Nur segelnd ist die Möwe schön

Dienstags-Home-Office in der schier endlosen Dunkelheit der verschneiten Dachfenster. Schneegepolsterte Verkehrsgeräusche von der Straße, allgemeine Januarstimmung und die immer noch schwächelnde Heizung; ich fühle mich auch seelisch etwas unterkühlt. Wie genervt von allem kann man sein und was kommt danach. Aber gut, das fragen sich nicht eben wenig Menschen zurzeit und die Antwort kennen wir auch, denn danach kommt der Februar, noch so ein Problemmonat.

Auf dem Balkon versucht am Vormittag eine riesige Möwe an die Meisenbälle zu kommen, unter völligem Verlust von Eleganz und Würde und in wilder Gier enthemmt in Kauf nehmend, auf das Niveau geradezu taubenartiger Tölpelhaftigkeit herabzusinken. Nur segelnd ist die Möwe schön, was auch wieder ein prima Titel für eine Kurzgeschichte wäre, in welcher der Autor herausarbeitet, wie kulturmindernd es sich auswirkt, Affekten und kleinkindhaften Gelüsten unkontrolliert nachzugeben. Die Bezüge zur Gegenwart füllen dabei wie von selbst den Platz zwischen den Zeilen.

Davon abgesehen zieht es sich hier aber auch terminlich zu, die Schreibzeit wird arg knapp und es gibt Grund zur Annahme, dass es morgen keinen Text geben wird. Ich werde wohl erst wieder aufholen müssen.

Aber dem Zeitdruck immer auch entschlossen entgegenwirken, deswegen treffe ich am Nachmittag eine hochgeschätzte Freundin und wir besprechen in einem Coffeeshop ausführlich die Weltlage, was diese, also die Lage, auch nicht besser macht, uns aber zu Topcheckerinnen. Immer die Vorteile sehen, überall.

***

Noch ein Terminhinweis: Am Freitag um 15:30 auf dem Hamburger Rathausmarkt, eine vermutlich größer ausfallende Demo gegen die Nazis und ihre Machenschaften. Man sieht sich, ne, und dann kommt man ja auch mal raus. Wichtig.

***

Gehört: Diesen Podcast über Lenins Tod und diesen über Proudhon. Geschichtsthemen gehen immer, Literatur auch, aktuelle Politik halte ich dagegen nur noch begrenzt aus, schon beim zweiten Beitrag über Trump werde ich seltsam lustlos.

Aus naheliegendem Interesse hörte ich dann noch den Podcast „Mit Sicherheit – Interessenskonflikte am Bahnhof.“ Die meisten der dort genannten Aspekte kamen in verschiedenen Erzählsituationen hier im Blog in den letzten Jahren mehrfach vor.

***

Die Kaltmamsell zitiert Torberg. Ausführlich.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Im Leerlauf vor dem To-Do

Vorweg ein paar Bloglinks:

Frische Waldbilder für diejenigen, welche lieber auf dem Sofa bleiben oder in der Mitte einer Millionenstadt leben. Ein herausragender Service.

***

Eine sehr gegenwärtige und besonders interessante Rezension zu Moby Dick.

***

Nils Minkmar erklärt wieder die Lage in Frankreich. Einer der Top-Newsletter, aber das werden Sie ja auch schon bemerkt haben.

***

Frau Kaltmamsell schreibt an ihren Bundestagsabgeordneten.

***

Ich höre übrigens seit einer Weile auch jeden Morgen die Presseschau, fällt mir gerade ein, aber davon muss ich eigentlich abraten. Das macht einen eher unglücklich, denn die Qualität mancher Kommentare in den großen deutschen Medien ist doch … befremdlich. Wenn man sie so en bloc hört, fällt es doch massiv auf.

