Kurz und klein

 

Gratiscomictag

Ein Terminhinweis, der für viele zu spät kommen wird, ich habe aber auch erst gestern von der Aktion erfahren – heute Gratiscomictag. da werden bei einigen Händlern bestimmte Comics verschenkt, welche, wo und wie erfährt man hier. Wir haben das eben im Presseshop im Hamburger Hauptbahnhof ausprobiert, das war sehr ergiebig und erfreulich. Im Hauptbahnhof  ist die Aktion allerdings auch schon wieder beendet. Auf der eben verlinkten Seite findet man weitere Gelegenheiten, nicht nur in Hamburg.

 

Comichefte
 
Und nächstes Jahr weise ich dann hoffentlich früher auf den Tag hin.

Zur Hetlinger Schanze

Hetliger Schanze/Elbe mit Boot

Wir haben neulich beim Besuch der Langen Nacht der Museen festgestellt, dass wir da sieben Jahre lang nicht mitgemacht haben, das war tatsächlich eine etwas irritierende Erkenntnis. Kaum bekommt man ein, zwei Kinder, zack, sind schon sieben Jahre um? Hat man denn womöglich noch mehr Unternehmungen sieben Jahre lang einfach ausfallen lassen, nur weil man zu nichts kam? Es sieht ganz ganz so aus.

Die Hetlinger Schanze – hier die Wikipediaseite dazu – ist ein Elbstrand und Naturschutzgebiet kurz hinter Wedel, von Hamburg aus betrachtet. Da waren wir früher öfter, da waren wir immer gerne. In einem Früher, das fast schon ein Damals geworden ist. Jetzt fuhren wir also mit den Söhnen dahin, denn es ist immerhin auch eine Art Bildungsauftrag, ihnen die die obligatorischen Ausflugsziele ihrer Heimat nahezubringen.

Wenn man nicht gerade an den strahlenden Feriensommertagen hinfährt, an denen ganz Norddeutschland rudelweise überall grillt, wo man sich auf Sand oder Wiese setzen kann, dann ist das ein verblüffend menschenleerer Strand. Vor allem, wenn man ihn mit dem Elbstrand bei Hamburg vergleicht, mit den Massenwimmelszenen vor der Strandperle. Und wenn der Himmel etwas bedeckt ist, so dass etliche Ausflügler gleich zu Hause bleiben, dann ist es ein perfekter Tag für die Hetlinger Schanze.

Hier kommt alle paar Minuten ein Radfahrer vorbei, zwei, drei Familien liegen im Sand herum, ein einsamer Spaziergänger starrt sinnend in die Wellen – das war es. Sonst trifft man nur Schafe, die auf den Deichen grasen, ganz so, wie man es vielleicht aus Nordfriesland gewohnt ist. Irritierenderweise kann man hier übrigens Schafe und Deiche sehen und dennoch Netz auf dem Handy haben, das ist für den Eiderstedtliebhaber eine höchst verblüffende Erfahrung.

Man kann Schafe und Schiffe gucken, man kann Hände und Füße ins Wasser halten. Und mehr brauchen Kinder auch nicht für ein, zwei perfekte Stunden.

Hetliger Schanze/Sohn I gräbt

Hetliger Schanze/Sohn Imit den Füßen in der Elbe

Zwischendurch etwas Treibholz zurück ins Wasser befördern und zusehen, wie es langsam Richtung Nordsee treibt. Schon hat man einen wunderbaren Nachmittag.

Hetliger Schanze/Die Söhne am Strand

Man kann die beiden höchsten Strommasten Europas, die hier am Ufer der Elbe stehen, ignorieren oder auch bewundern. Ich halte es wie die Schafe, ich gucke da gar nicht hin. Man kann immerhin in zwei Richtungen von den Strommasten wegwandern, dann sieht man sie sowieso nicht mehr. Man könnte natürlich auch ganz herausragend gut radfahren, wenn man denn Räder dabei hätte.

