Kultur am Abend

Die Woche ist zu voll mit Arbeit, ich komme nicht dazu, mich auf das Schreiben genug zu besinnen, ich komme nicht rein. Es geschieht aber ohnehin nichts, es ändert sich gerade nichts, es bleibt alles, wie es schon seit Tagen oder Wochen ist, in der Schwebe, februarig, immerhin hellgrau, jedenfalls mit gutem Willen betrachtet, und an dem soll es nicht mangeln. Das Wetter, es bleibt noch tage- oder wochenlang lang exakt so, die Arbeit sicher auch, der ganze festgefügte Alltag, einfach Kurs halten. Nächste Woche der März, haben wir das.

Ich wollte in diesem Jahr in jedem Monat etwas mit Kultur unternehmen, das wird mir im Februar nicht gelingen. Die Theaterkarten, nach denen ich sah, sie kosteten sechzig Euro, das war mir zu viel, ich habe die Buchungsseite etwas erschreckt wieder zugemacht. Womöglich sehe ich das falsch, man könnte sicher so argumentieren, ich ahne es. Und doch … ich meine: Sechzig Euro. Oha.

Im März dann zum Ausgleich zweimal was mit Kultur unternehmen? Ich traue es mir nur begrenzt zu. Aber stets bemüht bleiben, ja doch.

Stattdessen habe ich etwas Kultur zuhause konsumiert.

Gesehen: Erich Maria Remarque – sein Weg zum Ruhm. Eine Doku auf arte, mit den heute unvermeidlichen Reenactment-Szenen, Max von Thun sieht man dabei als Remarque. Am Ende eine kurze Sequenz aus dem wunderbaren Interview mit Friedrich Luft von 1962. Ich hatte es im Blog schon einmal verlinkt, man kann es auf Youtube hier finden.

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Beim WDZ-Zeitzeichen eine Folge über den Herrn Malewitsch, das ist der mit dem schwarzen Quadrat. Der kurze Text (13 Minuten) enthält das fraglos hinreißende Detail, dass er fliederfarbene Damenstrümpfe als Krawatte getragen haben soll, das werde ich mir ab jetzt immer zu seinem schwarzen Quadrat, ach was, zu jedem schwarzen Quadrat dazudenken. Aber auch sonst: Interessante Geschichte.

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Bei SWR2-Lesenswert eine ebenfalls kurze Folge, 5 Minuten nur, über einen Essay von David Graeber über Piraten. Ja, Piraten. Warum auch nicht, es kann so vieles faszinierend sein.

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Und zum Abschluss noch der geschätzte Nicholas Palmquist. Sehr schön ist das. Das ist sicher das erste Bild eines noch entstehenden Stückes „Call me Ishmael.“ Nein, ist es nicht. Aber es sieht so aus, jedenfalls für mich, ganz eindeutig sieht es so aus.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

 

Drei von neun

Ich habe in der Home-Office-Mittagspause drei von neun Fenstern geputzt, das klingt wie eine bestenfalls bescheidene Erfolgsquote. Es ist aber ein größerer Akt und ist vor allem auch eine Frage der Überwindung, denn es sind mit Möbeln oder Pflanzen zugebaute Dachfenster, fast durch die Bank sind sie schlecht zu erreichen. Ich muss da also schon ein deutliches Motivationshoch abwarten, dass sich in den härteren Wintermonaten eher nicht einstellt, wegen der Stimmungsgroßwetterlage. Nun. Ein Anfang ist gemacht. Es kommt aber, das ist eine erhebliche Enttäuschung, dennoch nicht mehr Licht hinein, da draußen ist nämlich gar kein Licht. Womöglich ist immer noch Februar, es nervt allmählich entsetzlich. Es kommt gerade eben so viel Licht hinein, dass ich ahnend erkennen kann, wo noch Tropfen und Schlieren und Streifen auf den Scheiben sind. Man muss sich dann auch wieder entschlossen von dieser Arbeit abwenden können, sonst verliert man sich in so etwas und die Nachbarn in den Häusern gegenüber stehen am Ende kopfschüttelnd an ihren bestimmt stets viel saubereren Fenstern und sehen herüber, was macht er da denn bloß und warum, wie oft will er noch über die Stelle wischen.

