Alice im Migräneland

Gehört: Eine Folge Radiowissen über Stresemann – das Genie des außenpolitischen Ausgleichs.

Ein Steg am Strand von Wackerballig, im Hintergrund der Mastenwald eines ´Segelclubs

Ansonsten habe ich weiter das bereits erwähnte Buch von Herta Müller gehört, Niederungen. Nicht eben einfach auszuhalten, diese Erzählungen, ob all der so gekonnt und auch schön geschilderten Schrecklichkeiten. Aber vermutlich ist es ein Buch über das Landleben, das in dieser Ausprägung sonst ausdrücklich fehlen würde. Etwas leidend gehört also, etwas gequält, aber doch gerne. Literatur und die Liebe zu ihr – manchmal auch eine merkwürdige Angelegenheit.

Ich habe mich außerdem endlich einmal um das Hören von Büchern bei den öffentlichen Büchereien gekümmert. Also die entsprechende App heruntergeladen (Libby), mich dort registriert etc. Zur Usability hätte ich diverse erstaunte Anmerkungen der wenig amüsierten Art, aber egal. In der App habe ich auf den ersten Blick auch weniger gefunden, als ich vorher angenommen hatte, am Ende liegt es an der Usability. Oder an mir. Öffentliche Bibliotheken muss man jedenfalls unterstützen und nutzen, wo es nur geht, da sollen Anfangsschwierigkeiten nicht hochgedreht werden. Im Gegensatz zum Streamingdienst merkt sich die App zuverlässig, wo man zuletzt aufgeört hat, ein lebenserleichternder Umstand.

Ein kleines, blaues Boot liegt kieloben am Strand von Wackerballig, dahinter aufgewühlte See, ein Sturmtag

Ein Hörbuch habe ich prompt auch auf dieser Plattform angefangen, und zwar Kempowskis letzten Roman: „Alles umsonst“ Interessanterweise gelesen von ihm selbst. Ich kenne Kempowskis Bücher nahezu komplett, dieses Werk, sein letztes, fehlt mir noch, er liest es mir jetzt elf Stunden lang vor. Und es passt wieder hinter den gerade gehörten Victor Klemperer, ich bleibe also im Kontext, bzw. eher: Ich entkomme dem im Moment nicht.

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Gesehen: Endlich wieder eine Doku auf arte, und zwar über Fleetwood Mac (verfügbar bis 13.10.). Die Band war so lange so erfolgreich, dass ich mich wundere, was ich alles von ihr kenne, und ich merke vor, auch die mir eher unbekannten Solowerke von Peter Green, Stevie Nicks und Christine McVie einmal anzuspielen. Begleitmusik für die Herbstspaziergänge.

Eine Hagebutte am Strauch, ein Fluginsekt krabbbelt darauf

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Ich habe vor zwei Tagen hier im Text gerade nebenbei Alice im Wunderland erwähnt, und weil ich bekanntlich eine seltsam innige Liaison mit dem Zufall habe, begegnete mir Alice am Abend des Blogeintrags schon wieder. Sie tritt nämlich in Siri Hustvedts „Leben, Denken, Schauen“ auf, das gerade auf dem Nachttisch liegt.

Das Buch "Leben, Denken, Schauen" von Siri Hustvedt

In einem der Essays dort geht es um Migräne. Grüße gehen an dieser Stelle raus an den weiten Freundeskreis dieser interessanten Krankheit, dem ebenfalls anzugehören ich die überaus zweifelhafte Ehre habe. Wobei ich mit etwa einem, höchstens zwei, drei Anfällen pro Jahr zu den Glücklicheren der Betroffenen zähle. Ich hätte vom Erbteil meines Vaters her reelle Chancen auf deutlich Schlimmeres gehabt, auch lange Angst davor gehabt, denn in meiner Jugend hatte ich wesentlich mehr Vorkommnisse der unangenehmen Art. Es hörte dann in meinen Zwanzigern auf, warum auch immer. Nicht hinterfragen, nur genießen.

Aber egal, es ging um Alice, genauer um ihr erstaunliches Größerwerden, Kleinerwerden, das ich in meinem Eintrag erwähnt hatte. Das wird im Essay in Verbindung gebracht mit der heftigen Migräne, an der Lewis Carroll litt. Migräne kann die seltsamsten körperlichen Empfindungen und Täuschungen auslösen, darunter auch überzeugend eingebildete Größenveränderungen von Körperteilen oder auch des ganzen Menschen.