Hetliger Schanze/Strommast und Radweg

Ich finde das ja äußerst entspannend, Schafe und Deiche und Schiffe. Ganz ohne weitere Zutaten. Na gut, etwas Wind, etwas aufblitzendes Sonnengefunkel auf dem Wasser noch. Man fühlt sich so angenehm norddeutsch dabei, so küstennah. Und man hat fast unweigerlich so ein kleines erholungsurlaubsähnliches Gefühl. Auch wenn man nur zwei Stunden da ist.

Hetliger Schanze/Schafe

Und wenn man einen lernwilligen Nachwuchsblogger dabei hat, dann kann er sich sehr schön darin üben, geduldige Schafe zu instagrammen. Sohn I macht das hier gerade vor.

Hetliger Schanze/Sohn I fotografiert

Es ist nicht ganz der freie Blick, denn man von Eiderstedt kennt, aber es ist so nah dran, wie man dem eben kommen kann, wenn man nur ein ganz kleines Stückchen aus der Stadt hinaus fährt.

Hetliger Schanze/Schafe

Es gibt einen Bauernhof an der Hetlinger Schanze, den man nicht übersehen kann, weil man geradezu zwingend vor ihm parkt. Was man aber leicht übersehen kann, ist das Café auf dem Hof.

Hetliger Schanze/Hinweisschild Café

Da sitzt man entweder im Garten oder quasi beim Bauern im Wohnzimmer, bekommt Kaffee und hausgemachten Butterkuchen und Eis für die Kinder. Und das Café ist so dermaßen unspektakulär, dass man es schon dafür lieben muss. Besonders wenn man aus einem Szeneviertel kommt, in dem mittlerweile jedes Etablissement gnadenlos durchgestylt und inszeniert ist. Hier ist gar nichts gestylt. Hier stehen einfach Tische und Stühle. Und das kann auch einmal erholsam sein.

Ringsum ist reichlich Natur, man kann endlos gehen und wandern, wenn die Kinder denn endlos können. Können sie aber nicht, sie müssen z.B. Blumen pflücken. Das ist dann eben wichtiger, versteht sich.

Hetliger Schanze/Sohn II pflückt Blumen

Und das macht auch nichts. Dann hat man eben noch mehr Gelegenheit, sich die Schafe anzusehen. Das passt schon.

Hetliger Schanze/Schafe

Ich glaube, wir fahren da jetzt wieder öfter hin.

Gelesen, vorgelesen, gesehen, gehört im April

Uwe Timm: Montaignes Turm. Essays. Das habe ich als eBook gelesen, daher ohne schickes Bild. Dabei fiel mir auf, dass sich Essays ganz hervorragend als eBooks eignen, das fühlt sich viel besser an als Romane, die Sachlichkeit der Gedanken harmoniert so nett mit der Technik. Vermutlich entwickelt man bei der Wahl der Medien irgendwann drollige Ticks, es gibt dann eben Bücher, die müssen gedruckt sein, die passen auf das iPad, die passen auf das Handy usw. Und warum auch nicht.

Essays also, es geht in dem Band hauptsächlich um Literatur und dabei wiederum um ältere. Da habe ich wieder gemerkt, dass ich, ohne recht zu wissen warum, Sekundärliteratur manchmal wahnsinnig gemütlich finde. Ja, gemütlich. Es fühlt sich seltsam heimelig an, über den Konjunktiv bei Kleist zu lesen, obwohl mich der wirklich nicht brennend interessiert. Ich habe auch nicht den Eindruck, mir besonders viel vom Inhalt zu merken, als Bildungsarbeit geht das also kaum durch, aber ich finde es irgendwie beruhigend und erbaulich. Die Raumform bei Montaigne, das nationale Identitätsgefühl bei Kafka, das klingt doch schon alles so herrlich unaufgeregt. so bibliothekslastig, so ruhig und ungestört erarbeitet in einem stillen Akademikerzimmer. Und das kann einem auch einmal guttun, sich in eine solche gelassen-gelehrte Stimmung zu begeben. Oder mir jedenfalls.

