krieg, Geschichte und alles statt, und man meint dauernd, sich kümmern zu müssen.

Auf Kosten der Ruhe. Ja, wir kennen das.

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Bei SWR-Kultur gibt es, leider passend zu den anderen Absätzen heute, in der Reihe „Das Wissen“ zwei Folgen zu Benito Mussolini und Georgia Meloni, hier die erste, hier die zweite Sendung. Da Meloni in rechten Kreisen als Erfolgsmodell gilt, ist es sicher richtig, auch über sie einige Kenntnisse zu haben.

Man beachte etwa ihr Verhältnis zu den Medien und denke dann noch einmal über die Lage bei uns nach, über die seltsamen Tendenzen etwa bei der ARD, die immer unübersehbarer werden.

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Zur Erholung von all diesem habe ich mir das Tiny-Desk-Konzert von Alicia Keys angesehen. Warum auch nicht.

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Im Bild heute der Hansaplatz mit dem Hansabrunnen, auf dem oben die Hansa selbst steht, obwohl es sie eigentlich gar nicht gibt, nicht einmal in Sagen oder Mythen. Eine ausgedachte Figur, eine Allegorie.

Aber nun, siehe Bildbeweis, da steht sie nun einmal und symbolisiert die einstige hanseatische Macht vor sich hin. Ausgerechnet auf einem der schlimmsten Plätze der Stadt, was Kriminalität, Drogenkonsum etc. angeht. Es geht dort nicht eben hanseatisch zu, wenn man zu dem Begriff klassisch herumassoziiert.

Man sieht es aber nicht jedem Bild an, das man dort macht.

Der Hansabrunnen im Weitwinkel, Bäume mit frischem Grün an den Bildrändern

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Betrübnis, Pein und Belastung

Ein Hinweis für die Anhänger der freien Bloggerei: Thomas Gigold aus dem Freundeskreis digitale Unermüdlichkeit hat schon wieder etwas Neues gebastelt. Nämlich eine Blog-Ping-Seite, die „BloggerRolle“ mit laufender Aktualisierungsanzeige der teilnehmenden Blogs. Da kann man dann vielleicht etwas entdecken.

Dabei habe ich etwa auf dem Blog von Dominik Schwind den Link zum Podcast Three Rules gefunden, auch bei Youtube verfügbar, „where guests share 3 rules that helped them find success or happiness“. Solche Formate können zwischendurch auch einmal interessant sein. Obwohl es meist recht erwartbar ausfällt, was da aufgesagt wird, obwohl es oft mit dem korreliert, was in den üblichen Lebenshilfebüchern zu finden ist. Aber doch nicht immer.

Und es ist für Hobbydenkerinnen und – denker vielleicht schon deswegen interessant, weil man sich dabei fragen kann, was man selbst dort erzählen würde. Wie streberhaft man damit dann wohl wirken würde, oder ob man überhaupt eine brauchbare Regel parat hätte, also außer „Erst aussteigen lassen“ und dergleichen mehr.

James Hoffmann jedenfalls wird vor der Aufnahme des Podcasts etwas länger nachgedacht haben, nehme ich an.

Das Betrachten des Blog-Update-Monitors von Thomas Gigold fühlt sich unweigerlich etwas wie damals an, aber im eher positiven Sinne. Nostalgie muss nicht immer nur irreführend sein.

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Ich sah in den sozialen Medien viel Betrübnis, Pein und Belastung, als die Besetzung der Kabinettsposten in der nächsten Regierung bekanntgegeben wurde.

Es schmerzte doch erheblich, was man sah und las, ein wehes Aufstöhnen bei jedem Namen. Das ging mir nicht anders, auch Buddenbohms unter den Opfern. Und wieder diese Erinnerungen, mit denen ich erneut nicht allein war, an die erste Kohl-Regierung. Und an die Fassungslosigkeit, mit der man sich damals angesehen hat, wie es anfing.