***

Wie hier bereits angerissen, ich bin immer noch beim Thema Zeiteinteilung. Ab und zu überfällt einen das, Sie kennen es vielleicht, dieses penetrante Fragen, ob man seine Zeit eigentlich sinnig, passend, zielführend, befriedigend usw. nutzt. Was da wie bedeutend ist, was wie zu gewichten ist, ob man etwas ändern sollte, ob es überhaupt Regeln gibt, also persönliche, von grundsätzlichen Vorgaben ganz zu schweigen. Man kann auch nicht über alles nachdenken.

Und ich denke, es ist richtig, dass diese Fragen ab und zu über einen kommen, es ist wohl gut und sinnvoll, sich in so etwas zu vertiefen. Die Zeiten ändern sich, man selbst ändert sich. Ja, es ist gut, aber es ist auch verwirrend. Ähnlich wie beim Treppensteigen, über das man lieber nicht nachdenken darf, während man es gerade macht, weil man sich sonst schnell etwas bricht, stehe ich jetzt ab und zu wie eine Figur in einem Game in seltsamem Leerlauf vor einem Hindernis, also vor irgendeinem To-Do, und überlege erst einmal. Manchmal auch länger.

„Ein guter Rapper überlegt erst mal“, das gibt es auch als T-Shirt von Katzundgoldt, fällt mir gerade ein und nein, das ist keine bezahlte Werbung.

***

Auf den Dachfenstern findet währenddessen das nasse Unterhaltungsprogramm statt, es regnet, es schüttet, es nieselt, es graupelt, es schneit, es hagelt, es gießt und friert gleich wieder über, es wird heute wirklich etwas geboten. Das auch mal anerkennen.

***

Im Tagesbild good old Hammerbrook. Rechts ein Verwaltungsgebäude der Bahn, davor neumodische Hausboote, sogar bewohnt. In der Verlängerung des Fleets durch den Bildhintergrund die Hafencity, man erkennt die Kräne, welche sie erweitern, immer noch erweitern.

Blick über ein Fleet in Hammerbrook

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

That’s the spirit

Im phänologisch-urbanen Kalender wird vorgerückt, in einem der Karstadt-Schaufenster sehe ich beim Sonntagsspaziergang einen Hinweis auf den „großen Karnevalsmarkt“, dazu Kinderschaufensterpuppen in Kostümen. Eines dieser Kostüme hat ein Sohn sogar einmal getragen, damals. Da habe ich meinen Nostalgiemoment des Tages auch gleich im Vorbeigehen abgedient.

***

Am Nachmittag fahre ich mit der U-Bahn in den Garten, um die reichlich angesammelten Küchenabfälle auf den Kompost zu werfen. Es regnet, der Weg ist unerfreulich, dunkelgrau. Auf der Bille sehe ich in der Mitte noch einen schmalen Streifen Eis. Er bewegt sich langsam, man bemerkt es nur, wenn man etwas stehenbleibt. Für eine kleine Pause fließt der Winter heute ab, aber es kommt fraglos noch etwas nach, vielleicht morgen schon.

***

Gestern habe ich gelernt, dass das Wort Streik eine Ableitung aus dem Englischen ist und, was aber wohl nicht ganz sicher ist, vermutlich von „to strike the sails“ kommt, die Segel streichen. Ich habe das in einem auch sonst interessanten Podcast über die Geschichte der Streiks gehört. In der Wikipedia steht es ebenfalls, hier im Abschnitt unter Etymologie. Lokführer, die die Segel streichen, ich habe da jetzt ein neues Bild im Kopf. Auch schön!

Diese Podcastreihe, Radiowissen, macht mir gerade Spaß, ich höre mich da quer durch die Serie. Jeweils um 25 Minuten reines Bildungsprogramm ohne Smalltalk und ohne zehn Minuten Begrüßungsbohei, ohne Werbung auch. Nur Fakten und Belehrung, das habe ich jetzt eine Weile gesucht. Und mir gleich so dermaßen viele Folgen abgespeichert, es wird eine Weile reichen und ist mir beim Kochen, Bügeln etc. wirklich willkommen.

