Unter der Sonne Hamburgs

Noch einmal Enno Park zur DSGVO.

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Während bei uns im kleinen Bahnhofsviertel in jedem zweiten Haus ein Bäcker zu finden ist, der allerdings gar kein Bäcker ist, sondern, wie nennt man das denn, ein Backshop, also so ein Teiglingaufbackdings einer Franchise-Kette eben, machen auf dem Land die echten Bäcker nach und nach dicht und es kommen keine mehr nach. Hier ein Einzelfall etwas näher betrachtet. Dann legt er sich zu seinen Bäckern nieder – und er kömmt nimmer wieder.

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Für die GLS Bank habe ich hier etwas zum Thema Landwirtschaft zusammengestellt.

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Und dann wurde es noch heißer in Hamburg. Ich bin, ich weiß gar nicht mehr an welchem Tag, nach der Arbeit in den Garten geradelt, um ein paar Pflanzen mit ein paar Tropfen Wasser zu helfen, ich habe die Laube aufgeschlossen, die da in der prallen Nachmittagssonne stand und in der die Luft wie ein gefährlicher Glutball waberte, ich habe gelüftet und gemerkt, wie mein Kreislauf sich dabei sachte verabschiedete und gleich, Achtung, bitte, kommt wieder so ein Vergleich, den verstehen nur ältere Menschen, die damals ferngesehen haben, also ganz damals. Denn ich habe mich dann notgedrungen für ein paar Minuten in der Laube auf eine Matratze gelegt, ein Bett gibt es da nicht. Bullenheiß war es zu der Stunde im gesamten Garten, da konnte ich drinnen wenigstens weich liegen, dachte ich, und lag da also schwitzend wie in der Sauna, wobei ich in so etwas ja nicht gehe, aber egal. Dergestalt beschädigt lag ich jedenfalls da, dass ich mich fühlte wie Sebastian Flyte in der letzten Folge von “Wiedersehen mit Brideshead”, wo er da in Marokko oder wo das war völlig zugedrogt und verkommen unter sengender Sonne vor sich hin krepierte. Genau so entsetzlich fühlte ich mich ein paar Minuten lang, denn etwas Selbstmitleid ist manchmal die beste Medizin. Und dann ging es auch schon wieder.

(Wenn Sie Wiedersehen mit Brideshead versehentlich nicht kennen: ruhig mal lesen (Evelyn Waugh) und danach gucken. Beste Fernsehproduktion ever, es bleibt dabei.)

Am Freitagnachmittagnachmittag erreichte die Hitze dann Temperaturen, bei denen ein finales Gewitter doch irgendwie logisch und unvermeidlich erschien, es war, ich will das zeitgemäß ausdrücken, alternativlos. Wir waren im Garten, als die ersten Tropfen fielen, die dann schnell zu Starkregen wurden, der in geradezu irrer Geschwindigkeit drei Regentonnen bis zum Überlauf füllte und dann noch lange nicht aufhörte, es kübelte, es goss, es flutete nur so herab. Es blieb dabei aber weiterhin warm und tropisch, wir saßen bei weit offener Tür in der Laube und beschlossen, dort zu übernachten, mit diesem trommelnden Regen auf dem Dach und mit Blick auf die Pflanzen in den Beeten, die quasi sofort beschlossen, jetzt aber mal ordentlich zu wachsen, die sich streckten und reckten und mit allen Zellen gierig Wasser pumpten.

Ich lief noch einmal durch den Garten, um noch ein paar Zutaten für das Abendbrot zu pflücken, ich wurde dabei nass wie beim Duschen, aber es gab frische und regennasse Kräuter und Gemüse. Es war einer der besten Momente im Garten bisher, ach was, das war einer der besten Momente der letzten Jahre.

Zwiebeln! Das muss ich eben einschieben. Vom Anbau von Zwiebeln wird oft abgeraten, den Zwiebeln sind im Laden ja so billig, superschnell sind sie in der Entwicklung auch nicht gerade, besondere Hübschigkeit sagt man ihnen ebenfalls nicht nach und angeblich schmecken sie immer genau gleich, egal, wie und wo man sie anbaut. Man liest also: Zwiebeln eher nicht. Ich aber habe im frühen Frühjahr Zwiebeln gesteckt, Stuttgarter Riesen, da ist ja schon der Name toll. Beim Abendbrot fehlten uns Zwiebeln und mir fiel da erst ein, dass ich die ja im Beet habe! Viele sogar! Keine Ahnung, wie reif die sind, aber jetzt her damit. Ich habe die zwei größten Zwiebeln herausgezogen, wir haben sie feierlich angebraten und auf diese bescheidene Art wurde dann auch das äußerst lapidare und tausendmal wiederholte Anbraten von Zwiebeln endlich zu so einem herrlich intensiven Erlebnis, bei dem man ganz genau hinsieht, hinriecht, hinschmeckt, bei dem man also ganz Aufmerkamkeit ist, denn es waren ja meine eigenen Zwiebeln aus meinem eigenen Anbau, die hatte ich selbstgemacht, mit reichlich Hilfe der Natur jedenfalls.

Selbstverständlich waren sie schon durch diese völlig ungewohnte Aufmerksamkeit sensationell wohlschmeckend, fünf Sterne gar nichts dagegen. Das war also wie in diesen ganzen Ratgebern, die ich mit Anfang 20 gelesen habe, als ich noch genau wie alle glaubte, man könne mit ein paar Tricks besser leben und das Glück sei irgendein Instantprodukt, per Gebrauchsanweisung schnell und leicht verfügbar. Da ging es ja auch dauernd um die Aufmerksamkeit für den Moment, in diesen schnell verschlungenen Büchern, um Achtsamkeit und dergleichen, da muss man heute natürlich spontan brechen, wenn man dieses geradezu widerlich abgenutzte Wort nur hört, so verschlissen und ranzig ist das, aber unter uns und mit aller Vorsicht: Da ist dann vielleicht doch was dran. Die Zwiebel im Hier und Jetzt, die bringt einen schon weiter ans Glück ran. Ein kleines Stück.

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Nur versehentlich habe ich zwischendurch Nachrichten mitbekommen, als ich, einem dummen Reflex folgend, doch einmal aufs Handy sah. Einer aus der Nazipartei sagt also irgendwas, ich wiederhole so etwas nicht, ich arbeite mich daran auch nicht ab. Ich lese die Juni-Gedichte in der Reclam-Anthologie und zitiere kurz aus Tucholskys „Park Monceau“ die letzte Strophe:

“Die Kinder lärmen auf den bunten Steinen.

