Wo die Bären und die Bücher sind

Kiki braucht Hilfe. Und bietet Bären. Ich sehe in meinen Timelines viele, zu viele, die gerade spontan Hilfe brauchen und würde jeder und jedem am liebsten sofort beidhändig Geld über den Zaun werfen, allerdings ergeht es mir mit meiner Teilselbständigkeit dummerweise nicht anders als ihnen und die Lage ist daher etwas vertrackt. To say the least.

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Willkommen in Retrotopia

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Leben mit dem Virus

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How to protect your mental health

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Eine komplett ausgedacht klingende Szene, aber so ist es nun einmal im Moment: Im Rewe steht eine ältere Dame vor einem Regal und schimpft über die Ausländer, die uns jetzt das ganze Mehl wegkaufen, während ein Regal weiter zwei vermutlich türkischstämmige Jugendliche laut fragen, ob jetzt alle Deutschen endgültig verrückt geworden seien, oder warum schleppen die da alle plötzlich kiloweise Mehl raus? Hallo? Und die Mitarbeiter des Ladens knien dazwischen, füllen unentwegt nach und murmeln immer wieder: “Leute, Leute …”

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Ich kann nur ganz kurz und einhändig schreiben, wie bereits gestern angedeutet, das wird auch noch ein paar Tage so bleiben. Heute Morgen beim Arzt gewesen, also beim Orthopäden, das musste sein, war aber eine eher gespenstische Erfahrung, nach Möglichkeit bitte nicht nachmachen.

Die Schulen der Söhne schicken Aufträge, sinnige Aufträge sogar, wobei es ja Abgründe gibt, auf die Nichteltern vielleicht gar nicht kommen. So liegen die Bücher der Jungs natürlich in den Schulen, wie es bei Ganztagsschülern üblich ist – da nützen sie uns aber gerade nichts. An der einen Schule wird es eine Art Materialübergabe am Schultor geben, bei der anderen bisher nicht. Ich lese, dass Schulbuchverlage ihre Bücher online stellen, müsste aber erst einmal herausfinden, welche Bücher es überhaupt sind (“so ein weißes”) und welcher Verlag denn usw., das kostet alles Zeit, Zeit, Zeit. Der Teufel steckt auch hier im Detail.

So ganz einfach ist das alles also nicht, aber die Lehrerinnen und Lehrer sind wahnsinnig bemüht und großartig, keine üble Nachrede meinerseits, ganz im Gegenteil. Die hängen sich rein. Wie stark man sich aber als Elter reinhängen kann und welche Folgen das dann für die schulische Leistung und/oder für die Eltern-Kind-Beziehung hat – die nächsten Wochen werden es zeigen. Ich folge auch hier einfach dem bewährten Motto: “Herr Buddenbohm war stets bemüht.”

Morgen mehr.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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So ist das

Der Text des Tages steht heute beim Goethe-Institut, geschrieben noch in Zeiten vor Corona, wie man deutlich und sofort merkt, er spielt in einer geöffneten Bücherei. Also damals.

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Apropos Bücherei. Da habe ich kurz vor der großen Schließung noch einen letzten Mohnkuchen gegessen, während um mich herum Menschen Berge von Büchern hamsterten und ich folgendes Gespräch zwischen drei Damen neben hörte:

“Na, es ist nun so, wie es ist.”

“Und so ist es dann eben.”

“Genau. So ist das.”

Und das, scheint mir, kann man erstens erstaunlich weit verallgemeinern und zweitens auch eine Weile so stehen lassen.

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In Quarantäne

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Nachdem ich neulich den Gap zwischen Medien und Wirklichkeit mehrmals im Blog erwähnt habe, trat wiederum ein fast schon befremdlich pointensicherer Humor des Schicksals zutage und der Gap wurde für eine Weile auf ungeahnte Weise aufgehoben. Was in den Newstickern ist, das ist auch da draußen, ich gucke auf den Bildschirm, ich gucke auf den Spielplatz, hier und dort Menschen mit Mundschutz, ein paar Meter weiter der ungeahnt leere Hauptbahnhof. Hätte ich gestern oder vorgestern das Liveblog zur Wirklichkeit weitergeschrieben, es hätte wie all die anderen Liveblogs geklungen. Wie abgefahren ist das denn?

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Ich beherrsche mich übrigens nur mühsam, hier ein wirklich schlechtes Wortspiel mit “Schpreppergarten” unterzubringen.

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Ansonsten neige ich zu Gebrechen neben dem Trend, Schultergelenkentzündung, ich tippe hier also wieder wie ein einarmiger Bandit und muss mich kürzer fassen, als es mir lieb ist. Das wird leider auch noch ein paar Tage so bleiben, sagen die Erfahrungswerte. Vielleicht eher ein paar kurze Einträge mehr, mal sehen. Die Schreiblust vergeht mir so schnell nicht.

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Nur eine schnelle Erwähnung noch. In der Nacht zum Sonnabend schreit jemand auf der Straße herum, was hier wirklich nicht ungewöhnlich ist, Mitte der der Millionenstadt, das zieht sie eben alle an. Ein Mann steht um 04:30 vor der Kirche und brüllt mit tiefer Stimme: “Das ist die wahre Dreieinigkeit!” Oft brüllt er das, aber erklären tut er es leider nicht, und das ist ein wenig nervtötend, denn man wüsste dann doch ganz gerne, was das denn nun genau ist, die wahre Dreieinigkeit. Die Auflösung kommt aber hartnäckig nicht. Dann brüllt er: “Die Schergen des Todes!”, was eine immerhin erstaunliche Wortwahl für einen dieser meist stark alkoholisierten Brüller ist, die können sich in aller Regel nicht so gewählt ausdrücken. “Die Schergen des Todes” brüllt er, und weiß sicher gar nicht, dass er dabei auf einem ehemaligen Friedhof steht, was in einer Schauergeschichte immerhin ein nettes Detail wäre und also auch absatzlang erwähnt werden müsste. Und dann kommt nur noch der nicht weiter ausgeführte Abgesang, man hört es, während er weiterzieht und leiser wird: “Corona! Corona!”

