Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 17.3.2022

Über Idioten. Irgendwo auf Twitter stand auch das Wort „Testosterongehampel“, das schien mir passend. Das ist auch etwas, womit ich nicht gerechnet hätte, dass mir Testosterongehampel dermaßen prominent und wie ernst gemeint, wie eine ganz gewöhnliche Nachricht also, gleichberechtigt neben Meldungen über die Inflationsrate und Gesetzesvorhaben in den Tickern begegnet: „Musk fordert Putin zum Zweikampf“. Ich denke nicht, dass diese Zeile da per Naturgesetz ohne jede Einordnung in den Meldungen stand, ich halte es eher für ein deutliches Versagen, sie so zu bringen, das sind die Abgründe des Ticker-Journalismus oder überhaupt der Medien, an die ich immer öfter Anforderungen habe, die sie durchaus nicht mehr erfüllen.

Ich werde immer konservativer, haltungskonservativer, linkskonservativer, das ist das Alter und ich werde es wohl ausleben. Mit dem Krückstock fuchteln, wo es mir angebracht scheint.

Draußen sehe ich Vögel, bunte Gänse sind es. Sie sind so nah, ich kann sie sogar erkennen, es sind Nilgänse. Ich lese Nilgänse nach. Eine Nilgans hat damals, am Anfang von allem, das Weltenei gelegt, so lese ich, aus dem der Schöpfergott Amun als „Der große Gackerer“ hervorging. Das gefällt mir, denke ich, das ist ein schöner Begriff. Der große Gackerer. Ja, der hat alles gemacht. Eine dermaßen plausible Annahme ist das.

Ich lese Somerset Maugham: „Die halbe Wahrheit – keine Autobiografie“. Darin gleich am Anfang eine Passage über Politiker:

„An den bedeutenden Staatsmännern, die ich […] kennenlernte, vermochte ich keine herausragenden Fähigkeiten zu entdecken. Ich schloss daraus, vielleicht etwas voreilig, dass nicht besonders viel Intelligenz vonnöten sei, um eine Nation zu regieren. Seitdem habe ich in verschiedenen Ländern zahlreiche Politiker kennengelernt, die hohe Ämter bekleideten. Noch heute staune ich über ihre intellektuelle Mittelmäßigkeit. Ich fand, dass sie über die alltäglichsten Dinge des Lebens kaum Bescheid wussten und dass sie nur selten differenziert dachten oder eine lebendige Phantasie besaßen. Zeitweilig schien mir, dass sie ihr hohes Amt einzig ihrer Redegabe verdankten, denn es dürfte einigermaßen unmöglich sein, in einer demokratischen Gesellschaft an die Macht zu kommen, wenn man nicht imstande ist, das Ohr der Öffentlichkeit zu gewinnen.“

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Falls mir überhaupt jemals der Gedanke gekommen ist, dabei sein zu wollen, wenn Geschichte geschrieben wird: Ich revidiere diesen Wunsch.

Dieser Blogeintrag der stets lesenswerten Vanessa ist ein gutes Beispiel für eine naheliegende Entwicklung. Der Krieg kann nicht dauerhaft einziges Thema sein, das hätte auch keinen Sinn, aber er bricht doch überall und immer wieder durch. In so vielen Texten gerade ein Absatz, ein Halbsatz, eine Erwähnung. Die Blogs sind durchsetzt mit Krieg, alles ist durchsetzt mit Krieg. Natürlich auch mit Corona, aber eher nicht mit Klima, da haben wir übrigens wieder das Problem, das ganz große.

Hier auf Eiderstedt ist die Nachrichtenlage zunächst weit weg, es geht hier um andere Dinge. Es wehen keine blaugelben Flaggen in den Dörfern, es kleben keine Peace-Zeichen in den Schaufenstern, es gibt keine aktuellen Graffitis an den Stromkästen und Mauern. Es gibt auch keine Kneipen, in denen permanent Fernseher mit Nachrichten laufen, keine oder kaum Kioske, bei denen man im Vorbeigehen schon die Schlagzeilen sieht, die Ausrufezeichen, die Horrorbilder. Keine digital gesteuerten Leuchtreklamen mit wechselnden Bildern am Straßenrand, die zwischendurch auch Tickermeldungen anzeigen oder Spendenaufrufe einblenden.

Aber wenn man mit jemandem spricht, dann merkt man es doch. Nicht unbedingt direkt. Aber wie schon bei Corona, es ist diese erdrückende Unplanbarkeit, dieses allgegenwärtige „Man weiß ja nicht, was noch alles kommt“, dieses Abwinken, dieses Verstummen, wenn es um das Große und Ganze geht, dieses Nichtmehrvorausschauen, jetzt schon im dritten Jahr und mit neuen, deutlich erweiterten Problemen. Man sieht nicht mehr so gerne und schon gar nicht leichthin nach vorne, selbst bei der Planung der nächsten Urlaubswochen, bei der Buchung der nächsten Ferienwohnung kommt so ein eingeschobener Satz der Vorsicht, der Skepsis: „Na, wer weiß.“ Der Pessimismus, der Realismus, der Fatalismus, was auch immer.

Die Söhne sind im Stall, die Söhne sehen hier viel seltener aufs Handy, und wenn sie abends fernsehen, dann durchgehend alberne Comedyserien, die ich kaum aushalten kann. Das ist aber gut, denke ich, das ist bestimmt auch einmal gut für sie.

Ein Sohn kommt am Nachmittag aus dem Stall, er hat Stroh im Haar. Er hat Stroh überall, er hat Schafschiet an den Schuhen, ein durchdringender Geruch nach Scheune und Tier umgibt ihn, nach Pferd, Schaf und Mist. Das steht ihm alles sehr gut, finde ich, und sehe einigermaßen bemüht darüber hinweg, was er gerade alles auf dem Boden verteilt. „Was sind eigentlich thermobarische Waffen“, fragt er mich.

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Bei Nicole Diekmann geht es um den letzten Satz, aber man muss schon alles lesen, um es richtig würdigen zu können. Wer nicht auf Twitter ist, wird diesen Link vielleicht auslassen wollen.

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