Herbstlich stabil

Am Morgen sehe ich beim ersten Gang vor die Tür schon zerschlagene Glastüren bei einem Geschäft um die Ecke, ein offensichtlicher Tatort. Splitter auf dem Gehweg, umgestürztes Mobiliar im Laden. Polizisten, die Spuren sichern und telefonieren. Gleichzeitig von irgendwo Hilferufe und auch lauter werdende Halt!-Rufe, es ist immer irritierend, wenn das genau wie in einer Serie klingt. Das gibt es also alles wirklich.

Dann ein fliehender Mann, oder verfolgt er jemanden, in Krimis erkennt man das besser.

Jedenfalls rennt er derart blind über die Kreuzung, dass ihn der Bus nur um Millimeter verfehlt und bei Kontakt wohl zuverlässig umgebracht hätte. Das vorweggenommene Bild des Aufpralls entsteht in den Köpfen der Betrachtenden gruselig deutlich, sicher nicht nur bei mir. Aber der Mann rennt panisch weiter, auf die nächste Kreuzung zu, mit noch mehr Verkehr, das kann nicht gutgehen.

Ein paar Meter weiter bringt ein Polizist der besonders sportlichen und sprintstarken Art den Mann dann robust zu Boden. Viel Geschrei, von überall Sirenen, dazu Blaulichtgeflacker. Obdachlose wühlen sich in Hauseingängen aus Schlafsäcken und gucken irritiert in die Szene. Müde Menschen auf dem Weg zur Arbeit, To-Go-Becher in der Hand, stehen mit offenem Mund, nehmen doch einmal die Kopfhörer ab und sehen sich um, wo hier überall Action ist.

Ob die Fluchtszene inhaltlich mit der eingeschlagenen Tür in Verbindung zu bringen ist, das erfährt man allerdings nicht. Die Wirklichkeit lässt gerne Enden offen, das ist oft unbefriedigend.

Es íst auch mir jedenfalls manchmal ein wenig zu großstädtisch in unserem kleinen Bahnhofsviertel. Solche Szenen vor dem Frühstück sind doch eher unbekömmlich.

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Im Laufe des Tages gibt es in Hamburg einige wenig überzeugende nasse Flocken im Regen, zermatschtes Grau im freien Flug, eher unschön, von wegen Winterzauber. Während ein Sohn gerade für eine Deutscharbeit lernt, was eine Alliteration ist, schmilzt der Schnee schnell auf den Scheiben der Dachfenster über ihm, ein glasiges Geschmier.

Ich gehe meine Einkaufsrunde durch Varianten von Regen, von Niesel bis Platz und Sturz. Es ist alles im Programm, eine ansprechende Auswahl. Als ich bereits unangenehm durchnässt bin und der Regen doch noch einmal weiter aufgedreht wird, eine letzte Zugabe für heute, sorgt immerhin der Streamingdienst im Shuffle-Modus für eine geradezu humoristische Intervention und spielt mir Randy Newman vor: „I think it‘s going to rain today.“

Ja, ach was.

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Im musikalischen Bereich vermerken wir außerdem überrascht neue Musik von Franz Ferdinand, die Älteren erinnern sich. Das Stück klingt vertraut und entschieden damalig, aber warum nicht. Mit etwas Schwung in den Dienstag.

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Im Bild eine Bank in Planten un Blomen, ebenso herbstlich wie stabil.

Eine Bank in Planten un Blomen, es liegt Herbstlaub darauf und auf der Rückenlehmme steht groß: Antifa.

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Regen, Schauer, Niederschläge

Im Guardian gibt es einen Artikel mit Verhaltensempfehlungen in der „Broligarchie“. Es sind einige dabei, die man auch von hier aus schon mitdenken kann. Oder muss. “Act as if you are now living in East Germany and Meta/Facebook/Instagram/WhatsApp is the Stasi. It is.

Denn dass wir weit davon entfernt sind, das Zielpublikum solcher Ratschläge zu werden, das glaube ich nicht mehr. Und wenn Sie bloggen, womöglich mit nachweisbarer Meinung zu diesem und jenem, beachten Sie bitte Punkt 2 in der Liste.

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„Heute nach Regen Übergang zu Schauerwetter“, so formulierten sie es gestern im Wetterbericht beim NDR, und es kam dann auch entsprechend. Ich denke, das ist in etwa das Niveau, auf dem wir positive Entwicklungen auch in anderen Nachrichten noch erwarten können, mehr muss man sich da nicht mehr vorstellen. Es ist eine recht treffende Beschreibung der Lage, wie auch damals, es wird schon Jahre her sein, die Formulierung „Zwischen den Niederschlägen einzelne Schauer.“ Doch nicht grundlos gemerkt, den Satz.

Im weiteren Verlauf der Vorhersage wurden dann noch Graupel angekündigt, es ging passend weiter und man muss sich insgesamt also, haha, warm anziehen.

Wettermetaphern immer ein Knaller, ich weiß.