Und ich bin nach wie vor verflucht, denn wenn ich einen Radiosender anmache, irgendeinen, laufen dort immer entweder Sport, das Kinderprogramm oder das Wort zum Sonntag. Mit schon gruseliger Sicherheit ist das so, so wie auch auf der Autobahn im Radio immer Phil Collins läuft, unweigerlich. Nichts gegen Phil Collins, aber es reicht auch irgendwann.

Deswegen muss ich alles Interessante ausschließlich in den Podcastversionen hören. Na, macht ja auch nichts, es gibt schlimmere Schicksale.

***

Ich war am Wochenende im Theater, beim kabarettistischen Jahresrückblick auf 2023, den Sie jetzt allerdings nicht mehr live sehen können, die Spielzeit ist durch. Wir gehen da jedes Jahr hin und sehen diesen Herren zu. Es ist ein überaus empfehlenswertes Vorhaben, notieren Sie das ruhig für den nächsten Dezember oder Januar, wenn Sie da wohnen, wo sie auftreten.

Beachtlich fand ich aber auch, dass in dieser rascheligen halben Stunde vor dem Beginn der Vorstellung, in der noch alles auf- und abgeht, sich durch die Reihen zwängt und drängt und Plätze sucht, sich die Jacken und Mäntel auszieht, in der sich alle Welt begrüßt und umarmt und nach Kräften smalltalkt, in der es also eher unruhig und trubelig ist, dass da zwei vor mir saßen, die in diesem Wirbel konzentriert lasen. In diesem nur dämmerigen Licht da. Die eine las ein Buch, der andere eine gedruckte Zeitung, breit auseinandergefaltet.

Konzentrationsvorbilder im Alltag mit kulturellem Doppelschlag. Ins Theater gehen und dort lesen. That‘s the spirit, möchte ich meinen.

Und hier noch einmal die Binnenalster, vom Jungfernstieg aus.

Ein Schifff der weißen Flotte am Anleger am Jungfernstieg

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Die Einstellungen durchprobieren

Man wird für Hamburg dringend neuen Schnee und auch Eis nachbestellen müssen, hier ist so gut wie alles verbraucht. Es liegen nur noch wenige Reste herum, und die sehen nicht mehr gut aus.

***

Davon abgesehen müsste ich bezogen auf meine zwei, drei Berufe und auch auf die Weltgeschichte und die Entwicklung der Gesamtlage gerade mehr denken, als ich noch schaffen kann. Und ich meine nicht im Sinne von kreisendem Overthinking, ich meine eher, ich brauche tatsächlich mehr Zeit, als ich überhaupt realistisch haben kann, um angemessen hinterher zu kommen, weil so vieles so schnell dreht. Ich wäre bei diversen Themen gerne informierter, ich hätte hier und da gerne fundiertere Meinungen. Ich würde gerne mehr Hintergründe kennen, um besser schlussfolgern zu können, ich würde auch bei einigen Themen gerne mehr, wie sagt man das, im Geiste herumspielen, um alle Möglichkeiten des Denkens und Umgehens versucht zu haben. Die Einstellungen in Ruhe durchprobieren, so würde man es bezogen auf Software wohl nennen.

Aber man muss sich in Zwischenzeitphasen (wieder nach Maja Göpel, kam hier schon einmal vor) hier und da auch mit neuen und vielleicht zunächst erschreckenden Ahnungslosigkeiten abfinden und manchmal über weite Strecken einfach deutlich mehr staunen als checken. Es ist gelegentlich etwas herausfordernd, finde ich.

Die Versuchung, nur noch rückwärtsgewandt und in altem Mustern zu denken, erscheint mir einigermaßen naheliegend und auch verständlich. Ich sehe aber nicht recht ein, warum man ihr nachgeben sollte. Vielleicht ist das wieder so ein protestantisches Arbeitsethikding. Man hat sich meiner Meinung nach gefälligst auch geistig jederzeit Mühe zu geben. Wie erfolgreich auch immer, das ist eine ganz andere Frage. Und Rückwärtsgewandheit ist nichts anderes als intellektuelle Bequemlichkeit, ist von daher auf Dauer also nicht statthaft. Nur als guilty pleasure in nostalgischen Momenten darf man sich das zubilligen, ohne die man wohl nicht in Frieden älter werden kann.

