Und auch ein Feuer im Kamin

Wir sind auf dem Land. Am Sonntagmorgen gehen da die Hunde mit ihren Menschen um die Felder herum. Winterjacken, Schals, Mützen und Handschuhe, soweit sind wir schon. Eine arg verspätete Mohnblüte hält sich mühsam aufrecht am Ackerrand, leuchtendes Rot im eiskalten Morgendunst. Wir scheuchen im Vorbeigehen Fasanen auf, die ziehen im niedrigen Flug ab und landen kurz vorm Wald im fahlen Gelb des Ackersenfs. Über uns jagen sich drei Krähen im Spiel, weiter hinten kreist ein Eichelhäher am Eichenhain, wie passend ist das denn. Der Eichenhain, ein großes Landgasthaus, es steht schon seit mehreren Jahren leer und jetzt erst recht. Wer jetzt keinen Gasthof hat, pachtet sich keinen mehr. Elstern und Meisen, Rotkehlchen auch und Vögel, für die mein Wissen nicht reicht, über den abgeernteten Feldern überall das Geflatter.

Die Söhne ernten illegal eine Zuckerrübe und bestaunen das große Ding, was auf dem Land alles wächst! Das haben wir im Garten so nicht. Auf den abgeernteten Maisfeldern liegen noch Kolben in den Furchen, die nehmen sie auch mit. Eine Kinderregel durch alle Zeiten, mitnehmen, was man tragen kann.

Vor dem Haus der Großeltern die Essigbäume, kanadarot, und im Haus ein Feuer im Kamin, das ist gut zu wissen. Woran erinnert mich das gerade? „Er hat ein Bett und hat auch Feuer im Kamin. Es reitet hin und her auf seinen Knien die reizende Marie. Von wegen jener Glut sind beide unbedeckt, warum auch nicht? Der süße Wein, der Hetzhund jagt ihr Blut, zum letzten Schwung. Sie tun‘s bei Licht, denn in der Finsternis ist manches unbequem. Nur der, der lebt, lebt angenehm.“ Der Herr Villon ist das, in der Nachdichtung von Paul Zech. Ich zitiere aus dem Gedächtnis, es stimmt vielleicht nicht ganz. Aber es klingt alles richtig, deswegen sehe ich nicht nach, Korrekturen würden mir da gerade nicht reinpassen.

Ich gehe über die Feldwege und höre Beethovens Klaviersonaten. So etwas höre ich sonst nicht, aber mir ist gerade so und warum auch nicht. Aufnahmen von Igor Levit, der ist mir von Twitter her sympathisch. Künstlerisch versteht sich, kann ich das nicht ansatzweise beurteilen.

Wir graben einen jungen Holunder im Garten aus, der zieht von hier in die Stadt, wie die Herzdame damals.

Wir müssen gleich schon wieder zurück nach Hamburg, das war nur ein Kurzbesuch aus dringendem Anlass. Wir graben den Holunder im Schrebergarten ein und packen dann zuhause die Ranzen, morgen ist wieder Schule.

In Hamburg gibt es jetzt eine Sperrstunde, lese ich, über die kann ich aber nichts schreiben. So lange bin ich nie wach, dass ich die mitbekommen würde. Schlimm.

Wenn es nach mir ginge – ich könnte hier auch einfach vor dem Kamin sitzen bleiben. Lange.

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6 Kommentare

  1. Ihre Nachdichtung dürfte nicht weniger schön sein als das Original, welches ich auch leider nicht präsent habe. Aber wie schön, mal wieder erinnert zu werden an Villons Balladen.

  2. Ich bin auch froh, dass ich schon so alt bin, dass mich die Sperrstunde überhaupt nicht interessiert! Von mir aus könnte die auch auf 20 Uhr vorverlegt werden! Haha…
    Viele Grüße von
    Margit

  3. Der gute alte Rilke, ja auch der…kam mir neulich wieder in den Sinn. Und Villon, natürlich.
    Sperrstunde? Ist die für über 40, 50,60.. eine Vokabel, die man sich merken sollte? Keine Ahnung, ich gehe vor jeder dieser ins Bett. Was für ein Glück, dass es Bücherberge gibt, hinter denen so vieles verschwindet. LG Sunni

  4. Wir haben mal eine Zuckerrübe kleingeschnitten, gekocht und dann den Saft eingekocht, weil wir Zucker machen wollten. War nicht so richtig erfolgreich, aber doch lustig.

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