Ein Tipp für Instagram in Verbindung mit Hamburg: Ulrike Schimming besucht nach und nach alle (über hundert) Hamburger Stadtteile und dokumentiert ihre Touren jeweils mit kurzem Text und einigen Fotos. Hier etwa beispielhaft und zuletzt besucht Altengamme. Kann man was lernen, kann man was gucken, kann man sich Ausflugsziele vornehmen. In etwa 20 der Stadtteile war ich noch nie. Ich stelle es gerade beim Sichten der Liste fest, darunter auch der Klassiker fürs Nichtdagewesensein, die Insel Neuwerk. Die ist allerdings auch mehr als einen Nachmittagsspaziergang entfernt.
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Weiter mit dem Bericht aus Angeln. Es gibt erwartbare Standarddialoge bei Paaren, die gemeinsam durch die Jahre heranreifen. Etwa die morgendlichen Gespräche über Nächte in Hotels oder Ferienwohnungen, wenn man sich zu früher Stunde stöhnend darüber austauscht, wie man in den ungewohnten Betten geschlafen hat. Das knurrende Abwinken, die hochgezogenen Brauen, der Griff zu den Lendenwirbeln oder wo immer es morgens schmerzt.
Und dann erwähnt der eine oder die andere, dass der Schlaf schlecht war. Weil die Matratze zu weich oder zu hart, zu durchgelegen oder sonst etwas war, weil das Bett gequietscht hat oder das geöffnete Fenster zu nah dran am Bett oder aber zu weit weg davon war. Oder weil es ein nicht zu erkennendes Geräusch in der Nacht gab oder eine Eule im Wald rief und der Stier auf der nahen Weide herumbrüllte. Weil dann auch noch der verdammte Hahn morgens um fünf krähte und ein Lieferwagen kam, was einem alles einfallen kann. Jedenfalls aber: Nein, leider nicht so gut geschlafen.
Die schlichte Wahrheit ist allerdings, dass man sich die Aufzählung der Argumente und Umstände auch sparen könnte. Die Wahrheit ist, dass man schlecht schläft, weil das Bett ein anderes Bett ist. Man schläft schlecht, weil man die Zeiten längst hinter sich gelassen hat, in denen man bei Eintritt von Müdigkeit überall selig schlafen konnte, Hauptsache man war irgendwie horizontal ausgerichtet. Das können die Söhne, das können wir nicht mehr.
Die Rückkehr nach Hause wird einem nach jedem Urlaub immer mehr schon durch die bloße Aussicht auf das eigene Bett versüßt. Ein vorausgreifendes Wohlgefühl spürt man beim Gedanken an die richtigen Kissen und die einzig zum abendlichen Lesen passende Nachttischbeleuchtung, mit der man nicht kämpfen muss. Was man wieder als eindeutigen Vorteil sehen kann, denn Zufriedenheit im Alltag wird bei manchen Aspekten mit jedem Jahr leichter erreichbar. Es ist nicht alles schlecht am Altern, ein paar Stücke vom Glück liegen deutlich näher um einen herum als in der Jugend.
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Ich bin ansonsten aber in den Cafés in Angeln, beim Hotelfrühstück und auch am Strand über weite Strecken das, was ich sonst nur noch ziemlich selten bin: Ich bin mit Abstand der jüngste Mann weit und breit. Alle um mich herum sind mir zehn, zwanzig Jahre und mehr voraus. Sie sind deutlich eine andere Boomer-Charge als ich oder etwas, das noch deutlich davor war. Die Silent Generation ist dann wohl der Fachbegriff, das musste ich kurz nachsehen. Oder dreht man es um, Generation Silent? Es scheint beides vorzukommen. Wie auch immer, Geburtsjahr 1928 bis 1945 jedenfalls, meine, vermutlich in vielen Fällen unsere Eltern.
In Hamburg muss ich erst ins Ohnsorg-Theater gehen, um eine derartige Jungbrunnerfahrung zu machen. Hier oben im ländlichen Norden fällt sie mir überall zu. Und das ist auch einmal nett, fast möchte ich ein wenig hüpfen beim Gehen. Es ist eine spürbar belebende Erfahrung, der Jüngste zu sein, vielleicht geht es noch Neunzigjährigen unter Hundertjährigen so.
Mir ist ein wenig zumute wie Alice im Wunderland. Die wurde in schneller Folge größer oder kleiner, der Buddenbohm im Angelland wird binnen Stunden älter oder jünger. Je nach gerade beachtetem Umstand.
Am Ende ist es bei der komplexen Frage, wie alt man sich fühlt, so wie bei der Bruchrechnung, man kann einige Gefühle einfach herauskürzen. Und das, was nach dieser Operation noch übrigbleibt, das ist man selbst als kleinster gemeinsamer Nenner seiner variablen Zustände.
Das vielleicht mal ermitteln.
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Für mich funktioniert noch zum vergleichsweise jung-fühlen
Hess-Natur laden
Kirche
Und Theater geht auch, stimmt.