Es war von da aus ein weiter Weg bis zur kollektiven Lethargie und Dickfelligkeit, mit der wir die Merkel-Jahre ertragen haben. Obwohl man dieser Zeit im Nachhinein doch einige erstaunlich progressive Entwicklungen zuschreiben muss.

Nun also noch einmal über Start. Das war so nicht bestellt, nein, und wie lange wird man sich damit abmühen müssen. Ich sehe eben die Lebenserwartung der Männer meines Jahrgangs nach. Danach habe ich statistisch noch etwa zwanzig Jahre vor mir. Werden die ausreichen, um die Rückbewegung des Pendels noch einmal mitzubekommen, die Überwindung des dummerweise diesmal globalen Rechtsrucks? Das könnte knapp werden, aber man weiß es natürlich nicht. Immer alles für möglich halten. Da sind wir schon wieder bei den Lebenshilfebüchern, und sie liegen bei dieser Frage vermutlich sogar richtig.

Ich recherchiere etwas diesen historischen Rechts-Links-Zyklen hinterher, merke aber bald: Das ist eines der tieferen Kaninchenlöcher, für das ich deutlich mehr Zeit haben müsste. Auch um das Gelesene mit dem Erlebten abzugleichen. Man hat immerhin schon etwas Geschichte mitbekommen, man könnte Verbindungen ziehen und Parallelen suchen.

In dem Kaninchenloch liegt etwa die Strauss-Howe-Theorie, von der ich noch nie gehört hatte, bei der aber im verblüffend langen Wikipedia-Text bald auch Steve Bannon vorkommt, es also unappetitlich wird und man die Umgebung lieber meidet.

Weiterführend dann der Artikel zu historischen Wiederholungen. Mit den besonders zahlreichen Links in diesem Artikel könnte man sich tagelang beschäftigen, vermutlich ohne jemals zu einem Schluss zu kommen (oder hier noch zu sozialen Zyklen, mit Nennung weiterer Theorien, es ist ergiebig).

Faszinierend, das alles, man könnte glatt ein langes Wochenende damit zubringen, das zu studieren, aber hilft es? Where’s the beef? Und diese Frage aus dem Werbeclip, die Älteren erinnern sich, sie ist auch schon 41 Jahre alt. Meine Güte.

Ich überlege jedenfalls, ob ich einer Meinung zuneige, ob in den nächsten zwanzig Jahren noch eine Umkehr beginnen kann oder nicht und wie wahrscheinlich mir was gerade vorkommt. Aber ich verbleibe für heute bei: Ich habe keine Ahnung und auch kein Gefühl dafür.

Egal. Weitermachen und Haltung bewahren. Es ist am Ende doch der Weisheit letzter Schluss, zumindest vorläufig.

Blick auf die Elbphilharmonie vom Alsterfleet aus

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Neuer Schwung

Sport wirkt sich verjüngend aus, das kann sogar der Autor dieser Zeilen bestätigen, welcher keiner Sportart auch nur ansatzweise zuneigt. Es gab aber gerade, das ist vom Wochenende noch eben nachzutragen, diesen Marathon in der Stadt. Sogar einen mit erneuertem Streckenrekord, las ich, bei vermutlich bestem Laufwetter. Sonnig, nicht zu warm, ein kühlendes Windchen wehte. Es lief, man lief, und wie man lief. Mir war es wie immer egal.

Am Nachmittag ging ich durch die Stadt. Erst durch die good old Innenstadt, durch mein Revier. Dann flanierte ich runter zum neuen Einkaufsriesending am Hafen. Denn ich muss als Hamburger Blogger ab und zu pflichtgemäß nachsehen, wie sich dort alles entwickelt und ob überhaupt. Es war dann aber gar nicht die Architektur oder die Shopping-Infrastruktur, die Wirkung der Locations, die ich diesmal interessant fand, es waren eher all die desaströs erschöpften Menschen, die am Vormittag am Marathon teilgenommen hatten. Und die sich jetzt, wie man es im Tagestourismus unweigerlich so macht, noch hier und da etwas herumtrieben, bevor sie die Stadt dann in Scharen wieder verließen.