Die Herzdame und ich hatten vor vielen Jahren einmal eine Nachbarin, die nahezu jeden Tag ihre Fensterrahmen (!) von außen (!) geputzt hat. Und so möchte man ja auch nicht enden.

Es weht währenddessen immer weiter ein kalter Wind durch Norddeutschland, der, wenn man unterm Dach und also exponiert wohnt wie wir, immer noch nach Winter klingt, nach Oktobernovemberdezember, nach Unwetter und ganz großem Hui, und manchmal auch, wenn es Abend wird und der schräg treibende Regen dazu kommt, ein wenig nach Gruselfilm. Aber die Krokusse im kleinen Bahnhofsviertel öffnen jetzt doch alle ihre Blüten, wenn es gegen Mittag etwas heller wird, wenn der Himmel kurz vom Grau zum Beige changiert.

Ansonsten viel Arbeit, unerfreuliche Nachrichten in der Welt und im Privatleben, dazu dichtbepackte Werktage. Die Frisur sitzt. In den Nachrichten, eben sehe ich es, wird Saharastaub vermeldet, am Donnerstag soll er auf unseren Fenstern landen.

Weitermachen. Immer einfach weitermachen.

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Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 21.2.2023

Frau Novemberregen spinnt meinen Einkaufsgedanken weiter und programmiert sich um.

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Patricia mit Gedanken über Vater- und Mutterschaft.

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Eine neue Monatsnotiz bei Nicola, wie immer mit zahlreichen Links, sorgsam kommentiert.

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In dieser Folge von „Die Lage der Nation“ gab es Überlegungen zum Verständnis und Selbstverständnis der FDP, auch zu ihrer Lage und ihren Möglichkeiten. Ohne Häme wurde da überlegt, und das ist auch schon eine Seltenheit. Dass einen die FDP aber andererseits auch bis in die Träume verfolgen kann, das kann man hier lesen.

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Ein Bericht aus Ruanda (Achtung, drastisch).

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Johnny Häusler erwähnt hier in seinem Newsletter das Rätselraten darüber, wer wann und warum das Abo kündigt oder neu abschließt – „was war das los?“ Das denke ich manchmal auch bei z.B. den Trinkgeldern hier, es ist tatsächlich kaum möglich, etwas daran zu erklären. Ich kann zwar erläutern, dass sie immer höchst erfreulich sind, aber ich könnte noch so schöne Kurven malen oder alles in Excel verbasteln und analysieren, wie es tatsächlich auch meiner Neigung entspricht, das erhellt nichts weiter. Mal kommt was, mal kommt auch viel, mal kommt wenig, mal auch wochenlang fast nichts, besser könnte ich es nicht beschreiben. Ziemlich klar ist nur, über alle Jahre gesehen: Im Dezember ist es stets mehr als sonst, und das ist wohl ziemlich logisch. Der Rest – ein vollkommenes, mich immer wieder überraschendes Mysterium. Ob es Straßenmusikern wohl manchmal auch so geht, dass sie über den Zusammenhang zwischen ihrer Performance und dem Geld im Hut kaum jemals Klarheit gewinnen?

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Es wird wesentlich ernster und trauriger, bei Formschub wird über den Tod geschrieben und nachgedacht. Altersgerecht ist das, selbstverständlich auch für eine ganze Bloggerinnengeneration. We’re in this together.

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Und hier geht es um die Boomer (also noch einmal generationsbedingt auch um mich) und um die political correctness, bzw. den Willen dazu oder den Widerstand dagegen. Auch so ein Thema, bei dem man kaum noch Texte ohne Häme oder Polemik in abwechselnde Richtungen findet. Wenn man Empörung und Häme tendenziell eher satt hat, ist es nicht eben einfach in diesen Zeiten, nicht wahr.

