Eine Dankespostkarte

Ich habe vielfach und längst (pardon) zu danken für ein Eichhörnchenfutterhaus, was sicher ein besonders gutes Wort für einen Kurs „Deutsch als Fremdsprache“ ist, für verschiedene Schreibutensilien und für Gedichte von Karl Krolow, für gleich mehrere Puzzles, für das Buch „Anfänge“ von David Graeber und auch für diverse Summen im Hut, die wir im Moment für den Sommer beiseitelegen, wenn kein anderer Verwendungszweck angegeben ist. Neulich etwa kam „Kultur“, das wird noch im März so verarbeitet, die Planung läuft. Ganz herzlichen Dank! Immer denke ich, den nächsten Dank musst Du aber wirklich viel schneller schaffen, und dann gelingt es mir wieder nicht. Schlimm.

Es ist mir aber auch lange kein Bild mehr untergekommen, vorgekommen, wie auch immer, ich habe einfach zu wenig gesehen, was sich in der Langweiligkeit der Jahreszeit begründet, ich stumpfe da stets etwas ab und nehme nur noch unzureichend wahr, was um mich herum geschieht oder sich präsentiert. Im Folgenden dafür eine noch aktuelle Bewegtbild-Sequenz von erheblicher Unglaubwürdigkeit, die ich Ihnen gerade deswegen zeigen möchte. Die Szene ist dermaßen klischeehaft, dass sie nur ausgedacht sein kann, da sie aber echt ist, frage ich mich doch wieder etwas, in welcher Dimension ich hier eigentlich lebe. Die Welt ist Text, der Text ist Welt, die Kulissen sind Klischee, die Klischees sind die Kulissen.

Wie auch immer. Im Bürohaus hinter unserer Wohnung arbeiten Unternehmensberaterinnen und -berater. Manchmal sind da junge Menschen dabei, ich habe es irgendwann schon einmal beschrieben, die enorm danach aussehen, als hätte man sie für einen Kinofilm über eine große Unternehmensberatung gecastet, so neu, teuer und gut sitzend sind die Anzüge und Kostüme, so glänzend die Schuhe, so hart und schnell der Gang, so entschlossen die Kinnpartie, so präzise die Frisuren und Rasuren. Ich sehe sie meist zur Mittagszeit, wenn sie zum Essen gehen und dabei noch Kurzmeldungen beruflicher Natur ins Handy bellen, knapp und zackig. Sie müssen sich diese Leute bis zur Lächerlichkeit typisch vorstellen, dann erst haben Sie ein stimmiges Bild, denn natürlich kommen sie auch tatsächlich so vor, irgendwo haben fast alle Karikaturen ihren konkreten Anlass und Ausgangspunkt. Zwei von dieser Art kommen mir am frühen Nachmittag entgegen, kurz vor unserer Haustür. Ich komme eben beladen vom Einkauf, meinen Hackenporsche so motiviert ziehend wie ein Pferd nach langen Dienstjahren die Touristenkutschen am Nordseedeich. Die jungen Leute streben vermutlich zu einem schnellen Essen, sie sehen beim Gehen auf Handys und Uhren, keine Zeit, keine Zeit.

Im Vorübergehen ein Satzfetzen, kurz nur: „Die zwanzig Leute werden freigestellt, das ist ja nun das kleinste Problem.“

Links von mir in diesem Moment das Schaufenster eines sozialistischen Verlages im Souterrain, aktuelle Titel, dort ausgestellt: „´Die Krise des Marxismus“ und auch „Gewerkschaft? Ja, bitte“.

Rechts von mir die Schlange vor der Essensausgabe in der Kirche, etwa sechzig Menschen stehen gerade auf dem Kirchhof und warten vor dem Portal, in einer langen Reihe um das Denkmal für den Heiligen Sankt Georg herum, der seine Lanze in den Lindwurm bohrt. Die meisten der Wartenden haben auch einen Hackenporsche dabei, die sind aber durchweg noch leer und werden erst in der Kirche gefülllt.

Das ist alles. So trifft es zusammen, so passt es auch. Es hat keine Moral, es belehrt auch niemanden, es findet nur einfach so unverbunden und parallel statt und jemand schreibt es auf. Ein paar Schritte weiter, im Fenster des tailändischen Massagesalons mit dem rot blinkenden Schild „Geöffnet“, stehen eine Winkekatze und ein großer, hölzerner Nussknacker unerklärlich nebeneinander, als gehöre das so. Eine merkwürdige Verbindung auch das, aber es fällt kaum auf.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

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