***

Gehört: Diese 22 Minuten über Isaac Newton, in denen es auch um seinen Charakter geht. Abgründig. Noch bemerkenswerter vielleicht, dass er sich aus wissenschaftlichem Interesse einmal eine Nadel ins Auge gestochen hat, um die Effekte auf das Sehvermögen mitzuschreiben … man macht unwillkürlich Grimassen beim Hören, die Leute an der Ampel neben mir guckten ganz komisch.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

 

Und gibt nicht auf, und gibt nicht auf

Nachdem mir das administrative Gesamtkunstwerk zum Jahreswechsel endlich erfolgreich abgeschlossen schien, spawnte noch eben ein Formular für das Finanzamt mit, Moment, 192 Fragepositionen. Lachen und weitermachen. Ausdrucken, ausfüllen, eintüten.

Ich sehe nach, was eine Briefmarke gerade kostet, was schön illustriert, wie oft ich so etwas noch brauche und erwerbe. Beim Falten des zu versendenden Briefs fällt mir wieder ein, wie unfassbar oft ich das in meiner Anfangszeit im Büro gemacht habe, vor ein paar Jahrzehnten. Serienbriefe zurechtknicken und eintüten. Alles in Handarbeit, stundenlang, mit etlichen Kolleginnen und Aushilfen, und hinterher alles noch durch die Frankiermaschine jagen, dann zur Post fahren, teils in letzter Minute. Der Triumph, wenn man es pünktlich geschafft hat.

Was für eine Erleichterung es dann war, als endlich diese Maschine angeschafft wurde, die Briefe korrekt falten konnte, in einer irrsinnigen Geschwindigkeit, tausend Seiten in wenigen Minuten. Staunend davor gestanden! Automatisierungswunder! Und das war eine Maschine, die nur genau einen Handgriff konnte, es war ein überschaubar schlichter Mechanismus.

Welche unglaubliche Entwicklung es da in der Zeit meines Berufslebens gab – einen Brief an 1500 Leute schicken, in zeitraubender Handarbeit versus E-Mail an großen Verteiler in Sekunden heute. Es ist doch krass, was man an Wandel mitgemacht hat. Und viele von uns – ich auch – haben diesen Wandel nicht nur mitgemacht, sondern ihn tatsächlich gemacht. Ich meine das nicht als Eigenlob, nur als Tatsache der Berufsgeschichten meiner Generation. Ich finde den Rückblick erstaunlich, denke aber auch, dass es vielen, wenn nicht sogar allen Generationen vor mir auch so ging.

Gut, ob man das alles nun insgesamt als Erfolgsgeschichte bezeichnen möchte oder nicht, das ist selbstverständlich wieder eine abgründige Frage. Es ist am Ende ein zu weites Feld.

Nebenbei jedenfalls die Sisyphus-Hymne der Knef noch einmal laufen lassen, etwas lauter laufen lassen vielleicht, und dann los, ran an den Stein.

Wer rollt den Stein den Berg hinauf

Und gibt nicht auf, und gibt nicht auf

Der Mensch nur, ja, wer sonst wohl als der Mensch.


***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Routinierte Beschwerden

Ich führe am frühen Morgen und noch vor der Arbeit mit der Herzdame Diskussionen über Formatierungen in Excel und frage mich dabei zum wiederholten Male, wo genau ich im Leben eigentlich falsch abgebogen bin. Dann aber fällt mir rettend ein, dass wir hier immerhin nicht über Powerpoint reden, und schon ist wieder alles gut. Ich sollte wirklich Motivationskurse geben, ich kann das doch.

