Aufklaren

Von dem belebten Platz, an dem ein Restaurant neben dem anderen ist und wo an diesem herrlichen Sommerabend viele Gäste draußen sitzen und den Tag bei einem Drink ausklingen lassen, wehen ab und zu sachte Akkordeontöne zu meinem Balkon herüber. Mit dem Instrument wird da wohl jemand von Tisch zu Tisch gehen und auf Kleingeld hoffen, nehme ich an. Ich höre nur Fetzen der Melodie, ich höre immer nur eine Handvoll Töne, der Zusammenhang verweht, die Melodie ist nur zu erahnen. Es könnte “Biscaya” sein, James Last, die Älteren erinnern sich. Bei Menschen in meinem Alter sitzt das Stück ziemlich tief, das erkennen wir schnell, da reicht das kürzeste Anspielen. Aber ob man damit heute noch Kleingeld verdienen kann? Oder vielleicht gerade wieder, ist der Trend schon zurück? 

Wann immer in meiner Jugend etwas aus Norddeutschland mit Meer dabei im Fernsehen kam, stets wurde es mit dieser Musik unterlegt. Jede Fahrt über Nord- oder Ostsee, jeder Bericht über eine Insel oder ein Stück Küste. Kam irgendwo ein Leuchtturm ins Bild – das Stück erklang unweigerlich. Die Kamera zeigte einen Kapitän, wie er auf der Brücke stand und über die Nordsee schipperte, vielleicht auf einem Fischkutter. Das waren noch lange Kameraeinstellungen damals, da würden heute alle wahnsinnig werden, so lange sah man nur diesen Mann, und der machte nicht einmal etwas, der stand da nur und guckte zum Horizont, das war dann die ganze Szene. Unvorstellbar aus heutiger Sicht. Der Mann sprach auch nicht viel, sah aber irgendwie sympathisch aus dabei und wirkte vor allem ungeheuer sicher in seiner Rolle. Der wusste, was er wollte und was er konnte. So hat man Norddeutsche immer gerne gezeigt. So wollten Norddeutsche auch immer gerne sein, klar und berechenbar, immer geradeaus.

Dieses Akkordeon da spielt immer noch hinter den Häusern. Eine Möwe fliegt eine elegante Schleife um die Kirche und vom Hafen unten tutet passend ein vermutlich großes Schiff. Wenn ich jetzt ein Tourist wäre, ich würde diesen Moment hier ungeheuer norddeutsch finden, wahnsinnig typisch und einprägsam. Wenn ich eine Postkarte zur Hand hätte, ich würde sie beginnen mit “Stell dir vor!” Dann würde ich diese Szene kurz schildern und zuhause würden die Leute denken, ach guck, das ist da oben ja echt so. Und der Himmel auf der Postkarte wäre genauso blau wie der vor dem Fenster gerade.

Ich bin kein Tourist, ich wohne hier. Diese ganz gewöhnliche Möwe da, sie fliegt nur durch meinen Alltag, und das macht sie jeden Tag. Ich finde den Moment daher gar nicht besonders einprägsam, ich finde den einfach nur irgendwie. Ich muss, so denke ich in der routinierten Lässigkeit der Einheimischen, nicht einmal etwas darüber schreiben, so dermaßen normal finde ich das alles hier, so gewöhnlich und im Grunde unauffällig. Ich sehe da gar nicht weiter hin, ich höre da auch nicht weiter zu, ich mache weiter mit den gewöhnlichsten Verrichtungen im Haushalt.

Zwei, drei Tage später schreibe ich aber aufgrund einer spontanen Idee dann doch etwas dazu. Es wird sogar recht lang, wie Sie sehen – so viel also zum Thema klar und berechenbar und von wegen geradeaus. 

Vermutlich bin ich einfach noch nicht oft genug über die Nordsee gefahren. 

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Links am Morgen

Der Kinderdok ist genervt

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Frau Novemberregen über Pläne und Gelegenheiten und Regeln.

