Der Sonnabendmorgen ist unbefriedigend kalt und grau, man sieht aus dem Fenster und denkt: „Na ja“, und das fasst es auch schon gut zusammen. Die gefühlte Temperatur liegt bei zwei Grad. Na ja.
Ich räume im Feedreader auf. Besonders im Foodblogbereich sammeln sich schnell angestaubte Feeds, auf denen wohl nie wieder etwas kommen wird, nicht einmal ein neues Spargelrezept zum Saisonbeginn, nicht einmal das überall obligatorische Bärlauchpesto. Dieser Bereich scheint eher unbeständige Leute immer wieder zum Anfangen zu motivieren, aber sie knicken dann doch bald weg, oft nach nur einem Jahr oder nach noch kürzerer Zeit. Auch doppelte, sogar dreifache Abos finde ich, umgezogene Feeds und dergleichen, dazu verstorbene, langzeiterkrankte und unklar verschwundene Autorinnen von Blogs. Überall hinterherräumen, alles in Ordnung halten, sich stets gegen die Entropie stemmen. Als ob es einen Sinn hätte, sie wird am Ende eh gewinnen.
Na, Sinn hat es vielleicht doch für eine gewisse Phase. Man muss es wohl so unterstellen, denn bis zum endgültigen Sieg der Entropie im Universum zieht es sich noch etwas, nach jetzigem Erkenntnisstand, und so lange machen wir es uns eben nett und aufgeräumt, wo es nur irgend geht. Das unordentliche Kinderzimmer als Metapher für alle Lebenslagen, immer wieder und wieder steht man als Zuständiger in einem Türrahmen, sieht entgeistert in einen Raum und sagt: „Wie sieht es hier denn aus!“ Lebenslang sagt man das, wie sieht es hier denn aus, wie sieht es hier denn aus, und wenn man im allerletzten Moment der Lebensspanne ganz andere Dinge vor sich sieht, die vielleicht schon nicht mehr von dieser Welt sein werden, wenn man das dann bei deren Anblick noch einmal sagen muss, im gleichen Tonfall wie immer, wie enttäuscht wird man wohl sein.
Wenn Sie richtungsgebunden religiös sind, dann stellen Sie sich das so vermutlich nicht vor, und es sei Ihnen gegönnt. Aber es können ja nicht alle religiös sein.
„Ich wünschte, es täte einen Knall und die Psyche wäre aufgeräumt“ – wer hat das noch einmal gesungen? Kitty Hoff war es. Der Psychenswing.
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Wir fahren, auch das ist Tradition, in eine Gärtnerei und besorgen uns vorgezogene Tomaten, Zucchini, Hokkaido, Kohlrabi und Gurken, auch ein paar Ersatzerdbeeren packen wir ein. Oder, wie wir Schrebergärtner sagen: Jetzt gibt es erst recht noch einmal richtig Frost. Die Frau an der Kasse hebt bei jedem Kunden mahnend den Finger: „Sie wissen aber schon …“ Ja, wir wissen es doch alle, es ist erst April.
Die meistverkaufte Erdbeersorte im Geschäft scheint „Korona“ zu sein, ein Name, den man nie mehr ohne abweichende Assoziationen lesen können wird.
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Und bei aller Verehrung für Christian Brückner, ich breche den Don Quijote doch ab, denn auch beim mittlerweile sicher sechsten Versuch mit diesem Buch: Es langweilt mich. Vermutlich ist es so großartig, wie die Literaturgeschichte es längst festgestellt hat, aber es ist eben nichts für mich, so etwas kann vorkommen. Jetzt Goethe, Faust I, in der Reclam—Hörbuchversion. Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten … Schon Zueignung, Vorspiel und Prolog sind so gut, ich kann es immer wieder lesen. Oder hören. Und keine Spur von Entropie in der Weltordnung dort:
Die Sonne tönt, nach alter Weise,
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
Wenn keiner sie ergründen mag;
die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.
Sagt der Erzengel Raphael, bevor Mephisto auftritt und es etwas lebendiger und bunter, wenn nicht sogar unordentlicher zugehen lässt.
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Davon abgesehen gibt es Schwiegermutters Kuchen, und das ist sehr gut so.
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