Fragezeichen drängen mir nach

Der Arzt sagte also, ich brauche Ruhe, schrieb ich neulich. Ich überlege, wie ich das machen soll, das mit der Ruhe, ich versuche, dabei nicht zu lachen. Es ist nicht ganz einfach.

Ich verlasse das Home-Office und die Home-School. Ich verlasse die Reports und die Rechenpyramiden und die Bruchrechnung, die Erklärung der Gezeiten, die Erläuterung des Passivs im Französischen und der Geografie der norddeutschen Tiefebene. Ich flüchte vor Krabat und auch vor dem Satzbau in englischen Fragesätzen, vor Achtelnoten und vor Obststillleben und vor Märchen, die in Dialogform gewandelt werden sollen, vor all dem. Ich lasse es alles kurzentschlossen hinter mir, nur indem ich eine Tür zu mache. Mehrere Fragezeichen drängen mir nach, ich drücke die Klinke fester ran.

Ich lege mich aufs Bett. Es ist zehn Uhr morgens, ich denke Mittagsschlaf. Ich denke, es ist mir doch egal, wie spät es ist. Ich lege mich hin, ich falle durch. Also so fühlt es sich an. Ich rausche in die Tiefe, Alice im Kaninchenloch nichts dagegen, es geht so etwas von abwärts, klaftertief, so heißt das immer in alten Büchern. Nie habe ich gewusst, wie tief ein Klafter ist habe ich das auch einmal zugegeben. Tief genug ist es allemal. Ich kippe nach hinten weg in die Schwärze eines bleischweren Schlummers, ich bin ein Senkblei im Vormittag, wo ich liege, da ist unten.

Der Wecker steht auf zwanzig Minuten, so steht er immer, wenn ich Mittagsschlaf mache, egal, wann Mittag ist. Mittag ist auch nur ein Wort. Diese zwanzig Minuten sind ein finsterer Maulwurfgang durch die Stunde, lichtloses Graben, muffige Sekunden hinter mich schaufelnd, noch zwei Atemzüge, noch eine Minute, das Klingeln. Ich bin allerdings so weit unten, ich muss mich mühsam an der Bettdecke hochziehen. Wie jemand, der in Eis eingebrochen ist, sich an der blanken Kante festzuhalten versucht, so kralle ich mich in die Decken und ziehe und ziehe, Luft und Licht, da bin ich wieder.

Ich gehe an der Home-School vorbei, ein Sohn sagt Algebra. Ich sage, ich lege mich lieber noch einmal hin.

Das habe ich dann auch getan. Und zwar noch sechsmal. Danach ging es mir wieder besser.

Die Zeiten sind etwas anstrengend, sind sie nicht? Aber das fiel Ihnen vielleicht auch schon auf.

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Eine Dankespostkarte

Rückseite

Ich habe zu danken für die freundliche Zusendung eines Kofpmassagedingens. Sie wissen schon, diese Drahtgebilde, haben die eigentlich einen Namen? Die sind jedenfalls bei den Söhnen sehr beliebt und auch wirksam. Herzlichen Dank!

Vorderseite

Ich brauche heute wieder eine Karte, auf der wundersamerweise eine bewegte Sequenz von etwa einer Sekunde Länge zu sehen ist. Das gibt es so nicht am Postkartenständer, ich weiß, aber hier gibt es alles. Sie nehmen diese Karte in die Hand und die Szene spielt ab, immer wieder und wieder. Einfach so.