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Bekleidet vor die Tür

Am Sonnabend war ich in der Stadt, da ich beim saisonalen Umräumen des Kleiderschranks etwas viel aussortiert habe, was zwar korrekt war, durch ist durch, was aber doch größere Lücken hinterlassen hat, die es nun wieder zu schließen gilt. Man muss doch ab und zu bekleidet vor die Tür, Sie kennen das.

Die Stadt war, und ich verstehe es immer noch nicht, voll wie in der schlimmsten Weihnachtszeit. Menschenmassen, Geschiebe, Gedränge, ein Volksauflauf vor Schaufenstern und in Passagen und Kaufhäusern. War das jetzt wieder so, weil ich so dermaßen tief im Mainstream bin, dass ich alles genau dann mache, wenn es alle machen, und die mussten da also auch alle ihre Schränke und Kommoden wieder auffüllen? Oder was sonst? Ich habe keine Ahnung, ich staunte nur die ganze Zeit über die Fülle. Manchmal merke ich doch, dass das hier eine Millionenstadt ist, etwa wenn mir etwa 100.000 Menschen gleichzeitig vor den Füßen herumlaufen.

Ich war in Bekleidungsgeschäften, ich habe Sachen anprobiert. Ich hatte schon ganz vergessen, wie furchtbar anstrengend ich das finde. Ich mag keine Sachen anprobieren, ich kann diesen Spiegelblick nicht, ich finde dabei alles an mir furchtbar, sowohl die Textilien als auch mich selbst. Ich gucke auch schon so, dass alles furchtbar sein muss, mir kann also überhaupt nichts stehen, ziehen Sie mal die schlechte Laune in Person elegant an. Es ist kompliziert. Überall stehen Menschen im Weg, es ist in jedem Laden zu heiß und zu eng und das Licht ist zu grell und allen passt irgendwas mit „skinny“ oder „slim“, nur mir nicht, wie lebe ich eigentlich.

„Nimm doch eine Nummer größer“, sagt die Herzdame. „Hast du mich gerade dick genannt“, frage ich.

Im Grunde gehe ich nicht gerne offline Klamotten kaufen, bei aller Nostalgie, die damit mittlerweile und seit Corona erst recht verbunden ist. Ich bestelle sie aber auch nicht gerne online, denn dann klingeln hier wieder fremde Menschen zur Unzeit und bringen Pakete, wenn es gerade nicht passt, oder sie klingeln einfach nicht, und das passt dann aber auch nicht. Meine Sachen müssten im Schrank einfach bei Bedarf nachwachsen, das wäre mir recht, aber so weit ist die Welt noch nicht, ich weiß. Da mal bescheiden bleiben.

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Am Montagmorgen zerplatzen reihenweise Termine, alle wegen Corona bei den Beteiligten. Ja, ist denn schon wieder … Aber nein. Sicher ist es nur der übliche Stichprobenfehler. Er ist es doch?

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Light up your face with gladness

Am Sonnabend gehe ich zum ersten Mal in diesem Jahr ohne Winterjacke Brötchen holen, im altbewährten 12-Grad-Sakko, es ist ein befreiender Moment. Ein Milestone, wie man im Bürokontext vermutlich sagen würde, aber wer möchte so nach Feierabend schon reden. Man muss sich etwas konzentrieren, dann kann man es sich zu einem festlichen Akt machen, dieses erste Mal ohne Winterklamotten, ein auf die eigene Person zugeschnittenes Frühlingsfest ohne kalendarische Festlegung, es fällt in allen Jahren und Gegenden, auch bei allen Menschen verschieden aus. Ich habe Shuffle-Glück und höre gerade, als ich das sehr gut finde, dieses sich geradezu verdächtig munter gelaunt anfühlende Herumgehen in leichterer Kleidung und etwas wärmerer Luft, zwischen zwei Regenschauern und heftigen Sturmböen, „Smile“ von den eher unterschätzten Peddlers.