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Einerseits wird auch diese Woche sicher ein wilder Ritt, andererseits wäre mehr Ruhe jahreszeitlich deutlich angemessener. Etwas Dunkeltuten würde schon passen, aber das ist schwer zu mischen.

Musik ist auch dabei hilfreich. Kultur bekomme ich gerade „nur“ über die Musik hin, denn die Konzentrationsfähigkeit für Bücher, auch für Hörbücher, ist mir im Oktober komplett abhandengekommen. Aber das macht nichts.

Es ist alles nur eine Phase, und ich kenne den Verlauf bereits. Wenn die Phase irgendwann endet, lese ich wieder umso mehr, und es wird mir dann auch recht sein. Bis dahin gibt es eben Musik, und zwar viel davon und mit konzentriertem Zuhören. Ich glaube, ich höre Musik gerade so, wie ich früher gelesen habe, mit einem etwas anderen Verständnis und auch mit Lernwillen. Auf langen, auch stundenlangen Spazierwegen. Man braucht einen Anker, um im Strudel der Nachrichtenlage nicht unterzugehen, und dieses Herumgehen und das Zuhören, das ist es gerade für mich.

Neuerdings auch mit klassischer Musik, für die ich lange keinen Sinn und nicht genug Geduld hatte. Ich fand nie einen offenen Zugang, jetzt geht endlich mehr.

Aber es kommen auch andere Richtungen weiterhin vor, ich bin ein Vielfraß. Etwa der Jazz und seine zahllosen Erweiterungen und Abstufungen. Wenn es um die Ruhe dieser Jahreszeit geht, um den November, um die dunklere Periode, dann erinnere ich gerne auch in diesem Jahr an Daniel Herskedal, er kam hier schon öfter vor.

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Die Kaltmamsell trat den Grünen bei. Mit nachvollziehbarer Begründung, und ich sah in den Timelines noch weitere Meldungen dieser Art. Aus dem, was im weitesten Sinne meine Bubble ist, haben sie wohl deutlich Zulauf.

Hätte ich es nicht vor Jahren schon getan, ich käme jetzt auch in Versuchung. Ich bin zwar längst wieder ausgetreten, aber das war am Ende eine betont Hamburger Geschichte, eher spezieller Natur, und ich finde es grundsätzlich richtig, wenn sich Menschen nun für diese Partei entscheiden. Bei allem, was gegen sie spricht, ja, ja, geschenkt.

Als ob wir viel Auswahl hätten.

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In den Bildern der Weihnachtsmarkt am Jungfernstieg von hinten und die noch geschlossenen Hütten aus dem Roncalli-Nostalgie-Imperium auf dem Rathausmarkt. In Bezug auf die Gemütlichkeit ist das alles noch ausbaufähig. Aber es wird weiter daran gearbeitet, sah ich im Vorbeigehen.

Die weißen Pavillonzelte des Weihnachtsmarktes auf dem Jungfernstieg von der Rückseite, mit großen, unbeleuchteten Sternen auf den Dächern, davor rotweiße Absperrgitter, kein sehr heimeliger Gesamteindruck

Der Weihnachtsmarkt auf dem Rathausplatz, die noch geschlossenen Buden

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Eier, Schinken, Kartoffeln

Vorweg vielen Dank für ein Buch, nämlich das „Jahr voller Wunder“ von Clemency Burton-Hill, Deutsch von Barbara Neeb, Ulrike Schimming (ach guck, die kenne ich, wie nett, ich habe neulich gerade ihre Hamburger Stadtteilreihe auf Instagram empfohlen) und Katharina Schmidt.

Ein klassisches Musikstück für jeden Tag wird in dem Buch empfohlen, mit Text und Erläuterungen dazu. Für gestern stand dort Perotins Beata Viscera auf dem Programm, ein Stück aus dem Jahr 1220, aus sagenhafter Zeit. Das passt hervorragend hinter die neulich von mir in der Kirche gehörten gregorianischen Gesänge.

In den Kommentaren bei Youtube hat jemand ein Bild der Original-Noten verlinkt, gucken Sie mal hier. Man kann kurz beeindruckt sein, nicht wahr. Aber ich mochte auch diesen Kommentar: „Pretty good for an eight-hundred-year-old recording.

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Der Eskapismus, den ich vorgestern in der Überschrift hatte, kommt von dem französischen Wort échapper“, habe ich dann später noch nachgelesen. Was wörtlich „die Ordensmütze wegwerfen“ heißt, und wie schön ist das denn. Aber das nur am Rande.

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Ich hatte gerade den Moustaki gleich zweimal hier im Blog, und beim weiteren Herumstöbern und Suchen kam ich auf die katalanische Sängerin Marina Rossell. In Spanien ist sie eine Berühmtheit, mir war sie nicht bekannt. Von ihr gibt es Album „Rossell canta Moustaki“, und ich nehme an, es sind wiederum zwei, drei Lesende dabei, denen das auch gefallen wird. Wie mir.

