In Tonnen und Gehäusen

Der Freitag in der Mittwochausgabe also. Ich höre am sehr frühen Morgen ein Feature über schlechte Laune, danach grummelt es sich noch wesentlich besser: „Lob der schlechten Laune – Das Leben hat an und für sich nur Nachteile.“ Wer würde dem widersprechen wollen im Freundeskreis Dysphorie und Anhedonie, der gerade ganz gut Zulauf hat, wie man so hört. Die Stimmung in den Timelines zumindest, sie ist übel bis verzweifelt. Das kann man auch nur noch in gewissen Dosen zur Kenntnis nehmen und ansonsten lieber Bücher aus anderen Zeiten lesen. Das Konstruktive fehlt allenthalben, das Konstruktive fällt niemandem mehr ein. Wenn ich mit Leuten spreche, was situationsbedingt gar nicht allzu oft vorkommt, kommt die Rede irgendwann immer darauf, dass es noch dauernd wird, und dann werden so halb lachend und halb ernst Monate hingeworfen, bis Juni, bis Juli, bis September, bis Oktober, jeder und jede rät so herum. Vor Juni nennt schon niemand mehr etwas. Im Juni beginnen hier schon die Sommerferien, das klingt noch gar nicht vorstellbar.

Währenddessen ziehen alle Werte munter und flott in Richtung Rot und darüber hinaus, Hamburg hat die Hundert heute gerissen.

Ich sitze währenddessen in meiner Abstellkammer, Buddenbohm im Gehäuse, und arbeite und lese und schreibe. Und wissen Sie was, ich finde es ausgesprochen schön hier. Ausgedientes Familiengerümpel um mich herum, aber auch ein Sessel und ein Schreibtisch. Gemütliche Beleuchtung der irgendwann ausrangierten Art, lädierte Lampenschirme, funzelige Birnen. Bücher und Notizbücher. Kochzeitschriften jahrgangsweise. Keine Fenster, aber auch keine anderen Menschen. Ich glaube, ich bin vergleichsweise anspruchslos, und das immerhin ist eine Eigenschaft, die bewährt sich jetzt.

Ab und zu sieht die Herzdame herein und fragt ironisch: „Na, gemütlich?“ Und ich sage betont unironisch: „Ja, sehr.“ Ich habe mir schon als Kind die Mülltonne von Oskar immer ganz heimelig vorgestellt, so wirkt der frühkindliche Fernsehkonsum bis heute angenehm nach.

Und sonst: In den Foodblogs sprießt schon der Bärlauch, sehe ich gerade. Nehmen wir das einfach als Hoffnungszeichen des Tages.

Das Konstruktive nicht nur vermissen, immer auch suchen und finden.

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Abwinken, aussitzen, abperlen lassen

Der Dienstag ist ansonsten ein Tag ohne besondere Vorkommnisse. Es kommt nur eine mäßig schlechte Nachricht, etwa Kategorie mittleres Ärgernis, das ist keine Aufregung wert. Abwinken, aussitzen, abperlen lassen.

Ich lese am Abend weiter in Somerset Maugham, „Einzahl- erste Person“. Die Übersetzung ist von Mimi Zoff (klingt wie eine Figur bei Nick Knatterton, die Älteren erinnern sich) und enthält das wunderschöne Wort ausruhsam. Ein Hotel in Rom, so heißt es da, sei in der heißen Stadt kühl und „ausruhsam“. Ein besonders schönes Wort, da mal etwas darauf herumschmecken. Wenn man es übrigens googelt, das fand ich lustig, findet man einen Kammerjäger aus Ruhsam. Ich stelle mir ausruhsame Orte und Hotels vor und fange an zu träumen, das wirkt ein wenig.  Ich schreibe das Wort in mein Notizbuch, es schreibt sich auch schön. Ich nehme mir vor, das zu verbloggen, hiermit geschehen, sehen Sie, so kommt das immer. Jetzt kennen Sie das Wort auch und können etwa ihre Möbelstücke durchgehen, welche wohl die ausruhsamsten davon sind. Man braucht doch etwas Ausruhsames, in diesen Zeiten.

