Keine Kompromisse

Letzte Woche, ich gehe auf dem Heimweg von der Arbeit eben in einen Discounter. Lange Schlangen vor den Kassen, es stockt, irgendwas ist mit dem System oder so, es dauert, die Leute werden unruhig, genervtes Stöhnen überall. Vor mir unterhalten sich zwei Männer, es klingt etwas schärfer, der eine beschwichtigend, der andere aufbrausend. “Doch!” höre ich immer wieder und “Aber nein!” und so etwas, Diskussionstrümmer und -randstücke, es dauert eine ganze Weile, bis sich mir erschließt, worum es da geht, aber bitte, es hat ja alles Zeit, man steht da ja eh nur herum und besieht sich die Einkaufswagen der anderen. Toffifee und Hühnerbrust und Schnittlauch, andere Menschen, andere Abendessen.

Dumm ist das aber keineswegs, worüber die Herren da reden, die reden nämlich über Philosophie und die Art, wie man leben soll. Der eine im Hier und Jetzt: “Ich überschaue nur die nächste halbe Stunde, und nicht einmal die ist gewiss! Um den Rest kümmere ich mich nicht! Niemals!” Er vertritt das mit Vehemenz und landet dann bei einer feurigen Verteidigung eigener Entschlüsse, nieder mit den Umständen, alles immer selbstgemacht, mein Leben, meine Regeln, mir kann keiner, so in der Art, das kennt man aus der Geschichte der Philosophie, das füllt aber auch in jeder Buchhandlung einen halben Meter unter “Lebenshilfe/Ratgeber”. Der andere gibt immer wieder freundlich zu bedenken, dass es doch Zwänge gibt, familiärer Art, sozialer Art und so weiter, dass man doch vorsorgen muss, dass man sich hier und da ein wenig fügen muss, vieles bedenken muss. Sie finden sich beide ganz interessant, das merkt man. Ab und zu verebbt das Gespräch, aber beim nächsten Blickkontakt flammt es wieder auf, werden wieder Zeigefinger mahnend erhoben, immer noch einmal die Bruchstücke: “Keine Kompromisse!”, “Aber man muss doch …”, “Es gibt gar kein Müssen!”, “Es wäre doch aber vernünftiger …”

Kann man ja auch noch einmal drüber nachdenken, welche Regeln man selbst gemacht und welche übernommen hat, doch, das kann man tun, auch beim Einkaufen, warum denn nicht, wenn man schon in aller Deutlichkeit auf das Thema gestoßen wird. Wobei die Erfahrung zeigt, dass das Leben eh der Philosophie in die Quere kommt. Wenn ich z.B. überhaupt keine Kompromisse machen würde, ich würde doch nicht bei einem Discounter schafbrav fünfzehn Minuten in der Schlange stehen, nur um Billigjoghurt zu erwerben, wie der wilde Lebenskünstler da vor mir?

Aber was weiß ich schon.

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