So also kommt die Nachrichtenlage bei den verwirrten nächtlichen Brüllern an. Fast kann ich es verstehen, ich habe zum ersten Mal seit langer Zeit auch das Gefühl, nicht mehr recht hinterherzukommen und “Corona, Corona”, das hört man in absolut jedem Gespräch, wo, wann und an wem man auch vorbeigeht.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Das Liveblog zur Wirklichkeit

Wie bei Liveblogs üblich, steht in diesem Text das Neueste oben. Sollten Sie also später dazukommen und alles nachlesen wollen, müssten Sie bitte unten anfangen. Wie im richtigen Leben. 

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18:50 Bebilderung: Vor dem Fenster wird es dunkel, der Blick vom Balkon geht über den Spielplatz, an dessen Rand zwei farbige Kleckse leuchten. Das eine ist eine Zierkirsche, das andere eine Mirabelle, einmal Rosa, einmal Weiß. Für einen kurzen Moment sehen die blühenden Bäume im Restlicht aus, als würden sie aufleuchten. Durch die Sandkiste schreitet ein Vater und sucht wohl etwas, er macht staksende Schritte wie ein Storch auf dem Acker und wir wollen, damit das hier zu einem besinnlichen Ende kommt, uns vorstellen, dass er gleich findet, was er sucht und was ein Kind sicher schon schmerzlich vermisst hat, wir wollen uns vorstellen, dass es wichtig war und dass das Kind zuhause gleich sehr begeistert aussehen wird und dann wird alles doch noch gut. Denn so etwas findet ja auch statt, alle paar Minuten findet das statt.

Und damit gute Nacht. Wie schreiben die Kolleginnen drüben bei den News-Seiten immer, wir beenden das Live-Blog für heute. Morgen früh übernimmt …  Na, und so weiter.

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18:19 Musik! Wilhelmine, gefunden via Knuspermagier. Der Spaß am Lied kommt rüber, und wie.


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18:06 Ich habe zwischendurch ein Kapitel Moby Dick gehört. Kapitän Ahab legt sich gerade mit dem Elmsfeuer an, eine der bekanntesten Szenen also. Er ruft den Feuergeist an, der da mitten im Taifun unheilvoll auf den Masten leuchtet, und er ruft einen Gruß, den man sich merken müsste, als literarische Variante von  “Come as you are”, als wesentlich interessantere und tiefere Variante allerdings: “Komm in deiner niedrigsten Gestalt!”

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17:58 Hier kann man lesen, natürlich im Blogstyle, News gucke ich ja nicht an, wie es einem ergeht, wenn man jetzt krank wird.

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17:50

Ich habe neulich diesen Scherz auf Twitter gepostet, der erklärt sich übrigens durch Gewichtsabnahme. Ich bin schlanker als im letzten Jahr, deswegen schlackert hier und da etwas, z.B. der Ring. Da das Thema Abnehmen viele interessant finden, eine kurze Erläuterung dazu, wie habe ich das gemacht? Mit der altbewährten KUSS-Methode, also durch Kummer, Sorgen und Stress. That was easy! Und so gut habe ich das gemacht, ich könnte andere glatt bei dieser Methode begleiten, quasi als Kummer-Coach. Wenn es ihnen zu gut geht. rufen Sie mich an! Wir besprechen ihr Leben und ich sage Ihnen, worüber Sie sich Sorgen machen sollten. Viel Kummer unter dieser Nummer, ich arbeite im Moment noch am Marketing-Konzept, aber da geht was.

Schwierig wird es nur, diesen Weg im Frühling weiter zu verfolgen, es kommt ja doch bei passendem Wetter gebietsweise zu guter Laune und Aufheiterungen, ich habe da schon so eine Vorahnung.

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17:01 Ich stelle mit Amüsement fest, dass der Gedanke, wegen Corona nicht mehr reisen zu dürfen, in mir fast so etwas wie Reiselust auslöst. Die ich natürlich im Zweifelsfall beherrschen könnte, keine Frage. Ich denke aber so gut wie nie ans Reisen, es sei denn, ich darf das nicht – es ist vielleicht doch die Reaktanz, die uns über Wasser hält.

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16:56 Sohn I macht schon seit einer ganzen Weile Sport in der Parkour-Halle, die bei uns fast um die Ecke liegt und ein Ort mit einer sehr angenehmen Stimmung ist, ich mag das da auch als Zuschauer. Es sind auch schon Blogartikel dort entstanden, weil der Raum für Wartende dafür bestens geeignet ist. Neuerdings macht der Sohn da auch Breakdance, und der Kurs könnte noch einige Anmeldungen vertragen. Für Kinder ab 12, der Kurs ist, wie sagt Sohn I, “very nice”.

Apropos Sohn I, der sorgt jetzt dafür, dass sich Menschen auf der Straße nach uns umdrehen, denn es scheint gar nicht so viele Kinder mit lilafarbenen Haaren in seinem Alter zu geben. Wie sang damals mein Nachbar, der Herr Lindenberg: “’N bisschen punky, gottseidanki.”

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16:33 Das Wort zum Mittwoch heute hier, es geht um Hiob. Zwar ohne Moral am Ende, dennoch interessant.

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16:01 Wenn es hier übrigens zu italienischen Zuständen kommen sollte, wenn ich mich etwa ein paar Tage als Schmuck-Eremit in die Laube im Schrebergarten auf der Insel flüchten müsste – ich könnte tagelang so weiter schreiben. Aber Problem – da ist kein WLAN, das wächst da nicht.

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15:52 Sven fährt wieder Fahrrad durch Hamburg

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15:49 Im letzten Sommer, so lange geht das hier nämlich eigentlich nach, habe ich vor der Abreise nach Südtirol nicht gewusst, was ich lesen sollte, also ich wusste auf einmal nicht mehr, was mir gefällt. Und dann habe ich mir gedacht, du hast fast dein ganzes Leben lang gelesen, du kannst ja auch mal nichts lesen. Da habe ich also mal, wie wir im Büro sagen, out of the box gedacht. Dann bin ich tatsächlich ohne Bücher in Urlaub gefahren, also ganz ohne, und ich habe, das erinnere ich sehr genau, z.B. so etwas gemacht: Am Fenster stehend beobachten, wie draußen ein Regenschauer durch einen Weinberg zog. Wie es dabei erst dunkel wurde und dann allmählich wieder heller, wie der Regen erst mehr und lauter wurde und dann wieder weniger und leiser, wie nur noch einige silbern blinkende Tropfen zu sehen waren und die dann aber lange, lange, wie es schließlich ganz aufhörte, wie die Sonne wieder durchkam und das Laub in der aufflammenden Hitze trocknete und ich dachte die ganze Zeit, das ist alles sehr schön, super Landschaft auch, erstklassige Berge, mustergültiger Sommer, aber gleich zerreißt es mich.