Direkt neben mir stehen die Eierkartons mit den Kartoffeln drin, die dort bitte vortreiben sollen. Die eine Sorte heißt Linda, die andere heißt Charlotte, das klingt zusammen wie ein Geschwisterpaar. Zwei wohlgeratene Töchter, Linda und Charlotte, gleich sieht man sie vor sich, ein Mehrteiler im ZDF über ihr Liebesleben. Und hätte man Zeit, hätte ich Zeit, es wäre doch auch eine hübsche Idee, ein Romänchen zu schreiben, in dem alle Figuren nach Kartoffelsorten benannt sind, es gibt definitiv genug Auswahl. Das dürfte man aber keinem sagen, nein. Listig verschweigen müsste man das und erst nach den Kritiken voller Genugtuung darauf hinweisen, dass niemand in den Feuilletons bei diesem besonders feinsinnigen Text über aktuelle Probleme in der deutschen Gesellschaft das allerkartoffeligste Merkmal darin entdeckt hat. Einmal im Leben so eine Pointe mitnehmen, ich sage es ja, man braucht Ziele, unbedingt braucht man die.

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Montag, Dienstag, Freitag

Montag, gefühlt Freitag. Ein Vogel weckt mich am Montag um 04:20, das ist selbst für meine Verhältnisse etwas früh, und so frühlingshaft hoffnungsfroh solch Gezwitscher auch oft wirkt, es überzeugt um diese Uhrzeit nicht recht, es nervt vielmehr etwas. Ich stehe stöhnend auf, ich mache mir Kaffee. Ich halte das Handy aus dem Dachfenster und checke die Birdnet-App, bzw. checkt diese App den Vogel. Ein Rotkehlchen, sagt das Ergebnis sofort. Aha, denke ich, wieder was gelernt! Was aber gar nicht stimmt. Ich habe nämlich beim ersten Schluck Kaffee schon wieder vergessen, wie der Vogel geklungen hat, zwitscher zwitscher eben, was weiß ich, so ein Geflöte und Getriller, wie Vögel eben machen, tirili. Nichts davon würde ich in zehn Minuten wiedererkennen, gar nichts, und nichts habe ich gelernt. So eine App ist gut und schön und kann tatsächlich etwas, viel sogar, aber ob sie mir etwas beibringt, ich weiß nicht recht. Da nochmal drüber nachdenken.

Ich fahre den Bürorechner hoch, ich weiß mein Passwort noch, dieser Urlaub konnte wirklich gar nichts. Der Rest des Tages entgleist dann gründlich, da decke ich den Mantel des Schweigens drüber, der allerdings etwas Übergröße haben darf, sonst guckt da verdammt leicht etwas raus.

Der öffentliche Bücherschrank, den hier jemand abgefackelt hat, ich erwähnte es gestern, er wurde wohl mittels Kaminholz in Brand gesteckt. Man sieht die angekokelten Scheite noch da liegen, so Feuerholz, wie man es aus ländlichen Wohnzimmern kennt. Was immer da für eine Geschichte dahintersteckt, gut wird sie nicht sein. Der Bücherschrank soll wieder aufgebaut werden, immerhin.

Dienstag, gefühlt Freitag, es ist endlos lange Freitag, immer wieder, und das Wochenende kommt nie. Die gestrige Nachrichtenlage lässt die Timelines verständlicherweise in heller Empörung, in Entsetzen und Entgeisterung zurück, es ist ein emotional ungemein aufgewirbelter Freitag, dieser Dienstag. Ich dagegen fühle mich bedrückt und seltsam unterkühlt, das kann alles nicht mehr gesund sein, das ist doch seelisch höchst bedenklich. Dann fällt mir wieder ein, dass ich in einer ungeheizten und fensterlosen Abstellkammer sitze, es könnte auch daran liegen. Der Blick fürs Wesentliche! So schwer. Ich setze mich in die Küche, ich brauche mehr heißen Kaffee. Viel mehr Kaffee.