Sie waren leicht zu erkennen, diese Menschen mit dem ausgeprägten Interesse am eskalierenden Galopp. Nicht nur an den Standardrucksäcken vom Sportevent und den dazu passenden kurzen Hosen, auch am seltsamen Gang. Sie hatten sich sämtlich Blasen, Krämpfe, Wölfe und anderes gelaufen. Sie hatten sich beim endlosen Laufen dies und das nachhaltig verzogen und verbogen, und so gingen sie dann auch. Als hätte man einer ganzen Heerschar von Komparsen zugerufen, sie mögen bitte einmal Marathonläuferinnen und -läufer nach dem Zieleinlauf parodieren, so übertrieben laientheaterhaft sah es in vielen Fällen aus. Wie sie da karikaturhaft bemüht x- oder auch o-beinig herumgingen, wie sie enderschöpft humpelten, schlurften und lahmten, es war teils zum Gotterbarmen.

In den sozialen Medien sah ich nebenbei das Bild eines Marathonlaufs, es war nicht in Hamburg, da stand eine Frau an der Strecke und hielt ein Pappschild hoch, wie es in Motivationskreisen üblich ist, aber auf ihrem stand groß: „Why?“. Das Bild passte ausgezeichnet zu den Nachwirkungen, die mir in diesen Stunden überall begegneten.

Ich dagegen hatte keinen Sport gemacht. Ich ging normal, also schnell wie immer und gut gelaunt. Und ich merkte immer öfter im Vergleich zu den desolaten Sportopfern in lazarettreifer Haltung um mich herum, dass ich federnd ging, in guter Haltung und einfach bestens in Form. Ich zog also an allen vorbei und fühlte mich etwa zwanzig Jahre jünger. Eine angenehme, erfreulich belebende Erfahrung.

Für das nächste Jahr werde ich es mir gleich im Kalender vormerken, nach dem Marathon einen besonders langen Spaziergang zu machen. Um wieder neuen Schwung aufzunehmen, nur durch vergleichende Betrachtung, denn wie einfach und einladend ist das denn.

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Das neue Einkaufszentrum wurde bisher übrigens viermal wegen Feueralarm geräumt, die Innenstadt dagegen kam in diesem Zeitraum ohne besondere Vorkommnisse durch. Ich werte das als leichten Punktvorteil für den alten Stadtkern. Aber ein neutraler Beobachter bin ich dabei nicht, ich möchte die Innenstadt oder in großmütigen Momenten auch beide gewinnen sehen, nicht aber nur die Neubauten.

So viel Parteinahme muss schon sein.

Eine Außentreppe am Westfield-Einkaufszentrum

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Wiederum habe ich einige Menschen auf Youtube gefunden, denen ich gerne bei der Arbeit zusehe: The Bleachers. Die kannte ich nicht, aber wenn man etwas über die Band nachliest, wird klar, dass man zumindest den Leadsänger Jack Antonoff durchaus kennen könnte. Vor allem wohl, wenn man etwas jünger wäre, was nicht als Sehnsuchtsbekenntnis gemeint ist, nur als sachliche Einordnung. Er arbeitete mit Taylor Swift etc., und da ist meine Altersgruppe bekanntlich oft raus.

Aber dieses Kleinkonzert fand ich jedenfalls gut. Wobei man sich bei der Reihe ohnehin jederzeit feststehen kann.


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Filme, Mythen, Dosensuppen, Algorithmen. Dazu Salami.

Eine weitere Doku habe ich bei arte gesehen, über Glenn Close: Die Kunst der Verwandlung. Sie sind mir ein angenehmes Stück Freizeit, diese arte-Formate zur Filmgeschichte und zu Schauspielerinnen und Schauspielern. Ich bekomme dabei regelmäßig Lust, all die Filme zu sehen, aus denen da zitiert oder bildzitiert wird. Wozu es dann selbstverständlich nie kommt, aber das macht einfach nichts, es ist vollkommen egal.