Sie sehen eine morgendliche Szene aus der Großstadt. Sie spielt auf einem Platz, wenn Sie es denn genau nehmen wollen, auf einem Platz vor einer Kirche. Man sieht rechts im Bild eine immer dramatisch wirkende Kreuzigungsgruppe. Drei Kreuze, Jesus und die beiden anderen, finster schwarz wirkende Bronze auf marmornen Stelen. Daneben dann, aber das ist nur noch undeutlich im Bild, das dunkelrote Backsteingebilde der Kirche, ein altes Portal, auch das eher düster zu dieser Stunde. Plakate an der Wand der Kirche, die sind inhaltlich vermutlich nicht finster, aber die sind zu weit weg, die kann man so nicht lesen. Farben sind zu dieser Stunde noch eher schwach zu erkennen. Sie finden sich nach der Dunkelheit erst neu und die meisten Häuser haben noch gar keine. Die Farbe der Häuser ist die Nacht. Ein Auto fährt aus Gründen der Dramatik vorbei, denn jetzt merkt man, aha, hier fahren großstadtuntypisch wenig Autos. Nach dem vorbeigefahrenen Auto die Stille. Ein Mensch führt einen sehr kleinen Hund an einen Baum und murmelt etwas und friert sichtlich. Der Hund steht und guckt und macht nichts.

Vor einem Café lehnt ein Schild, auf dem steht Frühstück, aber da gibt es kein Frühstück. Eine Möwe segelt durchs Bild, weil das hier immer so ist. Wenn man nur lange genug irgendwo hinsieht, dann segelt eine Möwe durchs Bild, Ästhetik auf Abruf. Sie fliegt tief, die Möwe, etwa in Höhe der zweiten Stockwerke der umgebenden Häuser. Vermutlich sucht sie Müll, halbleere Dönerboxen, Pommesreste, so etwas. Die Möwe zieht im Flug eine helle Linie durchs Bild, denn Möwen schaffen es auch in der frühen Dämmerung im Vorbeiflug weiß aufzuleuchten und kurz damit anzugeben, dass sie fliegen können und Du ja nicht, Du bodenverhafteter Betrachter, Du Mensch, Du sehr kleiner Hund, ihr da unten, und die Möwe lacht und dreht bei.

Eine leere Brötchentüte fliegt über den Platz, etwa in meiner Hüfthöhe, das ist nicht hoch. Ein Winterwind treibt sie zur Kreuzigungsgruppe und daran vorbei in Richtung Kirche, und das wäre vollkommen egal und keine einzige Zeile wert, wären Möwe und Tüte nicht für zwei, drei Meter vollkommen parallel und fast gleich schnell, wäre dieses bisschen Symmetrie, wäre dieses kleine Narrenstück der Harmonie nicht mit Abstand das Schönste, was es an diesem Morgen da weit und breit zu sehen gab. Eine flüchtige weiße Doppellinie. Doch, die war schön.

Man nimmt, was man kriegen kann.

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Die Unfreundlichkeit der Schneekörner

Ich habe in mehreren Blogs eine Zeile oder einen Satz gelesen, der in etwa besagte, dass gerade nichts passiere, dass man nichts mehr schreiben könne. Dann folgte dennoch überall ein längerer Text, natürlich war das so, wie das bei uns schreibenden Menschen nun einmal ist – wenn nichts ist, dann befinden wir das immer noch und gründlich, dass nichts ist, und wir erklären das Nichts allen ganz genau. Es ist allerdings tatsächlich nichts oder doch verdammt wenig.

Ich gehe raus, ich denke, es muss doch irgendwas sein? Ich sehe mich um, ich gehe so herum, es ist nichts. Es ist grau und alles sieht furchtbar langweilig aus, geschlossen, abgestellt, aus und zu. Die Farbe des Himmels verläuft in die Häuser, Einheitsgrau für alle und überall. Menschen gehen einkaufen, mehr machen sie nicht. Ich gehe auch einkaufen, dabei passiert nichts. Ich sage dem mich begleitenden Sohn, er könne sich ruhig etwas aussuchen, mir egal was, ich zeige vage in Richtung der Süßigkeiten, er sagt: „Ach, lass mal.“ So ein Tag ist das.