Ich sehe aus dem Fenster runter auf den Spielplatz. Seit auf den Spielplätzen Maskenpflicht gilt, stehen da viel mehr Männer herum, ist das Zufall, ist das ein erwartbarer Effekt? Schon seit ein paar Tagen sehe ich immer wieder nach, dauern stehen da Männer, so viele Väter im Einsatz wie nie, es ist wirklich seltsam.

Home-School, der Konjunktiv. Hätte ich aufgepasst, ich könnte den Konjunktiv. Er sagte, er könne den Konjunktiv. In Mathe dagegen machen wir aus einer einfachen Zahl einen Term mit immer mehr und noch mehr Klammern, das Kind fragt völlig zu Recht: Warum? Es ist wie im Leben, sage ich, da ist irgendwas ganz einfach und überschaubar, dann spielt jemand etwas damit herum, schon ist es irre kompliziert. Alles spiegelt sich in allem und so. Das Kind fragt, ob es jetzt fertig sei. Nein, das ist es nicht, das ist es noch jahrelang nicht. Der Mensch als solcher wird nicht fertig. Schlimm.

Home-Office. Neulich bin ich zufällig mit dem Auto am Büro vorbeigefahren, also an dem Gebäude, in dem ich jahrelang gearbeitet habe. Unverkennbares Damals-Gefühl. Ach guck, den Stadtteil gibt es ja auch noch. Da haben früher viele Menschen gearbeitet, was war das mittags immer für ein Gedränge vor den Imbissen. Tempi passati.

Ich arbeite konzentriert, die Zeit vergeht. Im Grunde reicht es auch, finde ich dann, let’s call it a day, es ist auch alles ziemlich anstrengend. Ich sehe auf die Uhr, es ist erst 08:28. Hm. Ich sehe auf den Kalender, es ist immer noch Dienstag.

Es geht alles nicht mit rechten Dingen zu, so viel steht fest.

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Hier bitte klingen

Der Frühling wird uns eiskalt untergeschoben, fast an der Wahrnehmung vorbei. Hier und da sieht man im Vorbeihasten unter Schauern grüne Blättchen und fette Knospen, aber es graupelt, es schüttet, es stürmt, nirgendwo sieht man in Ruhe hin, alles nur nebenbei. Ein paar Narzissen auf vollgekackten Rasenstücken, frisch vom Platzregen verprügelt, taumelig auf den Stängeln. Krokuseinsprengsel im Park, verweht oder schon wieder zertreten.

Aber das Licht ist doch anders, die Helligkeit ist eine andere geworden, da sind jetzt Töne drin, die gibt es im Winter überhaupt nicht. So eine pastellige Ahnung. An den Kulissen wird also geschraubt, aber man bekommt es nicht recht mit. Man mag auch nicht rausgehen, es ist einfach nicht schön da.

Auf der Eiche vor dem Küchenfenster sitzt die Ringeltaube im quer herantreibenden Regen und gurrt, dass das Wetter früher besser gewesen sei, alles andere übrigens auch. Sie hat einen Ausdruck verstetigter Empörung um die Augen.

An der Fensterscheibe eines Restaurants hängt ein Zettel mit einem handgemalten Pfeil, über dem steht: „Hier bitte klingen“. Da hat man das zweite L vergessen, im „klingeln“. Ich stelle mir vor, wie die Kunden vor der Scheibe stehen und irgendwie klingen. Was man so macht, wenn man sich nicht mehr zu erheitern weiß. Es hilft heute nicht recht.