Sehr entspannend ist das. Eine Art von gefühltem To-Do-Druck, der sich nach einer Weile einfach wieder auflöst, wie ein über Wiesen zergehendes Nebelwölkchen am Morgen. Man müsste dieses Muster auf etliche weitere To-Do-Arten übertragen können, und zack, die Welt wäre etwas besser.

Jedenfalls für mich.

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Apropos Muster! Beim Deutschlandfunk gibt es eine Lange Nacht über Joseph Campbell (157 Minuten). Gemeint ist der Campbell mit der Heldenreise und den Mythen, nicht der mit der Dosensuppe und später mit Andy Warhol, der faszinierenderweise auch Joseph hieß.

Ich höre mir diese wiederum gut gemachte Sendung an, zumindest erst einmal einen guten Teil davon. Nebenbei lese ich auch brav nach, was von Campbells Thesen heute überhaupt noch übrig ist, da ich da nicht im Bild bin (es ist gar nicht so wenig) und sehe auch nach, wie der Stand der Wissenschaft bei dem Thema ist. Ich stoße dabei auf ein Fachgebiet, dessen Bezeichnung ich so noch nie gesehen habe. Ich finde sie aber sofort und besonders faszinierend, diese Fachrichtung, schon vom Begriff her. Es ist erneut ein deutlicher Fall von „Ach verdammt, Beruf verfehlt“, aber ich konnte es damals auch nicht wissen. Wie auch immer, es gibt jedenfalls die Neuronarratologie, und wie anziehend klingt das denn.

Ein wunderbares Wort, nicht wahr, noch mit faszinierend wenigen Googletreffern, falls das heute überhaupt noch eine Messgröße für irgendwas ist. Diese Fachgebietsbezeichnung würde eine Visitenkarte ganz ungemein schmücken, denke ich.

Aber wie es aussieht, muss ich altersbedingt etwas abkürzen, denn es wird in diesem Leben und den verbleibenden Jahren wohl nur noch zum Neuronarren reichen. Das aber immerhin souverän.

Ein unordentlicher Haufen Bücher in einem Fenster, man sieht jeweils die Schnitte

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Ich höre und gucke weiterhin ab und zu auf Youtube nach dem Songwriter L. A. Salami (er kam im Blog bereits hier und hier vor, und beide Lieder sind immer noch empfehlenswert). Sein Wikipedia-Eintrag beginnt fast schon literarisch lapidar: “Salami grew up in foster care, developing a fascination with music.” So könnte auch eine Short Story anfangen, und ein schlechter erster Satz wäre es nicht.

Faszinierendes Zeug ist seine Musik jedenfalls. Da kann man ruhig mal reinhören, reinsehen und auch die Texte nachlesen, die sich nicht unbedingt auf den ersten Blick erschließen. Aber pardon, darum ging es mir gar nicht, ich schweife ab und wollte auf etwas anderes hinaus.

Nämlich auf die manchmal schwer zu ertragende Strunzdummheit der Algorithmen. Denn wenn ich auf Youtube dreimal nach dem Songwriter L. A. Salami suche, was wird mir dann unweigerlich zusätzlich als weitere Empfehlung angezeigt? Clips zum Thema Pizza Salami, genau.

Manchmal möchte man vor Empörung den Bildschirm hauen. Aber der kann ja nichts dafür und der Ersatz kostet am Ende nur das eigene Geld. Schlimm.

My thoughts, tey too will tire. Passt schon, an einem Montagmorgen.