***

Gehört: Ein Zeitzeichen über den von mir sehr geschätzten Fabrizio de André, auch wieder ein Stück Geschichtsunterricht. Das berühmte Lied von der Via del campo kommt im Podcast vor, mit der Schlusszeile „Aus Diamanten entsteht nichts, aus Mist wachsen Blumen.“ Dai diamanti non nasce niente dal letame nascono i fior. Ich kann allerdings kein Wort Italienisch, ich kann nur Übersetzungsprogramme und bin immer öfter dankbar für diese Möglichkeit. Auch einmal italienische oder französische oder spanische Zeitungen online lesen, wie toll ist das denn.

Und kein Wort Italienisch stimmt auch gar nicht, da ich erstaunlich viele der modernen Sprache nahestehenden Lateinvokabeln immer noch weiß. Ich muss die damals in der Schule gelernt haben wie irre. Oder gemocht haben, das kann auch sein, ich weiß es nicht mehr. Ich fand es jedenfalls bedauerlich, dass beide Söhne kein Latein als zweite Fremdsprache gewählt haben, ich hätte mit meinen Vokabelkenntnissen so schön vor ihnen angeben können.


***

Sicherheitsanruf bei meiner Mutter, wie sie mit den vereisten Wegen in der Stadt zurechtkommt. Stellt sich raus, sie geht einfach nicht mehr vor die Tür. Okay, nicht okay. Das ist dann eben das Ergebnis, wenn das Allgemeinwohl nicht mehr von Interesse ist. Gewisse Gruppen müssen dann in der Folge zurückstecken, sich zurückziehen. In diesem Fall eine Gruppe, zu der die meisten von uns einmal gehören möchten, die Alten und die Ältesten. Wenn man für Menschen aus diesen Gruppen in irgendeiner Form zuständig ist, kann und muss man alles auch als Vorschau verstehen und schon einmal mitschreiben, was einem nicht richtig vorkommt. Dann beschwert man sich später viel routinierter.

***

Anke über die Nazis: „Gegen ein Verbot dieser Partei gibt es ja gerne das Nicht-Argument „Wir lassen die mal regieren, dann entzaubern sie sich schon selbst.“ Jedem, der diesen Quatsch von sich gibt, möchte ich 33 bis 45 Kilo Geschichtsbücher an den Kopf werfen.“

Auch Frau Herzbruch denkt über Nazis nach.

***

Und hier noch ein Fleet in Hamburg-Hamm, winterlich angerichtet.

Blick über ein Fleet in Hamburg-Hamm, das Wasser friert, das Licht ist sonnig-winterlich

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

 

Mus und Motivation

Ein Office-Office-Tag. Ich gehe wegen des Bahnstreiks zu Fuß runter nach Hammerbrook. Die nächste Rutschpartie über vereiste Wege also. Vermutlich sind auch diese glatten Wege ein Zeichen der Zeit, denn da, wo es um öffentliche Strecken geht, versagt die staatliche Infrastruktur, und da, wo es um private Zuständigkeiten geht, geht es um das ausdrückliche Verneinen jeglicher Zuständigkeit für die Allgemeinheit. Eine egozentrische Steigerung des alten Spruchs: „Ein jeder kehre vor seiner Tür“, wir sind jetzt schon bei „Ein jeder kehre vor keiner Tür.“ Und auch das ist ein Stück Sozialgeschichte, wie es dazu kommen konnte.

Yüksel Mus würde das sicher nicht gefallen, wie sich das alles entwickelt hat. Den Herren kennen Sie vermutlich nicht, aber in Hamburg wurde vor einigen Jahren ein Platz nach ihm benannt, eine kleine Fläche an der Binnenalster, gleich neben dem Jungfernstieg. Es steht da ein Schild zur Erinnerung an ihn, ich zitiere mal, falls man das auf dem Bild nicht gut erkennen kann:

Yüksel Mus (15. August 1964 – 20. Mai 2015) war ein Mitarbeiter der Stadtreinigung Hamburg. Als Leiter eines Reinigungsteams war für ihn jederzeit eine saubere und gepflegte Stadt eine Aufgabe, der er sich voll und ganz verschrieben hatte. Mit beispiellosem Einsatz und unermüdlicher Tatkraft sorgte Yüksel Mus mit Besen, Schaufel und Kehrmaschine für Sauberkeit in seinem Lieblingsrevier am Jungfernstieg und auf den angrenzenden Straßen und Wegen der Hamburger Innenstadt.“

Das Hinweis-Schild auf den Yüksel-Mus-Platz, der Text wird im Blogartikel zitiert.