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15:35 Im Coffeeshop läuft natürlich diese loungige Musik, die in solchen Läden immer läuft, gerade singt eine Frau immer wieder eine Zeile: “I think you should know”, und die Frau, die einen Tisch weiter sitzt, sieht dabei sinnend aus dem Fenster und es sieht so aus, als habe sie Tränen in den Augen. Bild und Ton passen so dermaßen gut, es ist mir ein Fest.

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15:15 Heute, früher am Tag: Auf der Toilette im Büro steht ein Kollege neben mir am Waschbecken und sagt, als ich mir die Hände wasche: “Aber schön 20 Sekunden!” Und das ist ja auch erfreulich, dass man sich noch einmal ganz wie als Kind fühlen darf, in Alltagsdingen sorgsam belehrt.

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15:01 News-Junkie bin ich übrigens schon, seit ich als Kind die erste Zeitung gelesen habe, was übrigens die gewesen sein dürfte, für die ich heute Kolumnen schreibe, ich winke freundlich nach Lübeck. Es ist nämlich gar keine Frage des Mediums, es ist eine Frage der Psyche. Ich halte es nicht gut aus, nichts lesen zu können, wahrnehmen zu können, wenigstens beobachten zu können. Und egal, worum es dabei geht, am besten ist es kurz, dann kann ich schnell weiter, etwas anderes könnte ja noch interessanter sein. Weswegen, das wird vielleicht jetzt noch deutlicher, auch so ein Hörbuch wie Moby Dick für mich eine irre Mühsal ist und ich dabei gewissermaßen meine Komfortzone verlasse, ohne auch nur einen Schritt zu gehen. Das Internet ist, das wollte ich noch eben erwähnt haben, also nicht als schuldig anzusehen. Ich habe früher, Achtung, Opa erzählt vom Krieg, gewisse Tasten auf der Fernbedienung des Fernsehers geradezu durchgerubbelt, weil ich die Bildschirmtextseite mit den letzten Meldungen so oft aktualisiert habe. Es liegt nicht am Medium, nein.

Bebilderung: Ich schreibe dies in einem Coffeeshop, der junge Mann neben mir spricht eine arabisch klingende Sprache und erwähnt oft den Begriff Corona, den er aber in etwa so ausspricht, wie die Spanier Cojones aussprechen.

14:45 In der Cafeteria der Bücherei beugt sich eine Frau vom Nebentisch aus zu mir und fragt: “Kennen wir uns nicht? Wir kennen uns doch!” Ich verneine das wahrheitsgemäß und sie guckt dann aber weiter mit einem Gesichtsausdruck zu mir, als könne das nicht stimmen, als müsse das so etwas wie eine zweckmäßige Lüge sein, aber warum genau lügt der Typ jetzt – und ihr Blick wird immer skeptischer, nachdenklicher und misstrauischer, ich sehe ihr an, dass sie ganz sicher ist, doch, wir kennen uns und sie kommt nur nicht darauf, woher wir uns kennen und es ärgert sie immer mehr, und da habe ich also einer Frau glatt die halbe Stunde mit Kaffee und Kuchen versaut, einfach nur durch meine Anwesenheit. Es ist doch immer ein Risiko, auch nur vor die Tür zu gehen, dazu muss man nicht einmal an Corona denken.

14:15 Ich habe mir auf Anregung von Frau Novemberregen eine Klapptastatur gekauft, sehr handlich und einladend transportabel, die kann ich über Bluetooth mit dem Handy verbinden und dann … dann weiß ich auch nicht. Dann kann ich überall Romane schreiben, ohne dafür ein Notebook mitschleppen zu müssen. Oder Blogartikel, das  vielleicht eher. Also etwa während einer langen Zugfahrt. Das Problem ist nur, ich habe gar keine lange Zugfahrt vor und das Reisen ist momentan eh nicht zu empfehlen,wie man hört, ich werde mir also etwas anderes suchen müssen. Wenn ich etwas finde, blogge ich dann live, rasender Reporter nichts dagegen.

Apropos! Ich reagiere zusehends gereizt auf die ganzen Liveblogs zu Corona gerade. Zum einen, weil sie für mich als Newsjunkie ein erhebliches Suchtpotential haben, zum anderen aber auch, weil ich mir denke, dass der Begriff Liveblog zu Blogs gehören müsste, nicht zu Medienseiten, das wäre doch viel schöner. Zum Begriff “Liveblog” fallen einem nur Desaster und Hysterie ein, das ist überaus bedauerlich. Und wenn ich so drüber nachdenke, ich bin auch jetzt gerade in Versuchung, mich schon wieder vor News-Seiten zu setzen und F5 zu drücken, ich finde das aber gar nicht in Ordnung. Es wäre viel besser, ich würde etwas schreiben. Also für mich wäre das besser, weiter reicht das Denken da noch nicht. Ich müsste etwas schreiben, um mich von News abzuhalten und mich meiner Wirklichkeit zuzuwenden. News reichen auch zur Tagesschau und sind ansonsten Zeitverschwendung, sie halten mich von anderer Lektüre und anderem Erleben ab und überhaupt von allem. Und das möchte man als Autor ja eigentlich dauernd, irgendwas erleben und darauf dann genüsslich etwas herumdenken. Das Erleben kann dabei auch rein geistiger Natur sein, versteht sich, das Aufkommen einer Erinnerung, so etwas in der Art, wozu man den Gedanken aber auch erst Raum lassen muss. Immer will man eigentlich selber denken und kommt dann nicht dazu, weil man sich dauernd damit beschäftigt, das Denken der anderen zur Kenntnis zu nehmen.