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Die Alpen werden enteist

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Constantin Seibt mit der achten Folge seiner Reihe über ADHS – enthaltend einige wunderbar gemeine Zeilen über Menschen aus dem Jahrgang 66, zu denen auch ich zähle. 

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Kaum erwähne ich hier im Blog Bad Bevensen, schon weiß jemand Bescheid – Kiki in diesem Fall.

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Links am Morgen

Ich habe kaum etwas, da ich gestern wegen der Grundschulabschlussfeierlichkeiten bei Sohn II, die sich unerwartet bis in den Abend hinzogen, wobei sie sich natürlich mehrfach verlagert haben, nicht zum Suchen und Lesen gekommen bin. Für Menschen ohne Kinder im passenden Alter übrigens: Das läuft heute in der Schule so ab, dass die Eltern und SchülerInnen auf mit Nummern markierten Kreisen auf dem Schulhof stehen, ganz wie Figuren auf einem Brettspiel, in angemessener Entfernung voneinander. Gäste sind nicht zugelassen, nur Eltern dürfen zusehen. Und natürlich findet alles draußen statt, man aerosolt unter freiem Himmel und auch nur klassenweise, nicht wie sonst für den ganzen Jahrgang. Der Rest ist dann wie bekannt, die Kinder werden einzeln verabschiedet, es gibt Reden und Tränchen und ein letztes Austauschen von Fotos und Nummern und Adressen, es gibt auch vage Zusagen für Treffen nach den Ferien, nach Corona, nach was auch immer. Und obwohl das letzte halbe Jahr ganz erstaunlich und geradezu ungehörig lang war, sind diese Kinder jetzt doch ganz plötzlich mit der Grundschule fertig, das kann so eigentlich auch nicht sein, das können doch kaum vier Jahre gewesen sein. Man steht und staunt.

Gut, Thema Grundschule durch. Wir werden weiter jeden Tag an dem Gebäude vorbeigehen und irgendwann wird es dann wie bei der Kita ein paar Meter weiter sein, man geht da einfach so längs und denkt sich gar nichts mehr dabei, ein assoziationsfreier Schritt nach dem anderen und dann ist man schon vorbei. Bis mal eine Lehrerin winkt, die man noch kennt – und dann laden die Geschichten wieder.

In wenigen Wochen dann die weiterführende Schule. Das sonst übliche Kennenlerntreffen der neuen Klassen dort im Juni: Abgesagt, Corona. Erste Klassenfahrt dort im September: Abgesagt, Corona.

Gefunden habe ich gestern immerhin diesen Artikel hier über Berlin, über eine entsetzlich klischeehafte Wirklichkeit und über den Flickenteppich von Qarantänezonen, der jetzt wohl das neue Normal ist. Demnächst auch in Ihrem Landkreis und Ihrem Städtchen. 

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Nimm dir eine Auszeit

Durch den Hauptbahnhof läuft eine telefonierende Frau, die ist aufgebracht, wütend und ziemlich laut: “Regen brauchen, wir Regen! Ich habe Regen gesagt!” Sie gestikuliert wild mit der Hand, die nicht das Handy hält. Sie sagt das mit dem Regen mehrmals und wird immer wütender und sie sagt es ganz so, als sei der Mensch da am anderen Ende leider etwas schwer von Begriff und aber doch klarerweise zuständig für die Lieferung von Regen, die Pfeife, die elende Niete, und wenn wir jetzt bitte kurz mal aus dem Fenster sehen – er oder sie muss echt unfassbar unfähig sein, da klappt wirklich gar nichts.

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Ich gehe weiter durch den Bahnhof, ich suche nach Hinweisen. Das mache ich oft, weil da draußen ja alles voll mit Hinweisen ist, Literaturkennerinnen und auch Gamerinnen wissen Bescheid. Deswegen sehe ich mich immer so aufmerksam um, alles sehe ich mir an. Ich gehe über einen Bahnsteig, da fährt gerade wie für mich bestellt ein Zug ein, auf dem steht ganz groß: “Nimm dir eine Auszeit in Bad Bevensen”. Ich sage: “Ich weiß ja nicht!”