In der Schule, also in der Homeschool, pardon, lesen sie Krabat. Fragen zum Text, wie macht der Autor was, wir wirkt das und jenes. Wir gehen das gemeinsam durch, wir sehen uns das an. Wir nehmen Sätze und Begriffe und Wendungen und Metaphern und Vergleiche und all das und überlegen mal. Schneekörner etwa, warum schneit es da Schneekörner in dem einen Absatz? Sind Schneekörner anders als Schneeflocken zu bewerten, und wenn ja – warum? Sind sie unfreundlicher, härter, gemeiner. Ist es ein anderer Winter, wenn es Schneekörner schneit? Und was sind das überhaupt, Schneekörner. Der Sohn ist nicht so schneeerfahren wie sein Vater, der aus einer kälteren Zeit kommt. Das sind jedenfalls diese Fragen zum Text, nicht wahr, die haben wir alle einmal in Deutsch erlebt. Ich schlafe zwischendurch ein, wie damals. Ich bin unfassbar erschöpft, das war ich damals allerdings nicht. Damals war ich nur gelangweilt.

Wir gehen noch einmal raus, wir haben etwas vergessen, weil ich beim Einkaufen wieder auf andere Leute geachtet habe, nicht auf den Einkaufszettel. Aber drinnen ist es eh nicht besser, wir können also ruhig noch einmal rausgehen. Wir gehen vor die Tür, es schneit Schneekörner. Wir gucken beide etwas verblüfft nach oben, wie geht das jetzt? Ich kenne solche seltsamen Auswirkungen sonst nur vom Schreiben, dass sich etwas vom Tippen und Denken her ins Dreidimensionale überträgt. Jetzt also auch beim Lesen, das ist gar nicht uninteressant. Eben noch im Buch, jetzt hier auf unserer Bühne, wie toll ist das denn! Wir bemerken die Unfreundlichkeit der Schneekörner auf unseren Gesichtern, wir frieren im gerade gemeiner werdenden Wind und fangen umherirrende Schneekörner mit der Hand und sehen sie uns an. Es sind genau die aus dem Buch, ich möchte es wetten. Sie haben sich tatsächlich und ganz unzweifelhaft hier verwirklicht, it’s magic.

Und ich denke, dass wir jetzt sofort nach Hause müssen, schnell, schnell – Sterntaler lesen.

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Links am Morgen

Ein Homeschooling-Protokoll.

Siehe dazu auch: “Heute Abend sind meine Nerven etwas dünner als sonst.

Und hier: “Es ist sehr erfrischend, auch mal zu sagen, wenn es gerade nicht so gut geht.

Mir z.B. geht es auch nicht so gut. Ich war beim Arzt, der Arzt hat gesagt, ich brauche Ruhe. Und das war auch schon die Pointe. 

Egal, wird schon.

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Noch zehn Minuten bis Buffalo. Bitte den letzten Absatz beachten.

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Auf arte eine Dokumentation über Abba, die Bee Gees und die Carpenters mit teils verstörenden Bildern der Outfits von damals.

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Randbemerkungen

Auf der Straße vor dem Haus rollt mir ein kleiner Tannenbaum entgegen, das deutsche Tumbleweed des Winters. Allerdings bewegt sich dieser tote Baum nicht windgetrieben, sachte und fast lautlos, er wird vielmehr von zwei johlenden Kindern schwungvoll getreten, dass die Nadeln nur so fliegen. Was ich insofern mit einer gewissen Freude und entspannt betrachte, als es nicht meine Kinder sind, das ist auch einmal schön. Die lieben Kleinen! Die wertvolle Beschäftigung im Freien! Am Ende der Straße liegen noch mehr Bäume, der Spaß wird gleich noch größer, wenn sie die erst finden. Ich bleibe stehen und sehe noch ein wenig zu, gutgelaunte Menschen sieht man gar nicht so oft in der aktuellen Situation.

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An der Hauswand weht ein Einkaufszettel entlang und bleibt vor meinen Füßen liegen, so dass ich ihn gut lesen kann. Auf dem stehen, blauer Kuli auf weißem Grund, so Sachen wie Butter und Brokkoli. Oben drüber aber hat jemand mit einem schwarzen, dicken Stift, in Großbuchstaben und mit mehreren Ausrufezeichen SCHOKOLADE!! geschrieben, das sieht nach einer gewissen Dringlichkeit aus. Ich nicke dem unbekannten Menschen, der das geschrieben hat, im Geiste zu, ich verstehe ihn, ich unterstütze seinen Wunsch und hoffe, er hat in ausreichender Menge bekommen, was er benötigt hat; ich hoffe, er oder sie hatte nach dem Einkauf die volle Gönnung, wie die Söhne so treffend sagen würden.