Und Uwe Timm ist natürlich ein ausgezeichneter Stilist, an seinen Sätzen denkt man gerne entlang, zumal er immer wieder so faszinierend wort- und detailverliebt ist. Wer ihn einmal auf der Bühne erlebt hat, der weiß, wie sich das auf die Zuhörer überträgt, diese Liebe zum Wort, zum Satz, zum Klang, zur Kleinigkeit. Und weil ich das so nett fand, diese Essays zu lesen, habe ich, ebenfalls als eBook, gleich darauf noch ein Sachbuch angefangen:

Karl-Markus Gauß: Lob der Sprache, Glück des Schreibens. Das sind kleine Stücke, irgendwo zwischen Glosse, Kolumne und Essay. Glänzend geschrieben und gedacht, es liest sich ein wenig so, als hätte man ein sehr, sehr gutes Blog entdeckt. So thematisch wild durcheinander, teilweise auch so kurz, meistens aber doch interessant. Ein ausgezeichnetes Zwischendurchbuch, von diesen Texten passen manchmal auch drei zwischen bei S-Bahnen. Im Freitag eine schöne Rezension zum Buch.

Gleich noch ein paar mehr Essaybände vorgemerkt, denn mit anderen Leuten quasi gemeinsam herumzudenken, das hat ja den Vorteil, dass man sich mal wieder fragt, ob man selbst eigentlich genug denkt. Gründlich genug denkt. Elegant genug denkt. Und die Fragen schaden ja nicht.

Karen Köhler: Wir haben Raketen geangelt
Wir haben Raketen geangelt

Das habe ich in Wahrheit noch gar nicht angefangen, das wollte ich nur anfangen. Ich habe Karen Köhler aber schon mehrfach daraus lesen hören und war jedesmal komplett hingerissen, ich fand die Geschichten wirklich außerordentlich gut. Und, weswegen ich das Buch auch schon erwähne, die Herzdame hat es bereits komplett durchgelesen und mir dann mehrfach Vorträge darüber gehalten, was das für ein tolles Buch sei. Und ich glaube fast, dass hat sie noch nie bei irgendeinem Buch gemacht.

Robert Seethaler: Die weiteren Aussichten

Die weiteren Aussichten

Bei Robert Seethaler reden alle vom Trafikanten und vom ganzen Leben, die beiden Titel scheinen ja gerade auf jedem Nachttisch zu liegen. Und bei mir ist es nun so – ich fand das hier noch besser. Das ist eine höchst spezielle Liebesgeschichte, ein abgedrehtes Road-Book, eine Hymne auf das Anderssein, ein durchgeknalltes Provinzstück, das ist ganz wunderbar und außerdem ein enormer Spaß. Zwischendurch klingt der Seethaler streckenweise wie Wolf Haas, das ist ein wenig irritierend, passt aber hervorragend zur Story und man möchte überhaupt nicht, dass das Buch aufhört. Ich weiß nicht, ob es bereits verfilmt wurde, es müsste aber ganz dringend verfilmt werden, ich würde dafür sogar ins Kino gehen. Es ist ja gar nicht selbstverständlich, dass man ein Buch beim Lesen so komplett als Film vor sich sieht, mit allen Details, aber hier ist das der Fall. Wirklich dicke Empfehlung! Grandioses Buch!

Nebenbei habe ich bemerkt, dass die drei Seethaler-Bücher, die ich jetzt kenne, jeweils einen vollkommen anderen Sound haben, als wären sie von drei Autoren geschrieben worden. Ich weiß nicht, ob mir das schon jemals bei einem Autor so aufgefallen ist. Wie isses nun bloß möglich?

Mai – Gedichte. Ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell.