An einigen Geschäften steht jetzt etwas von neuen Öffnungszeiten und wie viele Kunden auf einmal, an einigen steht, dass man bitte einen Termin vereinbaren solle, dann große Telefonnummern. An einigen Geschäften steht gar nichts, die sind seit November einfach dunkel und still und das ist schon die ganze Geschichte, also von Kundenseite aus betrachtet. Es gibt Restaurants, die werben auf Zetteln in den Fenstern immer noch für den Grünkohl aus dem Dezember.

Aus einem Fenster höre ich Flötentöne, da übt jemand etwas. Es könnte etwas Irisches sein, keine ganz einfache Sache, das klingt jedenfalls nicht wie ein übendes Kind. Eine tanzbare Melodie ist das, jetzt noch eine Trommel und irgendwas mit Saiten und ab in den Irish Pub. Nein, das ist so ein Gedanke von früher. Die Flöte wird überlagert durch ein Martinshorn am Ende der Straße und das wieder geht unter im Klang der Kirchenglocken, gestapelte Töne, Großstadtmusik.

Ich gehe am Morgen Brötchen holen. Brötchen holen ist angenehm einfach und fast wie früher. Ich gehe durch den Bahnhof, der Zug nach Zürich fährt gerade ein, aber Zürich, das wissen wir längst, ist auch keine tiefere Stadt, da müssen wir nicht hin. Maskierte Menschen steigen aus und ein. Auf dem Bahnsteig stehen zwei, die ziehen die Masken runter und küssen sich sehr und nass und zum Abschied. Dann schmiegt sie sich an ihn und sieht, er ist erheblich größer als sie, selig lächelnd zu ihm hoch und sieht dabei dermaßen glücklich aus, das sieht man gar nicht jeden Tag. Dann steigt sie ein und er nicht.

Auf dem Weg zurück bricht die Sonne durch, ein jähes Aufgleißen der nassen Dächer, wie ein abgespritzter Modellbausatz stehen die Häuser blank, frisch und neuwertig da, ein Musterstadtteil mit kahlen Architektenbäumchen. Figürchen auf dem Gehweg, ich. Mit Brötchentüte.

Ich lese nach dem Frühstück Schulmails. Ich möchte bitte keine Schulmails mehr lesen, ich habe fürs ganze Leben genug Schulmails gelesen.

Wir müssten da noch etwas vorbereiten, wenn es hier nach den Ferien morgen wieder losgeht mit der Home-School, wir müssten auf diese Lernplattformen gucken und Termine sortieren. Wir müssten Konferenzen planen und Arbeiten und Tests. In mir ist ein lähmender innerer Widerstand, der ist noch größer als der bei den Kindern, und das will etwas heißen. Wenn das alles einmal Geschichte ist und in den verschiedenen Wissenschaften aufgearbeitet wird, ich hoffe es wird allgemein als einer der großen Fehler anerkannt, dass die Lehrpläne weiter durchgezogen wurden, dass der Druck blieb, dass die Arbeiten und Bewertungen blieben, dass Zensuren wichtiger waren als alles, dass es überhaupt immer um Noten ging. Ich halte das nach wie vor für eine absurde Fehlentscheidung. Ich verstehe die geschlossenen Schulen, sehr gut verstehe ich die, den Rest verstehe ich nicht. Den Rest will ich auch nicht verstehen.

Eventuell habe ich einen Ausdruck verstetigter Empörung um die Augen, das kann sein. Ich winke der Ringeltaube vor dem Küchenfenster solidarisch zu. Sie dreht sich unangenehm berührt um.

Im Mai gibt es wieder eine Woche Ferien. Komm, lieber Mai, und mache.

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Sukunft mit S

Heute ist der Tag, an dem vor einem Jahr Corona bei uns einschlug. Der Kalender im Büro blieb dann etliche Monate auf diesem Tag stehen und wäre, hätte ich das entscheiden können, in genau diesem Zustand auch im Firmenmuseum gelandet, das es aber leider gar nicht gibt. Ich wäre dort sonst gerne Kurator und beredter Hüter der Kugelkopf- und Typenradmaschinen, mit denen wir damals, also ganz damals, die Tage weggerattert haben.