So wird das aber nichts mit den Hinweisen und mir, das merke ich selbst, ich bin einfach zu skeptisch. Da mal dran arbeiten, Lockerungen!

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Ich kaufe in der Wandelhalle heruntergesetzte Rosen, die sind schon mit leichten Gebrauchsspuren versehen, wie wir früher im Antiquariat gesagt hätten, die sind etwas angegilbt und an den Rändern auch etwas angestoßen. Sie sind dennoch wunderschön und die Verkäuferin sagt beflissen werbend, dass die schon noch lange halten werden, woran sie aber sicher selbst nicht glaubt, sie packt sie auch lieber ganz unangemessen schnell ein. Egal, die Rosen sind lila und herrlich und viele und billig, die nehme ich mit. Wohl dem, der in einer langjährigen Beziehung lebt, der kann auch einmal etwas von der Rosenresterampe mitbringen. Wie würde das im frischen Flirt bloß wirken, unmöglich, da könnte man doch gleich wieder gehen – Schatz, ich habe dir angewelkte Blumen mitgebracht. Aber so – die Rosen stehen im Schlafzimmer und sehen aus wie exquisite Deko im Film, sensationell gut sehen sie aus, und dahinter glitzern golden die Netze der Kreuzspinnen, die vor unseren Schlafzimmerfenstern träge Wache schieben, im Licht der untergehenden Sonne. Die weißen Vorhänge wehen sachte vor die etwas müden Blüten und die Herzdame hat ein langes Kleid vors Fenster gehängt, als würden wir heute noch auf einen Ball gehen, was aber gottseidank täuscht, ich würde nicht auf einen Ball wollen, für kein Geld der Welt. Überhaupt Gesellschaft, eher schwierig. Aber sicher sind Bälle ohnehin noch verboten, manches wird durch Corona viel einfacher. 

Nein, ich möchte hier einfach nur liegen und den wehenden Vorhängen zusehen. Das ist mein Mittsommermoment, er ist ganz unerwartet gelungen. Ich liege da und stelle mir Entspannung vor, und damit bin ich für meine Verhältnisse auch schon ziemlich nah dran. Geht doch.

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Falls Sie noch einen Soundtrack für den Tag brauchen und bei einem Streamingdienst sind, gucken Sie doch bitte mal nach dem Album “Today” von Gary McFarland. Das ist sehr sommerliche Musik, passend für den Kurpark von Bad Bevensen, wo ist das überhaupt. Auf Spotify findet sich dieser seltsam storytaugliche Satz über das Ende von Gary McFarland: 

By the late 60s […] he was forgotten by his initial jazz followers and he died in 1971 after being poisoned in a New York City bar.

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Links am Morgen

LehrerInnen auf Ruhemöbeln. Heute beginnen hier die Sommerferien, da sind die die Söhne in den nächsten sechs Wochen endlich mal zuhause, und das war auch schon die Pointe. Der Hamburger Schulsenator verkündet derweil Normalität im nächsten Schuljahr und glaubt fest an den Regelbetrieb mit Sport, Theater und allem – ich glaube nichts, ich verkünde nichts. Et kütt wie et kütt. Ich bin ja halber Rheinländer, das muss sich auch einmal irgendwie ausdrücken. 

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Ein Konzert für Topfpflanzen. Warum auch nicht. Wenn man früher viel Muppet-Show gesehen hat, wirkt es aber etwas merkwürdig, dass die Pflanzen nicht irgendwann singen oder sonstwie in Aktion treten.

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Links am Morgen

Alan Posener versucht, mir Stuttgart zu erklären und ich weiß nicht recht. Ich habe von Stuttgart nur eine vage Ahnung, war nur einmal kurz da und bin also weitgehend kenntnisfrei, finde es aber erstaunlich, wie wenig einleuchtende Erläuterung mir die diversen Artikel gerade bieten. Was passiert da? Ich verstehe es immer noch nicht. Oder versteht es am Ende wirklich keiner? Das ist doch schon fast nicht mehr vorstellbar, dass man ein Ereignis nicht auf zwei, drei Schlagzeilen und klare Positionen herunterbrechen kann.