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Vor der Kirche stehen zwei Menschen und fotografieren erst diese und dann sich. Ob das Touristen sind? Gibt es noch Touristen, gibt es schon wieder Touristen? Und wenn ja, von wo? Das weiß man alles nicht und man fragt ja auch nicht. Also ich jedenfalls nicht. Am Ende ist es einfach ein Ehepaar, das in dieser Kirche vor 25 Jahren oder so geheiratet hat, und die machen da heute ein Erinnerungsfoto, das wird es sein. Wir wollen nicht nach abwegigen Erklärungen suchen, wir nehmen die naheliegende Vermutung, die ist meistens richtig – und Touristen waren damals.

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Im öffentlichen Bücherschrank stehen Werke von Hans-Georg Gadamer. Die lasse ich stehen, die sind mir zu kompliziert. Aber wenn es danach geht, was mir alles zu kompliziert ist – meine Güte, was müsste ich alles stehen lassen. Personen, Dinge, Systeme, Weltlagen. Alles lassen und weitergehen.

One minute you’re here, one minute you’re gone, das shuffelt mir Spotify genau bei diesem Gedanken in den Gehörgang. Algorithmen haben manchmal auch einen speziellen Humor.

Weiter unten im Bücherschrank, verdeckt von den Münzkatalogen und dem Steuerrecht, liegt ein Lustiges Taschenbuch. Das nehme ich mit.

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Nur ganz schnell …

… der Text steht heute wieder woanders, nämlich drüben beim Goethe-Institut. Ich habe dort eine Gesellschaftskolumne geschrieben. Gewissermaßen.

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Anmerkungen zur Home-School

Ich versuche gar nicht erst, das vollständig aufzuzählen, aber in der Home-School kommen PowerPoint, Word, Excel, mehrere Chatprogramme, mehrere Tools für digitale Meetings, mehrere Plattformen, zwei Mailprogramme, eine Software für Stopmotionfilme und eine App für die Erfassung sportlicher Leistungen zum Einsatz, natürlich auch sämtliche Funktionen des Smartphones und ich habe sicher irgendwas vergessen und müsste an den Fingern beider Hände abzählen, wie viele Accounts mittlerweile von uns eingerichtet worden sind.

Vieles, was mit diesen Tools produziert wird, muss irgendwie und irgendwo gespeichert werden, abgelegt werden, hochgeladen werden, archiviert werden.

Aber: Sich digital vernünftig organisieren zu können, das ist auch für viele Erwachsene eine kaum zu lösende Aufgabe.

Die Vorstellung geht dahin, dass die Kinder über längere Zeit selbständig arbeiten, etwa bei der Beschäftigung mit einem Arbeitsblatt. Nahezu unweigerlich wird da in Kategorien von Schulstunden gedacht.

Aber: Sich länger als, na, etwa 20 Minuten durchgehend konzentrieren zu können, das ist auch für viele Erwachsene eine kaum noch zu lösende Aufgabe.

Es gibt nicht nur die oben genannten Tools, es wird auch viel ausgedruckt, gemalt, gezeichnet, markiert etc. Die Ergebnisse davon werden wiederum gescannt, abgelegt oder weiterverwendet. Nach ein paar Tagen geht es schon um sehr viel Papier, locker ein großer Wohnzimmertisch und ein, zwei Quadratmeter Fußboden voll, dazu kommen noch Bücher, Hefte etc.

Aber: Ordnung in so einem Wust zu halten, das ist auch für viele Erwachsene eine kaum zu lösende Aufgabe.