Ich bin aber auch ein schlichtes Gemüt, ich kann mich schon ein Album lang über die bekannten Melodien und die vielen gerollten Rs freuen. Frrreuen, sozusagen.

Und vielleicht wissen nicht alle, dass es diesen Meteque, eines der berühmtesten Lieder von Moustaki, ebenfalls in einer deutschen Version gibt, von ihm selbst gesungen. Ich teile es daher sicherheitshalber noch einmal.

„Ich bin ein Fremder, den man hasst,

Und dessen Schnauze dem nicht passt,

Der darin sieht, was er nicht fand.“

Wenn man zu Textanalysen und Versionsvergleichen neigt, fällt sicher kurz auf, dass das Wort juif aus dem Original hier nicht vorkommt:

„Avec ma gueule de métèque, de juif errant, de pâtre grec et mes cheveux aux quatre vents…“

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Ansonsten wiederum viel gearbeitet. Ungewöhnlich viel, unsinnig viel, aber teils immerhin aus bloßer Neigung und Interesse am Thema, insofern ist es kein Grund zur Beschwerde.

Aber es ist doch ein seltsames Jahresende, in jeder Beziehung. Nicht nur beim Thema Brotberuf und bei der Weltlage, es zieht sich so durch. Eskalationen, wohin ich sehe, es muss wohl gerade so sein. Ich merke mir jedenfalls bezogen auf die Arbeit eine Vokabel der Kaltmamsell zum in späteren Zeiten sicher wieder notwendigen Herunterfahren vor: „mittelemsig.“ Das dann rechtzeitig wieder werden.

Das Wort verleitet mich allerdings auch dazu, andere Menschen, die mir womöglich nicht flott genug agieren, künftig als Mittelemsen zu bezeichnen. Schlimm.

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Zwischendurch meine Mutter angerufen und gefragt, was ich für sie einkaufen kann. Sie hat bei kaltnassem Novemberwetter mittlerweile doch einige Schwierigkeiten mit der Beweglichkeit. Sie sagte, sie brauche Eier, Schinken und Kartoffeln. Dann amüsierten wir uns etwas, weil es wie ein besonders deutscher Einkaufszettel klingt, den man sich auch im historischen Wochenschautonfall vortragen kann, in dem es um Lebensmittelkarten geht. Als ich jung war, liebe Kinder, da gab es – ganz im Ernst! – noch eine Wochenschau im Kino. Auch das habe ich gerade nachgesehen und täusche mich nicht, bis 1977 gab es die.

Und das kann sich auch schon kein Mensch mehr vorstellen. Immer wieder die irritierende Frage: Wie alt müssen wir sein. War der oben erwähnte Perotin noch in den Charts, als ich Teenager war?

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Hier noch ein zusammenhangsloses Hafenbild, die Elbe am Fischmarkt bei Sonnenaufgang.

Das Bild zeigt den Hamburger Hafen bei Sonnenaufgang. Im Vordergrund ist ein Geländer mit einem Aufkleber, auf dem 'ANTIFA AREA' steht. Im Hintergrund sind zahlreiche Kräne und industrielle Strukturen zu sehen, die sich entlang des Wassers erstrecken. Der Himmel ist teils bewölkt, und die Sonne erzeugt ein warmes Licht, das sich im Wasser spiegelt.

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Kultureller Eskapismus

In meiner flott in den Alltag integrierten Rettungsreihe „Kultureller Eskapismus“, die ich bisher weiterempfehlen kann, sie wirkt immerhin etwas gegen die übermäßig schlechte Stimmung, habe ich mich währenddessen noch mehrfach beorgeln lassen. Wieder in St. Petri und St. Jacobi.

Außenmauer St. Petri, bröckelnde Ziegel an einem alten Fenster

Es gab Werke von Buxtehude, Brahms und Bach. Was ein wenig so klingt, als müssten sie unbedingt mit B anfangen, diese Herren, in deren Kreis mir eine Frau bisher nicht begegnet ist. Frauen und alte Kirchenmusik … aber wen sollte das überraschen.

Dann gab es ein wenig Mendelssohn Bartholdy, immerhin ist bei ihm ein Name mit M vorangestellt. Eine Weile habe ich etwas trottelhaft überlegt, wieso auf dem Programmzettel die seltsame Kurzform „Felix Mende“ stand. Dann spät erst verstanden, dass der Organist an diesem Tag tatsächlich so hieß und etwas von Felix Mendelssohn Bartholdy spielte.

Sicher auch ein Spezialschicksal, mit diesem Namen.

Dann zwei abweichende Namen, Charles Tournemire und Jean Langlais, französiche Komponisten und Organisten, beide mir bisher unbekannt, auch interessant.

Außerdem habe ich zum ersten Mal gregorianische Gesänge da gehört, wo sie herkommen und hingehören, also in einem kirchlichen Raum, das war ebenfalls großartig (Ensemble Benedicte). Und natürlich war es besser, viel besser als über Kopfhörer auf dem Sofa.