Die Kinder sind sicher – und nicht nur meine Kinder – dass das alles schon viel länger als ein Jahr dauert, und sie sind sich nicht etwa spaßeshalber sicher, sondern ganz sicher. Ich dagegen fühle gar nichts bei der Zeitangabe „ein Jahr“, bei mir ist jedes Zeitgefühl gründlich im Eimer. Ich habe nur einen Instant-Ohrwurm mit „What’s another year“ von Johnny Logan, das ist einigermaßen unschön. Das gab es auch auf Deutsch, das Liedchen. Was ist schon ein Jahr, und es ging weiter mit: „für jemanden, der keine Sukunft mehr hat. Ja, mit S hat er das gesungen, oder ich erinnere es zumindest so, und er guckte dabei sehr blauäugig in die Kameras, so blauäugig, wie wir jetzt nicht mehr in die Sukunft sehen werden können.

Corona dauert ein Jahr oder einen ungeheuren März lang, Corona dauert, darauf werden wir uns einigen können, allmählich etwas zu lange. Fisch, Besuch und Pandemien stinken nach drei Tagen.

Corona dauert bis Mitte 2021 oder länger. What’s another month.

Ich lese weiter in Somerset Maugham, diesmal „Einzahl, erste Person“, so heißt das wirklich. Es beginnt mit einer arg durchsichtigen und eher nicht so guten Geschichte über einen Mann, der zu Betrugszwecken dauernd Frauen ehelicht, die etwas Geld haben, elf hat er schon. Es ist alles recht schlicht aufgebaut und nicht allzu glaubwürdig, aber es spielt in einem englischen Badeort außerhalb der Saison und da wäre man als Leser dann auch gerne. In so einer halbverlassenen Pension, auf diesem weitgehend menschenleeren Strand bei bestenfalls mittlerem Wetter, und wenn man da Menschen trifft, andere einsame Spaziergänger, dann sind die eben die Geschichte. Das ist übersichtlich und klar, das ist einladend.

Eigentlich wäre ich jetzt gerade auf Eiderstedt, fällt mir nebenbei ein, aber die Situation.

Den öffentlichen Bücherschrank, aus dem ich die Bücher von Somerset Maugham habe, den hat jemand angezündet. Die Brandstelle ist mit Flatterband von der Polizei abgesperrt und sieht erheblich nach Tatort aus. Es ist kein einziges Buch übrig, ich werde mir Lektüre jetzt wieder anders besorgen müssen, das ist schade. Wer zündet öffentliche Bücherschränke an? Das weiß bisher kein Mensch, aber in den Stadteilgruppen auf FB meint man, auch das genau zu wissen. Die jeweils anderen waren es natürlich, die muss man auch dafür hassen. Die Kommentarlage ist ekelhaft und warum ich da noch einen Account habe, es ist im Grunde unerfindlich und dringend wieder zu überdenken.

Ich höre Wilkie Collins, Die Traumfrau, und meine Güte, es war wirklich nicht alles gut von ihm. Eine Geistergruselgeschichte der zweitklassigen Art, ich rate eher ab. Blasse Frau erscheint nachts mit erhobenem Messer und sticht unmotiviert in Matratzen, also wirklich.

Ich höre R.L. Stevenson, Markheim und die krumme Janet und es ist ja so, wer kann, der kann. Stevenson kann.

Nächste Woche, ich bin heute vollkommen zusammenhanglos, pardon, wieder Home-School und Home-Office. Ob ich das noch kann?


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Links am Morgen

Die Schreibmaschine im Film. Man möchte auch mal wieder, wenn man das so sieht, nicht wahr. 

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Es wird Eis gegeben haben

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Diese speziell deutsche Mischung aus orgiastischer Bürokratie, selbstgerecht-hohlen Durchhaltefloskeln und tödlicher Inkompetenz ist selbst für musterhafte Bürgerinnen und Bürger kaum noch zu ertragen.