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Da sind sie wieder

Am Sonnabendvormittag ging der Sommer los. Nicht von der Temperatur her, die war eher betont frisch und noch rollkragentauglich, aber doch bezogen auf einen Umstand, den ich in jedem Winter erneut für drei, vier Monate bemüht verdränge, um dann am ersten Tag, an dem er im April oder Mai wieder auftritt, unangemessen zu staunen, als würde es mir zum ersten Mal auffallen: Meine Güte, ist das bumsvoll in diesem Stadtteil, wenn der Tourismus wieder anläuft.

Es war schönes Wetter an diesem Sonnabend (also fortgesetzte Trockenheit, wie man heute wahrheitsgemäß einschränken muss). In dieser Woche gab es außerdem einen Feiertag, die nächste Woche ist dazu eine einladende Brückenwoche. Da machen viele Urlaub, wie es aussieht, verdammt viele. Es findet am Wochenende außerdem ein großer Marathon der Stadt statt, und es wird ferner die jährliche Lange Nacht der Museen inszeniert. Dazu noch am Hauptbahnhof eine winzige Demo von rechts und eine angemessen große Demo gegen rechts, beides natürlich umgeben von der Polizei in Armeestärke. Und zu allem gibt es noch das neue Rieseneinkaufsding für die Shoppinghorden am Hafen, vor dessen Türen das erste Kreuzfahrtschiff am neu gebauten Kai anlegen wird – alle, alle kommen, und Hamburg will sie erquicken (Matt. 11,28).

Und dann stehen sie in großer Zahl z.B. dort, wo ich auf dem Weg zum Einkauf mal eben durchmarschieren möchte. Was ich aber nicht mehr kann, weil Rudel, Scharen, Grüppchen, Verbünde, Freundeskreise und Großfamilien im Weg herumlungern und diese Stadt, das Szeneviertel und die Außengastromeile aus dem Reiseführer erst einmal in Ruhe auf sich einwirken lassen. Wobei sie allerdings wenig geneigt sind, den herannahenden Nörgelrentnertypen mit dem betont schnellen Schritt und dem merkwürdig finsteren Gesichtsausdruck auf eine Art wirken zu lassen, die sie dazu veranlassen könnte, mal eben aus dem Weg zu gehen. Denn diese Wirkung erfordert einen Schaltkreis, der im Urlaub einfach nicht verfügbar ist.

Ich kann nicht einmal ausschließen, mich auf Reisen vielleicht auch so zu benehmen, ich weiß. Was aber nichts daran ändert, dass es stört. Und wie es mich stört.

Aber okay. Das Sommerprogramm wieder. Ich schalte also auch dabei um. Ich nutze unter der fortwährenden Absonderung wüster Verwünschungen wieder bis etwa Oktober die Nebenstrecken, die Sommerwege. Die Trampelpfade der Einheimischen gehe ich entlang, quer durch das Kleingedruckte des Stadtplans. Abseits der Alleen, backstage der Boulevards. Denn was soll man auch machen.

In einer uninteressanten Stadt möchte man auch nicht wohnen.

Blick über die Binnenalster vom Jungfernstieg aus

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Im weiterhin gut gefüllten öffentlichen Bücherschrank neben der katholischen Kirche steht währenddessen ein gut erhaltener, fast neu wirkender Adorno neben zwei abgegriffenen Romanen von Rosamunde Pilcher und betont freudlos gebundenen, mehrbändigen Texten vom Ratzinger, alias Benedikt.

Welche Gesellschaft soll das abbilden.

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Mit dem Flow

Am Morgen überkam mich in der Stunde, in der ich normalerweise blogge, das überaus seltsame Bedürfnis, den Kühlschrank von innen zu reinigen. Das war zwar angebracht, auch seit mehreren Wochen schon, aber die Uhrzeit war dafür doch befremdlich. Woher der Gedanke in dem Moment kam, das war auch eher unerfindlich. Ich zögerte daher zunächst etwas, ging dann aber widerstrebend mit dem Flow, oder wie man das jetzt nennt.