Die Kinder sollen sich an einen Stundenplan halten, die Kinder sollen sich selbst einen Stundenplan ausdenken, beide Varianten kommen vor. Sie sollen jedenfalls ihre Woche strukturieren.

Aber: Sich selbst zu strukturieren, das ist auch für viele Erwachsene eine kaum zu lösende Aufgabe. Besonders in Pandemiezeiten sind, wie man lesen konnte, gerade daran viele Menschen fast schon erstaunlich gründlich gescheitert.

Man könnte vermutlich noch auf weitere Punkte kommen. Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass die Leistungsfähigkeit, die ganz abgesehen von den Ergebnissen in den Fächern notwendig ist, um zu Hause überhaupt erfolgreich arbeiten zu können, in der allgemeinen Diskussion nicht recht wertgeschätzt wird.

Schon gar nicht wird irgendwas davon gelehrt. Das muss man alles, wie die Kinder sagen, „aus der Luft können.“ Und man muss es dringend können, denn die Schule besteht auch in diesen Zeiten hauptsächlich aus Forderungen, nicht aus Angeboten.

Für die nächste Pandemie – immer hoffnungsvoll enden! – würde ich mir eine Lernplattform wünschen, die unter Berücksichtigung dieser Punkte entwickelt wird. Ich glaube, dass das geht. Ich glaube aber auch, dass, pardon, kein Schwein bei der Entwicklung der jetzigen Plattformen daran gedacht hat. Es gibt zum Thema Usability ein paar nachlesbare Standards, es gibt ziemlich klare Erkenntnisse und auch Testverfahren. Man kann geregelt herausfinden, was läuft und was nicht läuft. Und man kann, das ist am wichtigsten, Wert darauf legen, dass alles möglichst leicht verständlich ist und Struktur gibt, nicht verlangt.

Egal. Jetzt erst einmal herausfinden, was es mit der seltsamen Datei 17-2 auf meinem Notebook auf sich hat, in der ein paar wirre Zahlen stehen und die ich erst einmal einem Sohn zuordnen muss, um dann vielleicht weiter zu kommen.

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Ein tieferes Grau

Man kommt gar nicht mehr raus, wenn man den Wahnsinn von Home-Office und Home-School mitspielt, man kommt gar nicht mehr vor die Tür. Und wenn doch, dann ist es da eklig. Schneeregen, was soll das, was will man da? Nur auf dem Kirchturm, da bleibt ganz oben – hauchdünn! – ein wenig Schnee liegen. Ich sage im Vorbeigehen zu Sohn II: „Guck mal, Schnee“, und ich zeige dahin. Er guckt mäßig interessiert hoch, er weiß natürlich, dass Schnee in Hamburg nur irgendwelche grauweißen Fitzelchen in Schleierstärke oder aber eine halbdurchsichtige matschige Masse mit Spuren von Hundekacke darin meint, nichts Spannendes.

Die Kinder in seinem Alter und aus der Stadtmitte, die kennen das gar nicht, was Sie und ich uns unter Winter vorstellen. Die kennen weder den Zauber noch die Stille eines allumfassend weißen Schneetages, die kennen auch das Frieren nicht, die kalten Hände vom Schneeballrollen, die kalten Füße in durchnässten Schuhen an langen Rodelnachmittagen, die roten, brennenden Wangen nach einem eisigen Tag da draußen. Die haben keinen einzigen Schneeengel in ihrer erinnerten Zeit gemacht und keinen Schneemann je gebaut. Die haben nie am Morgen eine allererste Spur in eine weite Schneefläche gestapft und dann zurückgesehen. Als es zuletzt Gelegenheit dazu gab, da war er noch zu klein, um sich jetzt daran erinnern zu können. So lange ist das her. Diese Kinder haben also auch einen anderen und aus unserer Sicht etwas seltsamen Bezug zu dem ganzen Dekokrempel, den wir gerade wieder in die Keller geräumt haben. Das ganze Weihnachtszeug mit den Winteraccessoires, mit dem gemalten oder modellierten Schnee daran und darauf, mit dem also, was für uns einmal Winter war. Alles Märchenland. Als das Wünschen noch geholfen hat! Das war einmal und ist nicht mehr.

