Ein Mitmachzweig

Besondere Waffen.

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Framing in klimatisch schwierigen Zeiten.

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Für die GLS Bank habe ich etwas über Schweden geschrieben und gesammelt.

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An der Bushaltestelle bewirbt ein bundesweit erscheinendes Boulevardblatt vulgärster Ausprägung in Kooperation mit einer Juwelierkette ernsthaft den Verkauf von Volksdiamanten. Volksdiamanten! Für alle, die schon einen Volksempfänger und einen Volkswagen haben vermutlich, das Ding kostet 699 Euro, was man dann wohl als volksnahen Preis verstehen muss. Wie man aber sicherstellen will, dass diese Diamanten nur an das richtige Volk verkauft werden, das war dem Plakat nicht zu entnehmen. Na, egal – nächstes Jahr dann der Reichsrubin, da geht sicher noch was.

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Wir essen in einem vietnamesischen Restaurant. Dem aktuellen Gastrotrend folgend eröffnen hier alle paar Wochen neue vietnamesische Restaurants, wenn man die momentane Quote weiter hochrechnet, gibt es bald in jedem Haus des Viertels ein vietnamesisches Restaurant, wenn da nicht noch eine andere Mode hineingrätscht. Für Menschen mit Unsicherheiten im Smalltalk ist das natürlich gut, man kann jetzt einfach immer vietnamesische Restaurants vergleichen, da kann jeder mitmachen, da hat jeder eine Meinung, das ist wie mit dem Wetter, nur mal was anderes. Und wart ihr schon in dem? Und in dem? Wie ist da der Mittagstisch? Das funktioniert verlässlich und einwandfrei.

An der Glasfront des Restaurants jedenfalls hängt ein Tannenzweig, der wurde mit zwei Saugnäpfen eher unschön an die Scheibe gepappt. Es ist auch kein sehr attraktiver oder großer Zweig, es ist eher so einer, der bei irgendeinem Adventskranzbastelevent auf den Boden gefallen und später weggefegt worden ist, nicht einmal die Schnittstelle sieht anständig aus, ausgefranst und schief, vielleicht wurde er auch einfach irgendwo abgerissen. Der Zweig hängt etwa in der Mitte der Fenster und er ist da sehr alleine, auf ihm lastet der ganze Druck, dort Weihnachten darstellen zu müssen. Das ist ein Druck, dem er so vereinzelt nicht gewachsen ist, genau genommen erfüllt er jeden denkbaren dekorativen Anspruch für dieses Restaurant so eindeutig überhaupt nicht, es muss eigentlich eher um etwas Symbolisches gehen. Dieser eine Zweig, der wirklich verzweifelt deplatziert und verloren aussieht, er nimmt vermutlich etwas schüchtern Bezug auf all die anderen mehr oder weniger prächtig dekorierten Fenster der Straße, mit diesem einen Zweig sagen die Menschen, die das Restaurant führen: “Hier auch.” Oder vielleicht: “Wir auch.” Dann ist es ein sozusagen integrativer Tannenzweig, ein seltsam rührendes Dekoding, ein etwas unsicher wirkender Mitmachzweig.

Oder es ist ganz anders. Die Chefin des Ladens hat ihren Sohn gebeten, das Restaurant weihnachtlich zu dekorieren und der Sohn, lange schon genervt von den ewigen Anweisungen der Eltern, hat sich drüben beim Blumenladen schnell einen Zweig geholt und den höchst unwillig ans Fenster geknallt, da, zack, habt ihr eure Deko, fertig. Um dann erst einmal in wüster Wut vor der Tür eine zu rauchen. Der Zweig blieb da hängen, ein gezischtes “Darüber sprechen wir noch” hängt aber ebenfalls noch im Raum.

Oder es ist ganz anders. Ein Stammgast hat da beim Essen aus Spaß einen Zweig hingeklebt und fröhlich verkündet: “Guckense mal, jetzt hamse endlich auch Weihnachten hier. Hübsch, ne? Und bringense mir noch sone Mangoschorle?” Und dann hat das Personal den seltsamen Zweig lieber nicht mehr abgenommen und wartet damit jetzt, bis alle in der Straße die Weihnachtsdekoration komplett entfernen, denn sie wissen nicht recht, wie ernst es den Deutschen mit ihrer Deko ist, das Fest ist ja doch irgendwie wichtig, lieber mal abwarten.

Wie auch immer. Es ist nur ein einzelner, kleiner, etwas vermurkelter Zweig. Er muss einem sofort auffallen.

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Ansonsten möchte ich allen Verkäuferinnen und Verkäufern, die bei ihrer Arbeit zur Zeit lustige Wichtelmützen, alberne Rentiergeweihe und sonstiges Zubehör der eindeutig entwürdigenden Art tragen müssen, mein ausdrückliches Mitgefühl aussprechen.

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Musik! Weihnachten ohne zählt ja nicht.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Ein Kommentar

  1. „Framing“ und „Klimawandel“: „Von einem langsamen Prozess erwartet man jedoch zumeist keine besonders schmerzhaften Auswirkungen.“ Nein. Einfach nein. „Wandel“ erfordert Anpassung, unaufhaltsam. Die Auswirkungen sind gravierend, immer. Ob das weh tut, ist Geschmackssache. Aber wieso „Wandel“ quasi „“ Harmlosigkeit“ suggeriert, erschließt sich mir nicht

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