Hafencity

Ich war auf einer Party in der Hafencity und habe den Ausblick dort gemocht, das ist auch eine Erwähnung wert. Denn während ich sonst erhebliche Schwierigkeiten mit diesem immer noch unangenehm neu und mir zu steril wirkenden Stadtteil habe, während ich mit der arg unterkühlten, zu eng hingestellten und mir allzu geradlinig vorkommenden Bebauung dort eher in nörgelrentnerischer Manier nicht einverstanden bin, gab es an diesem Abend einen Ausblick vom Partyraum aus, einen Ausblick über ein Fleet hinweg und auf etliche Kräne an aufstrebenden Hochhäusern, auf gerade erst fertiggestellte Neubauten und auch auf die im Moment berühmteste Ruine der Stadt, auf den unfertigen Elbtower also, mit seiner etwas seltsam anmutenden Schrägung im offenen Betongerippe, so seltsam ermüdet weggeknickt wirkend … also es hatte als urbanes Ensemble doch etwas.

Dazu gab es im Panorama einen schmalen Streifen Park, eine stadtplanerische Alibibepflanzung, der man ebenfalls noch ansah, wie neu diese künstliche Oase angelegt war. Saisonal standen die jungen Bäume und das selbstverständlich ordentliche Gras dort in satter Frühlingsfarbe … also es war gar nicht schlecht gemacht.

Die Sonne ging gerade unter und über den Hochhäusern zogen schnell dunkle Regenwolkengebirge aus Südelbien heran. Das Architekturensemble leuchtete im letzten Licht vor dem schwarz werdenden Hintergrund dramatisch auf. Das Wasser im Fleet davor schimmerte für einen Moment so metallisch, dass das üppige Moos an den alten, morschen Duckdalben wie neongrün leuchtend wirkte. Nichts anderes war alt im Bild, nur diese Dalben standen in und für die Vergangenheit. Es sah alles verdammt gut aus in dieser Beleuchtung, in dieser einen Stunde.

Und am Wasser entlang ging natürlich in genau diesem Moment ein Liebespaar, Arm in Arm, wippender Sommerkleidsaum und alles. Ich sah die beiden von hinten, von mir weg und langsam in die weitere Perspektive gehend. Wie konnte es anders sein, wirklich routinierte Regiearbeit der Realität das alles wieder … also wirklich.

Es sah insgesamt etwas zu perfekt aus. Wie im Präsentationsfilmchen eines Stadtentwicklungsbüros, der in einem Konferenzraum auf einer lokalpolitischen Veranstaltung der Presse vorgeführt wird, nur war es deutlich kunstvoller gemacht, cineastischer. Es sah auch nach Bombast und Metropole aus, dieser animierte Bildausschnitt vor mir. Alles hatte einen gewissen Charme, der auf eine noch viel größere Stadt verwies. Eher weit über das Hamburg der Gegenwart hinausreichend, es war der Blick auf ein Modell. Es war mehr ein Blick auf eine Möglichkeit, nicht auf die Wirklichkeit.

Und für einen Moment, immerhin, für einen Moment war ich doch einmal einverstanden mit der Gegend dort. Man hat so gnädige Augenblicke.

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3 Kommentare

  1. Alles Alte war mal neu! Die „Patina“, in diesem Fall auch das wachsende Grün, kommt mit der Zeit. Diese Geduld ist nötig.
    So ist von Anfang an mein Blick auf die Hafencity und deshalb interessiert mich die Entwicklung dort und ich besuche sie in gewissen Abständen. Ich war gleich begeistert von der Idee des damaligen Hamburger Bürgermeisters Voscherau, diesen Teil der Stadt nach dem Vorbild Londons für Wohnbebauung zu erschließen, spiele selbst immer mal wieder mit dem Gedanken, dort in einer Seniorenwohnung meinen Lebensabend zu verbringen. Aufgewachsen bin ich in den Nachkriegsjahren am Fuße des Michels, das Leben in Elbnähe zwischen Fleeten und Kanälen übt immer noch großen Reiz auf mich aus.

  2. (Zitat) „“…wirklich routinierte Regiearbeit der Realität das alles wieder … also wirklich…““ (Zitat-Ende)

    Lieber Herr Buddenbohm – Ich empfehle Ihnen ein *Sabbatical* (von Ihrem ‚BrotJob‘) ….

    ….. um mal mit einer guten/bekannten Filmproduktionsfirma – als Leiter der *Vorproduktion* (eines Films) tätig zu sein – als *Field Producer* – der den ‚Breakdown des Script‘ überprüft; der für die ‚Aussendrehs‘ – die Locations bestimmt… / der als ein so genannter *Second Unit Regisseur* für die s.g. „Zwischenbilder“ zuständig ist…

    In (bisher) zahlreichen Posts – haben Sie ‚bewiesen‘ – dass Sie dafür geniale Einfälle – und über mehr als ausreichend Talent verfügen…

    Darüber mal nachdenken.

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