Die Liebe, die Liebe

Und zwischendurch haben wir, also die Herzdame und ich, als wir gestern nur zu zweit beim Lieblingsitaliener waren, um eine gewisse Szene aus “Susi und Strolch” nachzustellen, noch einmal sehr amüsiert festgestellt, dass die Herzdame nach wie vor zwei meiner Bücher nie gelesen hat. Und zwar aus beziehungstechnisch ebenso logischen wie auch unüberwindbaren Gründen. Denn sie besteht seit Jahren darauf, dass ich ihr da eine persönliche Widmung hineinschreibe, mit Sinn und Gefühl und allem, vorher fasst sie die Werke ganz sicher nicht an. Ich wiederum verweise stereotyp auf die schöne Tatsache, dass “Mit Dank an die Herzdame” immerhin schon gut lesbar gedruckt vorne drin steht und ich bekannterweise alles schreibe, nur kategorisch keine Grußworte. Dann haben wir angestoßen und wie immer dort sehr fein gegessen.

Ich würde nach einigem Nachdenken nicht vollkommen ausschließen, dass wir beide manchmal etwas stur sind. Lübeck gegen Nordostwestfalen, das ist weiß Gott kein leichtes Match. Mit anderen Worten, wir passen wirklich sehr, sehr gut zusammen.

Instagram-Geschichten – Katzen gegen die NATO

Es ist eigentlich gar keine Geschichte, es ist nur etwas Kontext zu einem Bild, aber die Regeln mache ich hier ja selbst, what a stroke of luck. Instagram-Begleittexte schreiben sich angenehm leicht weg, ich brauche so etwas gerade, das ist genau das richtige Format für Zeiten der fortgeschrittenen Urlaubsreife, in denen man etwas Prokrastinationsspielzeug benötigt.

Wir sehen hier ein Haus an der Stelle, an der das Hamburger Grindelviertel in Eppendorf übergeht, jedenfalls ungefähr. Im Rücken des Fotografierenden denke man sich bitte ein Kino, in dem ich übrigens an dem Tag mit Isa war, als Deutschland gegen Frankreich spielte, wir hatten sehr, sehr viel Platz im Saal, es war uns ein Fest. Gesehen haben wir da diesen Film, eine äußerst nette Flucht- und Integrationsgeschichte, bei dem leider die weibliche Hauptfigur etwas zu kurz kommt, aber sonst, wie gesagt, schon nett und sehr herzig und empfehlenswert und auch komisch. Aber darum geht es gar nicht.

Es geht um die auf die Wand gemalten Katzen da an dem Haus, denn unter diesen Katzen stand, als ich im Jahr des Herrn 1987 – da reiste man noch mit Postkutschen, liebe Kinder – nach Hamburg zog, “Katzen gegen die Nato!” in ziemlich fetten, riesengroßen Lettern unter dem Wandbild. Ich zog nach Eppendorf, fast in Sichtweite des legendären Musikschuppens Onkel Pö, der allerdings kurz vor meinem Einzug schloss und in eine hippe Großkneipe umgebaut wurde, was ich der alten Hamburger Szene bis heute übel nehme. Ich gucke Udo Lindenberg, der hier ein Haus weiter residiert, immer noch böse an, wenn ich ihn auf der Straße im Vorbeigehen sehe.

Damals war Eppendorf noch ein Studentenviertel voller WGs, in jedem zweiten Haus gab es ein Antiquariat oder einen Trödler, in jedem dritten eine verrauchte Kneipe. Die Typen, die nach und nach erst ihre MitbewohnerInnen vergrault und dann auch ihre linke Gesinnung verdrängt haben, die bewohnen diese prächtigen Altbauwohnungen dort immer noch, sind mittlerweile aber Oberstudienrat oder Fachärztin oder Architekt oder Privatier oder irgendwas in einer Partei und im Immobiliengeschäft, was in Hamburg traditionell nahezu identisch ist, und das erklärt dann auch den sogenannten Charme des Viertels heute, aber darum geht es ja nicht.

Der Spruch “Katzen gegen die Nato” verschwand jedenfalls irgendwann wieder, darum geht es. Das Bild wurde alle paar Jahre liebevoll restauriert, ein Spruch erschien darunter aber merkwürdigerweise nie wieder, kein einziger, in all den Jahren nicht. Es gab kein “Katzen gegen die Wiedervereinigung”, kein “Katzen gegen das Ozonloch”, kein “Katzen gegen Saddam”, kein “Katzen gegen Hartz IV” und es gibt auch heute, wie man auf dem Bild deutlich sieht, kein “Katzen gegen Rassismus.”