Mai-Gedichte

Im Mai kriegen sich die Damen und Herren der Lyrikbrigade vor Freude natürlich gar nicht mehr ein, das ist auch nicht anders zu erwarten, das soll auch so sein. Sogar der olle Karl Krolow in “Neues Wesen”:

[…]
Frühling, ja, du bist’s!
Man kann das nachlesen.
Die grüne Hecke ist ein Zitat
aus einem unbekannten Dichter.
Die Leute streichen auch
ihre Familien an, die Autos,
die Boote.
Ihr neues Wesen
gefällt allgemein.

Der Satz mit der grünen Hecke, der hätte mir auch gerne einfallen dürfen. So schön.

Vorgelesen

Jutta Richter: Das Tontilon

Das Tontilon

Das ist ein Buch aus der Kindheit der Herzdame, sie hat noch eine ganze Menge der alten Kinderbücher, die auf die Söhne sehr anziehend wirken. Beim Wiederlesen kommt einem das Buch dann gar nicht mehr so toll vor, sagt sie, die Zielgruppe war aber gleichwohl sehr angetan. Und darum geht es ja.

Arnhild Kantelhart (Hrsg.): Es war eine dunkle und stürmische Nacht. Vorleseklassiker. Mit Bildern von Jutta Bauer,

Es war eine dunkle und stürmische Nacht

Es war eine dunkle und stürmische Nacht

Das habe ich tatsächlich wegen des Titels aus der Bücherei mitgenommen, weil gerade Sturm aufkam und es draußen dunkel wurde, als ich das Buch in die Hand nahm. So etwas kann man ja nicht ignorieren, da muss man den Zeichen folgen. Ich fand die Auswahl sehr ansprechend, in dem Buch findet man u.a. Brecht, Calvino, Krüss, Kipling, Tolstoi, eine wilde Mischung mit Geschichten, die auch dem vorlesenden Elternteil Unterhaltung bieten, weil sie manchmal etwas neben dem Erwartbaren liegen. Und Gott sei Dank tun sie das. Es ist nämlich gar nicht so leicht, gute Vorlesebücher mit vielen möglichst verschiedenen Geschichten zu finden. Wenn man die Regalmeter in Buchhandlungen und Büchereien entlangguckt, werden gerade immer mehr Bände nach Themen zusammengestellt, Jungsgeschichten, Mädchengeschichten, Mutgeschichten, Lachgeschichten, Schulgeschichten, Piratengeschichten und immer so weiter. Bei uns funktioniert Abwechslung aber viel, viel besser.

Und apropos Piratengeschichten, da muss ich auch einmal erwähnen, dass diese ganzen Reihen für Erstleser, diese Leselernbücher für Erstklässler – dass die allermeisten von denen ganz furchtbar sind. Die Geschichten sollen einfach sein, versteht sich, sie sind aber meist auch noch witzlos und bieder bis zum Anschlag, wirklich, das ist ein einziges Desaster. Ich verstehe auch gar nicht, wieso es in diesen Büchern immer noch dauernd um Indianer und Piraten und Ritter geht, die Erstklässler hier interessiert das gar nicht mehr, das ist doch Kindergartenkram, sagen sie. Sohn I und ich lassen diese Bücher jetzt wieder weg und lesen lieber ganz normale Geschichten.

Von dem Fischer und seiner Frau. Ein Märchen von Philipp Otto Runge, nacherzählt von Uwe Johnson, illustriert von Katja Gehrmann.

Von dem Fischer und seiner Frau

Das Buch hat Sohn II ausgesucht, der gerade strikt darauf aus ist, dass Bücher möglichst dünn sein müssen und gerne auch nur EINE Geschichte enthalten. Da bieten sich zahlreiche Märchenbände an. Die Herzdame und ich waren, Johnson hin oder her, etwas pikiert, denn das Märchen gehört doch eigentlich plattdeutsch erzählt, zumindest an einigen Stellen, aber nun gut. Wir sind hier ja tolerant und weltoffen. Die Illustrationen sind aber auf jeden Fall super.