Es ist noch besser, wenn man es ziemlich laut hört, es hat einen wunderbar belanglosen Text: „Light up your face with gladness, hide every trace of sadness, although a tear may be ever so near.“ So etwas kann man nur in guter Stimmung mitsingen, und nur in aller Dezenz, die im öffentlichen Raum selbstredend ohnehin stets geboten ist.

Am Tag davor gab es auch so einen Playlist-Zufall, da ging ich gerade zu einem Geschäft und verwarf auf dem Weg dorthin den Plan für das Abendessen und das damit verbundene Einkaufen, drehte um und wollte spontan doch zu einem anderen Geschäft, und im Moment der Wende, in dieser kleinen und eigentlich auch sinnlosen, jedenfalls aber völlig unbedeutenden Kurve auf meiner alltäglichen Strecke, fing dieses Lied hier an: „Die schönsten Wege sind aus Holz“, von Annett Louisan. Ich fühle mich immer, wenn Situation und Musik oder Hörbuchteil so exakt zueinander passen, als hätte ich gerade etwas richtig gemacht, und das ist zwar vollkommener Unsinn, aber es ist andererseits auch wieder besser als gar kein Erfolg.

„Ich bog falsch ab, naja, was soll’s

Die schönsten Wege sind aus Holz.“

Die Herzdame hatte ebenfalls ihren höchst speziellen Moment der Synchronizität. Sie liest im Blog meist etwas nach meinem Schreiben, wobei dieses „etwas“ mal ein Jahr meint, mal nur wenige Wochen. Sie kommt eben zu nichts, ich kenne das, immerhin liest sie überhaupt. Im Moment liest sie den Januar nach, war gerade bei diesem Artikel, las die Eichelhäher-Erwähnung und wer landete in der Minute erstmals auf dem Balkongeländer? Genau. Zu und zu schön, sowohl der Moment als auch der Vogel, der aus der Nähe eine ziemliche Freude ist. Die Vögel der hier verfügbaren, nussknackenden und heimischen Sorten sind jetzt wohl vollzählig angetreten, wollte ich fast schreiben, dabei muss es doch angeflattert heißen.

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Ein Hinweis für den Freundeskreis Neurodivergenz, es gibt bei arte in der meist interessanten Reihe „Ich …“ einen Halbstünder über Autismus.

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Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 18.2.2023

Alu über schier unendliche Schwierigkeiten. Sie erwähnt da an einer Stelle, dass sie Deutsch spricht, dahinter steht das fortwährende Staunen, wie Menschen in diesem Staat denn bloß größere Probleme bewältigen sollen, die vielleicht nicht perfekt Deutsch sprechen. Darüber habe ich auch schon oft nachgedacht, und an dieser Sollbruchstelle habe ich auch schon Menschen im Umfeld scheitern sehen, etwa im schulischen Kontext oder auch in Verbindung mit Krankenkassen, Pflegebescheiden etc. Der Staat und auch weitere Systeme sind da denkbar unbemüht, das kann man kaum anders sagen. Oder nein, sie sind um Komplikationen bemüht, so ist es richtig. Simplification ist eine sehr, sehr böse Sache, die gilt es zu vermeiden.