Ich habe die singenden Damen und Herren nicht gesehen, während sie sangen, und dann nach dem Konzert gestaunt, wie wenig es waren. Ein Grüppchen nur – und für mich klangen sie überzeugend so, als sei ein ganzes Kloster angetreten. Faszinierend.

Eine Kirchenbank in St. Jacobi

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Zwischendurch bin ich wieder an Podcasts gescheitert, weil ich die Sprache nicht mehr ertrage. Oder nein, die Sprache vielleicht noch, die Betonungen nicht. Ich habe einen wahren Hass darauf, dass alles und zu jedem Thema mittlerweile so vorgelesen wird, als sei es einem Bilderbuch für die ganz Kleinen entnommen.

Wenn man bei einem „großen Problem“ etwa das o in der ersten Silbe besonders groß macht. Wenn man es dramatisch in die Länge zieht, ordentlich überbetont. Ich habe sofort die Vorstellung eines Kindergärtners in einem Kreis von ganz Kleinen dabei, der beim Vorlesen mit beiden Händen die Größe des Problems auch anzeigt. Die Arme zur Decke erhoben, damit es wirklich von allen verstanden wird, dass dieses Problem bestimmt durch keine Tür passt. Die Augen dabei weit aufgerissen, Laientheaterblicke.

Meine Güte.

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Vorindustriell und der Zukunft zugewandt

Die Innenstadt wird währenddessen weiter forciert vergemütlicht, hier im Beispiel der Markt auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz, kurz vor der Eröffnung.

Der noch geschlossene Weihnachtsmarkt auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz

Die großmütterliche Uhr im Bild mit doppeltem Festverdeutlichungssternchen als Möglichkeit der Traulichkeitskonzentration im Dingsymbol. An allen Bretterbuden klemmt derartiges. Eiche rustikal mit Märchenelementen, dunkles Holz, Vergangenheit, Wald, Bäuerliches, Vorindustrielles, Handwerkliches. Zeug aus einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat.

Zwischen zwei großen Tannen in Kübeln das Wort „Winterwald“ geklemmt, ach schön, Illusion fast perfekt, nach dem dritten Glühwein spätestens.

Wenn man die Symbole von den Buden herunternimmt und nebeneinander aufreiht, ergeben sie abgelesen gewiss ein Volkslied. Im Grunde klemmt da das komplette Lyrikvokabular der damals so reich und schön vertonten Epoche, und von der Straße her ein Posthorn klingt.

Na, wenn es denn hilft. Man muss doch in Stimmung kommen. Sagt man.

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Über den großen Widerwillen nachgedacht, mit dem nicht nur ich jetzt auf die Nachrichten aus Deutschland und der Welt sehe. Alles ekelhaft finden, tatsächlich ekelhaft, mit körperlich spürbarer Abwehr, ekelhaft, dumm und empörend. Aber überhaupt keine Nachrichten mehr zu lesen, das wird auch keine dauerhaft vernünftige Option zu sein. Am Ende muss man aus gewissen Entwicklungen Maßnahmen welcher Art auch immer ableiten. Das ist immerhin möglich, was weiß ich.

Ich habe noch keine Lösung für dieses Dilemma gefunden, abgesehen von der Simpelstrategie, kategorisch nur noch die Schlagzeilen zu lesen. Es ist alles enorm unbefriedigend, und man wird sich doch über Jahre mit diesem Zustand arrangieren müssen. Und darf dabei nicht einmal vergessen, dass es schon ein Privileg ist, ein großes sogar, wenn man sich mit etwas nur arrangieren muss. Quasi Kleinigkeit.

Aber es ist wie immer, das Relativieren bringt keine seelische Erleichterung und ist eine nur höchst theoretisch wirksame Kur.

Währenddessen poppen auf den Fußwegen bereits die Wahlplakate auf, in merkwürdiger Konkurrenz zur Weihnachtsdeko. Mit immerhin sinniger Verknüpfung der beiden Themen, wenn es um den Wahrheitsgehalt geht. Es ist alles sehr besinnlich, entschieden sozial auch, klimafreundlich und doch wachstumsorientiert, wunderbar heimelig und sicherheitshalber auch tief empfunden christlich, dabei aber doch irgendwie für alle und selbstverständlich für die Zukunft, sicher doch, bei Bedarf aber tief in der Vergangenheit verwurzelt.

Und Putten und Politiker, sie lächeln so lieb.

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Egal. Wieder positiv enden, einfach wie gestern noch einen Moustaki anhängen. In der Dichtung und den anderen Künsten werden ebenfalls Versprechungen und Slogans geliefert, so ist es ja nicht, sie klingen nur besser:

„Je déclare l’état de bonheur permanent
et le droit de chacun à tous les privilèges.”

Das ist mal eine Ansage.