Und weil Sohn II so besonders an kurzen Geschichten interessiert ist, gab es noch, ebenfalls aus dem Altbestand der Herzdame:

Ursula Wölfel: Siebenundzwanzig Suppengeschichten. Mit Bildern von Bettina Anrich-Wölfel. Das sind Geschichten, die so kurz sind, dass man sie vorlesen kann, während die noch zu heiße Suppe etwas abkühlt. Also ultimativ kurze Geschichten und das begeistert den Sohn wirklich sehr. Vielleicht sollten wir demnächst zu getwitterten Geschichten übergehen? Die eigentlich angepeilte Zielgruppe liegt vermutlich eher bei drei, vier Jahren, die Geschichten sind auch sehr einfach zu verstehen. Um nicht zu sagen sehr schlicht.

Gesehen

Nichts. Macht nichts. Ich habe den ungenutztesten Netflix-Account, den man sich vorstellen kann, immer wieder denke ich, ich könnte doch mal. Irgendwann. Bei Gelegenheit. Tja.

Gehört

Liebe, Schaps und Tod: Wader singt Bellmann. Ein Album, das eine eigene Wikipedia-Seite hat, wie praktisch. Bellmann ist vielleicht nicht so bekannt, mehr zu dem schwedischen Dichter kann man hier nachlesen. Er gehörte zu den Leuten, aus denen druckreife Lyrik nur so herausperlte, man kennt das z.B. von Goethe, der konnte das als junger Mensch auch schon. Bellmann ist von vielen, vielen deutschen Künstlern aufgenommen worden, wenn man etwas sucht, findet man die erstaunlichsten Stücke, etwa “Juhnke singt Bellmann”, das ist allerdings ziemlich schrecklich. Ich neige ja immer wieder zu schwerem Ohrwurmbefall und in diesem Monat bin ich “Weile an dieser Quelle” einfach nicht mehr losgeworden, das fiel schon unter zwanghaftes Nachsingen, kurz vor Behandlungsbedarf. Allmählich lässt es aber doch nach, ich habe die Hoffnung, im Mai wieder anderes hören zu können. Und beim Frühstück nicht mehr von Bekassinchen trällern zu müssen, die man ohnehin nicht mehr essen darf.

 

Bei Wind und Wetter

Die Balkonsaison ist eröffnet. Wie in jedem Jahr verbringt die Herzdame Stunden und Stunden auf den paar Quadratmetern, immer mit verblüffendem Einsatz bestrebt, noch mehr und noch schönere Blumen dort unterzubringen. Und Johannisbeeren. Und Erdbeeren und Tomaten. Und Kräuter, eh klar. Und Balkonmöbel und Deko und überhaupt, es ist erstaunlich, wie viel Liebe, Zeit und Mühe diesem winzigen Plätzchen gewidmet werden. Ich bin da nur Zuschauer, nein, ich bin nicht einmal das. Aufgrund langer ehelicher Tradition ist der Balkon nämlich komplett ihr Ding. Ich halte mich da raus.

Erstens habe ich von Blumen überhaupt keine Ahnung, zweitens finde ich, dass man da so selten sitzen kann. Es ist immer zu heiß oder zu kalt. Oder es regnet. Oder die Sonne blendet, der Wind stört, und aus den Blumentöpfen krabbeln lästige Insekten. Ich bin ein eher seltener Gast auf dem Balkon. Ich warte immer auf den perfekten Moment, auf das exakt passende Wetter und die genau richtige Stimmung – und manchmal kommt das sehr lange nicht zusammen. Dennoch stehen auf dem Balkon vier Stühle, theoretisch könnte jederzeit die ganze Familie dort sitzen. Zumindest war das bis gestern so. Als ich gestern kurz nach dem vielleicht doch einmal perfekten Balkonwetter sehen wollte, konnte ich mich gar nicht mehr auf meinen Platz setzen. Auf dem steht jetzt nämlich eine Laterne. Eine schicke, riesige Gartenlaterne mit Glasscheiben und Metallrahmen und dicker Kerze drin.