Die Sonne scheint und glitzert auf ein Haus.

Ich sitze still und lasse mich bescheinen

 und ruh von meinem Vaterlande aus.”

Reicht doch auch.

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Sie können hier Trinkgeld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, dann kaufe ich davon die Steckzwiebeln fürs nächste Jahr.

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Die Herzdame im Garten: Anfängerfehler

Schon seit Tagen wollte ich mal über den Garten und die Laube schreiben, aber genau deswegen komme ich zu nichts.

Es ist 7 Uhr morgens, nach meiner ersten Nacht im Garten. Ich habe sauschlecht geschlafen – Schlafsack und Isomatte sind einfach nicht für meinen Rücken gemacht. Der Gatte buddelt schon seit einer Stunde, Sohn 2 werkelt ebenfalls und Sohn 1 ist mit seinem Kumpel zur nächsten Tankstelle Brötchen holen. Ich sitze in der Sonne, wärme mir den steifen Rücken und schaue „unserem“ Rotkehlchen zu, das vor mir auf und ab hüpft und mir beim Tippen zusieht.

Die Vögel in der Hecke geben alles und wollen endlich die Nachbarn wecken. Die Blätter von Weißdorn und Apfelbaum über mir rauschen im Wind und in der Ferne rattert ein Güterzug vorbei – das Industriegebiet fängt hinter der Insel an.

Die Sonne hat schon richtig Kraft und wenn ich hochsehe, sehe ich nur Grün und blauen Himmel. Es ist ein wunderbar friedlicher, idyllischer Morgen. Und dafür hat sich die ganze Anstrengung gerade wirklich gelohnt.

Wie der Gatte ja bereits geschrieben hat, wurde unsere Laube vor kurzem aufgebaut und wenn ich auf die letzten Wochen zurückblicke, war der Weg bis dahin ganz schön anstrengend. Irgendwie hatte ich das Gefühl, es lief nichts, ich hatte mit wenigen Ausnahmen nur mit Idioten zu tun und der Garten entwickelte sich finanziell wie ein Fass ohne Boden. Hauptärgernis – der Laubenlieferant.

Der Gatte schreibt meistens, wie schön alles ist, aber mit dem Laubenbau hat er ja auch nichts zu tun, das mache alles ich. Und Laubenbau ist offensichtlich wie Hausbau – man hat nichts als Ärger und alles wird teurer als gedacht. Im Moment bin ich sehr froh, dass wir nie den Gedanken hatten, jemals ein Haus zu bauen.

Eine neue Laube vom Laubenbauer kostet Geld. In unserem Fall 12.000€ für die Standardausführung – Fundament, Wände, Dach, Montage, Voranstrich, was bei uns nur ging, da man sich das in Hamburg komplett zinslos durch den Landesbund der Gartenfreunde finanzieren lassen kann. Für optionalen Chichi ist da noch viel Luft nach oben. Meine Extrawünsche waren Strom und der Voranstrich nicht in Kiefer, Eiche-rustikal oder Kastanie (aka Hellbraun, Dunkelbrauch oder Kackbraun), auch nicht in Schwedenrot oder Friesenblau (haben alle) oder Weiß (wegen Schmutz), sondern Grau. Außerdem wollte ich die Laube selbst noch von innen weiß streichen.

Bezüglich Strom, Farbe und ein paar anderer Kleinigkeiten habe ich mehrfach mit dem Geschäftsführer des Laubenlieferanten telefoniert. Der sagte bei allem „kein Problem“, „machen wir eben mit“, „Ihr Elektriker muss am Ende nur noch die Kabelenden in den Sicherungskasten führen, dauert maximal 10 Minuten“ oder „das können wir auch noch problemlos nachträglich machen“.

Die Sekretärin hat dann hinterher alles relativiert mit „ich weiß gar nicht, was Ihnen der Chef da erzählt hat“, „das muss ein Missverständnis gewesen sein“, „warum das jetzt so viel teuer geworden ist, weiß ich auch nicht. Das müssen alles Nettopreise gewesen sein“, „da hat Ihnen der Chef was Falsches erzählt, die Steckdosen dürfen wir ja gar nicht anschließen, das muss Ihr Elektriker machen“ oder „nachträglich haben wir ja nochmal Anfahrtskosten, das wird teuer, kaufen Sie das lieber im Baumarkt und lassen das von einem Handwerker in der Familie machen.“

Der Stromanschluss der Laube hat dann so knapp 1.000€ mehr gekostet, als ich dachte. Anfängerfehler, ja nun …

Beim Aufbau der Laube stellte sich dann auch noch raus, dass die versprochene „Superfarbe“, die so exzellent-hochwertig ist, dass man sie nur einmal auftragen muss und die mich wegen meines Sonderfarbtons nochmal eine ganze Menge Geld gekostet hat, dann doch noch dringend ein zweites und drittes Mal aufgetragen werden muss und mich noch weitere 500€ kosten wird. Anfängerfehler, ja nun …

Die Monteure kugelten sich im Dreck und hielten sich die Bäuche vor Lachen, als ich denen erzählt habe, was mir deren Chef noch so alles versprochen hat.

Auch der Innenanstrich ist dann nochmal deutlich teurer geworden, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass der 70€ teure Farbeimer nur für ein Fünftel der Laube reicht. Anfängerfehler, ja nun …

Inzwischen habe ich es verstanden und fahre mit Gleichmut alle zwei Tage in den Baumarkt und kaufe einen weiteren Eimer Farbe – für Innen, für Außen, für Fußboden, für Fensterrahmen. Und wenn ich nicht wegen der Farbe fahre, dann halt für was anderes. Irgendwas braucht man immer.

 

Le mulch

Wetterbedingt neigen die Menschen hier mittlerweile phasenweise zum geistigen Leerlauf, das ist vermutlich eine natürliche Absicherung gegen Überhitzung. Man sieht also überall, im Büro, auf dem Fußweg, in der Bahn, im Supermarkt, Menschen, die wie abgeschaltet bewegungslos ins Leere starren und offensichtlich gerade geistig nicht auf der Brücke sind. In der S-Bahn macht das nichts, im Büro fällt es eventuell nicht auf, im Supermarkt auch nicht, es sei denn, man ist die Kassiererin.