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Brahms, Dunkelheit, Moustaki

Ob es am Montag oder Dienstag zwischendurch hell draußen war, ich könnte es nicht ernsthaft bezeugen und habe auch berechtigte Zweifel daran. Ich weiß nur halbwegs sicher, es hat zwischendurch geregnet, auch mehrmals und lange. Ich hörte die Tropfen auf den Scheiben und fand es im Home-Office halbwegs gemütlich. Immerhin war ich drinnen, der Regen war draußen, das war so weit in Ordnung. Es war, mit anderen Worten, ausgeprägt November. Und wann immer ich vor der Tür war, so oft war es leider nicht, war es dunkel dort.

Ansonsten habe ich viel gearbeitet und mich zwischendurch sogar als seltsam motiviert empfunden. An dem einen Morgen stand ein Sohn allerdings um 5 auf, um vor der Schule noch ins Fitness-Studio zu gehen. Es gibt immer irgendwelche anderen, die es noch sportlicher angehen. Kein Tag ohne Demütigung, ich sage es ja.

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Beim eher ziellosen Herumgehen in der Stadt, kurz springe ich zeitlich zum Sonntag zurück, bin ich am Brahms-Museum vorbeigekommen. Ich hätte es nicht einmal parat gehabt, dass wir so ein Museum in der Stadt haben, dabei ist das doch einigermaßen naheliegend. Ich war auch noch nie diesem Hinterhof-Fachwerk-Ensemble dort um die Ecke, in der Peterstraße, und das kann man ruhig einmal gesehen haben.

Ein Fachwerkensemble in der Peterstraße, Komponistenviertel

Da also auch einmal hingehen, in dieses Museum, es war noch geschlossen, als ich davorstand. Womöglich sogar noch in diesem Jahr hingehen. Alles gleich umsetzen, oder doch wenigstens bald.

Auf dem weiteren Weg durch die graue Novemberstadt habe ich dann das Deutsche Requiem von Brahms gehört, wo der Herr mir schon so unvermittelt in den Weg sprang, das schien mir in der Folge passend zu sein. Und tatsächlich war es als Hintergrundmusik zu allem sehr schön, sogar als Soundtrack zur menschenleeren Eisbahn am Morgen und zum spätherbstlichen Park drumherum: „Das Gras ist verdorret und die Blume abgefallen.

Planten un Blomen in herbstlicher Verfärbung, Blick auf den Fernsehturm, ein umgestürzter Baum in einem Gewässer

Demnächst gibt es eine Aufführung des Requiems im Michel, sehe ich gerade, und zack, habe ich prompt eine Karte gekauft, als entschlossener Machertyp, der ich bekanntlich bin. Also manchmal. Eher selten. Egal.

Die noch menschenleere Eisbahn in Planten un Blomen am Morgen

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Es gab ansonsten Maultaschensuppe ohne Rezept. Suppengrün, Maultaschen aus dem Kühlregal und was so herumlag. Mit frischer Petersilie darüber ist auch das schon von mindestens kantinentauglicher Qualität, wenn nicht besser.

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Auf Youtube, immer auch das Positive wahrnehmen, zeigen und hervorkehren, habe ich einen Clip von Moustaki und Barbara gefunden, und guck an, diese Aufnahme des Liedes kannte ich noch nicht. Schön, schön.

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Dinge werden geregelt

Auf dem Stadtspaziergang am Sonntagmorgen, ich gehe wieder etwas nach, begegnen mir 24 Obdachlose. Hätte ich genauer hingesehen, wäre ich nur ein wenig aufmerksamer gewesen, die Zahl wäre sicher noch höher ausgefallen.

Immer wieder in den letzten Monaten und Jahren hatte ich das Gefühl, es sei eine Höchstzahl erreicht, dann wurden es erneut mehr. Seit Beginn der Pandemie ist die Lage auf der Straße eskaliert, Sie erinnern sich vielleicht noch an die Anfänge der Entwicklung. Die Medien berichteten zunächst häufig über den sprunghaften Anstieg der Verelendung, in meinen Texten stand ebenfalls einiges dazu.

Die Schlange vor der Essensausgabe in der Kirche gegenüber wurde länger und länger, bis hin zu Bildern, bei denen man unwillkürlich an Charles Dickens denkt oder an Bilder aus der Weimarer Zeit – hungrige Menschen warten im Regen auf etwas Suppe und Brot. Mein Indikator für die soziale Not im Blickfeld vor der Haustür.

Die Lage hat sich seit den ersten Coronajahren aber nicht wieder geändert. Man muss es sich vielleicht ab und zu bewusst machen, in unserem neuen, mehr oder weniger postpandemischen Alltag, dass dieses veränderte Normal da draußen nicht sehr alt ist.

Oder, noch ein Beispiel, ich gehe zum Einkaufen, ich zähle wieder mit: Zwölf bettelnde Menschen am Straßenrand. Nur auf dem Hinweg.