Es kann sein, dass es dennoch den einen oder anderen Schneetag in Hamburg gegeben hat, ich weiß es gar nicht genau. Vermutlich aber waren es bestenfalls halbe und da hat der Sohn gerade in der Schule festgesessen oder anderweitig Pech gehabt. Es gab jedenfalls nicht genug Schnee, dass er sich daran freudig erinnern könnte. Es gab keinen Schnee, für den er ausreichend kindliche Verwendung hatte.

Ich sage dem Sohn, dass im Wetterbericht Schnee steht. Er reagiert nicht auf diese Nachricht, er glaubt einfach nicht daran. Schnee ist etwas, das nicht stattfindet. Der Winter ist ein tieferes Grau, und mehr ist er nicht. Der Winter ist vor allem furchtbar langweilig. Wie gut, dass es da Home-Office und Home-School gibt, da hat man immer etwas zu tun. Toll!

Na, wie auch immer. Nun zurück zur Bruchrechnung, zu englischen Uhrzeiten und zur Umwandlung von Märchen in Theaterdialoge. Was man so macht, an den langen Winterabenden, die wir Älteren früher sinnlos am Kamin verbracht haben, dümmlich ins Feuer starrend.

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Wir machen Kunst

Währenddessen in der Homeschool, es geht um das Fach Kunst. Ja, auch die Nebenfächer finden bei uns statt und werden getreulich bearbeitet, übrigens auch Sport. Wobei die Söhne allerdings etwas sparsam gucken, denn dafür sollen sie raus. Vor die Tür! Bei dem Wetter! Und ich darf wieder nicht von damals reden, von 78/79, als es wirklich Winter war. Nein, ich sage nichts. Ich gucke nur mit hochgezogenen Augenbrauen auf die albernen Schneeflöckchen, die in sehr überschaubarere Anzahl am Fenster vorbeitrudeln, und ich denke mir meinen Teil. Bei mir lag ja damals der Schnee auf dem Schulweg hoch bis zur Hüfte … schon gut.

Drinnen geht es heute um das Zeichnen von Schatten, auf welcher Seite ist ein Gegenstand dunkler, auf welcher heller, wie stellt man das korrekt dar, von wo kommt das Licht und guck mal, dann sieht es alles gleich plastischer aus und eine Kugel auf einmal wie eine Kugel, nicht mehr wie ein Kreis. Toll!

Der Sohn hat allerdings noch Fragen. Wie macht man das, wie sieht man das, wo ist denn da jetzt der Schatten genau? Da muss man richtig lange hingucken, das nervt schon einmal, das ist wieder was mit Geduld. Wo hat das Kind diese innere Unruhe her? Das ist unerfindlich, aber ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken, was soll ich noch alles machen und wann. Ich erinnere mich jedenfalls noch gerne an den Kunstunterricht von damals und dass ich solche Aufgaben einmal ganz interessant fand. Ich finde auch, dass es erstrebenswert ist, ein wenig zeichnen zu können und so ein paar Schatten irgendwo lässig zu skizzieren, doch, das kann man ruhig mal geübt haben, finde ich. Das ist genau genommen sogar sinnvoller als manche Textaufgabe aus einem gewissen Hauptfach. Ich hebe also an zu einer kundigen und mitreißenden Erklärung, denn ich kannte mich mit Kunst immerhin einmal aus. Wissensreste sind noch vorhanden, Begeisterung allemal. Der Schattenwurf ganz allgemein und speziell hier auf diesem Tisch, wie kommt das, wie geht das – das kann ich alles.

Ich gehe also von der Seite auf den Tisch zu und sage: „Gut, mein Sohn, stell dir vor, ich sei dein Licht …“

Nun ja.

Soweit.

Wir machen dann weiter, wenn der Sohn nicht mehr lachend auf dem Boden liegt.