Das habe ich gestern im Discounter gesehen, die Dame hatte etwa zehn Sekunden weißes Rauschen, mitten während des Kassierens. Und obwohl ihr alle Leute in der gar nicht so kurzen Schlange sofort versicherten, dass das völlig okay sei, dass wirklich jeder bei diesem Wetter, dass sie auch alle selbst und sogar gerade eben erst, dass man das also verstehen müsse, meine Güte, das Wetter eben, dass sie sich da ganz bestimmt keine Sorgen machen müsse, blieb die Kassiererin zutiefst verunsichert zurück und sagte nur immer wieder und zu jedem: “Aber ich mache hier doch das mit dem Geld.” Und die anderen Kunden waren dann vermutlich genau wie ich ein wenig froh, dass wir geist- und gedankenlos einfach in den Einkaufswagen starren konnten, ohne dabei dauernd Geld zählen zu müssen. Das sind so die Folgen der Hitze im Alltag.

Siehe dazu auch die neue Freizeitbeschäftigung dieses Hamburger Bloggerkollegens. Man ist mit so etwas neuerdings schnell ausgelastet.

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Ich war am Nachmittag im Garten und stand irgendwann, siehe oben, längere Zeit reglos vor einem Sack Rindenmulch, wobei wir uns bezüglich der Hirnkapazität nicht groß unterschieden, der Sack und ich. Das nehme ich jedenfalls an, denn ich hatte kurz vorher eine Weile in der Sonne gestanden, der Sack aber im Schatten, da nähert man sich eben an. Als mein Hirn wieder sachte Aktivität zeigte, fiel mir auf, dass Mulch in der englischen und auch in der französischen Sprache gleichfalls Mulch heißt, was mir aber auch nur auffallen konnte, da der Sack im Gegensatz zu mir mehrsprachig war. Le mulch, the mulch, der Mulch. Sprechen Sie das mal ganz schnell aus, mehrmals nacheinander. Das ist sehr europäisch und besser als gar kein Spaß.

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Wenn sich übrigens noch jemand für so dermaßen abgedrehte Randthemen wie etwa englische Kleingartenblogs interessiert, denn man ist ja nie der Einzige mit irgendwas – in diesem Blog hier werden regelmäßig andere Blogs aus UK verlinkt, die kann man da gut abgrasen.

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Zumba. Das möchte man ja auch nicht.

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Und nun noch sommerliche und südliche Musik von dem Herrn mit den nordischen Namen. Auf Spanisch heißt Mulch übrigens nicht el mulcho, sondern mantillo. Spanien ist raus. 

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Sie können hier für einen weiteren mehrsprachigen und weltgewandten Sack Mulch Geld in den nur virtuellen vorhandenen Hut werfen,

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Das bleibt jetzt so

Wie nett: Straßenbilder, die bei Regen sichtbar werden. Die gehen in Hamburg jetzt natürlich nicht mehr, die würde ja nie jemand zu sehen bekommen. Schade.

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Nicht nett: Ein Kommentar zu den Fahrverboten in Hamburg. Das kann man drehen und wenden, wie man nur will, der große Schritt bleibt aus. 

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Supernett: Das haben zwar schon alle geteilt, es ist aber auch tatsächlich schön – dieses Interview mit Judith Holofernes.

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Was aus dem Garten auch besser schmeckt als aus dem Laden: Koriander. Würziger, intensiver. Schwer zu beschreiben. Einfach mehr Kawumm.

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Was ich nicht wusste: Wie wunderschön Erbsen blühen und wie überaus niedlich sie sich mit hundert winzigen Fingerchen am Rankgerüst festhalten. Erbsen mache ich nächstes Jahr wieder, Erbsen sind großartig.

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Und nun wieder zu den Gedichten. Am letzten Maitag noch schnell einen Karl Krolow, und zwar “Neues Wesen”. Da muss man sich den Mai noch einmal zurück auf Anfang denken:

Blau kommt auf

wie Mörikes leiser Harfenton.

Immer wieder

wird das so sein.

Kann man sich schon gar nicht mehr vorstellen, aus der Gluthölle des Hitzemais heraus betrachtet, dass man auf dieses Blau einmal gehofft hat, was?

Die Leute streichen

ihre Häuser an.

Auf die verschiedenen Wände

scheint Sonne.

Jeder erwartet das.

Und was soll ich sagen, wir haben tatsächlich ein Haus angestrichen. Krass, wie Lyrik manchmal hinkommt. Aber dann wird der Krolow sarkastisch:

Frühling, ja du bist’s!

Man kann das nachlesen.

Die grüne Hecke ist ein Zitat

eines unbekannten Dichters.

Die Leute streichen auch

ihre Familien an, die Autos,

die Boote.

Ihr neues Wesen

gefällt allgemein.

Haben Sie es gemerkt? Die frisch angestrichenen Boote, die kamen hier neulich auch vor, es ist nur ein paar Tage her, ein Gedicht als Volltreffer. Aber die Erwartungshaltung dahinter, die hier mit dem Mai verbunden ist, die löst ein Hitzemai natürlich nicht mehr ein. Denn was kann danach noch kommen, wenn die neuen Wesen schon nach kurzer Zeit verdorrt und verstaubt sind? Hochsommer durchgehend bis September? Sind wir hier in Andalusien oder was? Der Mai nach neuer Mode ruiniert unsere Erwartungshaltung, unsere Hoffnungen und vielleicht auch unsere neuen Anstriche, man weiß nicht recht, was einem gefallen soll. Unsere Erwartungen bezogen sich nicht auf Hitze.

Und übrigens, es hat wieder nicht geregnet. Die Luft flimmert über der Wüsten- und Hansestadt Hamburg. Immer mehr Menschen murmeln entschuldigend Offenbarungseide bezüglich ihrer Hirnkapazität, man kann nicht mehr klar denken, die Hitze, die Luft, die Schwüle. Man fühlt sich dumm und durstig, man achtet auch schon gar nicht mehr auf grüne Hecken. Man kann im Grunde nur noch Baströckchen tragen, aber dieses dauernde Geraschel macht einen wahnsinnig. Und der Wetterbericht sagt, das bleibt jetzt so.

Aber wir wollen mal nicht überrascht tun.