Ich finde es schön und angemessen, dass es da diesen kleinen Platz dort gibt.

***

In der Wetter-App steht allerdings nur das schwache „Glatteis geringfügig“, man muss gleich an Heinz Erhardt denken: „Gerade Gewürzgurke gegessen.“

Es kommt in den nächsten Tagen wieder Schnee auf uns zu, das Licht und die Luft in der Stadt verändern sich bereits, es wird diesiger, nasser, nebliger. Die große Klarheit und das lichte Strahlen sind schon vorbei, waren aber nett und willkommen.

Vor dem Bürohaus in Hammerbrook hat sich jemand übergeben, was mir Anlass gibt, beim Übersteigen des Auswurfs erfreut zu denken: „Na, so schlimm ist es bei mir nun auch wieder nicht.“ Man muss die Motivation nehmen, wo immer man sie nur herbekommen kann. Und dann gleich munter losarbeiten.

***

Gesehen: Dean Martin, King of Cool, eine Doku auf arte.

Gelesen: Anke verweist auf die FAZ, es geht um die Gesamtausgabe von Marlen Haushofer. Was mich daran erinnert, dass es noch ein, zwei von mir ungelesene Werke von dieser Autorin gibt, und das muss ja nicht so bleiben.

Und während es Meldungen über den deportation masterplan der deutschen Nazis auch in die Auslandspresse schaffen (hier noch Le Monde), kümmere ich mich um Weiterbildung in anderer Richtung und höre auf dem Heimweg: Agnes Heller – Du hast immer die Wahl. Von ihr vielleicht auch etwas lesen, das mal vormerken.

***

Im Tagesbild die Billerhuder Insel im Winterlicht.

Blick über das Bille-Ufer von der Braunen Brücke aus, winterliches, blauweißes Licht

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Was man im Januar macht, wenn man Zeit hat

Es stirbt Franz Beckenbauer, die Timelines reagieren unerwartet emotional. Wobei ich das nur unerwartet finde, weil mich Fußball nicht interessiert, ich weiß von dieser Denkwelt daher so gut wie nichts. Da ist man dann manchmal überrascht, wie so etwas andere mitnimmt, ich möchte mich darüber aber keineswegs lustig machen.

Beckenbauer wird in den Nachrufen in Verbindung mit anderen großen Namen des Sports genannt und es ist eine etwas seltsame Pointe, dass ich zwei der ganz Großen, Uwe Seeler und Franz Beckenbauer, zu Lebzeiten zufällig begegnet bin. Wie unwahrscheinlich ist das? Neben Franz Beckenbauer habe ich einmal auf einer Restauranttoilette gepinkelt, worüber es sonst nichts weiter zu erzählen gibt. Man steht dann da so, sieht kurz zur Seite und denkt: „Ach guck.“

***

Minus neun Grad am Morgen. Neulich habe ich gerade mit meinem Bruder darüber gesprochen, an welche Minustemperaturen wir uns noch erinnern. Es waren aus heutiger Sicht unglaubliche -23 Grad, irgendwann im letzten Jahrhundert in Lübeck war es einmal so kalt. Was ein wenig so klingt, als seien wir Relikte aus der letzten Eiszeit, als würden in den Schränken bei uns noch die Bärenfelle hängen.