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Die Kaltmamsell über die frühere Rente und die Zahlungen. Ich muss mich auch damit befassen, ich gehe mal die letzten Zahlen suchen. Meine Aversion gegen ein weiteres Thema mit -zig anhängenden To-Dos ist zwar groß, aber es nützt ja nichts. Ich bin 56, und da verhält es sich mit der Rente wie auf einer Seereise, wenn das Land am Horizont auftaucht und im Dunst vorerst noch kaum zu erkennen ist, aber die ersten Mitreisenden zeigen schon darauf und rufen etwas – es dauert wirklich noch eine Weile, bis man im Hafen ist, aber man hat das Ziel eben doch schon vor Augen und behält es auch für den Rest der Fahrt im Sinn. Den Geldgedanken spinnt sie dann hier noch weiter mit der Frage, wer wovon lebt (mit vielen interessanten Kommentaren darunter), und das wiederum setzt sich bei Frau Casino fort, ebenso bei Frau Brüllen.

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Christian macht sich Gedanken zum sozialen Pflichtjahr. Ich bin ebenfalls dafür und dagegen, ich finde es sehr schwierig. Ich wüsste nicht einmal, was ich für die Söhne richtig finden würde, dabei stünde einer schon verblüffend kurz davor, gäbe es so ein Jahr schon.

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Meike über die romantische Anziehungskraft in Zeiten des Patriarchats, also in unseren Zeiten.

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Blumen am Mittwoch

Etwas von der Arbeit im Brotberuf überrollt worden. Danach eingekauft und die Familie bekocht und festgestellt, dass Tag und Kraft und Denkvermögen komplett verbraucht waren. Diese Vollzeitnummer in nur einem Beruf könnte ich mir ernsthaft auf Dauer gar nicht mehr vorstellen. Viel zu zehrend ist das, auch wenn es hier und da Spaß macht und interessant sein kann, schon klar, was aber auch allzu oft nur im Bereich des Möglichen verbleibt. Wenn man wie ich mehrere Berufe und Familie und Interessen und sonst was hat, ist es immer ein Jonglieren mit etlichen Tellern. Manchmal ist das Gesamtkonzept etwas sportlich anstrengend, manchmal wirkt es unmöglich und manchmal läuft es auch routiniert durch, manchmal denkt man sogar für einen Moment: „Jetzt habe ich es raus!“ Da liegt man dann mit großer Sicherheit falsch, wie ich nach nun vielen Jahren Erfahrung damit sagen kann.

Am Dienstag habe ich hier morgens verwelkte Blumen festgestellt, was dann ein besonderes Problem ergab. Denn routinemäßig würde ich verwelkte Blumen selbstverständlich durch neue Exemplare ersetzen, es war aber dieser alberne Valentinstag und ich hätte dann also zu den Männern gehört, die am Valentinstag Blumen kaufen, wo ich doch wahrheitsgemäß zu den Männern gehöre, die dauernd Blumen kaufen, die ich zwar jeweils der Herzdame überreiche, die ich aber, wenn ich mal so unromantisch sein darf, womöglich auch ohne Frau an Bord kaufen würde, weil Blumen nämlich schön sind und ich es gut und erstrebenswert finde, wenn die im Wohnzimmer stehen. Am Valentinstag aber keine Blumen zu kaufen, nur weil Valentinstag ist, das ist ja auch eine verdrehte Form des Sich-Fügens, das ist auch wieder der Beweis, dass man einen Umstand auch nicht in Ruhe ignorieren kann, wenn man ihn erst einmal wahrgenommen hat. Man hat aber auch Probleme!

Egal. Blumen am Mittwoch gekauft. So. Dem habe ich es aber gegeben, dem Valentinstag! Es hat doch alles, wenn man es recht bedenkt, seine ausgesprochen kindische Seite, man kann noch so alt werden.

Beim Bäcker gab es „Valentin Herzen“, mit ohne Bindestrich. Drei sprachliche Änderungen, die zu meinen Lebzeiten aufgetreten sind und die mit großer Sicherheit vollkommen normales Allgemeingut werden:

  • Das Verschwinden vom Genitiv
  • Aus „Ich gehe ins Kino“ wird „Ich gehe Kino“
  • Aus Valentin-Herzen oder Valentinsherzen werden völlig unverbundene Valentin Herzen (wie deep ist das denn).

