Es schleicht sich ein

24.5. ein Mittwoch. Ich höre Radio am Morgen, es geht da gerade um Heizungen, immer geht es um Heizungen, ob ich nun das Radio anmache oder das Internet. Eine Moderatorin sagt, die Ampelstimmung sei schlecht, man streite sich eskalierend. Das deckt sich vermutlich mit dem, was die Mehrheit annimmt, das deckt sich wohl auch mit der Wirklichkeit, aber als Beweis für die zunehmend raue Tonlage in der Koalition zitiert man dann ausgerechnet Überschriften aus deutschen Medien, die diese Zustände kommentierend bis herablassend beschreiben. Ich bin kein Medientheoretiker oder -kritiker, aber wenn ich so etwas höre, möchte ich glatt einer werden.

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Im Büro habe ich am Rande wieder Kontakt mit ChatGPT und technischen Konsorten. Überlegungen dazu, Diskussionen darüber. Ich lerne nebenbei, dass es die Bezeichnung Buchhaltroniker gibt, die habe ich noch nie gehört. FiButroniker auch, lese ich später noch nach, guck an. Mein eigener Beruf wäre dann wohl entsprechend der Controllotroniker, das klingt nach deutscher Science-Fiction aus dem letzten Jahrhundert.

Zwischendurch sehe ich in den Timelines ähnliche Gespräche zu verwandten Themen, es ist überall das Gleiche, von Firma zu Firma, von Schreibtisch zu Schreibtisch, man denkt über das neue Zeug nach. Zwischenstand aus meiner Sicht, der ich allerdings absolut nicht als Experte durchgehen kann: Die Auswirkungen kommen schneller als noch vor ein paar Wochen gedacht, sind aber erst einmal geringer, alltäglicher als von vielen zunächst angenommen. Es schleicht sich ein, wie immer und wie bei allem. Wir erinnern uns, selbst die Smartphones haben 2007 nicht über Nacht die Welt verändert (ich habe das Geburtsjahr der Smartphones immer so schön parat, weil es mit dem Geburtsjahr von Sohn I zusammenfällt.). Vor ein paar Wochen habe ich noch gedacht, dass spätestens in fünf Jahren vieles gründlich anders sein wird, besonders in den Büros, auch in meinem, mittlerweile denke ich eher in zwei Jahren, und ich werde nicht besonders überrascht sein, wenn ich das noch einmal auf ein knapperes Timing korrigieren muss.

Später am Tag spiele ich mit einem weiteren neuen Chatbot herum, PI von Inflection (hier ein Artikel darüber, im englischsprachigen Raum findet man mehr Texte). Der oder eher es ist im Gegensatz zu ChatGPT ausdrücklich auf emotionale Intelligenz getrimmt, es ist ein betont freundlicher Gesprächspartner, benimmt sich ähnlich wie ein Therapeut im Erstkontakt und stellt Nachfragen, die einfühlsam sein sollen und, wenn ich es recht verstehe, die einem helfen sollen, das eigene Denken zu strukturieren. Was auch bei kreativen Prozessen interessant sein kann. Wenn man der Software etwa sagt, dass man heute die große Stadt satthabe und aufs Land wolle, vertieft sie die Gedanken durch geduldiges Nachfragen und Vorschläge. Und es läuft, wie ich beeindruckt feststelle, hervorragend. Meine Güte, kann Software gut reden mittlerweile. Allerdings kann sie kein Deutsch und man möchte ihr, weil man ja in diesem emotional warmen Textumfeld ist, wenn man da chattet, gleich schreiben: „Das verstehe ich, dass du Deutsch noch nicht kannst, es ist wirklich eine sehr schwere Sprache. Bestimmt kannst du es später noch lernen.“ Also auf Englisch müsste man das dann sagen, versteht sich.

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Nach der Arbeit gehe ich mit einem Sohn zur Kieferorthopädin. Im Wartezimmer sickert flauschige, belanglos perlende Sedativ-Musik aus den Boxen an der Decke, die mich in Sekunden aggressiv macht. Gibt es im Ernst Menschen, die eine solche Geräuschkulisse beruhigend finden und wie bitte sind die denn drauf? Beruhigungsgedudel, schauderhaft, das triggert meine Wellnessallergie.

Später sitze ich wartend zwischen den Behandlungszimmern, es gibt hier etliche davon, aus denen erlesen fiese Schleifgeräusche im hohen Frequenzbereich kommen und weiß für einen Moment nicht, ob in diesem speziellen Fall nicht doch vielleicht die willenlos wabernde Musik besser sein könnte … Pest oder Cholera.

Haben Sie übrigens gewusst, wieviel Eltern bei kieferorthopädischen Leistungen für ihre Kinder dazuzahlen müssen? Das mal bei der Familienplanung mitbedenken, wenn Sie noch in dieser Phase sein sollten.

Ansonsten ist dieser Mittwoch der Tag der überaus seltsamen Aktionen gegen die Letzte Generation und wie viele andere Menschen auch brauche ich recht lange, bis ich verstehe, dass der Text auf der beschlagnahmten Homepage kein Fake ist, dass das mit der „kriminellen Vereinigung“ da wirklich vorverurteilend stundenlang stand und auf die Strafbarkeit der Spenden im Ernst hingewiesen wurde. Wow.

Ich habe es eine ganze Weile nicht glauben können. Plötzlich spendenwillig sein, so kann es also zugehen.

Siehe zu dem Thema auch hier oder noch ausführlicher bei der Lage der Nation.

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