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Eine Dankespostkarte

Rückseite

Ich habe zu danken für die freundliche Zusendung eines Mangas, einer ganzen Menge Sticker (Sticker sind den Söhnen wichtig, es muss unbedingt alles beklebt sein) und dieses Buches über die Mittagsruhe. Ganz herzlichen Dank!

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Vorderseite

Das Bild ist schon einige Wochen alt, es ist noch aus dem letzten Jahr. Es entstand in der Weihnachtszeit, als wir hier einige Tage wilden Spaß mit der unseligen Kombination von Home-School und Home-Office hatten, die, ich erwähnte es hier und da, übrigens nicht geht. Mein Nervenkostüm war in diesem Monat etwas ausgedünnt.

Ich sitze bei diesem Bild auf dem absurdgrünen Sofa im Flur, ich habe mein Notebook auf dem Schoß. Ich wollte da gar nicht hin, ich habe mich da nur selbst kurz geparkt, weil alle anderen Slots, wollte sagen Arbeitsplätze, gerade besetzt waren und alle um mich herum irgendwelche Calls hatten, wobei ich mich nicht konzentrieren kann, schon gar nicht, wenn es fröhlich eskalierende Kindercalls mit 27 lautgestellten Stimmen sind. Ich habe aber auch gleich einen Call und überlege gerade, wo ich jetzt hingehe, denn im Flur sitze ich äußerst ungünstig, da kommt dauernd jemand vorbei, der mich anspricht. In der Küche wäre es vielleicht gut, aber da ist der Tisch nicht freigeräumt, da stapelt sich alles und ich arbeite ungern zwischen benutztem Geschirr und Essensresten von gestern. Ich werde ungeplant angerufen. Ich gehe sogar ran, denn ich wollte genau diesen Kollegen schon länger sprechen, es ist auch halbwegs dringend. Die Herzdame geht vorbei und sagt etwas, ein Sohn geht vorbei und sagt etwas. Ich sage „Was“, ich sage „Hallo“, ich denke, ich muss hier weg. Ein Sohn stupst mich an und fragt nach einem Passwort, ich wedele ihn weg, er sagt „Aber!“

Ich stehe halb auf, denn ich muss wirklich dringend den Platz wechseln, das geht so alles nicht. Ich mache einen vorsichtigen Schritt, denn an dem Notebook hängen gerade die Kabel von Maus, Headset und Strom, die sich nur allzu gerne um meine Beine und Füße winden, damit ich die Laokoonszene in der Trivialausgabe 2.0 nachspielen kann.

Ich sehe nach unten, ich sage „Scheiße“, der Kollege und ein Sohn sagen: „Was?“

Die Herzdame reicht mir im wiederholten Vorbeigehen einen Kaffee zu, das ist wahnsinnig nett von ihr. Ich brauche nämlich dringend einen Kaffee und sie macht den allerbesten. Ein Kind sagt aus irgendeinem Grund „Scheiße“, ich sage „Was?“ Ich merke eine Sekunde zu spät, dass ich mit dem Kaffee in der einen Hand und dem noch aufgeklappten Notebook in der anderen und den Kabeln um meine Beine unweigerlich eine slapstickartige Entwicklung zu erwarten habe und denke kurz, wirklich nur ganz kurz, aber doch immerhin ausreichend lang für ein Bild, darüber nach, einfach alles fallen zu lassen und dann vielleicht noch auf allem, was dann da so am Boden liegt, ein klein wenig herumzutrampeln. Es ist ein enorm befriedigender Gedanke, vielleicht lächele ich dabei sogar, das habe ich im Dezember nicht oft gemacht.

Ich glaube jedenfalls, diese kleine entspannende Fantasie spiegelte sich recht deutlich in meiner Mimik und wenn ich ein Denkmal für mein Jahr 2020 entwerfen sollte, wenn ich es in einer Gestalt versinnbildlicht haben wollte, ich habe mir in dieser Sekunde Modell gestanden.

Ich sage: „Gottverdammt, das geht so alles nicht!“ Die Herzdame, Sohn I und Sohn II und der Kollege sagen: “Was?“

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