Das ist nun einmal so. Sprache ändert sich, ob ich das nun doof oder lustig oder sonst wie finde. Richtiges Empörpotenzial sehe ich da für mich nicht mehr, ich habe es ja auch mit Mühe verwunden, dass man jetzt Potenzial schreibt, nicht mehr Potential oder Fantasie statt Phantasie, was noch schwerer zu ertragen war. Alles längst verwunden, Krämpfe und Kämpfe von gestern! Und das so ungemein strittige Gendern hat für mich übrigens weder als Leserin noch als Autorin irgendeinen Krawallfaktor. Ich habe mich da, versteht sich, gerade mitgemeint.

Tulpen, übrigens. Es gab Tulpen.

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Einfache Wenn-Dann-Beziehungen

Ich gehe auf dem Weg zum Einkauf am Spielplatz vorbei, von dem eine Mutter gerade ein Kind wegzieht: „Wenn du nur Streit anfängst, dann können wir hier eben nicht hingehen!“ So einfach, nicht wahr. Klare Regeln, Konsequenzen, simple Wenn-Dann-Beziehungen. Davon abgesehen, dass man in solchen Fällen als unfreiwilliger Zeuge die möglicherweise doch komplizierte Vorgeschichte nicht ergründen kann, möchte ich diese Simplizität manchmal gerne auf alles anwenden, nicht nur auf kleine Kinder, die sich auf Spielplätzen danebenbenehmen. Auch auf Erwachsene, es gibt so dermaßen viele Gründe dafür. Sofort und als dringlichste Maßnahme alle E-Roller aus dem Stadtbild entfernen: „Wenn ihr die nicht ordentlich abstellt, dann könnt ihr damit eben nicht spielen!“ Danach dann die meisten Menschen aus den Autos und von den Fahrrädern zerren: „Wenn ihr euch nicht an die Regeln haltet, dann könnt ihr damit eben nicht fahren!“ Alle diese Fahrgeräte erst einmal drei Wochen wegsperren, dann weitersehen. Erst einmal alle ausgiebig Besserung geloben lassen, mit zitternden Unterlippen und viel bitte, bitte, es muss schon ernst gemeint sein, ich muss das auch erkennen können. Nicht mehr so nachgiebig sein. Wind von vorn, wie der olle Kempowski gesagt hätte. Dann vielleicht – natürlich erst nach langer Überlegung! – doch noch einen Versuch machen, einen einzigen, das dann ausgiebig betonen: „Aber nur auf Probe!“ Den Verkauf von Nikotin und Alkohol ebenfalls im ganzen Stadtgebiet untersagen: „Wenn ihr hier überall die Reste liegen lasst, dann können wir das eben nicht mehr kaufen!“

Sollen sie doch jammern und heulen. Ich habe es ja alles schon sehr oft gesagt und sie lernen es doch sonst einfach nicht, was soll man denn machen. Erziehung fühlt sich manchmal auch wie Notwehr an, da muss man eben strenger werden.

Ich zähle jetzt bis drei, und dann steht hier aber kein einziges Auto mehr im Halteverbot. Kein. Einziges. Haben wir uns verstanden.

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Tief im Herzen verankert

Ich war beim Friseur, ich habe meinen Kleiderschrank aufgeräumt und umsortiert, es ist Saisonwechsel. Sehr befriedigend ist es, wenn da alles Naht auf Naht liegt, Kante auf Kante, ein Anblick, als habe man – endlich, endlich! – alles im Griff, den Schrank, die Klamotten, das Leben. Dazu der erneuerte Haarschnitt, für einen Augenblick doch einmal dieses bestärkende Gefühl, für etwas gerüstet und bestens vorbereitet zu sein. Und sei es nur für den nächsten Tag. Ach was, für den Nachmittag, immer bescheiden bleiben.