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Und damit ist der Mai vorbei – und wie bereiten wir uns nun auf den Juni vor? Mit Musik. Denn Im Juni, da ist das mit dem Mond, das weiß man. Ein Glas auf Rio, das muss schon sein. Prost.

 

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Ich werde hier natürlich niemals Spenderinnen benennen, also außer der bekannten Bloggerin in Berlin, mit der das so abgesprochen ist. Aber doch kurz an die Dame gerichtet, die ganz ausdrücklich für zwei Portionen Freibadpommes gespendet hat: Liebe B., geht klar, das setzen wir genauso um. Und weil anderweitig übrigens die Frage aufkam, ob solche Trinkgelder wie hier auch versteuert werden müssen: Aber hallo.

Falls Sie also nicht nur mir, sondern auch dem Staat etwas Gutes tun wollen, Sie können hier Geld in den nur virtuellen vcorhandenen Hut werfen, ich gebe dann einen Teil davon ab für Brückenbau und Kindergärten. Toll!

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Trinkgeld Mai 2018, Ergebnisbericht

Früher, als es noch Flattr gab, da haben wir ja vom erbloggten Trinkgeld immer Familienausflüge gemacht und dann darüber geschrieben. Jetzt kaufe ich davon Gartenzubehör und Pflanzen, wie angekündigt. Die müssen natürlich zu Geschichten erst heranwachsen, das dauert also etwas. Damit es aber wie gehabt schön transparent bleibt, hier die Einkaufsliste aus dem Mai, die Sie freundlicherweise finanziert haben, wofür ich ebenso herzlich wie überrascht danke:

Zwei Zwergkirschbäume (Regina und Kordia), ein Zwergapfelbaum (Braeburn), eine kleine Reineclaude, zwölf Lavendel, vier Echinacea, zwei Rittersporn, ein Hainsalbei, eine Hochstammjohannisbeere (rot), ein vorgezogener Rettungshokkaido, da den meinen die Schnecken komplett vertilgt haben, fünf Margeriten in dezentem Rosa, ein Kilo Rasensamen, zwanzig Säcke Kompost von der Stadt, sechs vorgezogene Kohlrabi (blau), sechs vorgezogene Erdbeerpflanzen, eine vorgezogene Aubergine, eine rote Schafgarbe sowie eine Staude, bei der ich mich gerade nicht erinnern kann, was es war. Aber ich weiß, wo sie steht, vielleicht macht sie ja bald Blüten, dann fällt es mir wieder ein. Außerdem diverse Packungen mit Wildblumenmischungen.

Ist das toll? Das ist sowas von toll, die Visitenkarten mit “Trinkgeldblogger” sind fast schon bestellt.

Der Rettungshokkaido wurde übrigens explizit von der Spende einer bekannten und vorbildlichen Berliner Bloggerin erworben, es ist jetzt also ein Cammarata-Kürbis. Wenn alles klappt, werde ich einen Ernte-Anteil zu gegebener Zeit persönlich überreichen, man muss sich seine Gründe für Berlinreisen eben vorausschauend basteln. Aber das dauert ja noch etwas. Noch hat er nur drei Blätter und ein massives Schneckenproblem, von Kürbissen keine Spur. Später! Siehe auch Matthäus 7:16.

(Routiniert greift die Leserschaft an dieser Stelle zur Familienbibel, die aus Bildungsgründen selbstverständlich stets in Reichweite liegt, schlägt nach, liest und nickt.)

Noch einmal, vielen Dank für die Trinkgelder. Ich bin geradezu enthusiasmiert, das war für mich ein sehr belebender und erfrischender Monat, trotz der bleiernen Hitze in unserer Wüstenstadt.

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Was aber wird im Juni auf der Garteneinkaufsliste stehen? Einfach hier Trinkgeld in den Hut werfen und es in vier Wochen herausfinden, denn Ende Juni, das ist ja quasi gleich.

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Kot und Instandsetzung

Es hat wieder nicht geregnet, es ist immer noch zu warm, ich habe seit drei Tagen hitzebedingt viel zu wenig geschlafen und mein Denkvermögen ist daher noch reduzierter als sonst, heute daher nur ganz kleine Gedanken, pardon.

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Gestern also im Freibad gewesen. Es erweist sich jetzt als Riesenvorteil, was wir im letzten Jahr nur so nebenbei zur Kenntnis genommen haben, dass der Garten nämlich neben einem Freibad gelegen ist, das zudem noch recht günstig ist. Da können die Kinder sogar ohne uns hin, aber gestern waren wir einmal dabei und ich lag da also unter Bäumen auf dem Rasen herum, habe die Augen zugemacht und die übliche Freibadgeräuschkulisse genossen. Das unentwegte Sprungbrettknarren, das Platschen und Spritzen beim Fünfer, das wilde Johlen an der tatsächlich sehr langen Rutsche, das Stimmengewirr in der Kioskschlange, die Schreie aus dem Wasser, die Rufe der Fußballspielenden auf der Liegewiese, das Gequengel der Babys, die gebrüllten Hinweise der Bademeister, dazu roch es nach Freibadpommes und Sonnencreme. Sehr sommerlich, gar keine Frage. Eigentlich nicht das, was man mit dem Mai assoziiert. Dazu später mehr.

Eine Weile stand ich auch an der Rutsche und sah einfach zu, wie glückliche Kinder wild spritzend unten ankamen, ein paar Spritzer trafen dabei jeweils auch mich, das war schön und ein wenig erfrischend, es war gerade richtig. Dann kam ein Vater die Rutsche runter, der etwas mehr wog als ein Durchschnittsvater, nach dessen überraschend hoher Bugwelle war ich auf einmal klitschnass und das war auch nicht schlecht. So ein Wetter war das.

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Im Garten habe ich Kohlrabi geerntet, nach bestem Wissen und Gewissen war er größer als ein Tennisball. Den haben wir dann sofort roh gegessen und er schmeckte ganz normal, wie Kohlrabi eben schmeckt, hier also kein Gartensonderbonus. Aber die Ernte macht Spaß, so ein Kohlrabi, das ist schon was.

Außerdem erstmalig rote Gartenmelde verkocht. Auch noch nie gemacht. Rote Gartenmelde kennt kein Schwein, die sollte man aber anbauen, schon weil sie so außerordentlich hübsch ist. Rote Gartenmelde bei Sonnenuntergang im Gegenlicht, da werfen sie aber jedes Aquarell für weg, echtjetztmal. Geschmacklich ist sie spinatartig und kann auch salatifiziert werden, sie war in der deutschen Küche ein Vorläufer des Spinats. Hier die Beschreibung beim Dreschflegel-Versand, da habe ich sie auch her. Keine Werbung, nein.