Die Sonne scheint den ganzen Tag, es blaut und gleißt und leuchtet und blendet. Es ist prächtiges Vitamin-D-Aufhol-Wetter, eine stimmungsverbessernde Maßnahme für die graubedrückte Stadt. Ich fahre nach der Arbeit in den Garten, um etwas zu holen, das idiotischerweise dort liegt und nicht hier, wo es hingehört. Der Weg ist beschwerlich, weil enorm vielen Zuständigen wohl, wie man heute sagen muss, die Streuanreize fehlen. Hamburg liegt fast überall unter einem Eispanzer und man gibt also beim Gehen nahezu durchgehend den schwankenden Pinguin. Es strengt etwas an, aber hey, es ist immerhin Sport bei Sonnenschein.

Im Garten sehe ich dann ein herrlich klares Gewusel von Tierspuren. Wie gedruckt oder gestochen sehen sie aus, so deutlich zeichnen sie sich im überfrorenen Schnee ab, ich habe nur leider keine Zeit, in Ruhe sie nachzuschlagen. Dabei wäre das richtige Buch dafür sogar in der Laube vorrätig. Still ist es in den tief verschneiten Gärten, ganz still, umfassend still, nur eine diensthabende Rabenkrähe ruft mir aus der Birke ein knappes Begrüßungs-Krah zu. Dann schweigt die ganze Anlage wieder lange und liegt im blauweißen Nachmittagslicht da wie eine Vorlage für Landschaftsmaler im Winter.

Auf einer Brücke über die Bille lehnen zwei alte Männer am Geländer, rauchen und sehen zu, wie der Fluss allmählich zufriert. Was man im Januar so macht, wenn man Zeit hat.

***

Am Abend weiter mit Genuss F. Scott Fitzgerald gelesen und gehört, seine Storys.

***

Kiki über Frau Elise.

***

Im Tagesbild der Michel, an dem ich schon lange nicht mehr vorbeigekommen bin. Aber von Zeit zu Zeit seh‘ ich den Alten gern.

Der Turm des Michels, im Voordergrund etas Schnee auf Mauern

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Alles dennoch machen

Am Montagmorgen ist Schulstart in Hamburg, die Begeisterung der beiden Betroffenen im Haushalt fällt naturgemäß recht überschaubar aus. Alles dennoch machen. Ich lebe das wieder routiniert und ausgiebig vor, ich bin hier das Role-Model vom Dienst. Wenn denn mal jemand guckt.

Es ist knackig kalt, ich höre am Morgen erste Schritte auf vereisten, verschneiten Wegen knirschen, und wenn ich die Dachfenster öffne, bricht etwas nächtliches Eis aus dem entstehenden Spalt weg und splittert. Gelungene Winteratmosphäre, noch bevor vom Tag überhaupt etwas zu sehen ist, ich preise erneut die Home-Office-Möglichkeit. Aber nur ganz leise, damit die Söhne es nicht hören.

***

Weitere Diskussionen mit der Haustechnik, ob die Heizung in unserer Wohnung anständig heizt oder nicht. Die Meinungen gehen da weit auseinander, bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts wird es Frühling sein, und jemand wird lachend sagen: „Nun ist auch egal, ne.“ Das werde nicht ich sein. Die Herzdame sitzt auf beheizbaren Decken und Kissen, trinkt heißen Tee und flucht.

***

Ich hätte es sehr begrüßt, wenn der Tod noch eine Weile die Finger von meinen Timelines gelassen hätte, möchte aber noch einmal Frau Elise (Daniela) winken. Viele werden sie von Twitter gekannt haben, als es dort noch auszuhalten war.

***

Vanessa über Aarhus und den Schnee, zum weiteren Ausbau des winterlichen Gesamteindrucks. Es soll sich ja noch etwas hinziehen mit dieser Jahreszeit. Und sehr schick, wie sie das mit den Bildern im Text da macht.