Und die Herzdame hat mir erklärt, die Laterne sei dekorativer als ich, könne sowohl Regen als auch Sonne ab und sei abends ein großes Licht, wenn ich schon müde werde. Womöglich findet Sie meine Haltung beim Thema Balkon etwas anstrengend? Doch, könnte sein.

Aber das macht eigentlich auch nichts, es war eh ein wenig zu windig auf dem Balkon.

(Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)

Lange Nacht der Museen

Am letzten Wochenende war in Hamburg die Lange Nacht der Museen, das ist dieser Abend, an dem alle Hamburger Museen bis weit in die Nacht geöffnet sind und ein unfassbar vielseitiges Programm anbieten. Mit Performances, Shows, Führungen, Konzerten, Vorträgen, Events und Bespaßungen aller nur vorstellbaren Art. Das Programm des Abends ist ein Taschenbuch von respektabler Dicke, und auch wenn man schon etliche Museen in Hamburg kennt – man entdeckt immer noch welche, in denen man nie war. Es gibt wirklich sehr viele in dieser Stadt. Die Veranstaltung hat mittlerweile etliche Ableger, es gibt die Lange Nacht der Theater, der Kirchen, der Industrie, womöglich gibt es längst auch die Lange Nacht der Blogs und ich habe nur wieder nichts mitbekommen. Das Prinzip scheint sich jedenfalls bewährt zu haben.

Früher waren die Herzdame und ich in jedem Jahr an diesem besonderen Abend in den Museen, das war eine Veranstaltung, die wir immer sehr genossen haben. Es gab wunderschöne und sommerlich anmutende Abende mit grandioser Live-Musik, bei denen wir gleich bei der ersten Band hängengeblieben sind. Es gab geradezu grotesk verregnete Abende mit klitschnassen und durchgefrorenen Besuchermassen, die sich in schlecht beheizte Hallen drängten, weil irgendwo irgendwer etwas vorlas, mit dem man nicht gerechnet hat. Es war immer spannend und sehr unterhaltsam. Dann haben wir Kinder bekommen und kurz Pause gemacht. Und zack, waren ganze sieben Jahre um, manchmal ist es ja erstaunlich. Nach sieben Jahren war es natürlich höchste Zeit, endlich wieder mitzumachen – und zwar mit den Kindern. Kann man da gut mit Kindern hingehen? Das haben uns andere Eltern mehrfach gefragt, und bevor ich das gleich en detail beantworte, schnell die Kurzfassung für Eilige: Jo!

Man kann da tatsächlich sehr gut mit Kindern hingehen. Man muss nur auf zweierlei unbedingt verzichten – auf einen Plan und auf jeden Ehrgeiz, irgendwas zu schaffen.

Statue vor der Kunsthalle

 

Wir haben mit der Kunsthalle und der Galerie der Gegenwart angefangen, weil sie so überaus praktisch vor unserer Haustür liegen. Aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen fanden beide Kinder das Treppenhaus dort spannend und mussten erst einmal ganz rauf und ganz runter laufen. Da es selbstverständlich brechend voll war, dauerte das ziemlich lange und brachte die umwerfende Erkenntnis, dass man von oben runter gucken konnte. Toll!

Danach fanden wir das “Kinderzimmer”, einen Raum speziell für die kleineren Gäste. Dort liegt ein von einem Künstler entwickeltes Konstruktionsspielzeug aus, ich habe den Namen leider nicht parat. Die Kinder können zugreifen und einfach bauen.

Konstruktionsspielzeug

 

Fertig gebaute Exponate stehen überall herum, es ist nicht ersichtlich, ob von Besuchern oder von Künstlern montiert und es ist ja auch vollkommen egal. Teils fortgeschritten kunstvolle Modelle, teils wildeste Konstruktionen. Man steckt eben so vor sich hin. Oder man lässt die Kinder stecken und basteln, dann kann man in Ruhe Besucher beobachten, das ist ja in Museen oft mindestens ebenso interessant wie die Ausstellung. Der Vater als solcher, das zeigte die Beobachtung in dem Raum dort wieder, der Vater als solcher hat ja doch bedeutende Schwierigkeiten, den Nachwuchs einfach irgendwas basteln zu lassen. Denn der Durchschnittsvater kann, selbst wenn er als Bildungsbürger im Museumsbesucherlook daherkommt, seinen inneren Funktionswestenträger und Dremelinhaber so wahnsinnig schlecht verleugnen. Also erklärt der Vater dem Kind wie man richtig baut – und nicht etwa nur irgendwas.