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Infektionen bei Kindern und Jugendlichen steigen und hier und da entsolidarisieren sich, gibt es das Wort überhaupt, die Eltern und werfen sich nun gegenseitig giftig vor, dass sie ihre Kinder zur Kita oder zur Schule schicken oder dass sie das eben nicht tun, als ob nicht beide Positionen vollkommen verständlich und übrigens auch falsch wären. In der Schule bekommen die Kinder Corona, zuhause werden sie irre, das Wort ist eigentlich zu schwach, was gibt es da also zu wählen, das ist ethisch nicht auflösbar, das ist eine einzige Zumutung und man steht chancenlos davor, denn man weiß nicht, man kann es ja gar nicht wissen, was hinterher schlimmere Folgen haben wird, haben könnte. Die noch minderjährigen Richterinnen und Richter über unser Elternverhalten wiederum sind noch Jahre vom Urteil entfernt, werden aber, wenn mich alle durch die Literatur vermittelten Erfahrungen der letzten tausend Jahre nicht täuschen, mit großer Wahrscheinlichkeit zu dem Schluss kommen, dass wir falsch gelegen haben, egal, wie wir gelegen haben. Sie werden es anders sehen als wir und sie werden selbstverständlich Recht haben, siehe Lauf der Welt. Am Montagmorgen geht in Hamburg die Schule nach einigermaßen witzlosen Ferien wieder los, einige Kinder gehen hin, einige gehen nicht hin, beides ist definitiv vollkommen falsch. Jetzt eine elegante Überleitung zu Adorno oder zum schönen Begriff Clusterfuck, ja, so müsste man es machen. Was man alles müsste! Man, und ich schreibe hier mit voller Absicht man, man kann aber gar nicht mehr.

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Trinkgeld Februar, Ergebnisbericht

Es gab natürlich gar keine Änderung gegenüber dem Januar, also keine Änderung im Verhalten oder in den Umständen, man pandemisiert nach wie vor so vor sich hin. Tage und Wochen vergehen, die Situationen bleiben bestehen. Keine besonderen Ausgaben also, zu denen ich mehr oder weniger heitere Berichte schreiben könnte, gar keine, nichts, nada. Also auf den ersten Blick.

Auf den zweiten Blick habe ich nun lange Zeit wirklich wenig ausgegeben und wir haben, da die Herzdame und ich nur noch einen Raum bewohnen, dieser also bitte möglichst gut zu sein hat, einen Maler bestellt, der uns für die perfekte Wandgestaltung dieses Zimmers ein Angebot gemacht hat. Und die Sachlage ist nun so, ich müsste, wenn die Damen und Herren Malerinnen durch sind, was allerdings noch etwas dauern wird, es muss erst noch einmal ein Fenster getauscht werden, ich müsste also an einer der frisch gestrichenen Wände irgendwo noch dranschreiben: Sponsored by Leserinnen. Wie toll ist das denn? Denn so sieht es aus. Also der Sachverhalt. Wie die Wände aussehen, das steht noch nicht ganz fest, die Herzdame durchgrübelt im Moment noch etliche Grautöne, die für mich im Bereich des Ununterscheidbaren liegen, vermutlich fehlt mir da ein gewisses Maß Feingefühl oder Geschmack. Oder beides ist nur unzureichend vorhanden, was weiß ich. Nein, lassen Sie es mich positiv ausdrücken, die Herzdame hat dermaßen viel Geschmack und Feingefühl und Stil, sie kann mit großer Sicherheit die Farbwahl alleine durchführen und ich nicke dann hinterher nur und sage: „Schön, schön.“ Aufrichtig und ehrlich werde ich das sagen, denn es wird schon stimmen. Bilderrahmen und Bilder gab es auch noch, wir zeigen das dann vielleicht einmal, wenn es vorzeigbar ist.