Weswegen ich jetzt einfach aus therapeutischen Gründen und zur Suchtbekämpfung heute ein Live-Blog mache und meine sinnfreie Aktualitätsgeilheit mit dem Schreiben verheirate. Gar nicht erst auf eine Gelegenheit warten! Denn das mit dem Warten, das ist auch nur so ein Trick zur Sebstüberlistung. Mal sehen, was dabei herauskommt, ich weiß es doch auch nicht

Also hier heute ein Live-Blog zur Wirklichkeit. Es geht gleich weiter, ich muss nur kurz nachdenken. Aber oben dann, wie das so üblich ist.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Zeitzeichen

Am Sonntagnachmittag habe ich lange, allzu lange Newsticker und Nachrichtenseiten gelesen, hatte dann drängenden Nachholbedarf in Sachen Wirklichkeit und ging daher in den Hauptbahnhof, der ein besonders üppiges Stück Wirklichkeit ist. Mehr wirkliche Personen auf einen Schlag bekommt man hier vermutlich nur in Fußballstadien zu sehen. Durch den Hauptbahnhof rauscht alles durch, Typen, Figuren und leibhaftige Klischees, wenn man da eine Weile im Menschenstrom steht, dann meint man bald alles gesehen zu haben, was in dieser Stadt überhaupt an Menschen vorkommen kann. Das stimmt natürlich nicht ganz, denn es lassen sich gar nicht alle Menschen zum ÖPNV herab und vielleicht auch nicht zu Fernzügen – aber es stimmt doch fast.

Ich habe etwa eine halbe Stunde dort zugebracht und es ist mir fast nichts aufgefallen – da kann man wieder einmal sehen, wie dick die Normalität manchmal aufträgt. Es gab auf den ersten Blick keine beschreibenswerte Szene, es gab keine besonders auffälligen Menschen, also fast keine, aber dazu komme ich noch. Es gab auch kein Bahnchaos oder dergleichen, es gab nicht einmal Straßenmusiker, die sich mit dem Sicherheitspersonal herumstritten, es gab keine Bettler und keine Schlägereien unter den Obdachlosen, es gab, das war fast schon unglaubwürdig, nicht einmal einen Mülleimerbrand. Ein Krankenwagen fuhr gerade einen der Trinker vom Bahnhofsvorplatz weg, aber das ist normal, das fällt nicht unbedingt auf. Das müsste man schon wollen, dass es einem auffällt, etwa für eine Sozialreportage.

Eine Soldatin und ein Soldat in Kampfanzügen schleppten riesige Rucksäcke zu Zügen, das sehe ich seit der neuen Fahrpreisregelung für die Bundeswehr wieder etwas öfter, aber insgesamt doch weiterhin selten, es geht in der Menge unter, dass sich da etwas geändert hat.

Drei Menschen mit Mundschutz habe ich gesehen, und das war also das auffälligste Zeichen der Zeit, das sehe ich sonst nicht, wenn nicht gerade große Touristengruppen aus Asien vorbeigehen, aber die gibt es erst einmal nicht mehr. Eine junge Frau, sie trug einen Mundschutz in hellblau und er passte so dermaßen gut zu ihrem dunkelblauen Mantel und überhaupt zu ihrem betont schicken Outfit, es hätte auch ein besonders hippes modisches Accessoire sein können, er saß auch seltsam perfekt. Sie blieb mehrfach für ein Selfie stehen, schüttelte ihre sicher frisch frisierten Haare und fand sich offensichtlich gut, wenn nicht sogar sehr gut. Und keine Frage, sie sah auch gut damit aus. Die beiden Männer sahen sich zufällig ähnlich, sie waren beide schon etwas älter und in Arbeitskleidung. Wie Männer aussehen, die aus einem Raum kommen, in dem sie gerade stundenlang die Dielen abgeschliffen oder die Decke gestrichen haben oder dergleichen, sie waren gleich groß, gleich alt und sie gingen beide so, als hätten sie Rückenschmerzen oder Knieprobleme, etwas in der Art. Auch die Masken sahen nach Handwerk aus, robust und etwas angeschmuddelt.

Die beiden gingen in der Wandelhalle aneinander vorbei und als Beobachter fand ich, die hätten sich dabei ruhig kumpelhaft winkend grüßen können, ob ihrer erstaunlichen Ähnlichkeit und dann auch noch so auffällig gleich ausgerüstet, aber sie gingen grußlos weiter und einfach ihrer Wege, die Ähnlichkeit habe vielleicht auch nur ich gesehen. Der Gedanke war ohnehin sinnlos, fiel mir ein paar Schritte weiter ein, denn ich grüße ja auch nicht, sobald ich einen Anzug trage, andere Anzugträger kumpelhaft winkend, wo kommen wir denn da hin und was ist das überhaupt für eine Idee. Diese Geste bleibt in Hamburg Busfahrerinnen und Busfahrern vorbehalten, die immerhin machen das verlässlich, wenn sie am Steuer sitzen und ihnen eine oder einer der gleichen Art entgegen kommt, da geht die Hand unweigerlich auf eine besonders lässige Art hoch.

Und mehr Corona war hier erst einmal nicht. Aber wir stehen ja auch erst am Anfang, sagt man. Auf dem Rückweg ging ich an einer Bar vorbei, dort hatten sie etliche Corona-Flaschen ins Fenster gestellt und gefällig drapiert, das war die Deko zur Lage. Passanten blieben stehen und zeigten lachend darauf, guck mal, guck doch mal.

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Lesen nach Hanau

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Samira El Ouassil über Kontrollverlust.

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Wolfgang Michal über Medienkritik.

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Musik! Mir fällt nur ein Stück mit “Corona” im Text ein.

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Die Gottseibeiuns-App

Wenn man, was fraglos angebracht ist, mehr Frauen lesen oder hören möchte, dann hat man, wenn ich das richtig sehe, bei den Hörbüchern auf Spotify z.B. schlechte Chancen, also jedenfalls, wenn man sich eher für etwas ältere Literatur interessiert, da sind Frauen dann kaum zu finden, von der Droste mal abgesehen. Wenn ich mir ansehe, was ich mir da gespeichert habe: Jane Austen ist mit mehreren Romanen dabei, Anna Seghers, Djuna Barnes, Bettina von Arnims Briefwechsel mit dem Gatten, Marie von Ebner-Eschenbach, Irmgard Keun. Aus.