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Die Hamburger Zentralbücherei kommt hier im Blog öfter vor, deswegen ist es vielleicht interessant, wie es da jetzt nach einem größeren Umbau aussieht. Ich lounge da demnächst einmal testweise und berichte.

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Kiki hat Schwierigkeiten beim Bloggen. Wir haben es ja auch nicht immer leicht, wir WebbefüllerInnen, ne. Wobei das Bloggen bei mir im Moment nicht in Frage steht, solange es sich weiter wie die natürliche Fortbewegungsart anfühlt. Bei mir geht sonst gerade nicht viel und die Lage ist realistisch betrachtet eher schlecht, aber das hier, das geht noch. Stay calm and keep blogging – aber das ist eben eine persönliche Entscheidung, das hat keine weitere Gültigkeit für irgendjemanden sonst.

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Nachdem mir die letzten beiden Anne-Tyler-Bücher eher nicht gefallen haben, kehre ich zurück zu, Moment, zu was eigentlich? Es ist ja so eine Sache mit dem literarischen Abkommen von der Spur, Sie kennen das vermutlich. Aber ich glaube, ich kann das in dem Fall sogar halbwegs sicher rekonstruieren. Ich war, als ich mit Anne Tyler anfing, gerade dabei, den Bel Ami von Guy de Maupassant als Hörbuch zu hören, welcher aber eigentlich auch schon eine eher ungehörige Unterbrechung war, und zwar des Zauberbergs von Mann, gelesen von Sven Walser im Ernst-Deutsch-Theater. Dieser Zauberberg unterbrach wiederum eine andere Anne, nämlich Anne Lamott mit ihrem Buch über das Schreiben, Bird by bird. Und das war damals unvermutet quer in den Yuval Harari gestoßen, Homo Deus, da also war ich eigentlich und hatte dabei die ganze Zeit im Sinn, die Unverfügbarkeit von Hartmut Rosa noch einmal zu lesen, die mir – wann auch immer – gut gefallen hat, das war eher im letzten Jahr, also vor enorm langer Zeit, wie man heute sagen muss. Na, das kann man doch alles wieder aufdröseln, das kriege ich wieder in den Griff. Disziplin ist alles.

Dummerweise habe ich gestern aber versehentlich in Anton Tschechow reingelesen, da muss ich noch kurz …. nur ein paar Seiten!

Zu Anne Lamott, deren daherplaudernden Stil ich sehr mag, gibt es hier übrigens eine Zusammenfassung ihres Buchs über das Schreiben. Das hat jetzt aber gedauert, bis ich endlich bei einem Link gelandet bin, meine Güte. Ich lese dieses Buch jetzt allerdings in so unzusammenhängenden Happen, ich lerne mit großer Sicherheit gar nichts dabei, aber egal, in diesem Tonfall könnte sie mir alles erzählen, gerne auch mehrfach. 

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Links am Morgen

Das Plastik zwischen uns. Via Kwerfeldein.

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K-Pop, Pranks und Trump – die Geschichtsforschung wird eine Weile brauchen, um da durchzublicken.

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Die Krise hat unsere strukturellen Probleme offen zu Tage gefördert: Es haben die Schüler gewonnen, die selbstständig lernen können, und die, die das nicht beherrschen, wurden zu Bildungsverlierern. Aber, ganz ehrlich, haben wir unseren Schülern das selbstständige Lernen denn je wirklich beigebracht? Wir hatten über Jahre einen Lernbegriff, der Null ganzheitlich orientiert ist, der davon ausgeht, dass Schüler vor allem für die Schulaufgaben lernen, und nicht in erster Linie fürs Leben. Corona ist die Chance, dass wir das ändern.