Konstruktionsspielzeug

 

Ich habe die Jungs dennoch irgendwas bauen lassen, mir fehlt da jeder pädagogische Ehrgeiz. Ich neige ohnehin nicht zu ungefragter Einmischung, ich glaube eher an das Bestellerprinzip – wenn die Kinder etwas brauchen, dann melden sie sich schon. Und wenn sie sich nicht melden, dann kann man sie auch machen lassen. Das gilt auch dann, wenn sie am Wochenende einen ganzen Tag lang im Kinderzimmer versonnen Legosteine herumschieben oder im Sommer stundenlang draußen Fussball spielen. Ich dränge mich nach Möglichkeit eher nicht auf.

Konstruktionsspielzeug

 

Die Kinder haben fast eine Stunde mit diesem Steckspielzeug zugebracht und fanden das immerhin so toll, dass sie am nächsten Tag sogar noch einmal in dieses Museum gehen wollten. Mit dem Zeug mussten sie ganz dringend noch mehr machen. Vom Rest der Ausstellungen im Haus haben wir tatsächlich kein Stück gesehen.

Dann sind wir in das Museum für Kunst und Gewerbe und haben uns die große Tattoo-Ausstellung angesehen, jedenfalls so viel davon, wie man bei den Besuchermassen wahrnehmen konnte, es war wirklich enorm voll, das folgende Bild täuscht etwas.

Die Söhne im Museum

 

Die Söhne werden vor allem Besucherbeine gesehen haben. Die ausgestellten Tattoos haben die Kinder teils begeistert, teils verwirrt, teils abgeschreckt, das wird für die meisten ausgewachsenen Besucher ähnlich gültig sein. Künstler malten Besuchern Fake-Tattoos auf die Haut, Sohn II hat sich sofort angestellt, geduldig gewartet und sich dann ein prachtvolles Herz mit Flügeln auf den Hals zeichnen lassen. Schon diese Aktion war für ihn den ganzen Abend wert, so ein geflügeltes Herz ist doch etwas ganz anderes als die niedliche Tierschminke in der Kita. Sohn I hat (leider erfolglos) versucht, das frische Tattoo des Bruders instagramgerecht zu fotografieren, so konnte jeder seinen Neigungen nachgehen.

Anschließend irrten wir des längeren durchs Museum, weil sich Sohn I vage an einen schiefen Stuhl erinnerte, den er dort einmal vor Jahren gesehen hatte, den wollte er gerne noch einmal sehen. Weder er noch ich wussten noch, wo der Stuhl war und wie er genau aussah, das dauerte daher etwas und wir haben auf diese Art ziemlich viele Exponate gesehen. Ohne jeden Erklärdruck, einfach vorbeigehen, gucken und staunen und weiterrennen. Wenn man sich ganz zurücknimmt und die Kinder machen lässt, dann geht das sehr gut. Es ist vollkommen unkalkulierbar, was sie interessant finden. Sohn II dachte plötzlich über Holztäfelungen nach (“Das ist wie bei Jesus in der Krippe, da war auch alles mit Holz”), Sohn I grübelte über barocke Stühle (“Die konnte man gar nicht drehen? Wann hat man denn Drehen erfunden?”). Wir fanden nach schier endlosen Wanderungen durch die Flure endlich den schiefen Stuhl wieder, der den Sohn sofort nicht mehr interessierte: “Is’ auch egal, wir können weiter.” Der Weg ist das Ziel und so, schon klar. Wobei Wege auch etwas ermüden können.