Ich muss das noch einmal alles durchsuchen.

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Auf meinem Arbeitsweg kam ich bis vor einiger Zeit an einer Glaserei vorbei. Das hatte für mich herkunftsbedingt zwar einen gewissen nostalgischen Wert, war aber sonst nicht weiter interessant, also habe ich da auch nicht weiter hingesehen, weswegen es sein kann, dass es die schon länger nicht mehr gibt. Wie wenig man aufpasst! Dort ist neuerdings ein Laden für seltsame Sitzmöbel, die man wohl mit Fachbegriff Barbierstuhl bezeichnet, Friseurstühle also, eventuell tatsächlich nur in der Ausprägung für Herrenfriseure, Barbershops, ich müsste einmal stehen bleiben und genauer hinsehen. Wenn man Barbierstuhl einmal in die Google-Bildersuche eingibt, dann sieht man da ziemlich abgefahrene Ergebnisse. Es scheint eine ausgeprägte Verbindung zum Retro-Charme und zur Nostalgieberauschung zu geben, womit auch immer das genau zusammenhängt. Der gepflegte Bart zieht den Mann ins Viktorianische oder aber in den Wilden Westen, das wäre auch noch zu ergründen, warum das wohl so ist. Vielleicht waren es die Goldenen Zeiten für ein gewisses Männlichkeitsbild, was weiß ich. Ich wollt’ ich wär Clark Gable, mit Schnurrbart und mit Säbel, wie man vor ein paar Jahrzehnten sang, Moment, ich sehe nach, 1936 war es: “Er lebt, wenn’s hoch kommt, 100 Jahr‘ und bringt’s bei gutem Start, und nur, wenn er sehr fleißig war, zu einem Rauschebart.” Peter Kreuder hat es geschrieben und jetzt, wo ich das gerade nachlese, macht mit erheblicher Verspätung gerade etwas Klick in meinem Hirn. Denn in der Wikipedia steht auch, dass die Melodie zu seinem Schlager “Musik! Musik! Musik!” mit der bekannten Zeile “Ich brauche keinen Millionen …” den späteren Titelsong der Muppetshow ergeben hat, das ist mir unfassbarer Weise nie aufgefallen. Wie wenig man aufpasst!

Was aber wollte ich eigentlich sagen? Als ich da also vorbeiging, an dieser Möbelausstellung für Barbiere, Friseure, wie auch immer, da, genau auf den paar Metern, kam im endlosen Moby-Dick-Hörbuch gerade die Erwähnung einer äußerst marginalen Figur, die vom Namen her sensationell gut zu dem passte, was ich gerade sah, es ging nämlich kurz um Dr. Schniegelscheitel, ein fachkundiger Sprachexperte für Holländisch und Hochdeutsch. Und jetzt sehe ich dauernd einen Laden in Steampunk-Optik vor mir, mit einem prächtigen Ladenschild, auf dem “Dr. Schniegelscheitel” in altmodischen Lettern Bart und Frisurpflege anbietet, und diese Idee ist eigentlich so schön, das müsste jetzt bitte mal jemand übernehmen.

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Inhaltlich so originell, dass es wirklich heraussticht – ein positiver Artikel über Tiktok. Ich habe Tiktok weder je benutzt noch mehr als ein paar Minuten gesehen, ich habe also gar keine handgeklöppelte Meinung zu Tiktok, aber ich weiß doch immerhin, dass es alle ganz furchtbar finden und dass es bei Kindern und Jugendlichen aus Eltern- und Lehrerinnensicht gerade die allerschlimmste Gottseibeiuns-App ist, und wenn ich Kind wäre, ich würde sie schon deswegen installieren. Logisch. Denn, falls Sie das auch vergessen haben, wie so viele: So funktioniert das.

Wenn ich mich damit aber als Erwachsener, schon gar als Vater, etwas ernsthafter und länger befassen würde, ich würde es vermutlich pflichtgemäß ganz schrecklich finden. Versteht sich.

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Christa Pfafferott über die Gedenkstätte am Bullenhuser Damm. In die ich mich übrigens, und das meine ich völlig ernst, nicht hineintraue, weil mich schon das Nachlesen der Geschichte jedes Mal fertig macht. Die nicht verurteilten Täter, die Schicksale der Kinder, all das, es ist das Grauen schlechthin.

Unser Garten ist gar nicht weit von da.

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Die Frau von Hopper.

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Trinkgeld Februar, Ergebnisbericht

Im Februar gab es aufgrund einer scherzhaften Erwähnung in einem Blogtext tatsächlich Geld für Vogelfutter, das habe ich selbstverständlich wunschgemäß umgesetzt. Dafür danken mit runden Bäuchen: Ringeltauben, Blaumeisen, Stadttauben, Rabenkrähen, Spatzen, ein Zaunkönig (Balkonpremiere), ein Grünfink und Kohlmeisen.

Es gab ferner Geld für wohlriechende Pflanzen, welches ich – wie ein Mensch mit Geduld! – in reichlich Zwiebeln, Knollen und Wurzeln investiert habe, die ich in Kürze, womöglich morgen schon, wie ein Eichhörnchen im Garten vergraben werde, und wie ein Eichhörnchen will ich nach dem Verbuddeln bei einem Teil sofort vergessen, was wo war, auf dass ich in einigen Wochen grünende und blühende Überraschungen erlebe. So der Plan.

Da die letzten Wochen aber wetter- und stimmungsmäßig abscheulich waren, habe ich noch zuzugeben, dass ich dabei größtenteils Zeug gekauft habe, das mir auf meinen normalen Wegen begegnete, also mit anderen Worten Supermarktware. Wenn die jetzt besser funktioniert als das edle Biozeug im letzten Jahr … wie ist es wieder spannend.

Aber nicht alles kam aus dem Supermarkt, wir haben auch, ich erwähnte es neulich schon, die Hochbeete umorganisiert und aufgestockt, wobei Hochbeete ein großes Wort ist, wir verarbeiten da einfach Palettenrahmen. Aber gut, es sind Beete, gar keine Frage. Die Samen, die in die Hochbeete kommen, habe ich jedenfalls wieder bei Jeebel bestellt, keine bezahlte Werbung, ich bin da nur seit Jahren zufriedener Kunde.

