Man macht Fehler

Ich habe einen ausgesprochen anfängerhaften Fehler gemacht, wirklich dumm und eigentlich unbegreiflich, ich habe nämlich, als ein Sohn am Wochenende zu einem Geburtstag irgendwo vor den Toren der Stadt zog und der andere in sein eigenes Zimmer verschwand, um dort irgendwas vor einem Bildschirm zu machen, was auch sonst, ich habe da also kurz gedacht, ich hätte gleich freie Zeit, sogar mehrere Stunden nacheinander. Und zwar dachte ich das auf dem Weg zu meiner kranken Mutter, für die ich rotkäppchenmäßig einkaufen war, und ich dachte dann noch mit einer Zufriedenheit, die mich sofort hätte misstrauisch machen sollen: „Gleich alle versorgt“, denn die Einkäufe für die eigene Familie hatte ich auch schon dabei und ich plante genüsslich, nach der großen Versorgungsaktion zur Bücherei zu gehen, alleine und entspannt, wobei das Wort sicherlich so etwas von falsch war, denn das darf man nicht sagen und nicht denken, nicht solange die Kinder noch im Haus sind, auch wenn es schon Teenies sind, sich da bloß nicht irreführen lassen, ganz wichtig, wo war ich.

Ich zog also den Hackenporsche in Richtung Mutter, Sie müssen sich das etwas droschkengaulmäig vorstellen, denn das Ding war tatsächlich randvoll und ich zog also wirklich, wobei man sich ja stets etwas vorbeugt, nicht wahr, man legt sich ins Zeug, und zwar immer nach vorne. Ich zog und dachte also Obiges, als prompt das Handy klingelte und ich ranging, wobei man wiederum, Sie kennen das, sich unwillkürlich eher nach hinten beugt, es war also eine bewegungstechnisch eher überkreuzte Situation, eine körperliche Darstellung der Konflikte der Sandwichgeneration, schon von daher also tendenziell unglücklich, aber auch sonst. Denn ich erfuhr, dass der eine Sohn vor den Toren der Stadt in einem Schwimmbad einen Unfall gehabt hatte, einen leichten nur, wie schon feststand, aber eben doch einen, und dass er auf dem Weg ins Krankenhaus am wiederum anderen Ende der Stadt war, wo ich dann also auch gefragt war.

Du sollst Dich nicht entspannen, das dreizehnte Gebot, vielleicht aber auch das erste in der Religion aller Eltern, ich weiß es nicht.

Nebenbei gelernt, weil man ja immer etwas lernt: Diese großen Schwimmbrillen, die junge Menschen heute so gerne benutzen, die haben echtes Glas drin. Hätte ich nicht gedacht, wirklich nicht. Und wenn man mit so einem Ding in der Hand nach dem Duschen ausrutscht und dabei auf es fällt, rammt man sich eventuell zahllose Splitter, auch größere, ins eigene Fleisch, von wo sie dann von Fachleuten mit chirurgischer Ausbildung wieder entfernt werden müssen, die dabei wiederholt murmeln: „Nochmal Glück gehabt, ne.“

Aber es war schon ein okayer Unfall, also im Unfallvergleich jedenfalls, die meisten anderen Vorkommnisse, auf die man spontan so kommen kann, sind wesentlich schlimmer, was man auch daran sieht, dass der Sohn nach vollbrachter Behandlung sofort weiter feiern ging, darin sicherlich ganz Teenager, comme il faut.

Den Rest des Wochenendes verbrachte ich dann allerdings eher unentspannt. Sicherheitshalber.

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4 Kommentare

  1. Oh, alles Gute dem Vater und dem Sohne. Es handelte sich also um einen klassischen Inititationsprozess, so eine Art Nick-Adams-Geschichte von Hemingway. Jetzt ist er erwachsen und darf nicht nur Taucher-, sondern auch Kriegermaske tragen. Oder besser: den Hackenporsche ziehen, auch eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit.

  2. Ooohhh. Armer Sohn! Armer Herr Buddenbohm!
    Das liest sich grausig.
    Die Sterne scheinen ungünstig zu stehen. Frau Buddenbohm on top krank. Und ich werfe einen Fahrradsturz (wie bei Sohn I ein okayer Sturz) mit in den Ring.
    Was mich aber beschäftigt, ist der Rotkäppchen-Erzählstrang. Der ist ganz verloren gegangen. In meiner Vorstellung war Ihre Mutter fiebernd und dürstend in Sorge um Sie. Wie ging es weiter nach dem Anruf? Haben Sie den Hackenporsche (ich mag das Bild von Ihnen droschkengaulmäßig mit ebenjenem) vor lauter Schreck fallen gelassen und sind losgelaufen, um nach dem Sohn zu sehen, während Äpfel und Orangen, die obenauf lagen aus dem Porsche kullerten. Oder sind Sie eilenden Schrittes mit Porsche zur Krankenversorgung? Oder laufend mit Porsche, wobei auch die Äpfel und Orangen heraussprangen, erst zum Sohn und am späten Abend zur Mutter, die schon wohlwissend nach dem Wolf Ausschau gehalten hatte?

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