Im Februar gab es, man erinnert sich schon kaum noch, auch warme Tage, da haben wir das erste Eis des Jahres gegessen. Und mit dem Eis verhält es sich nun so, dass wir, ich habe das eben überschlagen, den ganzen Posten Eis 2021 als leserinnenfinanziert betrachten können, das kommt hin. Dafür danken insbesondere die Söhne schon jetzt, die Herzdame und ich aber auch, versteht sich.

Es gab ferner mehrere Betreffzeilen mit „Garten“ darin, ich habe aber mangels Kontaktes mit anderen Läden nur Discounterware eingesammelt, hier und da etwas zum Einpflanzen, buntes Geblühe, Pflanzkartoffeln und ein paar Sämereien, Radieschen, Möhren, so etwas. Der Garten soll, ich berichtete, aus meiner Sicht in diesem Jahr entspannt laufen, mehr so nebenher und quasi als Genussmittel, ich kaufe also in aller Konsequenz auch nur nebenbei ein, en passant ein paar Knollen und Zwiebeln. Die Herzdame ruft mir gerade zu, sie habe Astklammern bestellt. Ich wusste bis eben nicht einmal, dass es so etwas überhaupt gibt, aber es wird schon richtig und gut sein. Die Herzdame war übrigens zunächst auch recht angetan von dem Gedanken, den Garten in diesem Jahr als reine Wellnessoase zu betreiben, sie schwächelt in diesem Entschluss aber mittlerweile erheblich, was ich daran merke, dass sie gelegentlich vor anderen Gärten steht und lange guckt und dann so seufzt. Und wenn ich dann dahin sehe, wo sie gerade hinsieht, dann haben die da etwas gebaut, eine neue Terrasse oder ein Rankgitter oder ein Spalier oder einen Teich oder so etwas, und ich weiß, sie kann so etwas nicht gut ertragen. Ich sage: „Ich nicht!“, sie sagt: „Nur ganz klein!“ Ich ahne, was kommt.

Aber noch ist es natürlich nicht so weit, noch ist da mehrfach Schnee im Wetterbericht, Graupel und sonst etwas, Sturm und Regen, da lockt der Garten noch nicht sehr. Noch sitzen wir zuhause und die Herzdame blättert durch Grautöne. Was man so macht, an langen Märzabenden.

Für die Söhne gab es wieder mehrere Mangas, ich blicke da längst nicht mehr durch, welche genau. Außerdem gab es, man muss sich die Zeit unbedingt irgendwie verschönern, einen Sternenhimmelprojektor und Sohn I und die Herzdame erwarben und hörten außerdem gemeinsam wieder Hörbücher, nämlich Werke von Rebecca Gablé („Robin“ und „John“). Das sind Romane, die im Mittelalter spielen, wenn ich es richtig mitbekommen habe. Die beiden als Duo kauften auch Catan in der Version für zwei Spieler als Kartenspiel. Sie mögen das Spiel entschieden lieber als Sohn II und ich, da war das eine gute Lösung.

Bürozeug, das auch noch. Kein allzu erfreulicher oder interessanter Posten natürlich, aber für Home-School und Home-Office braucht man doch diverses Zeug. Das hat ordentlich gekostet, alleine die Druckerpatronen, man macht sich ja keinen Begriff. Ich habe nie im Leben so viel gedruckt wie in diesen Home-School-Zeiten.

Abschließend eine letzte Investition, die sinnbildlich für die Zeit stehen kann, es war gewissermaßen der Kauf zur Lage. Es war nämlich so, dass ich mich an einem Vormittag im Februar auf ganz seltsame Art belüftet fühlte, der Sache nachging und feststellte, dass ich meine Hosen tatsächlich im Lockdown komplett durchgesessen habe. Ich neige eben manchmal zur Gründlichkeit. Meine neuen Hosen also, sie gingen ebenfalls vom Trinkgeldkonto ab, dafür noch besonderen Dank.

Wie immer, ganz herzlichen Dank für jeden Euro und jeden Cent, jede Summe war mir ein Fest!