Die Essensplanung steht auch bis zum 15. März, jeder sucht sich eben seine alltagsstabilisierenden Faktoren und bastelt und schraubt nach Kräften daran herum. Bei anderen ist es, sehe ich gerade, der Geschmack von Käse auf frischem Brot, und das geht auch. Heute gibt es hier Backfisch im Brötchen, entnehme ich meiner Liste. Das können Sie jetzt prima in Ihre Hamburg-Klischees einbauen, auch das ist eine Form der Ordnung.

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Am frühen Morgen nun mehr Vogelstimmen da draußen, der Chor vergrößert sich gerade, die Amsel ist jetzt in der Frühschicht dabei und unterlegt das Rotkehlchen und die Meisen. Im Drogeriemarkt haben sie die Stände mit den Ostersüßigkeiten aufgebaut, in den Foodblogs erscheinen erste Spargelrezepte, die sind allerdings noch nicht recht umsetzbar.

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In den Nachrichten las ich am Wochenende eine Meldung zum weiteren Ausbau der Wintersportgebiete in Thüringen, es ging da um Kritik, weil es in diesen Regionen künftig eher weniger oder auch keinen Schnee mehr geben wird, der Klimawandel. Der Ministerpräsident von Thüringen wies die Kritik zurück, denn, so sagte er, die Gegend sei eine Legende und außerdem tief in den Herzen verankert und das sei da auch schon seit hundert Jahren Wintersportort. Alle drei Argumente sind ein Fall von „Thema verfehlt“, wie Ihnen vielleicht auffällt, sie stehen in keinem logischen Bezug zur Kritik. Ich finde es von den Medien nicht richtig, solche Argumente ohne Einordnung abzubilden, es hat eine Beliebigkeit, die ich abstoßend finde. Man kann die Argumente immerhin hervorragend übertragen, auf alles. Wir können nicht aufhören, in den Urlaub zu fliegen, denn das Fliegen ist Legende, wir fliegen seit hundert Jahren und es ist tief in unseren Herzen verankert. Wir können nicht aufhören, riesige Fleischberge zu grillen oder Unmengen Benzin zu verbrennen, denn wir grillen und knattern seit hundert Jahren, das Grillen und auch der Geruch von Diesel sind Legende, sie sind tief, so tief in den Herzen verankert. Und immer so weiter. Ich werde auch weiter bloggen, denn ich blogge seit hundert Jahren.

Ach, was rege ich mich auf.

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Ich habe mit einem mathematisch begabten Sohn für eine Arbeit geübt. Es macht mich regelmäßig so fertig, ich möchte mir danach sofort einen schlichteren Beruf suchen. Wege fegen oder so. Aber nur gerade Wege bitte, ohne komplizierte Kurven.

Im Ernst jedenfalls finde ich es immer wieder faszinierend, wie wenig man sich das Denken der anderen vorstellen kann, weil man eben nicht so denkt, nicht so denken kann. Wie ist es denn bitte möglich, bei Multiplikationen im fortgeschritten mehrstelligen Bereich das Ergebnis einfach zu „sehen“? Einfach so? Für mich ein Fall von *hexhex*, für ihn aber: „Äh, ist doch logisch.“ Und er sieht mich an und versteht nicht recht, was ich nun wieder nicht verstehe.

Ich fange dann an

in Reimen zu sprechen

Wie um mich zu rächen

für den Mangel an Talent

den das Kind da benennt,

denn das Denken in Gedichten

das kann er mitnichten.

Und dann fragt er: „Wie machst du das denn!?“, und ich denke halbwegs getröstet: „Wieso, das ist doch einfach.“ So geht es hier zu.