Wo ich gerade dabei bin- es sind acht Beete aus Palettenrahmen, dazu kommen noch vier aus ganz einfachen und günstigen Holz-Kompostern und zwei, die tatsächlich altmodisch im Gartenboden angelegt worden sind, das macht also 14 Beete für Gemüse. Diese bestücken wir wie folgt – zwei für Zucchini und Kürbis, eines für Kartoffeln, eines für Rhabarber und Möhren, eines für Pastinaken, eines für Erdbeeren und nein, die sind gar kein Gemüse, schon klar. Eines für Radieschen, eines für Zuckererbsen, eines für rote Melde, eines für Rauke oder andere Salate. Eines für Dill und Schnittlauch, eines für Buschbohnen, eines für Kohlrabi. Dann sind noch einige übrig und das muss auch so sein, denn wenn nichts übrig ist, dann werde ich nervös.

Ich habe außerdem ein Buch von Olga Tokarczuk gekauft, Unrast, und ich weiß, sie hat furchtbar viele Fans, aber ich kann damit gerade überhaupt nichts anfangen. Vielleicht in ein, zwei Jahren noch einmal versuchen? Für Sohn II gab es deutlich handfestere Lektüre “Das ultimative Überlebenshandbuch Outdoor”, er hatte da vom Reiterhof aus Bedarf angemeldet (was machen die da bloß?). Bei Sohn I habe ich einen Teil der Verpflegung während seines Tanzworkshops “Urban Style” vom Trinkgeld bezahlt, nehmen wir einfach an, es war der eher zuckerhaltige Teil, also der Teil, über den er sich mehr gefreut hat.

Die Herzdame und ich konsumierten im Februar mehrfach Kaffee und Mandelkaramelltorte, sogar gemeinsam und ohne weitere Begleitung. Mit Gespräch und so!

Und da beide Söhne total auf Spiele und Rituale mit Bonussystemen stehen, viel mehr als die Herzdame und ich jedenfalls, gab es noch eine größere Menge Pokerchips, die bei uns jetzt eine Weile quasi als Währung gelten. Diese Belohnungsspiele halten nie lange, machen aber doch eine Weile Spaß und funktionieren immer für einige Wochen. Und einige Wochen – wer kann dazu schon nein sagen.

Schließlich habe ich mir noch neue Kopfhörer fürs Smartphone zugelegt, da ich die die alten beim Moby-Dick-Hören tatsächlich komplett verschlissen habe. Und ohne Kopfhörer keine Hörbücher, ne.

Wie immer, vielen Dank für jeden eingeworfenen Euro und auch für jeden Cent! Es war und ist mir und uns jedesmal ein Fest.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Imaginäre Bleistiftmarkierungen und Bilder mit und ohne Geschichten

Hier bitte mal besonders den Absatz über die Bildbetrachtung beachten, wobei die Blogaktion an sich selbstverständlich auch interessant ist. Aber das mit den Bildern … es ist doch immer so faszinierend, wie andere Menschen denken. Dass ein Bild in einem problematischen Sinne überreich an Informationen ist, darauf wäre ich nicht gekommen, auch wenn es nachvollziehbar beschrieben wird. Ich kenne aber das ungefähre Gegenteil, nämlich die sonderbar nervtötende Informationslosigkeit stark reduzierter abstrakter Gemälde, diese geradezu dreiste Geschichtenlosigkeit, weswegen ich gewisse Kunstwerke völlig geduldfrei mit “Ja, und?” anbrüllen möchte, wenn sie irgendwo so herumhängen, dass ich sie beachten muss, also etwa in einem Wartezimmer.

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Die Sache mit dem Igel. Falls Sie den Link im eben verlinkten Text nicht angeklickt haben. Könnte ja sein.

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Neil Gaiman über Bibliotheken und Literatur. Ein Text von 2013, macht ja nichts. Oh, und übrigens – Constantin Seibt u.a. über sein Lesen, ein Artikel in seiner ADHS-Reihe.”Ich las, seit ich denken konnte. Ich las Donald-Duck-, Urmel- und Weltraum-Bücher, kindgerechte Biografien von Forschern, Erfindern, Entdeckern, griechische Sagen, fünf­bändige Seefahrts­schinken, später Kipling, Dickens, Jack London und – in einer schockierenden Nacht – auch einen Band Kurz­geschichten von Edgar Allan Poe. Ich las vor dem Frühstück, nach der Schule, auf dem Sofa, auf der Toilette – und wenn es ging, auch bei Tisch und unter der Bettdecke. Ich las, um zu verstehen, und las, statt zu denken.

Ich könnte das unterschreiben. Wobei der letzte Halbsatz im eben zitierten Text sehr leicht zu überlesen ist, der hat es aber in sich.

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Beim Moby-Dick-Hörbuch nähere ich mich dem Ende. Ich kann die entgeisterte Reaktion des Lektorats damals verstehen, ich verstehe aber auch, dass der Herr Melville immer wieder und wieder mitten in den langatmigsten Beschreibungen von Gegenständen, Tierteilen und Gebräuchen, Bezüge zum Allgemeinen, zur Philosophie und zu uns allen herstellt, die ich, wenn es denn ein gedrucktes Buch wäre, vielleicht doch mal mit einem Bleistift markieren würde, was ich sonst eigentlich nie tue. Und wenn man sich endlich, endlich durch die -zig Kapitel gehört oder gelesen hat, wenn man das geradezu groteske Übermaß an Beschreibungen und Ausführungen und Überlegungen endlich intus hat, das selbstverständlich auch mit der Länge der Seereise korrelieren soll und es auch tut, wenn man also ganze Wochen an oder unter Deck verbracht hat, dann möchte man, wenn endlich Moby Dick doch noch auftaucht, genau wie der Mann im Ausguck enthusiastisch “Wal! Wal!” rufen, und wenn es so weitergeht, dann werde ich, wenn es auf die allerletzten Kapitel zugeht, vielleicht auch bald lauthals “Land in Sicht!” rufen. Aber ich weiß auch jetzt schon, das wird dann eine großartige Leseerfahrung gewesen sein. Hörerfahrung. Egal.