Währenddessen werden in der Stadt Scheindiskussionen geführt, etwa über das Bettelverbot im ÖPNV. Darf es das nun geben oder nicht, soll es das geben. Da hat man Meinungen dazu und sagt sie auch, schreibt sie, druckt sie, sendet sie. Dabei ist es vollkommen egal, ob es da ein Verbot gibt oder nicht. Es ist sowieso nicht daran zu denken, dass so ein Verbot jemals durchgesetzt werden könnte. Hundertschaften von Kontrolleuren müssten dafür pausenlos durch die Bahnen, immer wieder durch alle Wagen geschickt werden, das ist nicht realistisch. Es ist wie mit den Zone-30-Regelungen: Es ist egal, ob es sie gibt oder nicht, es hält sich eh niemand daran.

Und ich bin wieder bei der Herbeibehauptungskultur, die ich als so kennzeichnend für unsere Zeit empfinde. Wir sagen, das Betteln sei verboten, wir sagen, man solle langsam fahren, und wir hören dann auf. Die Umsetzung interessiert nicht, es ist alles egal.

Aber man hat doch etwas geregelt, und darin liegt die Tat. So meint man.

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Hier eine zusammenhangslose Möwe. Warum auch nicht.

Eine Möwe auf dem Dach eines Alsterbootes, im Hintergrund Wolken und die Alsterfontäne

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Ansonsten ein bemerkenswert sportlicher Wochenanfang, Aufgaben dicht an dicht, oder, um es doch einmal bemüht positiv auszudrücken: Vollbeschäftigung.

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Spiegelungen und schwere Lasten

Eine Journalistin der Lokalzeitung, für die ich regelmäßig kolumnisiere, schrieb in der letzten Woche, dass man auch solche Nachrichtenlagen wie die aktuelle aufs Lokale herunterbrechen müsse. Womit sie aus Sicht der Zeitung Recht hat, und es gilt auch für mein Verständnis des Blogs. Welches keine Allgemeingültigkeit hat, Blogs können beliebig vielfältig interpretiert und jederzeit neu gedacht werden, eh klar. Andere etwa haben Anmerkungen zur Neuwahldiskussion.

Aber tatsächlich finde ich es interessant, auch mit jedem Jahr mehr, wie sich die Nachrichtenlage, die große Lage, im Lokalen und Erreichbaren spiegelt, vor meiner Haustür, in der Wohnung, im Büro, beim Discounter, im Supermarkt etc.

Und da standen sie am Freitag auch schon vor mir an der Kasse, die Interpreten der aktuellen Spiegelung. Zwei junge Männer in der Mittagspause oder Schulpause, das kann man in dem Alter nicht recht wissen. Achtzehn, neunzehn Jahre waren sie vielleicht alt, so in etwa. Sie sahen beim Warten in der Schlange auf den kleinen Pressestand neben der Kasse, auf die Schlagzeilen der Boulevardzeitung. Sie sahen den neu gewählten US-Präsidenten, und der eine sagte, anerkennend nickend:

„Trump ist der Mann, Digga, einfach der beste Mann. Erst haben sie alle gesagt, der kann nix, weißu, und dann wählen sie ihn doch. So einen braucht Deutschland jetzt auch.“

Und der andere antwortete: „Aber genau so einen, Digga, genau einen wie den. Das wär‘s.“

Denn wenn man die Spiegelungen im Lokalen beachtet, so heißt es ja nicht, dass sie einem gefallen müssen. Keineswegs heißt es das.

Eine streetartmäßiug beklebte Wand, ein Plakat zeigt das E von Edeka mit einem nachgestellten Digga

Am Rande interessant für mich, es fiel mir bei diesem Dialog auf, dass mir Schlagzeilen, also Print-Schlagzeilen, kaum noch im Alltag auffallen. Die beiden großen Läden, in die ich fast täglich gehe, haben die Zeitungen nicht mehr prominent platziert, sie sind in den letzten Jahren aus dem Blickfeld gerückt. Es schreibt sich leicht, ist aber wieder eine dickere Scheibe Kulturgeschichte.

Ansonsten wurde die aktuelle Eskalation der Politik in den Smalltalksituationen der vergangenen Woche eher lapidar erwähnt. Vor allem im Zusammenhang mit Sachen, die nicht gingen, die kaputt waren, nicht mehr liefen oder entgleisten, es gab in verschiedenen Zusammenhängen in meinem Umfeld einige davon:

Das jetzt auch noch. Na, das passt ja ins Bild.“

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In der Mönckebergstraße wurde am Sonntag weiteres Weihnachtsdekozubehör auf besonders großen Fahrzeugen herangefahren, für Weihnachten braucht es einen Schwerlasttransport. Das kann man besonders sinnreich finden, je nach Einstellung zum Fest.

In den Timelines sah ich die mehrfach geäußerte Verwunderung, wie viel Weihnachten jetzt schon stattfindet, und noch während ich das las, sagte die Herzdame, dass wir Weihnachten mal aus dem Keller holen müssten.

Meinetwegen nicht, dachte ich. Aber egal.