***

Frau Büüsker über die Bauernproteste, die ich nur dadurch mitbekomme, dass stundenlang ein Hubschrauber überm Haus steht, wie bei den ebenfalls enorm lästigen Sportgroßveranstaltungen im Sommer. Ich beschließe für mich, dass mir der Text von Frau Büüsker heute reicht und verzichte für den Rest des Tages komplett auf weitere Erhellungen durch das Internet oder andere Medien.

***

Im Tagesbild der Bahnhof im letzten Licht des ungewöhnlich blauhimmeligen Tages.

Blick auf den Hauptbahnhof, blaue Stunde, schönes Licht, die Lampen sind schon an und es ist in Kürze dunkel

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Heute nach Brügge

Am Sonntagnachmittag fahre ich mit der Herzdame runter zu den Landungsbrücken, um dort gepflegt zu promenieren, immerhin scheint die Sonne und der Tag leuchtet, das große Winterstrahlen und -gleißen findet statt. Wir kehren allerdings nach dem ersten Blick auf die Lage dort ruckartig wieder um, es ist uns viel zu voll, zu wimmelbildmäßig an der Elbe. Quer abgebogen und durch St. Pauli, die Neustadt und die Innenstadt nach Hause, und mit dem Erreichen unserer Haustür habe ich dann exakt 10000 Schritte. Es fühlt sich unsinnigerweise so an, als hätte ich damit etwas richtig gemacht. Egal, Hauptsache, man kommt auf irgendeine Art zu diesem Gefühl, wer wird denn allzu lange über das Wie nachdenken. Die kleinen Erfolge betonen und auswalzen, das ist der Weg.

Unterwegs rodelnde Kinder gesehen und einen kleinen sentimentalnostalgischen Anflug gehabt, dabei bin ich noch keine sechzig Jahre alt. Das kann ja noch lustig werden in den nächsten Jahren.

Später am Tag gehe ich noch eine weitere Runde, was ein gutes Zeichen ist, die Lust an der Bewegung kommt also langsam zurück. Ich nehme es immerhin ernst mit der weiteren Erholung und liege ansonsten viel herum. F. Scott Fitzgerald dabei gehört, weitere Storys. Gute Storys, er steigt immer weiter in meiner Achtung. Was für gelungene Personenbeschreibungen.

In den Timelines und auch in den großen Medien werden währenddessen in extenso landwirtschaftliche und demonstrationsrechtliche Fragen erörtert, mein Weiterbildungsinteresse hält sich in engen Grenzen.

Frau Herzbruch greift das Thema Reiseplanung auf. Wenn ich dabei einen Wunsch frei hätte, es wäre der, noch einmal, wie als sehr junger Mensch, in eine Lebenssituation zu kommen, in der ich Reisen spontan und wie beliebig entscheiden könnte: „Heute ist mir nach Brügge zumute.“ Und dann einfach in den Zug steigen. Da ich nach wie vor wenig bis kein Fernweh habe, ist die Wahrscheinlichkeit gar nicht so hoch, dass ich mit diesen Möglichkeiten viel herumkommen würde, aber ich würde es doch gerne können, zeitlich und finanziell. Im Moment und auf absehbare Zeit gibt der Alltag das allerdings nicht einmal ansatzweise her, was natürlich für sehr viele Menschen gelten wird. Solche Freiheiten sind Luxus.

Plötzlich Lust auf Brügge, dabei war das nur ein vollkommen beliebiges Beispiel. Schlimm. Wenn man Brügge googelt, sieht man immer recht ansprechende Bilder.

***

Abends einige Kapitel weitergelesen in „Bedrohte Bücher“, das Buch sei hier besonders für den Freundeskreis Bibliothek, Archiv und Geschichte noch einmal ausdrücklich empfohlen. Man lernt durchaus dazu und es ist topaktuell.

***

Im Tagesbild schließlich wieder ein Fleetblick, den haben wir in Hamburg ja öfter. Diesmal an der Michaelisbrücke.

Blick von der Michaelisbrücke über das Fleet, im Vordergrund an einem Pfeiler ein Aufkleber: "Lieb sein"

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.