Also was mich angeht – bis ich es live mitbekomme, glaube ich an keine einzige positive Entwicklung. Aber falls ich doch welche erlebe, werde ich gerne berichten.

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Auf Schlingerkurs

Ich gehe mit Sohn II spazieren, wir gehen durch die Stadt. “Komm in den totgesagten Kaufhof und schau”, sage ich, aber George hat er noch nicht gehabt, und er hält seinen Vater nur wieder für etwas seltsam. Wir gehen in den Kaufhof und dort die Rolltreppe runter in die längst verkümmerte Schreibwarenabteilung, wohin auch sonst. Wir gehen an den Stiften und Heften und Ordnern vorbei, wie waren da in den letzten Jahren wirklich oft und auch lange, wir murmeln leise: “Also an uns lag es nicht.” Wir kaufen noch einmal Stifte. Die Verkäufer tragen in diesem Haus immer schon schwarze Kleidung, aber heute wirkt sie noch schwärzer und einer guckt so traurig, da will man eigentlich gar nicht mehr stören. Das Kaufhaus ist leer. Vielleicht ist es auch die ganzen letzten Woche so leer gewesen, Corona und die Folgen. 

Wir sehen uns noch einmal um, auch in den anderen Abteilungen, und der Sohn sagt: “Das ist hier ganz schön viel Zeug für sehr wenig Leute.” 

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Wir machen später am Tag den Kajak flott und umrunden die Billerhuder Insel, die Herzdame, Sohn II und ich. Sohn I ist anderweitig unterwegs, die Wege des jungen Herrn sind unerforschlich. Er ist in wenigen Wochen Teenager, das will natürlich auch vorbereitet sein und ist also schon in Ordnung. Sohn II ist in diesem Fall aber eh die besser Begleitung, der neigt nämlich immer wieder zum Extremsportlertum und wir Eltern müssen daher kaum rudern, er macht das schon. Es schlingert etwas und der Kurs ist beim besten Willen kein gerader, wir brauchen auch eine Weile, um uns beim Steuern zu einigen, es geht auf dem Wasser zu wie im richtigen Leben. Von den Rudern fällt immer wieder im Sonnenlicht aufleuchtendes Spritzwasser auf uns herab, das Wasser ist erstaunlich warm und fühlt sich hochsommerlich an. Es dauert nur zehn Minuten, dann fängt es an, das Aufdemwassergefühl, und der Tag wird anders. Diese andere Geschwindigkeit, dieses leichte Schaukeln, das Gleiten, das Funkeln auf dem Fluss, die vorbeiziehenden Gärten und Stege auf der einen Uferseite, es beruhigt alles ungemein. Jeder Garten ist anders, was man da alles ablesen kann, wie die Bewohnerinnen ticken. Wie verwunschen schön einige Stellen aussehen, wie grauenvoll hässlich andere, wie angeberisch das da, wie bescheiden lieblich das da, wir fahren langsam von guck mal hier zu guck mal da. Fahren, treiben und hinsehen, nur lässig rudern und ab und zu Anglern winken. Wirklich, ich kann ein wenig Entspannung nicht leugnen, ich sollte das vielleicht öfter machen. 

Auf der anderen Uferseite Hammerbrook mit Fabriken, Werkshallen und raumgreifenden Industrieklötzen. Da darf man nicht hochsehen, das deprimiert nur. Die grauen Betonbauten reichen bis ans Wasser, aber das hat auch einen Vorteil, denn das Ufer ist dadurch vollkommen unberührt. Da geht nie jemand längs, da liegt keiner in der Sonne, da grillt keiner, da schmeißt keiner Abfall hin, da feiert keiner, da legt auch keiner an. Da hängen nur die Zweige der Weiden ins Wasser und darin nisten, brüten und schwimmen Haubentaucher und Enten. Gänse patrouillieren würdevoll vor Küken und sonst ist da nichts, dieses Ufer ist untenrum schön, man darf nur den Blick bloß nicht heben. Man muss die Augen ein wenig eng machen, dann ist das eine Schmalfilmuferexpedition. Der Anblick ist zauberhaft und so ein Haubentaucher im Halbdunkel des schwimmenden Geästs ist allemal besser als gar kein Tierfilm. 