Und noch ein Nebeneffekt bei einem solch ungeheuren Geschoss von Buch – ich freue mich dermaßen auf die Bücher danach, das hatte ich leider schon lange nicht mehr. Ich habe endlich wieder Lust auf irgendein anderes Werk, auf ein ein bestenfalls mittellanges vielleicht, auf ein schmales Novellchen oder auf Gedichte, Grotesken und Kolumnen, was auch immer, ich habe also wieder Literaturhunger, seltsamerweise hervorgerufen durch das ausführliche Mästen mit einer wahren Schwarte. Das ist auch ein schönes Ergebnis, finde ich.

Im nächsten Winter lese oder höre ich dann Krieg und Frieden. Oder den ganzen Proust, es wird sich schon etwas finden lassen.

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Musik! The Teskey Brothers.

Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Abel hat angefangen

Ein naives Gedankenexperiment

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Consciousness Isn’t Self-Centered – dieser Artikel ist gut geeignet für den Fall, dass Sie heute noch ein paar richtig abgefahrene Gedanken brauchen. Vielleicht bekommt man aber auch Kopfschmerzen davon, das würde mich gleichfalls nicht wundern. Interessant ist es allemal.
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Die rote Brigitte

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Bei 54Book geht es um Autofiktion in den sozialen Medien, auch ein sehr cooles Thema.Sofern Sie online irgendwo stattfinden, geht Sie das auch etwas an. “Du findest doch Authentizität so geil. So verdammt geil. So ein echter Mensch ist so geil, geil, geil. “

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Ich habe von einem Sohn ein neues Wort gelernt, Ballin heißt es, und man braucht wohl Fachkenntnisse im Deutschrap oder überhaupt im Rap, um den Begriff spontan parat zu haben. Aber immer lernfähig bleiben, versteht sich, immer alles nachlesen, stets bemüht sein, und ich weiß jetzt also, Ballin ist nicht das, was meinen Lifestyle krass korrekt umschreibt. Die Beispielszeile aus dem oben verlinkten Text etwa, „Bro, guck, ich bin am ballin’“, die muss ich mir also vorerst nicht merken.

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Es folgt das Wort zum Mittwoch, warum auch nicht. Es gibt also Menschen, die den Geflüchteten die Schuld daran geben, dass an den Grenzen Europas auf sie geschossen oder warngeschossen wird oder was auch immer, das macht für diese Diskussion eigentlich gar nichts aus, das ist unwichtig. Wichtig ist nur, dass man da also im Ernst etwas Schuldhaftes vermutet, wo nichts zu finden ist, wo Menschen lediglich ihr Glück oder auch nur ihr bloßes Überleben suchen, irgendeine Zukunft. Da also hält man Opfer für Täter, ein Muster, das man auch aus ganz anderen Zusammenhängen kennt. Schuld hat, wer eine Untat irgendwie ermöglicht, und sei es auch nur als Opfer. Das kann man vermutlich durch alle Zeiten und Länder und Kulturen zurückdenken bis hin zu Abel, der natürlich auch selbst Schuld hatte, denn das war damals ungerecht, ungerecht, ungerecht, diese Sache mit den zwei Opfern, von denen Gott nur eines freundlich aufgenommen hat, das von Abel nämlich, Sie erinnern sich vermutlich. Und da hat Kain sich eben aufgeregt, denn dass das furchtbar ungerecht war, das wollte er doch noch sagen dürfen. Und wer würde das nicht verstehen, wo es doch tatsächlich so gottverdammt ungerecht war, und dann kann schon einmal etwas passieren, da muss sich wahrhaftig keiner wundern, wenn es da einmal knallt, das war ja quasi bestellt war das, und das eigentliche Problem war eben nicht der Brudermord, das eigentliche Problem lag davor und war die unerträgliche Provokation, wenn man es nur recht betrachtet. Ob der Abel nun etwas dafür konnte oder nicht, die Provokation hat es ja de facto gegeben, weil sich nämlich sein besorgter Bruder ganz klar provoziert gefühlt hat – und das reicht, das reicht für alles. Abel muss weg, klare Sache und damit hopp, so etwas kommt von so etwas, also bitte.

Und dass Kain hinterher dann übrigens noch mit Mimimi in Selbstmitleid verfiel, oh, die Schuld ist so schwer, wo soll ich denn jetzt hin damit, ich armer Kerl, das ist jetzt aber schier unerträglich, statt reuig um den auf ewig verlorenen Bruder zu trauern, das passte dann auch noch ins Bild, der feine Herr Kain blieb nämlich Opfer für alle Zeiten, es war vermutlich auch ganz bequem in der Rolle, und Gott benötigte dann sogar noch ein Deeskalationszeichen, Kainsmal genannt, um die Sache wieder halbwegs auf Null zu bekommen, denn sonst hätte jemand Kain um die Ecke gebracht, wo er doch gar nichts dafür konnte, wie wir gerade gesehen haben. Es war im Grunde also von Anfang an alles verbockt und verloren, in der zweiten Generation der Menschheit schon, wenn man es so betrachtet, und dass das eigentliche Problem die Ungerechtigkeit des Herrn war, als des Herrn da oben – who cares. Der Herr hat sich da recht geschickt aus der so unheilig angerichteten Affäre gezogen, wie es alle Herren nach ihm ebenfalls geschafft haben, bis heute und in alle Ewigkeit, Respekt dafür jedenfalls, Amen.

Chorgesang, fertig, Ende.

Pardon, ich kenne mich mit Predigten überhaupt nicht aus. Aber so in etwa würde ich das angehen.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Urban Style

Die Zeit und die Kraft reichen heute nur für ein paar Links, dafür sind in den Texten auch besonders schöne Stellen dabei. Wir waren gestern und heute im Garten und sind leider etwas durch, was hauptsächlich daran liegt, dass wir sinnend vor den Hochbeeten standen und in etwa sagten: “Vielleicht sollten sie doch besser längs als quer zur Hecke? Und warum eigentlich nicht doppelt so viele?” Noch folgenreicher war dann das gemeinsame: “Los, wir machen das jetzt einfach sofort” und pardon, ich kann meine Arme kaum noch bewegen.

Ich komme, wenn ich demnächst wieder Kraft habe, noch einmal auf den Beginn der Gartensaison zurück.