Es ist eigentlich jammerschade. Wo doch Katzen zu allem eine Meinung haben, wie jeder weiß.

Zwischendurch ein Dank …

… an die Leserin B.A.K., die den Jungs Schwimmzubehör für die Sommerferien geschickt hat. Das werden wir in Südtirol einsetzen, wohin wir in wenigen Wochen noch einmal fahren, auf einen Bauernhof mit Swimming-Pool. Das ist eine vielleicht etwas seltsame, aber für Familien vollkommen sinnvolle und empfehlenswerte Kombination. Beim letzten Urlaub dort hat Sohn II Schwimmen gelernt, vielleicht klappt es jetzt ja mit dem Tauchen.

Die Männer sind ruhig und reich

Ich bin sowohl festangestellt als auch freiberuflich tätig, das ist im Prinzip eine feine Sache. Es ermöglicht einem oft, die Vorzüge beider Varianten mitzunehmen und ein paar Nachteile zu ignorieren, doch, doch, das ist schon nett so. Übrigens auch in Bezug auf Vereinbarkeit, darüber könnte man auch einmal schreiben, aber man kommt ja zu nix, womit sich das Thema quasi doch schon wieder erledigt hat, wenn ich es recht bedenke.

Es gibt also, wo war ich, ein paar Vorzüge dieser Kombination. Nur zur Urlaubszeit erwischt einen dann doch ein typisches Problem der Freiberuflichkeit geradezu unweigerlich. Man muss nämlich, um endlich einmal Zeit für sich, für die Familie, für das Manuskript (ha! haha!), für Bücher, für die Natur, die Landschaft, das andere Land und für Gott weiß was noch alles zu haben, sich diese Zeit im Vorwege erst dadurch freiarbeiten und erobern, dass man noch mehr arbeitet und daher noch weniger Zeit für irgendwas hat. Während man eigentlich permanent nur an Pause und Urlaub denkt, denn irgendwann braucht man das nun einmal.

Das ist ein nur schwer lösbares Problem. In diesem Jahr bin ich vielleicht ein klein wenig besser in der Vorbereitung als im letzten, ich habe etwas mehr Vorsprung vor mir selbst und rufe mir beim Arbeiten gelegentlich ein halbwegs vergnügtes “Ick bün all door!” zu, aber das ist eher im dezenten Bereich. Und wie immer mache ich, was alle vernünftigen Menschen in Phasen von Überlastung und Hektik machen, ich fange einfach noch ein Thema an, Sie kennen das.

Weswegen ich jetzt neuerdings mit Sprachlern-Apps Vokabeln trainiere, denn um Sprachen habe ich mich erschreckend lange nicht gekümmert, warum eigentlich nicht? Einmal, vor etwa fünfzehn Jahren, habe ich kurz Portugiesisch angefangen, aber das war leider viel zu kurz, da blieb fast nichts hängen, außer einer gewissen Dauersehnsucht nach Madeira. Es ist jedenfalls recht unterhaltsam mit dem Smartpone oder mit dem Computer zu lernen, solche Apps sind dann doch nennenswert netter als die Schulbücher damals, das geht recht flott. Ich habe keine Ahnung, ob man damit auch nur ansatzweise Grammatik lernen kann, aber für Vokabeltraining finde ich sie schon einmal großartig. Sohn I hält eine der Apps übrigens für ein Spiel und hangelt sich unermüdlich von Level zu Level, vermutlich kann er in 14 Tagen aus Versehen Italienisch, warum auch nicht. Noch ist er nicht schneller als ich, aber es wird vermutlich in ein, zwei Tagen ziemlich sportlich für mich. Das ist der Effekt, den Eltern auch von Memory-Duellen mit dem Nachwuchs kennen. Andiamo!

