Die Träume anderer Leute

Ich höre mit großem Interesse das Buch von Judith Holofernes: „Die Träume anderer Leute“, gelesen von Nora Tschirner, deren Stimme, das ist eine faszinierende Sinnestäuschung, mit jedem Kapitel mehr zu der von Judith wird (ähnlich habe ich es erlebt bei den Tagebüchern von Manfred Krug, die von seinem Sohn Daniel gelesen werden, den man nach kurzer Zeit dringend für den Vater selbst halten möchte). Es geht in den ersten Kapiteln u.a. auch um die Mühen der Vereinbarkeit von Kreativität, Arbeit und Elternschaft, und obwohl ich vom Popstar nun so dermaßen weit entfernt bin, wie es überhaupt nur denkbar ist, obwohl ich ein Mann bin und nur so am Rande meines Berufslebens auch etwas mit Kreativität mache, erkenne ich doch einiges wieder. Man ist mit seinen Erfahrungen, auch mit den kleinteiligen, immer noch weniger allein, als man ohnehin schon denkt, es zeigt sich oft.

Besonderen Dank an die Autorin auch für die Formulierung „imperative Müdigkeit“, ich hätte sie schon vor einigen Jahren gebraucht, wie auch für ihre Feststellung, dass ihr Leben zu einem gewissen Zeitpunkt „mit Arbeit zugemüllt war“ – ja, das trifft es, weiß Gott, und es ist hervorragend ausgedrückt. Eine sehr reflektiert wirkende Erzählung des Werdegangs, ich habe das gerne gehört und empfehle es. Das Buch ist sinnvoll und erfreulich für alle, die kreativ arbeiten, die über das richtige Leben im falschen nachdenken, die Fans von Judith Holofernes oder Faktensammler der deutschen Popgeschichte sind oder sich für Crowdfunding interessieren. Und diejenigen, die gerne Autobiografisches und Werdegänge lesen, wenn sie gut erzählt sind, die sind dabei auch richtig.

Die Hörbucherfahrung kann man sich in diesem besonderen Fall übrigens beliebig unterbrechen, auflockern und verlängern, weil selbstverständlich dauernd Musik erwähnt wird, man kann also nebenbei immr wieder auf Youtube, bei Streamingdiensten oder sonst wo nachsehen, wen oder was sie gerade meinte, man kann sich erinnern und neu entdecken, hängenbleiben oder gleich wieder verwerfen, jedenfalls aber noch einmal frisch feststellen, wie bunt es zugeht, wie wenig man mitbekommt und was man alles noch nie gesehen oder gehört hat.

Es gibt sogar Lieder von ihr selbst, die ich nicht kannte, und das hätte ich nicht gedacht, denn ich schätze sie sehr und schon lange.

Beifang in diesem Zusammenhang, beim Herumklicken aufgefischt:

Im Tagesbild eine Liebeserklärung im öffentlichen Raum, gesehen auf dem Weg zum Einkauf. Passend zum Hopplahoppfrühling, der hier mit seltsamer Intensität und immerhin 17 Grad am Montag ausgebrochen ist, wird die Botschaft etwas direkt und salopp formuliert, aber wir wollen die Absicht gelten lassen.

Ein gesprühter Schriftzug an einer Wand: "Beste Schlampe vong Erde"

Kurz nach dem Schreiben dieses Textes war der Frühling dann allerdings schon wieder weg, kurzlebig wie ein Blogtext.

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3 Kommentare

  1. … Nora Tschirner, deren Stimme, das ist eine faszinierende Sinnestäuschung, mit jedem Kapitel mehr zu der von Judith wird… DAS! Ich empfand das genauso und habe das Buch sehr interessiert gehört.

  2. Super! Danke für den Tipp zu Judith Holofernes zur rechten Zeit, damit konnte ich schnell noch meinen Hörbuch-Gutschein umwandeln, bevor er der Kündigung zum Opfer fällt!

    btw: ich verliere ja zunehmend die deutsche Sprache, aber die, die Ihre Rechenaufgaben stellen, können es auch nicht besser (ich habe aber, zugegeben, lange überlegt, ob ich mich vielleicht täusche)
    ? x 2 = sechszehn

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