Auch an der Melde muss man nix machen, einfach ab März ins Freiland säen, aus die Maus, abwarten. Macht alles selbst.

Einige meiner Meldepflanzen waren übrigens ein Geschenk vom Hauptstadtgarten, sehr sympathisches Gartenblog, sehr sympathische Bloggerin, wir haben sie in Berlin besucht und ihren umwerfend schönen Garten besichtigt. Und die wiederum hatte die Pflanzen von den Prinzessinnengärten.

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Noch ein paar Details zu den Plastikplänen der EU.

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Noch ein Projekt, natürlich ein kleines, siehe oben. Heute fiel mir, als ich hitzebedingt langsam in den Garten radelte, auf, wie absurd der Mai ausfällt, denn da wird ja im Volkslied erst alles wieder grün gemacht, in diesem Jahr wird es aber auch schon gleich wieder gelb oder braun, hier vertrocknet nämlich allmählich einiges und gibt auf. Diese staubtrockenen und betonharten gelben Rasenflächen mit sandigen Löchern, die sind ja nicht Mai, die sind August. Eigentlich.

Von Reclam gibt es eine kleine und entzückende Gedichtreihe mit Sammelausgaben zu jedem Monat, alle herausgegeben von Evelyne Polt-Heinzel und Christine Schmidjell. Da sind die erwartbaren Klassiker drin, da findet man aber auch Überraschungen, tolle, seltsame, befremdliche Überraschungen, so muss das ja sein in Anthologien. Und ich gleiche hier ab sofort hin und wieder mal ab, wie der aktuelle Monat im klassische deutschen Gedicht ausfällt – und wie in Zeiten des Klimawandels. Der Mai ist natürlich quasi vorbei, das war heute ein sehr sinniger Tag, um auf so ein Projekt zu kommen, aber ich habe doch noch eben auf die Schnelle das erste Gedicht im Mai-Band gelesen, es ist – natürlich! – “Komm lieber Mai”, das aber gar nicht so heißt, das heißt “Sehnsucht nach dem Frühling” und ist von? Na? Jaha, da sind gar nicht mal so viele Hände oben, nicht wahr. Von Christian Adolf Overbeck ist das. Der kam aus Lübeck, wie andere große Dichter und stets bemühte Blogger auch.

Von dem Gedicht kennt man natürlich die ersten beiden Zeilen, danach wird es schon duster, es hat aber fünf lange Strophen. Fünf!

“… die Wälder wieder grün.

Und lass mir an dem Bache

Die kleinen Veilchen blühn!

Wie möcht ich doch so gerne

Ein Veilchen wieder sehn,

Ach, lieber Mai, wie gerne,

Einmal spazieren gehn!”

Er kann nämlich nicht spazierengehen, der Herr Dichter, und jetzt kommt es gleich, warum kann er das denn nicht? Soll er doch rausgehen? Das Stück heißt “Sehnsucht nach dem Frühling”, es ist also noch Winter.

“Jetzt muss mein Steckenpferdchen

Dort in dem Winkel stehn;

Denn draußen in dem Gärtchen,

Kann man vor Kot nicht gehen.”

Wozu mir einfällt, dass auch in einem anderen sehr bekannten Lied, das mit dem Bauern im Märzen, wozu uns jetzt, keine Sorge, kein Dichter einfallen muss – Volkslied! – eine bemerkenswerte Formulierung vorkommt. E gibt mehrere Versionen, in der aus meiner Kindheit hieß es aber: “Er setzt seine Felder und Wiesen in Stand.”

Und dazu, meine Güte, war das jetzt ein langer Anlauf, stellen wir genüsslich fest, dass wir hier also in einem Land leben, in dem die Begriffe Kot und Instandsetzung im traditionellen Liedgut vorkommen. Was bestimmt auch so einiges erklärt.

Sehnsucht nach dem Frühling, davon kann mittlerweile keine Rede mehr sein, wir haben Hochsommer, wir haben ernsthaft eine Hitzewelle. Ist morgen noch Mai? Dann schaffen wir gerade noch einen Karl Krolow, der hat mal ein Gedicht geschrieben, in dem er das blaue Band vom ollen Mörike zweitverwertet, das ist auch schön. Morgen mehr!

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Sie können hier Trinkgeld in den virtuellen Hut werfen, davon setze ich dann den Garten in Stand.

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Am Meer, am Balkon, am Cordsamt

Alu über Plastik im Meer. Wobei ihre Namenskurzform in diesem Zusammenhang auch nicht ganz ohne Komik ist, nicht wahr.

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Enno Park über die Folgen der DSGVO.

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Im Vorbeigehen im sonnendurchglühten Hammerbrook gehört:

“Das zieht sich aber nachher noch zu, was?”

“Alter, das einzige was sich hier zuzieht, das ist dein Hirn. Wir ham knallblauen Himmel!”

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Eine kleine sprachliche Irritation – in den Gartengruppen auf FB und in den Bilderläuterungen auf Instagram schreiben immer wieder Menschen, dass sie Pflanzen “am Balkon” anbauen, also so wie damals im Lied auch der kleine grüne Kaktus draußen am Balkon stand. Am Balkon klingt für viele bestimmt ganz normal, für mich klingt das aber immer, als würden sie da wahnsinnig kompliziert etwas von außen an der Balkonbrüstung machen, vielleicht mittels einer Hebebühne oder so. Denn alles andere ist ja “auf dem Balkon.” Und ich weiß gar nicht, ist das eigentlich regional, dass man etwas “am Balkon” macht, das man also am Balkon Erdbeeren hat, dass man am Balkon Mangold wachsen lässt? Ist das Rheinland oder so? Und wie würde man es dann in diesen Gegenden eigentlich nennen, wenn man einmal wirklich etwas außen am Balkon macht, also dort etwa ein Transparent befestigt, auf dass man Parolen gegen die DSGVO gesprüht hat, um ein naheliegendes Beispiel zu verwenden? Wenn Leute mit diesem Sprachgebrauch so ein Transparent am Balkon befestigen, dann liegt es doch plan auf dem Boden und ist nur für Hubschrauberpiloten wahrnehmbar, also für eine wirklich spitze Zielgruppe? Ich schreibe diese Zeilen übrigens am Schreibtisch, nicht am Balkon, und es ist auch nicht meine Absicht, mich über “am Balkon” lustig zu machen. Es fiel mir einfach nur auf, deswegen lesen Sie das jetzt. Am Computer oder auf dem Computer. Egal. Eventuell denke ich auch hitzebedingt etwas am Rand des Wahnsinns herum. 