Am Rathausmarkt muss währenddessen jemand mit Kommandogewalt den klassischen Befehl „Hisst das Weihnachtsfest!“ ausgerufen haben, ich sah es am Nachmittag.

Aufbauarbeiten am großen Weihnachtsstern auf dem Rathausmarkt, das hohe Gestänge, auf dem er sitzt, wird montiert

Und in den Foodblogs erscheinen währenddessen mehr und mehr Plätzchenrezepte, auch der erste Grünkohl wird auf diesen Seiten bereits verarbeitet. Es gibt Kohl und Kekse in chaotischer Weltlage, denn der Mensch braucht irgendeinen Halt.

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Schließlich: Die Bedeutung des Fucks beim Feuerkissen. Ein Weiterbildungslink.

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Und damit ab in eine neue Woche. Kennen Sie L.A. Salami? Ein hervorragendes Lied für den Montagmorgen.


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Stupid mental health

Es gab, die Reihe wird fortgesetzt, eine asiatisch anmutende Hühnersuppe, frei nach dieser theoretischen Grundlage. Suppen passen in den Monat und ich kriege eh nicht mehr alle Familienangehörigen zu einer bestimmten Tageszeit zum Essen. Wir brauchen leicht aufwärmbare Gerichte, nachts aufwärmbare Gerichte. Teenagertaugliches Zeug brauchen wir, und viel davon.

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Morgens bin ich kurz in den Park neben dem Supermarkt gegangen, um nachzusehen, ob der nun endlich nach bekannter Lyrikvorgabe georgemäßig totzusagen sei. Aber es wirkte immer noch alles recht belaubt und belebt dort, es war nicht einmal alles ordnungsgemäß gelb eingefärbt, außerdem gab es spielende Kinder auf dem Basketballfeld im Bild. Also nein.

Abwarten. Der November wird schon noch aufholen, er tat es bisher immer irgendwann. Falls die Vorjahre überhaupt noch etwas beweisen, man hat mittlerweile doch einige Zweifel.

Später eine Alsterrunde. Natürlich gegangen, nicht gejoggt, ich habe mich bis dahin noch im Griff. Leer war es auf den Wegen um die Alster herum, ungewohnt leer. Lange habe ich dort nicht mehr so viel Freiraum erlebt. Einige Szenen fast ohne Menschen gab es, nur Wasservögel im Bild, Kormorane, Schwäne, Blässhühner, Stockenten.

Am jahreszeitlich angemessenen Wetter wird das Ausbleiben der Menschen gelegen haben. Am elaborierten Novembergrau, das bis in die Details des Landschaftsbildes wirkte, bis in die Gesichter der wenigen Passanten auch. An der schwachnebeligen, diesigen, feuchtklammen Luft lag es gewiss, am Ausbleiben einer lockenden Helligkeit und dann daran, dass es schon am Vormittag so aussah, als wollte es gleich wieder dunkel werden. Es lohnte sich doch kaum, da erst rauszugehen.

Wir haben diese Phase des Jahres erreicht, in der man die Unfähigkeit zum Winterschlaf wieder allgemein bedauert.

Bunte Segel auf der novembergrauen Alster

Sogar weniger enthusiastische Sportmenschen als sonst sah ich, deutlich weniger. Auch die blieben an diesem Tag zu Hause und aßen vermutlich Lebkuchen oder ähnliches Zeug, damit sie bald wieder etwas abzutrainieren haben. Wenig Joggende also, und die liefen in seltsam anmutenden Outfitkombinationen. Unten kurze Hose, oben dicke Wollmütze, oder dünnes Muskelshirt und selbstgestrickter Schal sowie wollene Fäustlinge dazu, so etwas.

Ansonsten etliche Paare mit Kinderwagen. Oft mit den Großeltern oder befreundeten Menschen dabei. Männer gingen neben Männern, Frauen gingen neben Frauen, fast unweigerlich war das so, und viele gingen schweigend. Es war, so muss es allgemein empfunden worden sein, kein Plaudertag.

Nicht wenige sahen auf ihrer Runde arg gelangweilt, übermüdet, abgekämpft, zumindest lustlos aus. Ein blasses Elternpaar mit von Gähnkrämpfen entstellten Gesichtern. Ich erinnere mich an diese Phase bei uns, und mit Grauen. Man reißt sich zusammen, man schiebt um die Alster, denn man muss ja einmal raus. Die Kinder brauchen Luft, und eine weitere Motivation gibt es da nicht, braucht man auch nicht.

Eine leere Schaukel im Alstervorland, zwei Gartenstühle daneben

Einmal etliche Gänse im Tiefflug über den jungen Familien. Ein wenig sah es für einen Moment aus wie auf einer werbenden Skandinavienpostkarte, es fehlte nur etwas Weiß im Bild, etwas Winterschönheit in der Landschaft. Damit ist aber vorerst weiterhin nicht zu rechnen.

