Gewidder

Sonntag, der 15. Oktober, haben wir diesen Monat auch schon wieder halb geschafft, wie isses nun bloß möglich.

Am Morgen gelesen: Ein Update zur Lage der Hilfen am Hamburger Hauptbahnhof: Es ist kompliziert.

Und dann, noch viel komplizierter, dieses Interview bei der Republik zur Lage in Israel und Gaza, das vermutlich nach ein paar Tagen nun schon veraltet ist. Dennoch lesenswert.

Den Erskine Childers endlich durchgelesen, Rätsel der Sandbank. Ich habe den seglerischen Teil vermutlich vollumfänglich nicht verstanden, aber das machte nichts, ich mochte immerhin das Fachvokabular, das Gefühl kennt man vielleicht auch von der Lektüre der Werke von Joseph Conrad. Jetzt wieder weiter in den Briefen von Bukowski, der gerade seine Bio und ein Bild von sich an einen Verlag schicken soll und sich und den Briefempfänger fragt, was Bio und Bild denn bitte mit seinem Werk zu tun haben sollen. Ja, so kann man das auch sehen. Ein belesener Mann mit einer Vorliebe für Bier und Bach war er, der Bukowski. Belesener jedenfalls als man womöglich denkt, wenn man zunächst nur den vulgären Part der Gedichte im Sinn hat. Als ich ihn damals gelesen habe, mit siebzehn vielleicht, da war es sozusagen noch ein Akt des Widerstandes, solch verkommenes Zeug zu konsumieren. Wenn man sich heute die allgemeine und rapide fortschreitende Verspießerung der Welt so ansieht, dann wird es das auch bald wieder sein. Kulturgeschichtliche Loops, bei denen mich nur überrascht, dass sie innerhalb meiner Lebensspanne passieren. Ich hatte schon verstanden, dass es diese Loops nahezu unweigerlich gibt, aber dass sie so schnell durchlaufen werden, binnen so weniger Jahrzehnte, damit hatte ich wahrhaftig bis vor kurzer Zeit nicht gerechnet.

Auch etwas Lyrik gelesen, die Herzdame hat mir sämtliche Bücher mit Gedichten aus dem Garten mitgebracht, es ist ein Segen. Und ich sehe gerade, es gibt die Tonspur von Peter Rühmkorf zu „Bleib erschütterbar und widersteh“ auf dieser Seite, vom Dichter selbst eingelesen, das vielleicht einmal kurz anhören. Es könnte gerade als passend empfunden werden.

Neulich bin ich in Övelgönne an dem Haus vorbeigegangen, in dem er gewohnt hat, der Rühmkorf, oben das Mansardenzimmer, da hat er am Schreibtisch gesessen und getrunken, gekifft und gedichtet. Aber er hätte sich wohl nicht träumen lassen, welche Unzahl von Touristinnen da jetzt täglich vorbeiströmt, der Weg an der Elbe entlang ist voll wie der Hauptgang einer Einkaufspassage zwei Wochen vor Weihnachten, man rempelt sich da so durch, und dann noch die irren Radfahrer, die dort gar nicht fahren dürfen, die ausschließlich männliche Form passt in diesem Fall schon. Eine Gedenktafel steht vor dem Haus, die nimmt allerdings kaum jemand zur Kenntnis, man guckt doch eher zu den Schiffen auf dem Fluss, guck mal, guck mal, Container.

Dann noch Down by law von Jim Jarmusch bis zum Ende gesehen, ich finde die Leistungen der Schauspielerinnen und Schauspieler und die des Kameramanns nach wie vor ganz und gar hinreißend. Das märchenhafte Ende hätte ich nicht mehr gewusst, es ist nebenbei auch interessant, was das Hirn einem alles an Erinnerungen streicht. Am Ende hat man mehr Gutes erlebt, gehört, gesehen und gelesen, als es einem klar ist, stellen Sie sich das bitte mal kurz vor.

Und auf arte diese Doku über Italo Calvino gesehen, die, so nehme ich an, vermutlich nur für die interessant ist, die seine Bücher gelesen und gemocht haben – dann aber schon. „Wenn ein Reisender in einer Winternacht“ halte ich immer noch für ein sehr gutes und auch empfehlenswertes Buch über das Lesen und Schreiben, ich könnte glatt noch einmal hineinsehen. Es ist mir auch als gutes Winterbuch in der Erinnerung geblieben, es fiel Schnee auf den Seiten.

Außerdem die Deutschstunde von Siegfried Lenz weiter gehört. Der Sprecher, Reiner Unglaub, spricht die norddeutschen Figuren sehr breit, also so breit, wie man eben reden kann, wenn man nicht plattdeutsch spricht, und ich muss aufpassen, dass ich nicht auch in diesen Slang verfalle, es ist doch sehr anziehend und auch heimatlich für mich. Gewidder statt Gewitter, fast schon Gewiddä. Allerdings beim Hören dadurch auch immer wieder vollkommen unpassende Assoziationen an Meister Röhrich aus den Werner-Filmen, der doch literarisch eindeutig in eine etwas andere Kategorie fällt.

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Im Bild heute die Alster an den Arkaden vor dem Rathaus, mit einem dekorativen Schwan, bei dem ich allerdings ganze sechzehn Minuten warten musste, bis er passend stand. Ich habe genervt auf die Uhr gesehen, bis er Kopf und Hals endlich einmal dekorativ und erwartungsgerecht gehalten hat, der wollte nämlich lieber sein Untergefieder dauerhaft mit unschön verrenktem Hals durchschnubbeln.

Na, was tut man nicht alles für ein Bild.

Die Alsterarkaden vor grauem Himmel, ein Schwan im Vordergrund auf einem schmalen Steg an der Rathausschleuse

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