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Während ich auf Twitter gerade anlässlich des letzten Eintrags hier über alte Werbesprüche herumalberte (“Sie baden gerade ihre Hände drin”), sah ich dort auch die Meldung vom Tod des Schlagersängers Jürgen Marcus, und da waren sie dann plötzlich wieder sehr präsent, die 70er, da hatte ich die Rillen der braunen Cordsamtsessel vor dem Kamin im Wohnzimmer auf einmal wieder unter den Fingerkuppen und im Fernsehen lief die Hitparade. Samstag, 19 Uhr 30 Minuten und 26 Sekunden, hier ist Berlin. Faszinierend. Wenn man Cordsamt übrigens mal googelt, weil man ja unentwegt schlauer werden will, welcher deutsche Klassiker begegnet einem da? Na? Ich mache Ihnen mal einen sinnigen Merkreim, Moment: “Trägst du Cord an deine Beine, denke auch an Heinrich Heine.” Bitte sehr, hier lernt man ja was, das vergessen Sie jetzt nicht mehr. Musik!

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Ansonsten denke ich gerade über Aggression im Straßenverkehr nach, weil ich das Gefühl nicht loswerde, dass in dieser Stadt alle immer noch mehr durchdrehen. Das könnte natürlich an mir liegen, aber wen man auch fragt, das sehen alle so, das empfinden alle so. Also was ist hier eigentlich los? Und wie soll man Kindern etwa das korrekte Fahrverhalten mit dem Rad beibringen, wenn man nur mit nicht korrektem Fahrverhalten reelle Überlebenschancen hat? Das kann man hier leicht testen, einfach einmal mit dem Rad korrekt um den Hauptbahnhof herumfahren, ich wünsche gutes Gelingen und viel, viel Glück.

Wie die Herzdame sagt: Die Stadt ist voller geworden, seit wir sie kennen. Und zwar erheblich voller. Es fahren hier nennenswert mehr Menschen herum (etwa 250.000 mehr immerhin), aller Wahrscheinlichkeit nach sind darunter auch reichlich komplett irre Menschen, wie in allen Gruppen. Und ich denke, wenn all diese Menschen, die jetzt mehr in dieser Stadt sind, immer noch breitere Autos fahren, sich immer noch mehr gegenseitig blockieren, es immer noch eiliger haben – das muss doch schiefgehen? So fühlt es sich jedenfalls an. Ich möchte bei aller Vorsicht schon behaupten, dass sich das Verhalten im Straßenverkehr in den letzten paar Jahren signifikant geändert hat, wobei der Radverkehr ausdrücklich einzuschließen ist, da herrscht die gleiche Aggression. Es ist ja immer so eine Sache mit den privaten Hochrechnungen, aber bei diesem Thema bin ich mir doch ziemlich sicher.

Und warum schreibe ich das? Weil die Anzahl der von mir im Verkehr erlebten Situationen, die im Grunde als Mordversuch an mir zu werten sind, in den letzten vierzehn Tagen bei immerhin drei liegt. Und ich bin vielleicht besonders empfindlich, aber mich stört das allmählich.

Und manches bleibt ja auch länger in Erinnerung. Etwa der Vorfall neulich an einer großen, sechsspurigen Straße, die ich bei grüner Ampel als Fußgänger überquerte, im Pulk mit vielen anderen. Ein SUV, warum ist es immer ein SUV, fuhr da völlig ungebremst über die für ihn rote Ampel und zwischen den Fußgängern durch, er fuhr sicher die vollen 50, wenn nicht mehr, es ist eine Straße, die zum schnellen Fahren eindeutig einlädt, eine Ausfallstraße mit Autobahnfeeling. Ein wilder Zufall, dass niemand erlegt wurde, der Wagen passte genau in die Lücke zwischen zwei Grüppchen von Fußgängern, eine Handbreit bis zum Lack. Zwanzig Meter weiter eine Vollbremsung, der Fahrer stieg aus und guckte uns an, wir guckten ihn an, er stammelte etwas, winkte kurz, stieg wieder ein, fuhr weiter, hatte es eilig, immer haben es alle eilig.

Und wir standen da, wir Überlebenden, und sahen uns an, etwas blass im Gesicht und noch eine Weile sprachlos. Genau wie ich denken die anderen sicher immer noch ab und zu: Das wäre es fast gewesen. Ich hätte nur einen einzigen Schritt schneller gehen müssen. So passiert so etwas, so ist das also.

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Sie können hier Trinkgeld in den virtuellen Hut werfen, dann kaufe ich davon Pflanzen für am Schrebergarten.

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Und dann hat es doch nicht geregnet

Glutheiß war die Nacht. Als die Buddenbohms aus unruhigen Träumen erwachten, waren sie gut durch. Ich ziehe in Erwägung, am Nachmittag freiwillig in ein Freibad zu gehen, die Lage ist also durchaus ernst.

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Noch einmal zur Chelsea Flower Show.

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Nach seinen gestrigen Zeilen hat Sohn I jetzt drei Tauschinteressenten für Panini-Bilder gefunden (toll, danke!), aber wie man das mit mehreren Adressaten per Mail und Post am besten gleichzeitig regelt, meine Güte, gibt es das als Ausbildungsberuf? Aber immerhin schön, wie konzentriert so ein Kind plötzlich ellenlange Listen abarbeiten kann. Pädagogisch ein Traum!

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Ein Artikel über Werbung in Klassenzimmern. Ich war übrigens überrascht, wie wenig Markenbindung die Kinder heute haben, ich hatte angenommen, die Bemühungen der Konzerne würden viel stärker wirken. Das nehme ich aber bei den Söhnen und ihren Freunden nicht wahr. Die erste Marke, die sie überhaupt benennen konnten, war bei beiden Capri-Sonne, weil das der geradezu unweigerliche Kinderdrink beim Wohnzimmerportugiesen ist, sie können aber auch ganz gut ohne Capri-Sonne leben. Coca-Cola ist bekannt und wird auch – da verboten – mit Sehnsucht in den Regalen der Supermärkte wahrgenommen, die Konkurrenzmarken kennen sie vermutlich gar nicht genau. Limonaden sind eher nicht spannend, Sprite und Fanta locken hier kaum, das war in meiner Kindheit ganz anders, da gehörten diese beiden Marken zum Beispiel fest zu Kindergeburtstagen, die waren ritualisiert.

