Sieh mal, das war an diesem Tag

Ich schwächele weiter, die Herzdame geht sogar ohne mich zum bei uns traditionellen Erdmöbel-Konzert, es fällt alles etwas seltsam aus in diesem Jahr. Klingelingeling, ding ding dong, Jesus weint schon – eine der schönsten deutschsprachigen Weihnachtsliedzeilen der letzten Jahrzehnte.

Die krankheitsbedingt ohnehin angeschlagene Stimmung trübt sich davon abgesehen allerdings deutlich weiter ein, weil hier am Freitagabend noch Hardware zu Bruch geht. Ausgerechnet das teuerste Stück, das wir überhaupt im Haushalt haben. Alles mühsam veratmen, was soll man auch machen. Es kostet uns Geld und Nachtschlaf und Freizeit, das Problem vor oder wenigstens über Weihnachten zu lösen, und ich würde nach dieser Erfahrung generell davon abraten, wichtige Hardware kurz vor großen Festen zu zerschmeißen. Hören Sie auf ein grauhaariges Elternpaar, das sich jetzt auskennt.

Mit der Frage ins Bett gegangen, wie unendlich genervt man von allem sein kann, keine Antwort gefunden. Vermutlich liegt sie in Dimensionen, in die nie zuvor ein Mensch …

Aber doch immer wieder der seltsame Eindruck dabei, dass es nicht nur uns oder mir so geht, dass es vielmehr ein sozial vorherrschendes Gefühl ist. Ich sehe es in den Nachrichten, ich lese es in den Timelines, es ist ein lähmender Loop. Ein unendlich genervtes Land, eine wahnsinnig ermüdete Gesellschaft, wir stehen da alle in einer unheilvollen Wechselbeziehung und finden nicht mehr heraus. Und, versteht sich, wir haben auch Grund genug. Pardon, das ist wiederum wenig weihnachtlich gedacht, ich weiß.

Die Verlegerin Frau Frohmann fragte neulich auf Bluesky nach Tipps, wie man besser durch belastete Zeiten komme.

In den zahlreichen Antworten las man auffällig viel Offline-Zeug, viele reale, handfeste Sachen wurden da genannt, Spaziergänge, Gespräche, Naturerfahrungen aller Art, Singen, Stricken, Bücher, Doppelkopf, Kochen, Backen, Schnitzen, Schmieden (!), Yoga, Badewanne. Ich habe dann noch das gute, alte Bloggen ergänzt, aber das wird nicht allgemeingültig sein. Wobei ich tatsächlich immer einen entschieden kunsthandwerklichen Aspekt beim Bloggen wahrnehme.

Ich meine, man hat da so einen Tag, 24 lange Stunden, die, machen wir uns nichts vor, zu einem erheblichen Teil aus vollkommen unsagbaren Inhalten bestehen, die aus verschiedenen Gründen keineswegs in die Öffentlichkeit gehören, die zu einem anderen und manchmal nicht eben kleinen Teil aus erzlangweiligen, steingrauen Wiederholungen bestehen, für die man schon weit fortgeschritten im Zen-Geist sein müsste, um sie wirklich genießen zu können. Und dann nimmt man als Autorin oder Autor irgendeinen winzigen Aspekt aus dieser fast durchgehend eher kaum verwertbaren Menge der 24 Stunden, einen Minutengedanken vielleicht nur, eine Situationssekunde, und man bearbeitet das dann schreibend und grübelnd, bis man auf einmal denkt: „Ach guck, ein Text“ – und hängt das dann an seine Chronik und zeigt darauf und sagt zu aller Welt: „Sieh mal, das war diesem Tag.“ Und wenn man ganz viel Glück und auch etwas Geschick hat, wie es im Kunstgewerbe so ist, steht am Ende jemand davor und sagt: „Hey, voll schön.“

Am Alltagseisen herumschmieden oder schnitzen, bis irgendwas daran halbwegs dekorativ aussieht, einen Schnörkel hat oder wenigstens eine Form. Also ich zumindest mache das so.

Und es ist dann stets beides richtig, die kaum vorzeigbaren Stunden, die eher trübe Stimmung vielleicht und auch der deutlich farbigere, gestaltete, vielleicht sogar gut gelaunte Text. Sie liegen nebeneinander, sie sind sogar ineinander verwoben und dass das so ist, das eben ist der tröstliche Teil und die seelische Erste-Hilfe-Maßnahme – wenn man nur aus der korrekten Richtung auf das Ganze sieht.

In diesem Sinne, ich wünsche Ihnen in einer verblüffend allgemein empfundenen Clusterfuck-Lage vor allem die jederzeit richtige Betrachtungsweise. Ich denke, es kommt immer mehr darauf an.

Die besten Wünsche zum Fest, haben Sie es bitte schön.

Ein aufziehbarer Plastikweihnachtsengel auf einem Tisch, im Hintergrund, unscharf, ein Adventsgesteck

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12 Kommentare

  1. Nun wollte ich mich endlich erkenntlich zeigen dafür, dass Ihr Blog mir oft einen sicheren Hafen im Internet bietet. Impulsiv kaufte ich vor drei Tagen ein bestimmtes Taschenbuch bei einem großen Onlineversanddienstleister – etwas unbedarft in der Wahl des Timings (vor Weihnachten) und des Zustellorts (Firmenadresse, Sachsenstraße): Die Sendung wurde am Freitag nach eins bei der Haustür oder der auf der Veranda abgelegt. Nun vermute ich dass das Päckchen entweder a) fortgeweht oder b) durchgeweicht ist. Ich hoffe auf ein günstigeres c)… und wünsche Frohe Weihnachten.

  2. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein schönes Weihnachtsfest und weiter gute Besserung und übrigens:

    Voll schön.

  3. Hey, voll schön. Wie immer!
    Danke für Ihren Blog, Herr Buddenbohm, er bereichert meine Tage schon so lang. Ihnen, der Herzdame und den Söhnen wünsch ich gesunde Feiertage ohne weitere Missgeschicke. Alles Liebe aus Frankfurt!

  4. Da guckt man nach Moooonaten mal wieder bei Herrn Buddenbohm vorbei. Und zuverlässig stößt man immer – immer – auf einen voll schönen Text. Krass das.
    Trotz Umständen frohes Fest Ihnen und Ihrer Familie.

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