Immer wieder faszinierend, wie wenig man machen muss, um in seiner Stadt in einer ganz anderen Stadt zu sein. 

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Den Sonntag habe ich nahezu komplett verschlafen, ich brauche Urlaub. Ein Nickerchen nach dem anderen, nach dem Schläfchen ein Päuschen und dann noch einmal hinlegen und danach kurz mal die Augen zu, der ganze Tag war eine Serie von ausgedehnten Halbschlafmomenten – aber wach war er noch immer nicht.

Ich denke im Dämmer über die Weltlage und große Themen nach, über Ungerechtigkeiten und Skandale und Missstände, ich komme zu einem Schluss, für den ich eine Formulierung vom Herrn von Horváth umbauen muss: Eigentlich bin ich Extremist, ich komme nur nie dazu.

Die ersten Himbeeren, die ersten Kirschen, Zuckererbsen direkt aus dem Geranke. Zwei Kohlrabi. 

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Musik!


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Links am Morgen

Das war es jetzt also mit dem Neustart. Alles wie immer, den Irrsinn vor Augen.” Sibylle Berg über das Weitermachen

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Währenddessen in Israel: “Als Infektionsherde erwiesen sich außerdem Schulen, die zusammen mit der Wirtschaft wieder aufmachten. „Sie wurden schnell zu Clustern“, sagt Cohen. Mehr als vierzig Prozent der neuen Corona-Fälle seien Kinder, die sich im Unterricht angesteckt hätten. Inzwischen sind etwa 200 von 5000 Schulen im Land wieder geschlossen, weil sich dort Hotspots gebildet hatten. “

Klingt irgendwie nicht ganz wie Regelbetrieb. 

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Der Deutschlandfunk über Wolfgang Welt. Auf Spotify gibt es “Ich schrieb mich verrückt” – Frank Goosen liest Wolfgang Welt. Da ruhig mal reinhören!

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Frau Novemberregen über das Home-Office Das Thema ist ungeheuerlich umfassend, finde ich auch, und es betrifft nicht nur die ganzen praktischen Fragen, wie drüben im Blog einleuchtend aufgezählt, das betrifft auch so gut wie jeden Punkt, an den man eine Sinnfrage kleben kann.

Ein Sohn macht hier Mathe in der Home-School, auf die viele Home-Office-Fragen auch zutreffen. Ein Freund ruft an und fragt, ob er zocken kann. Es ist 10 Uhr am Vormittag an einem Werktag. Der Sohn überlegt, dass er seine Home-School auch auf den einladend freien Sonntag verlegen kann. Kann er? Kann er nicht? Jede dieser Fragen braucht eine sinnvolle Antwort und schon über diese eine kann man lange nachdenken. Das rüttelt aber stets an Grundfesten, wenn man nur lange und gründlich genug nachdenkt.

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New York nach dem Lockdown: “Zum ersten Mal hupen Autos ungeduldig auf dem Broadway. Es sind vier Autos nacheinander.

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Links am Morgen

Ich habe hier für das Goethe-Institut etwas über das Komplikationsparadox geschrieben.

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Ein Wort gelernt: Exnovation. Nie gehört, dabei ist es doch eine interessante Sache, darüber muss ich auch in ganz anderem Kontext mal nachdenken und dann “Exnovieren” auf die To-Do-Liste schreiben.

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34 Grad im Schatten in Sibirien. Aber das ist ja weit weg und wenn es da einen Badesee oder so etwas gibt, dann machen wir da eben Tourismus hin. Das wird schon. 

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Noch ein paar krasse Zahlen.

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Beim Anna-Tyler-Marathon bin ich bei “Die störrische Braut” angekommen, das ist ein kleiner Shakespeare-Scherz von ihr, das geht schnell.

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