 

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Die Queen des Kompostherzens: @hildchen77

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Spinatwürfellutschen

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Wenn M. jemals ein Baby bekommt, wird es wahrscheinlich darauf verzichten, zu häufig gestillt zu werden. Weil es fokussiert bleiben will.” Ganz klar das Lieblingszitat der Woche. Ich habe das Intervall-Fasten neulich übrigens auch probiert und fand es total einfach, was aber eventuell daran lag, dass ich es nur einen Tag probiert habe. Die Herzdame hat da wesentlich mehr Ausdauer und muss deswegen jetzt immer bis Schlag 19 Uhr erfolgreich bekocht worden sein, den Teil finde ich tendenziell etwas anstrengend.

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Über Irmgard Keun. Die auch mal wieder lesen, ich merke das mal vor.

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Es sind Märzferien, die sogenannten Hamburger Skiferien. Ein Sohn fährt auf einen Reiterhof, ein Sohn macht einen tagelangen Tanz-Workshop im “Urban Style”. Beide haben also Spaß und lernen etwas, nur die Herzdame und ich gehe einfach weiterhin jeden Morgen ins Großraumbüro. Allerdings tue ich das in der ruhigen Gewißheit, damit in Wahrheit viel näher am realen “Urban Style” zu sein, als es sich ein gewisser Sohn hier auch nur vorstellen kann.

Und beim Scrollen durch Excel natürlich immer leise “I like to move it, move it” murmeln.

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Hazel Scott, den Namen kannte ich nicht. Hier ein langer Text, der erklärt, warum ich sie nicht kannte, warum Sie den Namen vermutlich auch gerade nicht parat hatten.

Und hier ist Hazel Scott:


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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Eine Laterne im Nichts

Beim morgendlichen Kaffeetrinken beim Portugiesen um die Ecke fällt am Nebentisch dieser Satz, ein nicht erkennbares Profilbild in einem Chat wird da gerade beschrieben: “Das sieht aus wie so eine Laterne im Nichts.” Und nun ist es ja so, ich kann gar nicht viel, aber gute Titel kann ich zuverlässig erkennen, wenn ich sie höre. “Eine Laterne im Nichts”, das ist ganz zweifellos gut für einen Roman mit etwa 500 Seiten. Das ist gut für einen Weltbestseller, für Literaturpreise, Verfilmung, Serie und alles. Auf der Grenze zwischen Schmöker und Weltliteratur, die einen Großkritiker sagen so, die anderen sagen so, aber wen kümmert das, es verkauft sich jedenfalls wie geschnitten Brot, die Kinos sind auch rappelvoll und die Karriere dieser einen Schauspielerin wäre ohne diesen Film ja gar nicht denkbar. Das denke ich mir so und sehe den Einband schon vor mir, als mir einfällt, dass ich mich gar nicht darum kümmern kann, diesen Roman in die Wirklichkeit zu hieven, ich habe keine Zeit für so etwas, ganz abgesehen davon, dass mir da auch die Inspiration fehlt und, versteht sich, womöglich auch die Eignung und schon gar die Befähigung, dass mir also im Grunde ungefähr alles dazu fehlt, um mit der “Laterne im Nichts” berühmt zu werden, Dichter und reich. Im Moment würde ich auch, und das wäre vielleicht nicht passend, jeden beliebigen Text wegen einer starken Überdosis Melville so nervötend mit maritimen Ausdrücken kalfatern, bis die geschätzte Leserinnenschaft dauernd etwas nachschlagen müsste, denn ich habe da so einen fürchterlichen Nachmachtrieb, der ist wirklich ärgerlich. Aber ob nun “Die Laterne im Nichts” überhaupt nach Weltmeer klingt, ich weiß ja nicht recht. Also keine Laterne im Nichts von mir, nicht einmal aus Spaß benenne ich eine Datei oder eine Ideensammlung so, nein, nichts, nada.

Ich könnte den Titel abgeben, ich könnte ihn einfach verschenken an romanschreibende Menschen in meinem Umfeld, hier, mach du mal. Immerhin habe ich das Privileg, solche Menschen zu kennen, aber wenn ich da etwa an die Frau Bogdan denke, “Eine Laterne im Nichts” klingt doch eher nicht nach ihr; es klingt eigentlich nicht einmal wie etwas, das sie auch nur lesen würde.

Andererseits bin ich ein Blogger und kann daher fast alles auch selbst erledigen, in meinen Texten jedenfalls, ich kann also “Eine Laterne im Nichts” schlankerhand über einen Blogeintrag schreiben und habe es damit -zack! – als Titel verwendet und die Angelegenheit im dirty old Blogstyle mehr oder weniger befriedigend durchgezogen, das nimmt mir dann keiner mehr weg, oder wenn doch, dann kann ich immerhin sagen: “Eigentlich ist das von mir”, und das ist manchmal ganz schön, wenn man das sagen kann, das ist dann so ein leiser Triumph. Ein Blogeintrag also. Kein Millionenbestseller, aber doch immerhin ein paar Klicks. Hauptsache Aufmerksamkeit, wie wir Publizisten sagen, wenn ich mich mal kurz so überhöhen darf, es ist auch nur des folgenden Absatzes wegen.

“Publizist”, das erschien mir früher nämlich einmal als Traumberuf, mit Anfang Zwanzig oder so, vielleicht war ich auch schon etwas älter. Es klang wie der bessere Journalist und irgendwie auch geistreicher als “Schriftsteller”. Publizist, das war etwas ganz Großes mit edler Anmutung. Publizist bin ich dann nicht geworden. Aber in meiner kleinen Digitalbude kann ich spielen, was immer ich möchte, auch Publizist, warum denn nicht. Wie Snoopy auf seiner Hütte mit der Sopwith Camel damals. Snoopy, mein Totemtier, aber im Gegensatz zu mir hätte er mit der “Laterne im Nichts” sicher sofort begonnen: “Es war eine dunkle, stürmische Nacht. In der Ferne leuchtete …”

Nun, zu seiner Zeit gab es aber diese ganze Onlinewelt noch nicht. Er hatte ja nichts.

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Musik! Und ein Tanzprojekt! Zwei Wünsche auf einmal. „I asked a handful of students to go into a room alone, play the song, and do whatever they wanted while the camera rolled. This is what happened.“

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Sie können hier Geld für Laternen in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank!