Kot und Instandsetzung

Es hat wieder nicht geregnet, es ist immer noch zu warm, ich habe seit drei Tagen hitzebedingt viel zu wenig geschlafen und mein Denkvermögen ist daher noch reduzierter als sonst, heute daher nur ganz kleine Gedanken, pardon.

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Gestern also im Freibad gewesen. Es erweist sich jetzt als Riesenvorteil, was wir im letzten Jahr nur so nebenbei zur Kenntnis genommen haben, dass der Garten nämlich neben einem Freibad gelegen ist, das zudem noch recht günstig ist. Da können die Kinder sogar ohne uns hin, aber gestern waren wir einmal dabei und ich lag da also unter Bäumen auf dem Rasen herum, habe die Augen zugemacht und die übliche Freibadgeräuschkulisse genossen. Das unentwegte Sprungbrettknarren, das Platschen und Spritzen beim Fünfer, das wilde Johlen an der tatsächlich sehr langen Rutsche, das Stimmengewirr in der Kioskschlange, die Schreie aus dem Wasser, die Rufe der Fußballspielenden auf der Liegewiese, das Gequengel der Babys, die gebrüllten Hinweise der Bademeister, dazu roch es nach Freibadpommes und Sonnencreme. Sehr sommerlich, gar keine Frage. Eigentlich nicht das, was man mit dem Mai assoziiert. Dazu später mehr.

Eine Weile stand ich auch an der Rutsche und sah einfach zu, wie glückliche Kinder wild spritzend unten ankamen, ein paar Spritzer trafen dabei jeweils auch mich, das war schön und ein wenig erfrischend, es war gerade richtig. Dann kam ein Vater die Rutsche runter, der etwas mehr wog als ein Durchschnittsvater, nach dessen überraschend hoher Bugwelle war ich auf einmal klitschnass und das war auch nicht schlecht. So ein Wetter war das.

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Im Garten habe ich Kohlrabi geerntet, nach bestem Wissen und Gewissen war er größer als ein Tennisball. Den haben wir dann sofort roh gegessen und er schmeckte ganz normal, wie Kohlrabi eben schmeckt, hier also kein Gartensonderbonus. Aber die Ernte macht Spaß, so ein Kohlrabi, das ist schon was.

Außerdem erstmalig rote Gartenmelde verkocht. Auch noch nie gemacht. Rote Gartenmelde kennt kein Schwein, die sollte man aber anbauen, schon weil sie so außerordentlich hübsch ist. Rote Gartenmelde bei Sonnenuntergang im Gegenlicht, da werfen sie aber jedes Aquarell für weg, echtjetztmal. Geschmacklich ist sie spinatartig und kann auch salatifiziert werden, sie war in der deutschen Küche ein Vorläufer des Spinats. Hier die Beschreibung beim Dreschflegel-Versand, da habe ich sie auch her. Keine Werbung, nein.

Auch an der Melde muss man nix machen, einfach ab März ins Freiland säen, aus die Maus, abwarten. Macht alles selbst.

Einige meiner Meldepflanzen waren übrigens ein Geschenk vom Hauptstadtgarten, sehr sympathisches Gartenblog, sehr sympathische Bloggerin, wir haben sie in Berlin besucht und ihren umwerfend schönen Garten besichtigt. Und die wiederum hatte die Pflanzen von den Prinzessinnengärten.

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Noch ein paar Details zu den Plastikplänen der EU.

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Noch ein Projekt, natürlich ein kleines, siehe oben. Heute fiel mir, als ich hitzebedingt langsam in den Garten radelte, auf, wie absurd der Mai ausfällt, denn da wird ja im Volkslied erst alles wieder grün gemacht, in diesem Jahr wird es aber auch schon gleich wieder gelb oder braun, hier vertrocknet nämlich allmählich einiges und gibt auf. Diese staubtrockenen und betonharten gelben Rasenflächen mit sandigen Löchern, die sind ja nicht Mai, die sind August. Eigentlich.

Von Reclam gibt es eine kleine und entzückende Gedichtreihe mit Sammelausgaben zu jedem Monat, alle herausgegeben von Evelyne Polt-Heinzel und Christine Schmidjell. Da sind die erwartbaren Klassiker drin, da findet man aber auch Überraschungen, tolle, seltsame, befremdliche Überraschungen, so muss das ja sein in Anthologien. Und ich gleiche hier ab sofort hin und wieder mal ab, wie der aktuelle Monat im klassische deutschen Gedicht ausfällt – und wie in Zeiten des Klimawandels. Der Mai ist natürlich quasi vorbei, das war heute ein sehr sinniger Tag, um auf so ein Projekt zu kommen, aber ich habe doch noch eben auf die Schnelle das erste Gedicht im Mai-Band gelesen, es ist – natürlich! – “Komm lieber Mai”, das aber gar nicht so heißt, das heißt “Sehnsucht nach dem Frühling” und ist von? Na? Jaha, da sind gar nicht mal so viele Hände oben, nicht wahr. Von Christian Adolf Overbeck ist das. Der kam aus Lübeck, wie andere große Dichter und stets bemühte Blogger auch.

Von dem Gedicht kennt man natürlich die ersten beiden Zeilen, danach wird es schon duster, es hat aber fünf lange Strophen. Fünf!

“… die Wälder wieder grün.

Und lass mir an dem Bache

Die kleinen Veilchen blühn!

Wie möcht ich doch so gerne

Ein Veilchen wieder sehn,

Ach, lieber Mai, wie gerne,

Einmal spazieren gehn!”

Er kann nämlich nicht spazierengehen, der Herr Dichter, und jetzt kommt es gleich, warum kann er das denn nicht? Soll er doch rausgehen? Das Stück heißt “Sehnsucht nach dem Frühling”, es ist also noch Winter.

“Jetzt muss mein Steckenpferdchen

Dort in dem Winkel stehn;

Denn draußen in dem Gärtchen,

Kann man vor Kot nicht gehen.”

Wozu mir einfällt, dass auch in einem anderen sehr bekannten Lied, das mit dem Bauern im Märzen, wozu uns jetzt, keine Sorge, kein Dichter einfallen muss – Volkslied! – eine bemerkenswerte Formulierung vorkommt. E gibt mehrere Versionen, in der aus meiner Kindheit hieß es aber: “Er setzt seine Felder und Wiesen in Stand.”

Und dazu, meine Güte, war das jetzt ein langer Anlauf, stellen wir genüsslich fest, dass wir hier also in einem Land leben, in dem die Begriffe Kot und Instandsetzung im traditionellen Liedgut vorkommen. Was bestimmt auch so einiges erklärt.

Sehnsucht nach dem Frühling, davon kann mittlerweile keine Rede mehr sein, wir haben Hochsommer, wir haben ernsthaft eine Hitzewelle. Ist morgen noch Mai? Dann schaffen wir gerade noch einen Karl Krolow, der hat mal ein Gedicht geschrieben, in dem er das blaue Band vom ollen Mörike zweitverwertet, das ist auch schön. Morgen mehr!

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Sie können hier Trinkgeld in den virtuellen Hut werfen, davon setze ich dann den Garten in Stand.

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Am Meer, am Balkon, am Cordsamt

Alu über Plastik im Meer. Wobei ihre Namenskurzform in diesem Zusammenhang auch nicht ganz ohne Komik ist, nicht wahr.

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Enno Park über die Folgen der DSGVO.

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Im Vorbeigehen im sonnendurchglühten Hammerbrook gehört:

“Das zieht sich aber nachher noch zu, was?”

“Alter, das einzige was sich hier zuzieht, das ist dein Hirn. Wir ham knallblauen Himmel!”

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Eine kleine sprachliche Irritation – in den Gartengruppen auf FB und in den Bilderläuterungen auf Instagram schreiben immer wieder Menschen, dass sie Pflanzen “am Balkon” anbauen, also so wie damals im Lied auch der kleine grüne Kaktus draußen am Balkon stand. Am Balkon klingt für viele bestimmt ganz normal, für mich klingt das aber immer, als würden sie da wahnsinnig kompliziert etwas von außen an der Balkonbrüstung machen, vielleicht mittels einer Hebebühne oder so. Denn alles andere ist ja “auf dem Balkon.” Und ich weiß gar nicht, ist das eigentlich regional, dass man etwas “am Balkon” macht, das man also am Balkon Erdbeeren hat, dass man am Balkon Mangold wachsen lässt? Ist das Rheinland oder so? Und wie würde man es dann in diesen Gegenden eigentlich nennen, wenn man einmal wirklich etwas außen am Balkon macht, also dort etwa ein Transparent befestigt, auf dass man Parolen gegen die DSGVO gesprüht hat, um ein naheliegendes Beispiel zu verwenden? Wenn Leute mit diesem Sprachgebrauch so ein Transparent am Balkon befestigen, dann liegt es doch plan auf dem Boden und ist nur für Hubschrauberpiloten wahrnehmbar, also für eine wirklich spitze Zielgruppe? Ich schreibe diese Zeilen übrigens am Schreibtisch, nicht am Balkon, und es ist auch nicht meine Absicht, mich über “am Balkon” lustig zu machen. Es fiel mir einfach nur auf, deswegen lesen Sie das jetzt. Am Computer oder auf dem Computer. Egal. Eventuell denke ich auch hitzebedingt etwas am Rand des Wahnsinns herum. 

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Während ich auf Twitter gerade anlässlich des letzten Eintrags hier über alte Werbesprüche herumalberte (“Sie baden gerade ihre Hände drin”), sah ich dort auch die Meldung vom Tod des Schlagersängers Jürgen Marcus, und da waren sie dann plötzlich wieder sehr präsent, die 70er, da hatte ich die Rillen der braunen Cordsamtsessel vor dem Kamin im Wohnzimmer auf einmal wieder unter den Fingerkuppen und im Fernsehen lief die Hitparade. Samstag, 19 Uhr 30 Minuten und 26 Sekunden, hier ist Berlin. Faszinierend. Wenn man Cordsamt übrigens mal googelt, weil man ja unentwegt schlauer werden will, welcher deutsche Klassiker begegnet einem da? Na? Ich mache Ihnen mal einen sinnigen Merkreim, Moment: “Trägst du Cord an deine Beine, denke auch an Heinrich Heine.” Bitte sehr, hier lernt man ja was, das vergessen Sie jetzt nicht mehr. Musik!

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Ansonsten denke ich gerade über Aggression im Straßenverkehr nach, weil ich das Gefühl nicht loswerde, dass in dieser Stadt alle immer noch mehr durchdrehen. Das könnte natürlich an mir liegen, aber wen man auch fragt, das sehen alle so, das empfinden alle so. Also was ist hier eigentlich los? Und wie soll man Kindern etwa das korrekte Fahrverhalten mit dem Rad beibringen, wenn man nur mit nicht korrektem Fahrverhalten reelle Überlebenschancen hat? Das kann man hier leicht testen, einfach einmal mit dem Rad korrekt um den Hauptbahnhof herumfahren, ich wünsche gutes Gelingen und viel, viel Glück.

Wie die Herzdame sagt: Die Stadt ist voller geworden, seit wir sie kennen. Und zwar erheblich voller. Es fahren hier nennenswert mehr Menschen herum (etwa 250.000 mehr immerhin), aller Wahrscheinlichkeit nach sind darunter auch reichlich komplett irre Menschen, wie in allen Gruppen. Und ich denke, wenn all diese Menschen, die jetzt mehr in dieser Stadt sind, immer noch breitere Autos fahren, sich immer noch mehr gegenseitig blockieren, es immer noch eiliger haben – das muss doch schiefgehen? So fühlt es sich jedenfalls an. Ich möchte bei aller Vorsicht schon behaupten, dass sich das Verhalten im Straßenverkehr in den letzten paar Jahren signifikant geändert hat, wobei der Radverkehr ausdrücklich einzuschließen ist, da herrscht die gleiche Aggression. Es ist ja immer so eine Sache mit den privaten Hochrechnungen, aber bei diesem Thema bin ich mir doch ziemlich sicher.

Und warum schreibe ich das? Weil die Anzahl der von mir im Verkehr erlebten Situationen, die im Grunde als Mordversuch an mir zu werten sind, in den letzten vierzehn Tagen bei immerhin drei liegt. Und ich bin vielleicht besonders empfindlich, aber mich stört das allmählich.

Und manches bleibt ja auch länger in Erinnerung. Etwa der Vorfall neulich an einer großen, sechsspurigen Straße, die ich bei grüner Ampel als Fußgänger überquerte, im Pulk mit vielen anderen. Ein SUV, warum ist es immer ein SUV, fuhr da völlig ungebremst über die für ihn rote Ampel und zwischen den Fußgängern durch, er fuhr sicher die vollen 50, wenn nicht mehr, es ist eine Straße, die zum schnellen Fahren eindeutig einlädt, eine Ausfallstraße mit Autobahnfeeling. Ein wilder Zufall, dass niemand erlegt wurde, der Wagen passte genau in die Lücke zwischen zwei Grüppchen von Fußgängern, eine Handbreit bis zum Lack. Zwanzig Meter weiter eine Vollbremsung, der Fahrer stieg aus und guckte uns an, wir guckten ihn an, er stammelte etwas, winkte kurz, stieg wieder ein, fuhr weiter, hatte es eilig, immer haben es alle eilig.

Und wir standen da, wir Überlebenden, und sahen uns an, etwas blass im Gesicht und noch eine Weile sprachlos. Genau wie ich denken die anderen sicher immer noch ab und zu: Das wäre es fast gewesen. Ich hätte nur einen einzigen Schritt schneller gehen müssen. So passiert so etwas, so ist das also.

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Sie können hier Trinkgeld in den virtuellen Hut werfen, dann kaufe ich davon Pflanzen für am Schrebergarten.

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Und dann hat es doch nicht geregnet

Glutheiß war die Nacht. Als die Buddenbohms aus unruhigen Träumen erwachten, waren sie gut durch. Ich ziehe in Erwägung, am Nachmittag freiwillig in ein Freibad zu gehen, die Lage ist also durchaus ernst.

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Noch einmal zur Chelsea Flower Show.

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Nach seinen gestrigen Zeilen hat Sohn I jetzt drei Tauschinteressenten für Panini-Bilder gefunden (toll, danke!), aber wie man das mit mehreren Adressaten per Mail und Post am besten gleichzeitig regelt, meine Güte, gibt es das als Ausbildungsberuf? Aber immerhin schön, wie konzentriert so ein Kind plötzlich ellenlange Listen abarbeiten kann. Pädagogisch ein Traum!

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Ein Artikel über Werbung in Klassenzimmern. Ich war übrigens überrascht, wie wenig Markenbindung die Kinder heute haben, ich hatte angenommen, die Bemühungen der Konzerne würden viel stärker wirken. Das nehme ich aber bei den Söhnen und ihren Freunden nicht wahr. Die erste Marke, die sie überhaupt benennen konnten, war bei beiden Capri-Sonne, weil das der geradezu unweigerliche Kinderdrink beim Wohnzimmerportugiesen ist, sie können aber auch ganz gut ohne Capri-Sonne leben. Coca-Cola ist bekannt und wird auch – da verboten – mit Sehnsucht in den Regalen der Supermärkte wahrgenommen, die Konkurrenzmarken kennen sie vermutlich gar nicht genau. Limonaden sind eher nicht spannend, Sprite und Fanta locken hier kaum, das war in meiner Kindheit ganz anders, da gehörten diese beiden Marken zum Beispiel fest zu Kindergeburtstagen, die waren ritualisiert.

Bei den Autos waren in einer kurzen Phase des Interesses Audi und Porsche angesagt, die galten als besonders gut und leistungsfähig, alle anderen blieben unter ferner liefen. Volkswagen und Opel sind so häufig, die können gar nicht interessant sein, die fahren ja alle. Mercedes wird nicht als Luxusmarke wahrgenommen, das fand ich auffällig, Mercedes macht auch nur irgendwelche Autos. Und Autos haben generell nicht mehr das beste Image bei Kindern, wenn man es nett ausdrücken möchte.

Meine größte Überraschung war aber die Mode, denn ich habe bei dem Thema ganz fest mit Stress wegen der Markenwahl gerechnet, davon hatten mir so viele berichtet – und nichts war. Hummel gilt als sympathisch, vermutlich weil auch die Herzdame das oft trägt, manche Turnschuhe sind für kurze Zeit irgendwie cooler als andere – der Rest interessiert nicht und Stress macht das überhaupt nicht. Jedenfalls bis jetzt nicht.

Werbung ist zum Wegklicken da, Werbung ist ganz außerordentlich lästig und kaum unterhaltsam, Werbung muss man manchmal in Kauf nehmen, wenn man weiterspielen möchte. Man kann aber auch den Ton ausmachen, dann stört sie nicht so sehr. Die Variante, dass man ein kurzes Werbevideo gucken muss, um weitermachen zu können, sie scheint mir bestens geeignet, um ein Produkt richtig unsympathisch erscheinen zu lassen, das ist das Zeug, was dauernd im Weg ist. Fernsehen findet hier kaum jemals statt, die Kinder erleben Werbung hauptsächlich online oder auf Plakaten in den Straßen, wo sie bei ihnen nicht recht zu funktionieren scheint. Es gibt tatsächlich erstaunlich viele Plakate, die Kinder nicht einmal ansatzweise verstehen können. Ab und zu sehen sie natürlich schon ein irgendwie cooles Produkt, kurz wollen sie auch manches haben, gerade bei Spielzeug und Apps – aber echter Druck wird da nicht erzeugt, echte Sehnsucht auch nicht, da bleibt nichts hängen. Oder wenig.

Dass die Kinder zwischen Werbung und “echtem” Content nicht unterscheiden können, habe ich bisher übrigens nicht oft beobachtet, im Gegenteil. Wird Content als Werbung erkannt, ist das oft enttäuschend, ach, nur Werbung, das kann weg, das ist ja nicht das, worum es eigentlich geht und was bestellt war. Dabei kann ich mich gar nicht an besonders tiefschürfende Gespräche zu dem Thema mit ihnen erinnern, das hat sich von selbst so ergeben. Vielleicht ändert es sich noch, wenn sie mehr Texte online lesen.

Einen im Alltag wahrnehmbaren Markendruck haben wir nur bei Leberwurst, da gilt ihnen dieser schon so schauderhaft aussehende Bärchen-Streich als das Produkt der Wahl, geschmacklich vollkommen unschlagbar, von einzig richtiger Konsistenz und überhaupt total super. Und da klappt auch die Übertragung auf andere Produkte der Marke, die müssen alle gut sein, die sind ja von denen, wobei ich als Chefeinkäufer der Familie wiederum gerade gar nicht weiß, von wem eigentlich, guck an. Egal, das ist eh alles in Plastik, das ist böse.

Aber wenn es nach zehn oder acht Jahren eine nennenswerte Markenbindung nur an eine Leberwurst gibt – doll ist das ja nicht, so aus Sicht der Werbetreibenden. Vermutlich wäre die Lage ganz anders, würden sie dauernd vor dem Fernseher sitzen?

Ich bin ziemlich sicher, dass ich mit wesentlich mehr Marken im Kopf, mit viel ausgefeilteren Image-Varianten und besser funktionierenden Bindungen an gewisse Produkte groß geworden bin. Auf die neue Eiskarte von Langnese etwa haben wir damals schon Wochen vor dem Frühling gewartet, das war jeweils ein Fest, die endlich zu sehen, jede Neuerung wurde intensiv diskutiert und sofort probiert. Und heute? Ich möchte fast wetten, sie kennen den Markennamen gar nicht. Das ist eben irgendein Eis. Egal.

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Sie können hier Geld in den virtuellen Hut werfen, es wird garantiert nicht für Plastikleberwurst ausgegeben.

Hammer, Meißel, Knoblauch

Die EU-Kommission will Einmalprodukte aus Plastik verbieten. Man beachte auch die Bebilderung des Artikels: “Horst Seehofer mit Strohhalm.” Irgendwer sitzt da doch immer noch grinsend in den Redaktionsräumen.

Die Zeit über das Plastiktütenverbot in Ruanda.

Ich lese außerdem zum Thema Plastik dieses Buch, das mir freundlicherweise geliehen wurde. Auf den ersten Seiten nichts Neues, vielleicht habe ich mich doch schon etwas weiter ins Thema eingelesen? Mal sehen, was der Rest bringt.

Anneliese Bund & Nadine Schubert: Besser leben ohne Plastik.

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Die passive Zustimmung

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Famous first times: Ich habe eine Knolle Knoblauch geerntet, was wegen des trockenen und betonharten Bodens allerdings gar nicht so einfach war, ich war kurz vor dem Gebrauch von Hammer und Meißel. Aber ein Duft! Ein Aroma! Der Wahnsinn. Es scheinen erstaunlich wenig Menschen Knoblauch anzubauen, dabei ist der gerade besonders einfach und lohnend. Im Oktober Zehen halbdaumentief in die Erde stecken, am besten zwischen Erdbeeren, das bekommt denen nämlich gut. Beim Wachsen zugucken und bewundern, wie das Grün heldenhaft den Winter übersteht, die Halme wanken und weichen nicht, was die Kälte auch an Minusgraden auffährt, was auch immer da an Schnee und Hagel aus dem sibirischen Osten herangeweht wird. Im frühen Frühjahr etwas Kompost geben, ansonsten nichts machen. Wenn das Laub verblasst, ist er reif, es geht dem Knoblauch wie den Leuten. Das ist normalerweise aber etwas später als in diesem Jahr, dass mit dem Laub, liest man. Knoblauchanbau ist super und anfängerkompatibel, denn wenn ich es kann, dann können Sie es auch.

Ich habe testweise eine französische Knolle aus dem Bioladen gepflanzt, also zehenweise, versteht sich, und auch eine Knolle Pflanzknoblauch aus dem Fachhandel, speziell für Deutschland geeignet. Aus letzterer ist fast keine Zehe was geworden, aus der Bioladenknolle hat jede Zehe verlässlich was gebracht. So kann es gehen! Garten und Logik, das ist auch so ein Spezialthema.

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Hier ein Einschub von Jojo, aka Sohn I:

“Mein Bruder und ich sammeln die Panini-Bilder zur WM 2018. Uns fehlen nur noch 93 Karten und wir wollten fragen, ob jemand vielleicht Interesse hat, mit uns zu tauschen? Eine Liste mit doppelten und fehlenden Karten bereiten wir gleich vor, die könnten wir dann mailen. Das hat schon einmal geklappt, eine Leserin, bzw. deren Tochter, hat mit uns per Brief getauscht, das war super.”

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Was fehlt? Etwas Regen vielleicht, auch ein Windhauch wäre ganz charmant. Hier hängt ein Gewitter nur einen Stadtteil weiter lustlos herum und bewegt sich nicht vorwärts. Es ist unfassbar schwül, man kann Stücke aus der Luft beißen und das Licht ist seit einer halben Stunde auf eine schmierige Art gelblich, die Wildtauben sitzen im Holunder und gurren viel tiefer als sonst. Die Amsel wechselt unruhig immer wieder die Ausguckpositionen, sie fliegt von Giebel zu Giebel, andere Singvögel rufen ihr von unten aufgeregte Warnungen zu. Auf dem Spielplatz vor dem Fenster wird ein Kind nach dem anderen hysterisch, an der Rutsche streitet seit zwanzig Minuten ein Elternpaar aus unklaren Gründen und schön ist das alles mittlerweile nicht mehr. An der Eiche in der Mitte des Platzes rührt sich kein Blatt, die steht wie aus Plastik. Der mir eben noch diktierende Sohn neben mir aktualisiert alle paar Minuten auf dem Tablet den Regen-Radar. Er könnte auch auf den Balkon gehen und einfach am Himmel nachsehen, wie die Lage gerade ist, aber das ist ihm entschieden zu anstrengend. Mir auch, denn der Balkon ist bestimmt drei elend lange Meter von uns entfernt und wir halten hier jetzt einfach mal den Ball flach, das ist immerhin eine Dachgeschosswohnung, da muss man an heißen Tagen seine Energie sehr gut einteilen und die Wassermelone ist auch schon alle.

Schalten Sie auch morgen wieder ein, wenn ich schreiben werde: „Und dann hat es doch nicht geregnet.“

 

Frisch geernteter Knoblauch ist quasi unbezahlbar, aber neue Knollen zum Einpflanzen sind total billig und können uns hier spendiert werden.  Zum Monatswechsel gibt es übrigens einen genauen Bericht, was wir mit diesen Trinkgeldern im Garten angestellt haben.

Dumm und durch

Die DSGVO und die Folgen. Liest sich wie Satire. Und hier, passend dazu, der Blogfriedhof.

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Verblüffende Dimensionen der Dummheit – ich weiß bei einigen Gemüsesorten gar nicht, wann und wie man die erntet. Ich muss alles erst nachlesen, woran sieht man eigentlich was? Und dann stehe ich sinnend und zögernd vorm Kohlrabi. Ist der jetzt tennisballgroß? Wann habe ich überhaupt zum letzten Mal einen Tennisball gesehen? Und was interessiert mich Tennis? Wie schneide ich den Kohlrabi jetzt und womit und überhaupt. Schlimm. Außerdem wird in meiner Instagram-Timeline noch gar kein Kohlrabi geerntet, das verunsichert auch. Bin ich der Erste? Und warum? Wenigstens ist es beim Obst einfacher! Die verführerische Röte der Erdbeere, die einem da geradezu obszön sinnlich und hochgradig verführerisch aus dem Beetdunkel entgegenleuchtet und bitte gegessen werden will, ich meine, das ist doch ein vernünftiger und verständlicher Hinweis, da bückt man sich jubelnd, das kennt man auch aus anderem Kontext.

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Eine Leserin wies darauf hin, dass auch Brunnenkresse-Blüten schmecken. Die habe ich leider nicht im Garten, aber ich gebe das hier mal weiter, irgendwer wird sie bestimmt haben und sich die Blüten jetzt vielleicht einmal näher ansehen, man influenced so vor sich hin. Isses nicht schön? Es ist.

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Ein Besuchskind fragte am Frühstückstisch, ob denn die Butter auch aus unserem Garten sei. Bäuerliches Image kann ich.

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In der Laube steht nun das erste Möbelstück. Es handelt sich um einen uralten Küchenschrank in höchst eigenwilliger Farbe, der jahrelang im Laden meiner Schwiegermutter dekorativ herumstand. Die Herzdame wollte ihn schon seit etwa zwanzig Jahren haben, bei jedem Besuch im Heimatdorf ist sie um diesen Schrank herumgeschlichen. Jetzt ist die Schwiegermutter ohne Laden im Ruhestand, der Schrank aber noch lange nicht.

Ansonsten sind wir von der Arbeit an und im Garten allmählich etwas durch, das ist nicht mehr zu leugnen, aber immerhin auf eine recht gutgelaunte Art. Demnächst vielleicht doch mal ein, zwei Stunden Entspannung im Garten einplanen, das soll ja auch ganz nett sein, sagt man.

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Der Hut von Straßenmusikern wird digitalisiert. Eine Kleinigkeit nur, es wird sich dennoch etwas nach Science-Fiction anfühlen, da im Vorbeigehen virtuell Geld zu transferieren, nehme ich an.

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Der Hut von Bloggern wiederum wurde schon längst digitalisiert, mit echten Hüten wäre es bei uns auch ziemlich schwierig gewesen. Meiner steht übrigens hier herum, direkt dahinter sitze ich und tippe.

Blüten und Erinnerungen

Zahllose Leserinnen wurden in tiefe Verwirrung gestürzt, weil ich das mit den Schnittlauchblüten hier nicht exakt durchdefiniert habe, pardon. Okay, nachweislich waren es nur zwei Leserinnen, aber es reagieren bekanntlich immer nur höchstens 2% aller Leserinnen überhaupt irgendwie auf einen Artikel, der Rest liest einfach nur, was ja auch vollkommen in Ordnung ist. Um- und hochgerechnet waren das dann aber sehr viele Leserinnen, und nein, das war jetzt nicht wirklich logisch, egal. Ihnen kann man ja nichts vormachen!

Man kann, um das also eben aufzuklären, die Blüten tatsächlich oben abpflücken und essen, gleich so, als Salatdeko, im Kräuterquark, als Snack beim Gartenrundgang, Blüte to go, wie auch immer. Den Stängel aber, auf dem die übrigens niedliche Blüte sitzt, den sollte man eher nicht essen, denn der schmeckt nicht recht. Alle anderen Halme dagegen, also die ohne Blüten – super wie immer. Haben wir das geklärt. Und nun gehet hin und pflücket die Blüten.

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Der Istanbul-Grill.

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Madame meditiert. Wie neulich bereits angemerkt – das betrachte ich auch als große Herausforderung. Eines Tages!

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Habe ich jemals von der alten Dame erzählt, die ich im Gartenverein getroffen habe, sie jätete gerade Unkraut am Rand ihrer Parzelle. Bückte sich mit leichtem Stöhnen, der Rollator stand nur einen Meter weiter.

“Junger Mann, wissen Sie nicht vielleicht jemanden, der mir im Garten helfen kann? Ein paar Stunden die Woche?”

“Da muss ich mal überlegen.”

“Überlegen Sie mal. Ich bin 93, allmählich wird es doch schwieriger.”

Und dann jätete sie stoisch weiter, wobei sie mit den Händen bei durchgedrückten Knien deutlich weiter runterkam als ich. Gartenarbeit, so sagt man, soll ja auch gesund sein.

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An einem U-Bahngleis unter dem Hamburger Hauptbahnhof sitzt ein junger Mann auf einer Bank und unterhält sich mit einem Kumpel. Würde man abfällig urteilen wollen, wozu es allerdings keinen Anlass gibt, man könnte ihn als fortgeschritten dick bezeichnen. Man könnte aber auch sagen, er sieht eindeutig nach Genussmensch aus. Er streckt sich gerade und sieht dabei nicht so aus, als sei mit seinem Körper irgendwas falsch, das passt alles schon, das gehört so. Er hat die Augen geschlossen und wiederholt gerade schon zum dritten Mal ein Wort, das ihm vielleicht gerade in den Sinn kam oder das irgendwo stand, auf dem Werbebildschirm oder sonstwo, ein Wort jedenfalls, das schönste Erinnerungen in ihm weckt. Würde man abfällig urteilen wollen, wozu es nach wie vor keinen Anlass gibt, man könnte sicher sagen, es sind Erinnerungen an die übelsten Partyabstürze seines Lebens. Man könnte aber auch sagen, es handelt sich vermutlich um Erinnerungen an die wenigen richtig guten Abende, an die legendären Abende. Und so viele sind das ja bei uns allen nicht, wenn man die Jahre einmal Revue passieren lässt.

“Scheunenfete”, sagt der junge Mann und er spricht das Wort so aus, wie andere vielleicht “Paris” sagen oder irgendeinen Berliner Club benennen, in dem sie mal durch einen wilden Zufall zum genau richtigen Zeitpunkt waren, also als alle da waren, was weiß ich, auch David Bowie und Iggy Pop und so, wovon sie dann später noch gebetsmühlenartig im Seniorenheim erzählen werden, in dieser Art spricht er es aus, in seliger Erinnerung, et in Arcadio ego. “Scheunenfete”, sagt der junge Mann und er betont das Wort fast schmatzend, so gut gefällt ihm das, “Scheunenfete. Das ist doch das wahre Leben, Alter.”

Sein Kumpel nickt wissend.

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Die Söhne verwenden neuerdings einen Ausdruck, den ich so nicht kannte, und ich bin da ja lernbereit und übernehme gerne, Sprache lebt von der Bereicherung an anderen. Wenn sie etwas nicht gerne machen, dann lassen sie es sein, denn: “Es bockwurstet nicht.”

Und dann immer diese drängende Versuchung, solche Ausdrücke demnächst in einem Meeting unterzubringen!

“Wisst Ihr was, ich verlasse jetzt diesen Call.”

“Bitte was?!”

“Das bockwurstet hier einfach nicht.“

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Sie können hier Geld in den virtuellen Hut werfen. Denn Trinkgeld bockwurstet total.

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Admingeraffel, Schnittlauch und Smartphones für Kinder

Martin Parr’s day at the Chelsea Flower Show – a photo essay.

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Wir haben auf der Blogfamilia in Berlin etwas über Contententwicklung in (Eltern-)Blogs geredet, da ging es in einem Punkt auch um das ganze Admingeraffel. Ein naheliegender Aspekt in Zeiten der DSGVO, mit der wir Bloggerinnen uns vermutlich alle viele, viele Stunden oder gar Tage beschäftigt haben. Meine These war, dass man sich auch als Bloggerin – ganz ähnlich wie ein großer Konzern – in Adminkram verstricken und sich damit ziemlich erfolgreich lahmlegen kann. Wenn man zu viel Zeit damit zubringt, im Backend herumzuwühlen, Streams in sozialen Medien zu optimieren, Einstellungen zu verstehen, Reichweiten zu verbessern, Followerinnen zu gewinnen, SEO zu kapieren, Plug-Ins anzupassen, Statistiken zu lesen, Datenschutzerklärungen zu kopieren, Mediakits zu erstellen und so weiter, dann ist es am Ende ganz egal, wie sinnvoll und zielführend das alles ist – kreativ war man in der Zeit jedenfalls nicht. Ich habe nun kein übertragbares Patentrezept, wie man das grässliche Admingeraffel wieder loswird, aber ich überlege mir mittlerweile gut und auch oft, wieviel Zeit ich wofür verwende. Denn unterm Strich ist es ja so: Ich möchte hier einfach nur schreiben. Alles andere ist Ballast und Klimbim. 

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Ich habe zum ersten Mal im Leben Schnittlauchblüten gegessen. Das hätte mir ja auch längst schon mal jemand sagen können, dass man die sehr gut essen kann, also wirklich.

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Seit Wochen lese ich sehr wenig oder gar nichts, das ist auch mal erholsam. Wenn ich abends irgendwo herumliege, also auf dem Bett oder auf dem Sofa meine ich natürlich, dann denke ich über Gartengestaltung und den Erwerb von Pflanzen und meinen Gemüseanbau nach, und das reicht, da brauche ich gerade keinen Roman, keine Geschichte, kein Buch. Ich vermisse gar nichts, gleichzeitig steigt aber die Schreiblust, ein interessanter Nebeneffekt. Am Ende ist eine Lesediät womöglich irgendwie sinnvoll und ich habe auch das nur wieder nicht gewusst? Ich sage es ja, kein Tag ohne Demütigung. Aber hier, Idee! Ich schreibe ein flottes Sachbuch zum Thema Lesediät und all die phänomenalen, lebensverändernden Folgen, die ein bewusster Verzicht auf Bücher haben kann – und wenn Sie das dann lesen, dann machen Sie damit schon alles falsch. Finsterer Plan!

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Sohn I hat seit ein paar Wochen ein Handy, dazu ist auch noch etwas anzumerken. Und da geht es ausnahmsweise nicht um die allzu erwartbare Frage, ob Smartphone oder nicht, es geht auch nicht um die Frage, welche Apps da drauf sein sollen oder dürfen oder müssen oder welche Verantwortung wer hat, welche Risiken es gibt, welche Chancen womöglich auch, ab wann man Whatsapp erlaubt, welcher Preis von wem zu zahlen ist, welcher Vertrag gewählt werden soll, welcher Tarif, welche Marke und so weiter und immer so weiter, es gibt da ja konservativ geschätzt an die tausend Fragen, die man sich als Elternteil erarbeiten und beantworten muss, bevor ein Kind das erste Handy bekommt, nein, darum geht es nicht. Anzumerken ist vielmehr, was für eine gottverdammt große Lebenserleichterung es ist, wenn man sich mit dem Kind endlich, endlich mal eben per Handy abstimmen kann, wenn man also mit einer Nachricht oder einem Anruf in einer Minute klären kann, wer wann wo ist und von wo was mitbringt und wie man sich wann und wo wieder trifft. Ist. das. schön.

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Mir geht seit Tagen dieses Lied nicht mehr aus dem Kopf, vielleicht ja, weil hier in den letzten Artikeln einige Male das Wort “Drogen” erwähnt wurde. Egal, es war eh ein super Auftritt, den kann man sich ruhig mal ansehen. Sensationell, immer wieder.


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Man kann hier Geld einwerfen, dann kaufe ich neuen Schnittlauch. Toll! Esst mehr Schnittlauch! Und esst die Blüten mit!

 

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Es gibt endlich Pellkartoffeln

Das Thema Plastikfreiheit und Nachhaltigkeit – heute mal beim Künstlerbedarf. Beruflich übrigens verbrauche ich kein Plastik und auch kein Papier. Ich drucke nichts aus, ich hefte nichts ab, ich benötige bei all meinen bezahlten Jobs nur einen PC, der aber natürlich aus Plastik besteht, schon klar. Ich trinke keinen To-Go-Kaffee mehr, ich habe keine Brote in Plastiktüten dabei, das ist alles ganz gut, mein Bürostuhl und der Tisch halten ziemlich lange. Wenn man nur kurz nachdenkt. Wenn man etwas länger nachdenkt, was oft fatale Folgen hat, dann arbeite ich ganz ohne Plastik für sämtliche Weltkonzerne, die das mit dem Plastik um uns herum anrichten. Ganz toll.

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Apropos plastikfrei, ich bin jetzt endlich dazu gekommen, die vor 14 Tagen angedachten Pellkartoffeln mit Kräuterquark zu machen, mit selbstgepflückten Kräutern versteht sich, Streifzug durch den Garten und guck, das kann man ja auch essen. Knoblauchsrauke, Radieschengrün, Dill, Schnittlauch, Löwenzahn, Gänseblümchen, Petersilie, Giersch, ja, auch Giersch, ich habe es der Herzdame erst hinterher gesagt, sie ging dann kurz hinter die Laube, egal. Ein grandioses Essen jedenfalls, ohne Plastik, wenn man den Quark im Glas bekommt, was nicht ganz so einfach ist, zugegeben.

Ich könnte meine Ernährung jetzt umstellen, wenn das Wetter so bleibt, mehr brauche ich nämlich gar nicht. Pellkartoffel mit Kräuterquark zum Abendessen, tagsüber Melone und Erdbeeren, die gibt es auch unverpackt oder in Pappe. Herrlich.

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In Hamburg gelten jetzt irgendwelche Fahrverbote auf ein paar Metern in bestimmten Straßen und mit tausend Ausnahmen, es gibt da eine lustige Verbindung zur ebenfalls jetzt gültigen DSGVO: Niemand kann auf Anhieb erklären, was da wie geregelt wurde. Und insofern isses egal, ne. Wie sangen wir damals so schön: Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran. Das war die Gruppe Fehlfarben, liebe Kinder, die war gar nicht mal so unwichtig oder, wie die Söhne sagen würden: “Die waren gut? Und sind die denn auch schon tot, wie alle, die du magst?”

 

 

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Sie können hier Geld für mehr Pellkartoffeln einwerfen

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Lunken und Platten

Ich habe für die GLS Bank Links zum Thema Innovation zusammengestellt. Mit ziemlich abgefahrenem Zeug.

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Vielen Dank an Daniela und Heiko vom Teekesselchen-Blog, die uns anlässlich der Plastikfreidiskussion reichlich Schokolade geschickt haben. Die Variante “Dunkle Nougat” ist zum Kaffee auf jeden Fall schon einmal eine hervorragende Wahl, ich möchte fast sagen, die beste seit langer Zeit.

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Ich habe im Garten einen Schacht von ein paar Metern Länge für das Stromkabel zur Laube gebuddelt, und nachdem das Stromkabel darin lag, habe ich ihn gleich wieder zugebuddelt. Reichlich Arbeit für kein sichtbares Ergebnis, das war also fast wie im Büro, auch die Steine, die mir da jemand in den Weg gelegt hatte, passten ganz gut. Der Elektriker stand kaffeetrinkend neben mir und guckte kritisch, ob da hinterher auch keine Lunke mehr im Boden sei. Eine Lunke, eine Absenkung im Boden. Das Wort kannte ich in diesem Sinne, das scheint aber sonst kaum jemand zu kennen, da hilft auch Google vergleichsweise wenig. Gehört habe ich es sicher seit vielen Jahren nicht. Aber woher kann ich das denn bloß kennen? Aus dem Sprachgebrauch norddeutscher Handwerker, den ich aus meiner Kindheit kenne? Ich habe nicht die leiseste Ahnung, ich habe da sozusagen eine Lunke im Wissen um den eigenen Wortschatz.

Eine Lunke. Gefällt mir jedenfalls, das Wort.

“Einen schönen Garten haben Sie da.”

“Ja, wenn man sich die Lunken wegdenkt.”

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Ich habe außerdem tatsächlich eigenhändig einen Zaun gebaut, der steht sogar schon mehrere Tage und ist bisher nicht umgefallen. Das betrachte ich also als Erfolg. Ein schöner Zaun, gebaut aus den Resten der Paletten, auf denen die Laube geliefert worden ist, ein kostenloser Zaun also, das ist ja auch erstrebenswert. Ein Zaun in vernünftiger Höhe, gerade und anständig. Vielleicht ist er nicht ganz schrebergartentypisch, das kann sein. Das könnte jedenfalls erklären, warum mich während der Bauzeit etliche vorbeigehenden Menschen gefragt haben, ob wir da denn jetzt Kühe oder Pferde halten wollen.

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Ferner habe ich, das ist hier heute ein Arbeitsbericht, Gehwegplatten verlegt. Das habe ich neulich schon einmal gemacht, aber da habe ich sie schnell, schnell und provisorisch verlegt, das war natürlich krumm und schief und holperig. Diesmal habe ich mir aber richtig Mühe gegeben und mich auch vorher gefragt, wie das denn wohl geht, wenn man es richtig macht. Auch das Verlegen von Gehwegplatten erfordert nämlich Geschick und Gedanken. Mein innerer Jean Pütz hat mir nach etwas Besinnung kluge Ratschläge gegeben, ich habe den Boden dann also korrekt etwas ausgehoben und sorgsam vorbereitet. Ich habe ihn mit Bedacht glattgezogen, ich habe die verlegten Platten geradezu mit Genuss eingepasst und mit einem ungeheuer schweren Stampfer vom Nachbarn nachdrücklich festgedengelt. Ich habe die ebenso ungeheuer schweren Platten so verlegt und mit Hingabe zurechtgeruckelt, dass jetzt keine Briefmarke mehr in die Fugen passt, fand ich jedenfalls. Das war ein Tag Arbeit, nachdem mir so ziemlich jeder Muskel wehtat.

Danach stand ich mit einem Feierabendbier sinnend vor den Platten, es waren gar nicht so wenig, über die ganze Laubenfront. Ich betrachtete hochzufrieden mein Werk und fuhr mit dem Fuß wohlwollend die exakt ausgerichteten Ritzen entlang. Was man alles schafft, wenn man sich nur genug Mühe gibt! Immer wieder beeindruckend.

Und die Nachbarin, die abends mal unseren Fortschritt begucken kam, warf im Vorbeigehen einen Blick auf diese herrlich ordentlich daliegenden Platten und fragte nebenbei:

“Die machste dann noch mal gerade, hm?”

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Hier gibt es neuerdings immer einen Trinkgeldlink. Warum auch nicht.

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Mit Bob an der Bille

Wenn hier schon für Gartenzwecke gespendet wird, dann will ich das auch mit Geschichten aus dem Garten beantworten. Und da sich gar nicht alle für Gartenthemen interessieren, nehme ich den Rasen da einfach als Assoziationswiese, die es abzugrasen gilt, bitte sehr, bitte gleich, dann kommen auch genug andere Themen vor. Das bleibt hier ja serviceorientiert und Geschichten wollen Sie wohl haben. Na, was man so Geschichten nennt.

Der Artikel “Rotkehlchenretro”, das sei noch kurz festgehalten, war übrigens der erste je in unserem Garten geschriebene Text. Offline! Wie son Typ mit Schreibmaschine, und da fällt mir jetzt plötzlich der Melcher ein, Saltkrokan. Wissen Sie noch? “Dieser Tag – ein Leben.” Saltkrokan, da war ich – wie vielleicht alle? – irgendwann schwer irritiert, dass sich die titelgebende Insel im Original gar nicht so ausspricht, wie ich es beim Lesen als Kind immer im Kopf gehört habe, es spricht sich ganz anders, vom Klang her eher unangenehm. Das war nicht schön, wie es überhaupt nicht schön ist, wenn die Wirklichkeit sich danebenbenimmt und Kindervorstellungen beschädigt. Aber wo es mir gerade so in den Sinn kommt – das könnte ich glatt noch einmal lesen, das mit den Ferien auf Saltkrokan, das habe ich in angenehmer Erinnerung.

Die Parzelle ist auf einer Insel, darauf wollte ich heute hinaus, und man sieht zwar von unserem Garten aus kein Wasser, aber wenn man kommt oder geht, dann muss man über eine Brücke und ein Stück am Wasser entlang, nämlich an der Bille, an jenem in die Elbe mündenden Hamburger Fluss, den üblicherweise kein Schwein kennt. Also außerhalb von Hamburg jedenfalls nicht. Nur die Hardcore-Schlagerpartei, die kennt den Fluß vielleicht noch aus dem schönen Lied von Heidi Kabel: “An der Alster, an der Elbe, an der Bill’, dor kann jeder eener moken, wat he will.” Hanseatische Toleranz und so. Das Lied wiederum kennen allerdings selbst in Hamburg nicht viele Menschen.

Man geht oder fährt am Rand der Insel entlang und sieht runter zum Wasser, denn der Inselrücken liegt dank des dort aufgehäuften Schutts aus dem Zweiten Weltkrieg und wohl auch von Natur aus recht hoch, das Wasser fließt ja aber immer unten herum. Am Ufer überall steile Treppchen den Hang hinunter, unten winkelig verbaute Lauben und Schuppen, viele mit kleinen Booten davor, an Stegen und Anlegern oder einfach an Bäumen vertäut. Enten auf dem Wasser, Möwen in der Luft, Rotkehlchen in den Hecken, das kann man schon romantisch finden, wie es da stellenweise aussieht. Wenn man über den Fluss blickt, sieht man am anderen Ufer gleich die nächste Gartenanlage und alte Weiden mit den Zweigen im Wasser, noch mehr Lauben und Schuppen mit Booten davor, die sachte schaukeln und jetzt im Mai generalüberholt funkeln, jede Farbe neu und brillant, blauer als blau, weißer als weiß.

Im Vorbeigehen guckt man da unwillkürlich immer runter, auf dieses Uferidyll. Ich sehe vor einer Laube eine Gruppe um einen Gartentisch, es gibt vermutlich Kaffee und Kuchen, das würde zur Tageszeit passen, aber so genau gucke ich gar nicht, man starrt da nicht so hin. Einer sitzt in der Runde, spielt auf seiner Gitarre und singt dazu, man kann es sogar ein paar Gärten weit hören. Ich höre allerdings nicht genau, welches Lied es ist, ich gehe zu schnell und höre nur ein paar Töne, die mir aber immerhin bekannt vorkommen. Vermutlich ist es eine dieser Tonfolgen, die jeder mit Oldies assoziiert, mit NDR 1, mit den Sechzigern, den Siebzigern, mit Liedermachern und Songwritern. Irgendwas, was man nach zwei Takten mitsingen könnte, wenn man denn wollte. Weil man es tausendmal gehört hat, in Joanbaezhäufigkeit, in Dylanfrequenz oder in Reinhardmeyendlosschleife. Eines dieser Lieder, die Menschen mit Gitarre halt singen, wenn sie vor Gruppen sitzen, ob da in der Mitte der Szene nun ein Lagerfeuer brennt oder eine Kaffeetafel steht. Und das erinnert mich wieder an den Hundestrand in Travemünde, ich habe über die Studenten mit Gitarre dort in “Es fehlt mir nicht, am Meer zu sein” schon geschrieben, aber ich habe heute ein anderes Ziel im Sinn, daher berichte ich sozusagen aus anderer Richtung und erzähle das einfach anders als damals.