Aber, Begabung hin, Begabung her, das Erbgut ist doch unverkennbar – wir sitzen jedenfalls beide vor den Textaufgaben und rätseln vollkommen unangemessen lange und intensiv, was uns die Autoren denn nun damit wieder sagen wollte und warum denn bloß. Wir beschweren uns dann stundenlang über die unsäglich bekloppte Blödheit der Beispiele, statt etwas zu lernen oder einfach alles stumpf abzuarbeiten, es ist immer wieder das Sequel zu meiner Schulzeit. Wir wissen beide, dass wir da gleich ticken, wir sagen zwischendurch verschwörerisch: „Vater und Sohn, ne.“

Aber es hilft ja nix. Die Textaufgaben sind tief in den Herzen der Schulbücher verankert.

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Frostfreie Tage voraus

Morgens stabile Plusgrade, immer auch das Positive wahrnehmen, sicher doch. Also für das  Gefühl, nicht für den Klimawandel, versteht sich. Frostfreie Tage voraus, und dann ist gleich schon März. Am Sonntag gehe ich in den Garten, eine Stunde Weg ist das, und ich mache die kleine Wanderung zum ersten Mal in diesem Jahr. Vorbei auch an neuen Geschäften, guck an. Kaum geht man irgendwo zwei, drei Monate lang nicht vorbei, schon ist da wieder etwas anders. Beständigkeit stellt man sich so auch nicht vor, wir leben in unruhigen Zeiten. Ich sehe auf der Parzelle nach der Hasel, nach der Forsythie, nach dem roten Hartriegel, auch nach der rekordfrühen und gelbknospenden Kornelkirsche, nach der Magnolie mit ihren pelzigen Flauschtrieben. Kleine Bestandsaufnahme des allgemeinen Knospenfortschritts, wohlwollendes Abnicken der allseitigen Bemühungen, yes, you can. Auf dem Weg dorthin prüfe ich aber auch die Beete in den Parks, ich sehe nach den Narzissen und nach anderem, die Triebe am Straßenbegleitgrün nicht zu vergessen, alles einmal wieder würdigen. Der Himmel ist dabei grau wie immer, es nieselt, aber es ist doch so etwas in der Luft, eine vage Ahnung nur, und die reicht ja bekanntlich.

„Es läuft der Frühlingswind
Durch kahle Alleen,
Seltsame Dinge sind
In seinem Wehn.“

Hofmannsthal war das, 1892, da war das nämlich auch schon so, wenn auch vermutlich nicht im Februar.

Einen Buntspecht höre und sehe ich nach etwas Suche sogar, die Kohlmeisen singen überall aus Leibeskräften, am Wegesrand einige Winterlinge. Zwei blühende Gänseblümchen finde ich, drei weißumflorte Zierkirschen, natürlich das übliche Rudel Schneeglöckchen im Garten neben dem noch schlafenden Weißdorn. Viel mehr sehe ich noch nicht, aber immerhin. Zwei leuchtend rote Tupfen im schwarzen Beet: Da rührt sich mein Rhabarber und testet mal die Luft, ob da vielleicht bald schon was geht.

Auf dem Weg wird mir dieser Song von Brandi Carlile zugeshuffelt, und ohne groß auf den Text zu achten, er passt zur Stimmung dieser Wegstrecke, ich kann sehr gut zu ihm gehen, was mir immer ein besonderer Genuss ist, wenn der Rhythmus mit dem Gang harmoniert. Er läuft dann einfach auf Repeat weiter. Wenn etwas gut ist, das dann gleich beibehalten, alte Regel:

Die Herzdame ist mit dem Auto in den Garten vorgefahren und lässt sich währenddessen von einer Fachberaterin lange über den Gehölzschnitt im Frühjahr aufklären. Sie hat das Thema für sich reklamiert, ich erwähnte es vermutlich schon irgendwann, der Mensch sucht sich Aufgaben. Sie markiert bei der langen Unterweisung alles, was in den nächsten Wochen geschnitten werden muss, mit hölzernen Wäscheklammern, Zweige und Äste. Die Gewächse sehen dadurch nun etwas eigenartig igelig aus, werden aber sicher sehr kundig behandelt und wir haben danach mehr Obst, so der Plan.

Ja, mach nur einen Plan.

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