Bei den Autos waren in einer kurzen Phase des Interesses Audi und Porsche angesagt, die galten als besonders gut und leistungsfähig, alle anderen blieben unter ferner liefen. Volkswagen und Opel sind so häufig, die können gar nicht interessant sein, die fahren ja alle. Mercedes wird nicht als Luxusmarke wahrgenommen, das fand ich auffällig, Mercedes macht auch nur irgendwelche Autos. Und Autos haben generell nicht mehr das beste Image bei Kindern, wenn man es nett ausdrücken möchte.

Meine größte Überraschung war aber die Mode, denn ich habe bei dem Thema ganz fest mit Stress wegen der Markenwahl gerechnet, davon hatten mir so viele berichtet – und nichts war. Hummel gilt als sympathisch, vermutlich weil auch die Herzdame das oft trägt, manche Turnschuhe sind für kurze Zeit irgendwie cooler als andere – der Rest interessiert nicht und Stress macht das überhaupt nicht. Jedenfalls bis jetzt nicht.

Werbung ist zum Wegklicken da, Werbung ist ganz außerordentlich lästig und kaum unterhaltsam, Werbung muss man manchmal in Kauf nehmen, wenn man weiterspielen möchte. Man kann aber auch den Ton ausmachen, dann stört sie nicht so sehr. Die Variante, dass man ein kurzes Werbevideo gucken muss, um weitermachen zu können, sie scheint mir bestens geeignet, um ein Produkt richtig unsympathisch erscheinen zu lassen, das ist das Zeug, was dauernd im Weg ist. Fernsehen findet hier kaum jemals statt, die Kinder erleben Werbung hauptsächlich online oder auf Plakaten in den Straßen, wo sie bei ihnen nicht recht zu funktionieren scheint. Es gibt tatsächlich erstaunlich viele Plakate, die Kinder nicht einmal ansatzweise verstehen können. Ab und zu sehen sie natürlich schon ein irgendwie cooles Produkt, kurz wollen sie auch manches haben, gerade bei Spielzeug und Apps – aber echter Druck wird da nicht erzeugt, echte Sehnsucht auch nicht, da bleibt nichts hängen. Oder wenig.

Dass die Kinder zwischen Werbung und “echtem” Content nicht unterscheiden können, habe ich bisher übrigens nicht oft beobachtet, im Gegenteil. Wird Content als Werbung erkannt, ist das oft enttäuschend, ach, nur Werbung, das kann weg, das ist ja nicht das, worum es eigentlich geht und was bestellt war. Dabei kann ich mich gar nicht an besonders tiefschürfende Gespräche zu dem Thema mit ihnen erinnern, das hat sich von selbst so ergeben. Vielleicht ändert es sich noch, wenn sie mehr Texte online lesen.

Einen im Alltag wahrnehmbaren Markendruck haben wir nur bei Leberwurst, da gilt ihnen dieser schon so schauderhaft aussehende Bärchen-Streich als das Produkt der Wahl, geschmacklich vollkommen unschlagbar, von einzig richtiger Konsistenz und überhaupt total super. Und da klappt auch die Übertragung auf andere Produkte der Marke, die müssen alle gut sein, die sind ja von denen, wobei ich als Chefeinkäufer der Familie wiederum gerade gar nicht weiß, von wem eigentlich, guck an. Egal, das ist eh alles in Plastik, das ist böse.

Aber wenn es nach zehn oder acht Jahren eine nennenswerte Markenbindung nur an eine Leberwurst gibt – doll ist das ja nicht, so aus Sicht der Werbetreibenden. Vermutlich wäre die Lage ganz anders, würden sie dauernd vor dem Fernseher sitzen?

Ich bin ziemlich sicher, dass ich mit wesentlich mehr Marken im Kopf, mit viel ausgefeilteren Image-Varianten und besser funktionierenden Bindungen an gewisse Produkte groß geworden bin. Auf die neue Eiskarte von Langnese etwa haben wir damals schon Wochen vor dem Frühling gewartet, das war jeweils ein Fest, die endlich zu sehen, jede Neuerung wurde intensiv diskutiert und sofort probiert. Und heute? Ich möchte fast wetten, sie kennen den Markennamen gar nicht. Das ist eben irgendein Eis. Egal.

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Sie können hier Geld in den virtuellen Hut werfen, es wird garantiert nicht für Plastikleberwurst ausgegeben.

Hammer, Meißel, Knoblauch

Die EU-Kommission will Einmalprodukte aus Plastik verbieten. Man beachte auch die Bebilderung des Artikels: “Horst Seehofer mit Strohhalm.” Irgendwer sitzt da doch immer noch grinsend in den Redaktionsräumen.

Die Zeit über das Plastiktütenverbot in Ruanda.

Ich lese außerdem zum Thema Plastik dieses Buch, das mir freundlicherweise geliehen wurde. Auf den ersten Seiten nichts Neues, vielleicht habe ich mich doch schon etwas weiter ins Thema eingelesen? Mal sehen, was der Rest bringt.

Anneliese Bund & Nadine Schubert: Besser leben ohne Plastik.

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Die passive Zustimmung

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Famous first times: Ich habe eine Knolle Knoblauch geerntet, was wegen des trockenen und betonharten Bodens allerdings gar nicht so einfach war, ich war kurz vor dem Gebrauch von Hammer und Meißel. Aber ein Duft! Ein Aroma! Der Wahnsinn. Es scheinen erstaunlich wenig Menschen Knoblauch anzubauen, dabei ist der gerade besonders einfach und lohnend. Im Oktober Zehen halbdaumentief in die Erde stecken, am besten zwischen Erdbeeren, das bekommt denen nämlich gut. Beim Wachsen zugucken und bewundern, wie das Grün heldenhaft den Winter übersteht, die Halme wanken und weichen nicht, was die Kälte auch an Minusgraden auffährt, was auch immer da an Schnee und Hagel aus dem sibirischen Osten herangeweht wird. Im frühen Frühjahr etwas Kompost geben, ansonsten nichts machen. Wenn das Laub verblasst, ist er reif, es geht dem Knoblauch wie den Leuten. Das ist normalerweise aber etwas später als in diesem Jahr, dass mit dem Laub, liest man. Knoblauchanbau ist super und anfängerkompatibel, denn wenn ich es kann, dann können Sie es auch.