Schließlich die paar Menschen, die allein um die Alster gingen, mit den Kopfhörern auf und in eigener Musikwelt. Die manchmal recht schnell gingen, so wie ich. Und die dabei ein bekanntes Tiktok-Meme auszuleben schienen: „I’m going on a stupid walk for my stupid mental health.“ Eine geschichtliche Erläuterung dazu noch aus Corona-Zeiten findet man hier.

Mit finsterer Miene pflichtgemäß losgestapft, weil muss ja, warum auch immer. Es gibt mittlerweile Tausende von Versionen dieser Clips, und es ist keineswegs auszuschließen, dass ich ebenfalls danach ausgesehen habe, dass ich von Entgegenkommenden derartig einsortiert wurde.

Es passte schon, im weitesten Sinne. Aber ich mag den Monat, das immerhin. Es ist mir alles recht, das Grau, die Leere, die Ruhe, die frühe Dunkelheit auch. Und die Lebkuchen.

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Winterkälte, warme Suppen

In die Reihe „Zeichen des Niedergangs“ können wir Vanessas Anmerkungen zur Buchung und Durchführung von Bahnreisen einordnen.

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Kein Trost, nirgends“, das ist vermutlich kein motivierender Teaser, aber Jonas Schaible schreibt einen lesenswerten Newsletter. Und in Zeiten, in denen es deutlich schwieriger wird, sich vernünftig zu informieren, sollten wir unsere Quellen umso mehr teilen.

Apropos teilen, neulich habe ich wieder einmal diese finnische Suppe gemacht, Lohikeitto, die ich eine Weile vergessen hatte. Es ist eine gute, einfache Suppe, und man hat nebenbei ein finnisches Wort gelernt.

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Die Gorch Fock ist in Hamburg zu Gast. Ich habe das Schiff noch nie gesehen, gehe also eben zum Hafen, um nachzusehen, ob sie planmäßig angelegt hat. Ich mache das direkt nach dem Home-Office, das ich nur mit knapper Not gegen 13 Uhr nicht an die Wand werfe. Es war insgesamt eher nicht meine Woche, um es bündig zusammenzufassen, und hanseatische Contenance ist gerade eine knappe Ressource.

Egal, freitags ab eins macht jeder seins, es gibt alte Regeln, die muss man durchsetzen.

Wo war ich. Zum Hafen, zum Hafen, denn, wie schon der deutsche Barockdichter Bernd Begemann schrieb, „in Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung.“

Ich gehe dorthin, bevor die Massen heranrauschen, denn am Wochenende ist „open ship“ und man kann den berühmten Segler besichtigen. Aber das wird vermutlich recht voll werden, lange Schlangen wird es da geben, das möchte ich wieder nicht.

Die Gorch Fock liegt allein an der Überseebrücke, und das sei, wie jemand im Fernsehen sagte, eine besondere Ehre. Ich gehe die lange Brücke runter, die ich schon als Kind an der Hand eines Hamburger Großonkels hinuntergegangen bin, und gucke mir das Schiff an. Um mich herum bereits etliche andere Fotografen, alle frierend im Wetter, welches gut zu Nordatlantikfahrten und dergleichen passen würde. Eiskalt fährt es einem in die Jackenärmel, es beißt einem in die Ohren und die Finger waren auch schon einmal beweglicher, das geht heute einwandfrei als Winterkälte durch. Vor der Gangway ein frostblasser Marinesoldat, der freundlich Besucherinnen abwehrt, nein, heute noch nicht.

Die Gorch Fock an der Überseebrücke im Hamburger Hafen vor grauem Novemberhimmel

Das Schiff ist deutlich kleiner, als ich gedacht hätte. Das wird daran liegen, glaube ich, dass es in den Medien immer schön freigestellt gezeigt wird. Möglichst beeindruckend fährt es in den Clips dahin, perspektivisch hervorgehoben legt es irgendwo an. Tatsächlich wirkt es da an unten der Brücke eher handlich als majestätisch.

Und vorne am Bug, diese Figur – sehen Sie das auch, wonach das aussieht? Nach Playmobil? Das kann doch nicht nur mein Eindruck sein.

Die Galionsfigur der Gorch Fock

Ich mache meine zwei Fotos und gehe wieder. Ich habe eine Bildungslücke geschlossen und verbleibe mit der Frage, ob es wohl dieses unvergessliche „Klack“ gemacht hat, als man den Vogel vorne drangesteckt hat.

Aber ich will nicht spotten, pardon. Großsegler sehe ich gerne, so ist es nicht.

Dann frierend nach Hause. An der Station Baumwall steige ich in die U-Bahn, in der Fahrgäste an den Fenstern kleben und „Wo ist sie denn?“ fragen, Masten im Blickfeld suchen: “Ist sie das? Ist sie das?“

Kurz aufwärmen und dann gleich wieder zum Einkaufen gehen. Man braucht mehr Suppe in diesen Zeiten.

Blick auf die Elbphilharmonie von der Überseebrücke aus

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