Sohn I schläft im Museum

 

Dann fuhren wir mit einem der Sonderbusse zum Museum der Arbeit, weil dort Ole mit seiner Band auftrat. Sohn II war glücklich, weil er Swingmusik hören und dazu tanzen konnte, Sohn I war glücklich, weil es Limo und Crêpes gab, denn mit Limo in der Hand kann man gut Tanzenden zusehen und muss selbst nichts machen. Die Kinder fallen in Bezug auf das Mitmachen etwas verschieden aus, genau wie die Eltern. Während ich mit Sohn I eher am Rand der Veranstaltung stand und mir alles aus sicherer Entfernung ansah, gingen Sohn II und die Herzdame näher an die Band und ins Getümmel, bei so etwas teilt sich die Familie ganz friedlich und stimmig auf. Es war bereits neun Uhr, die Kinder waren dezent müde, aber die Aufregung hielt sie noch wach.

Im Museum der Arbeit kamen wir etwa zehn Meter weit, dann fand auf unserem Weg eine Vorführung zum Thema Bonbonherstellung statt. Die Bonbons wurden da auf alten Pressen geformt und hinterher verteilt, wir hatten also nicht die leiseste Chance, die Kinder daran vorbei zu bekommen. Nun dauert die Bonbonherstellung aber eine ganze Weile, denn das Zeug muss ja erst schmelzen, aromatisiert werden, geknetet werden, wieder fest werden… Die Söhne lehnten an der Wand und lauschten den Erklärungen der Dame, die den Herstellungsprozess und auch in epischer Breite die Geschichte des Zuckers in Deutschland erklärte. Und allmählich rutschten die beiden immer tiefer und tiefer, die Augen wurden kleiner und kleiner, es ging auch schon auf zehn Uhr zu. Als die Bonbons endlich ausgeteilt wurden, klaubten wir die Söhne vom Boden und trugen sie halb schlafend nach Hause.

Machen wir das wieder? Unbedingt. Hat es den Kindern gefallen? Und wie. Schon diese wimmelnde Bienenstockatmosphäre der überfüllten Museen, die überall heranwehende Musik, die Museumsangestellten mit den aufgeregt roten Bäckchen, diese Ahnung, dass überall etwas geboten wird, da vorne, da auch, und guck mal da… Man braucht wirklich keinen Plan. Man geht einfach irgendwo hin, fängt irgendwo an und lässt die Kinder mal gucken. Die finden dann schon was. Ich kann das sehr empfehlen.

 

Kurz und klein

 

Brodtener Ufer

Neulich bei „12 von 12“, als ich über das Brodtener Ufer schrieb, war der Artikel nur mit Handybildern illustriert. Das geht auch nicht anders, sonst könnte ich diese Artikel zum 12. nicht abends online stellen. Ich habe aber zwischendurch auch mit der Kamera fotografiert, diese Bilder reiche ich jetzt noch nach.

Und da auch einige norddeutsche Leserinnen das Ufer nicht kannten, hier noch mehr dazu bei der Wikipedia 

Die Söhne am Brodtener Ufer 

Die Söhne am Brodtener Ufer 

Sohn I vor Ostsee  

Treibholz 

Die Ostsee vor Travemünde 

Das Brodtener Steilufer 

Die Ostsee vor Travemünde 

Findlinge 

Bäume am Brodtener Steilufer 

Radler am Brodtener Steilufer 

Abbruchkante am Brodtener Steilufer 

Warnschild an der Steilküste 

Das Dienstags-Update bei „Was machen die da“

Ja, ich weiß, heute ist Mittwoch. Das Update war pünktlich am Dienstag, nur diese Meldung hier geht leider etwas nach. Wir haben Esther Ajai interviewt, eine Schmuckdesignerin, die beruflich gleich mehrere Umwege genommen hat. Und der man, wenn man das so liest, wohl auch noch ein paar weitere zutraut. Weil es bei manchen Menschen eben so gehört. Das Interview findet man hier.

Esther Ajai