Ich habe testweise eine französische Knolle aus dem Bioladen gepflanzt, also zehenweise, versteht sich, und auch eine Knolle Pflanzknoblauch aus dem Fachhandel, speziell für Deutschland geeignet. Aus letzterer ist fast keine Zehe was geworden, aus der Bioladenknolle hat jede Zehe verlässlich was gebracht. So kann es gehen! Garten und Logik, das ist auch so ein Spezialthema.

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Hier ein Einschub von Jojo, aka Sohn I:

“Mein Bruder und ich sammeln die Panini-Bilder zur WM 2018. Uns fehlen nur noch 93 Karten und wir wollten fragen, ob jemand vielleicht Interesse hat, mit uns zu tauschen? Eine Liste mit doppelten und fehlenden Karten bereiten wir gleich vor, die könnten wir dann mailen. Das hat schon einmal geklappt, eine Leserin, bzw. deren Tochter, hat mit uns per Brief getauscht, das war super.”

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Was fehlt? Etwas Regen vielleicht, auch ein Windhauch wäre ganz charmant. Hier hängt ein Gewitter nur einen Stadtteil weiter lustlos herum und bewegt sich nicht vorwärts. Es ist unfassbar schwül, man kann Stücke aus der Luft beißen und das Licht ist seit einer halben Stunde auf eine schmierige Art gelblich, die Wildtauben sitzen im Holunder und gurren viel tiefer als sonst. Die Amsel wechselt unruhig immer wieder die Ausguckpositionen, sie fliegt von Giebel zu Giebel, andere Singvögel rufen ihr von unten aufgeregte Warnungen zu. Auf dem Spielplatz vor dem Fenster wird ein Kind nach dem anderen hysterisch, an der Rutsche streitet seit zwanzig Minuten ein Elternpaar aus unklaren Gründen und schön ist das alles mittlerweile nicht mehr. An der Eiche in der Mitte des Platzes rührt sich kein Blatt, die steht wie aus Plastik. Der mir eben noch diktierende Sohn neben mir aktualisiert alle paar Minuten auf dem Tablet den Regen-Radar. Er könnte auch auf den Balkon gehen und einfach am Himmel nachsehen, wie die Lage gerade ist, aber das ist ihm entschieden zu anstrengend. Mir auch, denn der Balkon ist bestimmt drei elend lange Meter von uns entfernt und wir halten hier jetzt einfach mal den Ball flach, das ist immerhin eine Dachgeschosswohnung, da muss man an heißen Tagen seine Energie sehr gut einteilen und die Wassermelone ist auch schon alle.

Schalten Sie auch morgen wieder ein, wenn ich schreiben werde: „Und dann hat es doch nicht geregnet.“

 

Frisch geernteter Knoblauch ist quasi unbezahlbar, aber neue Knollen zum Einpflanzen sind total billig und können uns hier spendiert werden.  Zum Monatswechsel gibt es übrigens einen genauen Bericht, was wir mit diesen Trinkgeldern im Garten angestellt haben.

Dumm und durch

Die DSGVO und die Folgen. Liest sich wie Satire. Und hier, passend dazu, der Blogfriedhof.

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Verblüffende Dimensionen der Dummheit – ich weiß bei einigen Gemüsesorten gar nicht, wann und wie man die erntet. Ich muss alles erst nachlesen, woran sieht man eigentlich was? Und dann stehe ich sinnend und zögernd vorm Kohlrabi. Ist der jetzt tennisballgroß? Wann habe ich überhaupt zum letzten Mal einen Tennisball gesehen? Und was interessiert mich Tennis? Wie schneide ich den Kohlrabi jetzt und womit und überhaupt. Schlimm. Außerdem wird in meiner Instagram-Timeline noch gar kein Kohlrabi geerntet, das verunsichert auch. Bin ich der Erste? Und warum? Wenigstens ist es beim Obst einfacher! Die verführerische Röte der Erdbeere, die einem da geradezu obszön sinnlich und hochgradig verführerisch aus dem Beetdunkel entgegenleuchtet und bitte gegessen werden will, ich meine, das ist doch ein vernünftiger und verständlicher Hinweis, da bückt man sich jubelnd, das kennt man auch aus anderem Kontext.

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Eine Leserin wies darauf hin, dass auch Brunnenkresse-Blüten schmecken. Die habe ich leider nicht im Garten, aber ich gebe das hier mal weiter, irgendwer wird sie bestimmt haben und sich die Blüten jetzt vielleicht einmal näher ansehen, man influenced so vor sich hin. Isses nicht schön? Es ist.

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Ein Besuchskind fragte am Frühstückstisch, ob denn die Butter auch aus unserem Garten sei. Bäuerliches Image kann ich.

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In der Laube steht nun das erste Möbelstück. Es handelt sich um einen uralten Küchenschrank in höchst eigenwilliger Farbe, der jahrelang im Laden meiner Schwiegermutter dekorativ herumstand. Die Herzdame wollte ihn schon seit etwa zwanzig Jahren haben, bei jedem Besuch im Heimatdorf ist sie um diesen Schrank herumgeschlichen. Jetzt ist die Schwiegermutter ohne Laden im Ruhestand, der Schrank aber noch lange nicht.

Ansonsten sind wir von der Arbeit an und im Garten allmählich etwas durch, das ist nicht mehr zu leugnen, aber immerhin auf eine recht gutgelaunte Art. Demnächst vielleicht doch mal ein, zwei Stunden Entspannung im Garten einplanen, das soll ja auch ganz nett sein, sagt man.

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Der Hut von Straßenmusikern wird digitalisiert. Eine Kleinigkeit nur, es wird sich dennoch etwas nach Science-Fiction anfühlen, da im Vorbeigehen virtuell Geld zu transferieren, nehme ich an.

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Der Hut von Bloggern wiederum wurde schon längst digitalisiert, mit echten Hüten wäre es bei uns auch ziemlich schwierig gewesen. Meiner steht übrigens hier herum, direkt dahinter sitze ich und tippe.