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Es geht

Ich weiß nicht, was es ausgelöst hat. Vielleicht war es eine sich endlich doch noch einstellende überwältigende Unlust an sämtlichen Corona-Newstickern, vielleicht war es ein solch enormes und so schmerzlich unerfülltes Bedürfnis nach Ruhe, wie es sich nur mit stillen, ach, so herrlich stillen Buchseiten befriedigen lässt, jedenfalls scheine ich auf einmal wieder lesen zu können. Man soll natürlich den Tag nicht vor dem Abend loben und die Leselust nicht vor einem mittleren Gesamtwerk, aber doch, es geht, es geht. Im Moment geht es.

Somerset Maugham war es, der stand in dem öffentlichen Bücherschrank, der mir meine Lektüre mit diesem reizenden Zufallsfaktor zuspielt. Keines seiner großen Werke, „Seine erste Frau“, eine Literatursatire, eine Liebesgeschichte auch, aber ganz egal, was es nun ist, es ist immerhin ein Buch, bei dem ich dachte, na, ein paar Seiten gehen vielleicht noch, mal sehen, wie das weitergeht. Das baut er ja interessant auf, wie macht er das, wo führt das hin und was hat es mit dieser Frau denn nun auf sich. Dann noch, das war nur ein Zufall, ein paar Seiten in etwas von Rolf Vollmann, daraus dann zwei, drei Bücher auf eine Liste geschrieben und dann wieder die jähe Erkenntnis – meine Güte, was ich alles noch nicht kenne, es ist im Grunde völlig unfassbar. Gut, das ist so weit immerhin ganz vergnüglich und fühlt sich in etwa so an, als würde ich seelisch nach Hause kommen, das ist warm und freundlich und ich habe zum ersten Mal seit Ewigkeiten das Licht am Abend etwas später ausgemacht, weil das Kapitel noch nicht beendet war.

Jetzt aber ein paar Tage lang aufpassen, wenn ich an einem Bücherregal entlanggehe, dass ich nicht rückwärts in einen Roman falle, unansprechbar für den Rest der Welt, verloren der Gegenwart, wobei – warum eigentlich nicht.

Der Rest der Welt ist ohnehin nur noch genervt und weiß nicht mehr recht, wie er das noch ausdrücken soll, hier etwa der Herr Dueck. Aber da bin ich schon wieder im Newsfeed, wenn man nicht dauernd aufpasst. Was gibt es da, meine Güte, sehen Sie mal hier, es ist doch wirklich alles unter aller Sau. Aber es regnet, es stürmt, hier sitzt eine geliehene Katze, hier liegt Somerset Maugham und ich glaube, der Erzähler und diese Frau, Sie wissen schon. Und obwohl die Frau erst ein paar Seiten lang vorkommt und eigentlich nur etwas Fahrrad fährt, unbeholfen sogar, denn sie ist Anfängerin, versteht man das auch, diese Anziehungskraft, diese Ausstrahlung, und wäre man Figur in dieser Geschichte, man würde etwas dafür geben, sie halten zu dürfen, auffangen zu dürfen, bei ihren schlingernden Versuchen. Wie hat er das gemacht?

Ich gehe nachlesen. Der Regen schlägt an die Scheiben. Die Katze schnurrt. Es geht.

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Links am Morgen

Ein Blurb-Glossar

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Erinnerungen an Opfer der Pandemie.

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Ich habe für das Goethe-Institut etwas über das Rausgehen geschrieben.

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Links am Abend

Die Links am Morgen heute am Abend, warum auch nicht. Immer geschmeidig bleiben.

Die Fliesen des Kinderzimmers.

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Einer Frage der Bindung

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Über das Erlernen von Vogelstimmen.

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Wasseramseln. Nie gehört!

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Eine neue Gärtnerin.

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Wie unser Gehirn soziale Beziehungen verarbeitet.

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Der Brief im Film. Gefunden via Arthurs Tochter.

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