Wenn es am kurtaxenpflichtigen Strand an Sommerabenden allmählich leer wurde, wenn alle Strandkörbe verriegelt und verrammelt waren und alle Kurkartenverkaufshäuschen abgeschlossen, wenn alle Tretboote wieder an der Kette waren und die jungen Leute aus den DLRG-Türmen wieder runtergeklettert waren und die Touristen sämtlich zeitgleich in den Restaurants der Hotels saßen, dann war an diesem leeren Strand nichts Unterhaltsames mehr zu erwarten. An der Promenade gingen einige Rentner mit Hunden bedächtig hin und her, hinten fuhren die Fährschiffe nach Skandinavien hin und her, oben flogen die Möwen hin und her – und mehr kam da dann nicht mehr.

Man konnte aber den Ort in Richtung Norden verlassen und zum Hundestrand gehen, zum ungepflegten Strand also, wo Findlinge in endloser Reihe vor der Brandung lagen und kein Bagger den gammelnden Tang davor morgens zusammenfuhr und entsorgte, wo sich die Touristen daher nie ganz sicher waren, ob es noch würzig oder doch schon faulig roch, ob man also bewusst ganz tief oder lieber gar nicht einatmen sollte. Wo bald das Steilufer begann und halb herabgestürzte Bäume malerisch quer über den Strand hingen oder auch schon unten lagen. Auf den Bäumen konnten man sitzen, neben ihnen konnte man grillen, um die herum konnte man sich lagern. Da saßen die Studenten aus Hamburg, von denen man zwar nach Augenschein weder eindeutig sagen konnte, dass es Studenten waren, noch dass sie aus Hamburg waren, und doch war das eben so, daran war überhaupt nicht zu zweifeln, das waren die Studenten aus Hamburg, das wussten wir eben, das wussten alle. Das waren für uns die Großen, das waren die, die schon zuhause ausgezogen waren, vor Jahren schon. Die hatten es geschafft, die hatten ein eigenes Leben mit kaum vorstellbaren, atemberaubenden Freiheiten und Möglichkeiten, deswegen saßen die da ja auch am Strand und grillten spät abends und tranken Dosenbier dazu, weil sie es konnten nämlich. Die mussten nirgendwohin, wenn es dunkel oder zehn Uhr wurde, die konnten da bleiben und neben den jungen Frauen sitzen, die ganze Nacht sogar, wobei sie sich dann irgendwann gemeinsam hinlegen würden, eine geradezu wahnsinnige Vorstellung, zumal einige schon nackt waren, das war gar nicht unüblich. Sie konnten interessante Drogen konsumieren und seltsam anrührende Lieder singen, die noch aus der Hippiezeit waren. Die hatten sich ganz gut gehalten, die Lieder, die kamen noch gut an und klangen auch noch recht frisch. Kein Wunder, einige von denen waren keine zehn Jahre alt, das war doch kein Alter für ein Lied. Und es konnte überhaupt auch schon mal eine Weile dauern, bis ein popkultureller Trend in westdeutschen Ostseekurbädern ankam.

Ich konnte auf der Gitarre dank Peter Bursch genau zwei Akkorde, das reichte nur für “Get back” von den Beatles. Ich war damit noch lange nicht lagerfeuertauglich und außerdem so dermaßen im Stimmbruch, an Gesang war ohnehin nicht zu denken. Aber schon das abendliche Vorbeigehen an diesen Grüppchen zwischen den querliegenden Bäumen hatte mir gezeigt, was ich werden wollte, was ich so schnell wie möglich und ganz dringend werden wollte: Student in Hamburg. Mit allen Freiheiten dieser Welt, mit sehr viel mehr als zwei Akkorden, mit reichlich interessanten Frauen. Und der ganze Rest, der war mir erst einmal ziemlich egal. Irgendwas mit Geisteswissenschaft studieren, es würde schon passen, wer interessiert sich schon für Details, Soziologie, Germanistik, was machte das aus. Nur Hamburg sollte es unbedingt sein, Hamburg schien mir richtig, denn aus Hamburg kamen ja die richtigen Leute, die mit dem Sinn für Lagerfeuer und guten Songs und Liebe unter freiem Himmel, was konnte an dem Ziel schon falsch sein, echt jetzt mal. Hamburg sollte es sein, Frauen sollten es sein, zwischendurch auch gerne ein Lagerfeuer an der Küste, und dazu bitte ein melancholischer, gitarrenlastiger Soundtrack. Ich wollte nichts Besonders, ich wollte doch nur, was alle wollten. Dachte ich.

Und man muss sich dann Jahre später auch mal der Frage stellen, warum man eigentlich ausgerechnet dazu niemals gekommen ist. Ich bin tatsächlich nie von Hamburg nach Travemünde gefahren, um dort mit Freunden Lagerfeuer zu machen, geschweige denn mit Freundinnen, nicht ein einziges Mal. Ich habe auch nie mehr als zwei Akkorde auf der Gitarre gelernt oder irgendwo öffentlich gesungen, nicht an Lagerfeuern, nicht sonstwo, Gott bewahre. Nur zum Hippie habe ich es nach all den Jahren doch noch gebracht, also zumindest was die Frisur betrifft und das ist ja schon einmal ein Anfang, ein ausbaufähiger – und am Rest arbeite ich ebe noch

Die Studenten von damals sind mittlerweile sechzig Jahre alt oder so, die haben ihre Berufslaufbahn schon fast hinter sich, die haben es wieder bald geschafft und mir also schon wieder etwas voraus. Die sind natürlich längst wer weiß wie arriviert und verkehren vermutlich in genau den konventionellen Kreisen, in die sie damals nie wollten, gegen die sie nachts bekifft angesungen haben. Die haben längst große Kinder, die abends irgendwo an den Strand fahren und da Gott weiß was machen, das wollen sie gar nicht so genau wissen. Die Studenten von damals sind in der Politik, in den Medien und in den Büros der Konzerne, in denen sie seit ein paar Jahren schnell altern. So ist es auch den Generationen vor ihnen ergangen, nichts daran ist ungewöhnlich. Manchmal treffen sie abends noch Freunde, mit denen sie damals schon zusammen gesessen haben, in Travemünde nachts am Strand, aber das ist natürlich längst kein Thema mehr, das ist ja hundert Jahre her und dass das Wasser seitdem gestiegen ist, das haben sie nicht gesehen.

Wie auch immer, das Lagerfeuer am Strand ist für mich ohnehin kein romantisches Ziel mehr. Man riecht nach Lagerfeuern auch immer so unangenehm nach Rauch, schön ist das eigentlich nicht. Die Lieder von damals singe ich heute bestenfalls morgens beim Duschen. Ich kann die Texte immer noch, was sitzt, das sitzt. Und ich gehe danach in mäßiger Stimmung ins Büro oder pfeifend in den Schrebergarten, wherever I roam. Das Büro und der Garten, sie sind immerhin beide in Hamburg,

Die Zeiten ändern sich, was soll man machen.

 

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Sie können hier ein Trinkgeld in den Hut werfen, sozusagen über den Gartenzaun. Sie müssen aber nicht, versteht sich.

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