As my wimsey takes me, wie es damals noch bei Dorothy L. Sayers stand. “Die nachfolgenden Blogeinträge verzögern sich um … Grund dafür ist ein Reinigungseinsatz …“, sie haben die entsprechenden Durchsagen am Blogbahnhof vielleicht mitbekommen.

Sollte ich aber morgen zu sehr früher Stunde auf einmal Lust haben, das Badezimmer zu putzen, werde ich am Ende noch sämtliche Tagesroutinen neu durchdenken müssen, um meine Schreibzeit, die doch regelmäßig zu sein hat, irgendwo neu einsortieren zu können.

Mir graut.

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Gehört: Zwei Sendungen über Gegenden etwas hinter dem Tellerrand, einmal aus der Reihe Zeitfragen, Feature: „Vietnam – 50 Jahre nach dem Krieg“ (28 Minuten), und einmal einen Weltspiegel-Podcast „Ellbogen raus – wie sich Kanada gegen Trump stemmen will“ (30 Minuten.). In welcher Kanadas Grenze zu Dänemark (ganz oben auf der Darstellung im Schul-Atlas) und die Nähe zu EU sehr betont werden. Und kanadisch-europäische Union, so schlecht klingt das nicht.

***

Es vergeht kaum noch ein Tag, an dem einem nicht etwas zu technisch beigesteuerter Intelligenz auffällt. Diesmal ist das Bemerknis eher banal, aber sprachlich ist es doch unerwartet schön. Automatisierte Übersetzungen sieht man längst in etlichen Apps und Browsern, manchmal fallen sie einem erst dann auf, wenn sie etwas so falsch machen, dass man doch beim Lesen stolpert, also wenn sie etwa die Türkei wieder als Truthahn bezeichnen oder die Firma Anthropic als „anthroposophisch“ übertragen und dergleichen.

Dass aber ein solcher Automatismus den Begriff „High maintenance“ als „wartungsvoll“ übersetzte, das gefiel mir. Dieses Wort ist sicher das erste aus so einem Programm, das ich mir merken werde. Auch beruflich ist es vermutlich gut zu verwenden: Ein Prozess, eine Abteilung oder ein Kollege, sie sind unerwartet wartungsvoll. Was für eine charmante Beleidigung.

***

Apropos Beleidigung: Im Vorbeigehen hörte ich am Vormittag aus dem Dialog zweier junger Frauen einen Satz, dem wir uns vermutlich mehrheitlich anschließen können: „Eigentlich mag ich es ganz gerne, wenn Menschen nett sind.

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Einige Meter hinter diesem Dialogfetzen habe ich dann das Tagesfoto aufgenommen, nach allerdings unangenehm langer Wartezeit, denn es dauerte etwas, bis da endlich einmal wenigstens für einige Sekunden niemand drüberlatschte.

Die Fußwege im Stadtteil, Sie sehen es gleich, werden hier weiterhin vermutlich nachts einigermaßen emsig und halbwegs kalenderspruchtauglich beschriftet. Aber ich denke da nicht weiter drüber nach, ich gucke bloß.

Kreideschrift auf dem Pflaster: "Lebst du noch oder guckst du bloß?

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Therapeutisch wirksam

Ansonsten bin ich überraschend der Migräne zugeneigt gewesen. Damit habe ich dieses unselige Thema vielleicht auch schon für 2025 abgedient, ´denn mehr als zwei, drei Tage pro Jahr habe ich eigentlich seit vielen Jahren nicht mehr im Abo.

Andererseits kann man es nicht genau wissen, denn im Kleingedruckten vieler Verträge und Geschäftsbedingungen wird gerade viel und manchmal auch heimlich geändert, siehe Internet, Instagram etc. Und plötzlich bekommt man von irgendetwas deutlich mehr, als man wollte oder man zahlt einen höheren Preis, Sie kennen das. Man muss höllisch aufpassen bei allen Vereinbarungen, die man getroffen hat.