Eine banale und nüchterne, wenn auch vielleicht treffende Erklärung für ein so schönes Stück Literatur. Ich finde das leider vorstellbar.

Die Autorin lässt dann im weiteren Verlauf nur kurz und eher scherzhaft anklingen, welche literarischen Werke vielleicht noch alle medizinisch erklärt oder zumindest unterfüttert werden könnten. Sie macht das, ohne die weiten Felder der Neurodivergenz zu erwähnen, wobei ich allerdings meine, dass der Deutungsspaß da erst richtig beginnt. Ich würde einen großen Teil meiner Lektüreerfahrungen wirklich gerne mit meinem Wissen von heute zu diesem Thema wiederholen. Allein die mir verbleibenden Lebensjahre werden dafür kaum ausreichen können, eine Frage der Statistik.

Ein Regenbogen vor grauem Himmel über der Ostsee vor Steinberghaff

Wie auch immer. Alice im Migräneland, das können Sie künftig gerne mitdenken, wenn es um ihre Abenteuer geht. Oder Sie können, wenn Sie bedauerlicherweise ab und zu ebenfalls Migräne haben, dabei verstärkt auf das weiße Kaninchen achten. Das wird sicher auch gehen und vielleicht sogar interessant sein, wenn nicht heilsam.

Ich hatte mir ansonsten deutlich mehr versprochen von diesem Buch, die Essays ließen mich bisher fast durchweg mit einem etwas ratlosen „Na und?“ zurück. Am Ende liegt es aber wieder nur an mir, an meiner geistigen Schlichtheit oder an meiner Phase, ich will damit also nichts Definitives über das Buch gesagt haben.

Ich sage lieber nur, dass es sich passagenlang erstaunlich blogartig liest. Was ich selbstverständlich als Kompliment meine, denn Sie können sich vermutlich vorstellen, ich mag einen blogartigen Stil.

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Im Text verteilt heute letzte Bilder aus Angeln, haben wir das auch erledigt. In den nächsten Tagen dann wieder Hamburg ansehen, wir haben hier immerhin auch Wasser, Ufer und etwas Herbst.

Wilde Kamille vor Findlingen am Strand von Steinberghaff

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5 Kommentare

  1. Einige Bekannte von mir erzählen, dass sie durch Schwangerschaft und Geburt von der Neigung zu mitunter sehr heftiger Migräne nachhaltig befreit wurden.

    Vielleicht trifft das auch bei Ihnen zu? 😉

  2. @Hamburger: „Versuch macht kluch“ sagt man doch im Norden. Wird Herr Buddenbohm sich die doppelte Chance 1. auf Heilung und 2. in die Geschichte einzugehen entgehen lassen?
    Im Ernst: ich (weiblichen Geschlechts) habe – zwar nicht aus diesem Grund – drei Söhne produziert, die Migräne ist geblieben. Aber die Wechseljahre haben sie geschafft.

  3. Zumindest die Berliner Bibliotheken haben auch in der onleihe-App sehr viele Hörbücher. Und auch wenn viele schimpfen: ich finde die onleihe in Sachen Usabilty in sehr vielen Punkten deutlich besser als libby. Hörbücher allerdings höre ich nur höchst selten und habe ich bisher nur bei der onleihe gehört, dazu direkt also keine Vergleichswerte.
    Wenn also das Hörbuchangebot bei libby nicht überzeugt, vielleicht mal bei onleihe nachsehen – zumindest bei den eBooks gibt es die meisten entweder beim einen, oder beim anderen, nur selten bei beiden. Ich vermute, das ist bei den Hörbüchern ähnlich.

  4. Meine Töchter nennen uns „Menschen mit Migränehintergrund“, und ich hätte ihnen wirklich sehr gerne etwas Netteres vererbt.

  5. Ich nutze Libby (auch erst seit Kurzem installiert) zum Lesen statt hören. Englisch-sprachige Bücher hat die Bücherhalle dort in einer sehr aktuellen Auswahl (Booktok!), auf der Onleihe ja eigentlich nur deutsch (aber das Angebot wächst rasant dort, scheint mir! Jetzt habe ich mit Handy nicht nur immer die HVV-Fahrkarte zur Hand, sondern auch Bücher. Ich finde es fantastisch!

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