Im Vergleich zu fast allen anderen mir bekannten Migränemenschen, und es gibt doch ungeheuer viele von uns, geht es mir jedenfalls noch gold, so unterm Strich und über einen längeren Zeitraum bilanziert. Das ist mir auch bei jedem Anfall bewusst und es hilft sogar etwas. Sogar darin habe ich ein Immerhin gefunden, wenn ich es recht bedenke. Aber die Stunden mit dem vollen Programm, sie kommen mir dennoch entbehrlich vor, versteht sich.

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Zur Erholung hörte ich zwischendurch einen Text, den ich längst kenne, auch gut kenne. Bei dem ich fast sämtliche Pointen längst mitsingen kann, der mir aber dennoch gerne erneut vorgetragen werden darf. Besonders dann, wenn ihn der geschätzte Autor persönlich liest. In der ARD-Audiothek findet man „Die Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlandes“, gelesen von Friedrich Torberg.

Hören Sie einmal kurz rein, und Sie nehmen sofort die andere Geschwindigkeit wahr, die dieser Prosa zugrunde liegt. Stark abweichend vom zappelnden, blinkenden Stakkato der Gegenwart. Wie neulich bereits erwähnt, ich finde den Rückgriff auf alte Erzählstrukturen, Motive und Sprachmuster mit jedem Lebensjahr erholsamer und auch tröstlicher.

Vermutlich ist dies eine gesunde oder zumindest eine pflegeleichte und günstige Entwicklung für mich. Ist es doch eine ausgesprochen einfache Methode der (Rück-)Besinnungseinleitung. Andere müssen vielleicht reisen, um sich seelisch in dieser Art aufseufzend und loslassend zurücklehnen zu können, vor einem teuer erkauften Sonnenuntergang in der Toskana vielleicht. Ich dagegen lasse mir zum zehnten Mal einen sattsam bekannten Abschnitt von Fontane oder Konsorten vorlesen, von irgendwelchen längst vertrauten Autorinnen und Autoren bis etwa zum Einbruch der Gegenwart also. Und es hat gar nichts mit Bildungsstreben zu zun, mehr mit Wellness, die bekanntlich ansonsten nicht mein Fachgebiet ist.

In der Geschichte des Lesens gab es im 19. Jahrhundert oder eher kurz davor den Übergang zum extensiven Lesen, zur immer unruhigeren Vielfalt des Konsums, zum Lesen des immer Neuen. Davor wurden die wenigen Texte, die im Haushalt vorrätig waren, immer wieder gelesen, also etwa die Bibel.

Womöglich ergibt es irgendeinen Sinn, in der eigenen Lebensgeschichte den Konsum zumindest teilweise umzukehren. Nach ausgedehnten Reisen in die entlegensten Winkel des kulturellen Konsums zumindest stunden- oder tageweise zurückzukehren zum intensiven Lesen. Mit dem die meisten in der Kindheit auch begonnen haben werden, siehe Bilderbücher, Märchen etc. Das gilt zumindest noch für meine Generation, heute ändert sich auch das.

In diesem Sinne habe ich dann gleich auch noch etwas R.L. Stevenson gehört, leg die Geschichten von damals auf. Therapeutisch war es wirksam, was will man mehr. Zu Risiken und Nebenwirkungen befrage ich mich dann bei Gelegenheit selbst.

Eine alte Tür in einem Fachwerkgebäude, schief und verzogen, eine Aufnahme aus dem Stadtteil Sankt Georg

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Gleich mehrere interessante Links sah ich außerdem bei der Kaltmamsell, und ich meine damit natürlich nicht den Link, der freundlicherweise  zu meinem Blog führt.

Im Social-Media-Newsletter von Thomas Giegold sah ich schließlich einen Link zu Mashable, enthaltend eine Liste der zehn Youtube-Kanäle mit den weltweit meisten Abonnenten. Eine, wie soll man sagen, aparte Mischung, die man sich ruhig einmal ansehen kann.

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