Worauf will ich hinaus? Auf gar nichts, ich fasele hier einfach vor mich hin, das ist auch mal entspannend. Urlaubsreif eben, und es dauert noch ganze drei Wochen. Oder so, ich sehe lieber nicht genau nach, Teile des Kalenders könnten mich verunsichern. In den Sprach-Apps gibt es natürlich Mustersätze, einer davon blieb gestern hängen und wurde gleich ins Notizbuch übertragen, weil es so ein schöner Kurzgeschichtentitel ist: “Die Männer sind ruhig und reich”. Da muss doch eine Story draus werden, das hört man doch gleich, oder? “Die Männer sind ruhig und reich”. Keine Ahnung, worum es in der Geschichte gehen wird, das findet sich dann schon noch, einfach mal etwas einwirken lassen.

Das klappt übrigens auch mit Suchanfragen in meinem Blog, neulich landete da jemand mit “Der Lärm der Krähen in Tönning”. Das hat auch diesen gewissen Klang, finde ich, und so heißt jetzt ein Kapitel im Manuskript, das passt perfekt, das hat sogar schon Inhalt. In Stichworten nur, aber immerhin.

So fallen einem also Titel zu. Vielleicht wollte ich das mit diesem Text sagen, wer weiß das schon. Ich jedenfalls nicht. Ich weiß nur, es ist bald Urlaub. Wie zufällig kommen wir da auch bei Tönning vorbei.

Neue Chancen

“Ich hätte so gerne eine Kunstgalerie irgendwo an der Küste.” Das sagte die Herzdame neulich, als sie auf dem Sofa lag und verträumt nachdachte.  Das stellte sie sich nämlich schön vor, in Blickweite des Meeres zwischen interessanten Bildern oder Skulpturen entspannt auf Kunden zu warten, das hatte sie plötzlich ganz deutlich vor Augen. Und als helfender Partner hakt man da natürlich sofort nach. Warum soll man denn Träume nicht einfach verwirklichen, das geht doch in jedem Alter und in jeder Lebenssituation, das geht doch auch bei uns. Man kann immer noch und immer wieder über Optionen nachdenken und alles hinterfragen. Sei es nun beim Job, beim Wohnort, beim Alltag, das geht beim ganzen Arrangement, in dem man jahrelang herumlebt.

Es hält jung und flexibel, so positiv und lösungsorientiert nachzudenken, es bringt einen wieder auf Ideen und Möglichkeiten, die man in der Routine allzu schnell übersieht. Es gibt einen Wunsch, gibt es denn nicht auch einen Weg? Man muss doch nur die klassischen Fragen stellen – was hält auf, was kann weg, was muss bleiben, was muss anders werden – und dann mit den Antworten auch ernsthaft arbeiten. Das bringt dann wieder Schwung ins Leben, und Schwung ist immer schön. Ich war ganz begeistert! So eine attraktive Option! Ich sah mich schon im Galeriegarten seeluftumweht Kolumnen schreiben.

“Was hält dich denn bloß auf?” habe ich die Herzdame also gefragt, vollkommen bereit, alle Hindernisse entschlossen anzugehen. Ihre Antwort fiel allerdings so aus, dass es auch für mich als krisenerprobten Optimisten nicht ganz leicht war, damit umzugehen. Denn das Bild der kleinen Galerie an der Küste war zwar wirklich schön und anziehend, aber es gab etwas, das sie ziemlich überzeugend aufhielt: “Ich interessiere mich nur leider überhaupt nicht für Kunst.”

(Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten)

 

Ganz kleine Randbemerkung zur Elektromobilität

Ich komme gerade aus dem Lachen nicht mehr raus, weil ich ein bestimmtes Bild einfach nicht mehr loswerde, es ist ein wirklich grandioses Zukunftsbild, ich finde es so dermaßen erheiternd, es amüsiert mich sogar nachdrücklich trotz des verblüffend umfassenden Brexit-Elends, das will etwas heißen. Und damit andere auch etwas Erheiterung in schweren Zeiten haben, teile ich das Bild natürlich gerne, es ist ein Zukunftsbild der besonderen Art.

Wozu wir uns bitte einmal kurz etwas vorstellen, was so unwahrscheinlich und undenkbar gar nicht mehr ist, dass es nämlich gar keine Verbrennungsmotoren mehr gibt. Es ist auf unseren Straßen alles nur noch Elektro, Pedale, Solar, Wasserstoff, Atom, Gott bewahre, was auch immer, jedenfalls brennt und knattert da nichts mehr. Kann man sich vorstellen, ja? Einfach kurz mal geistig ins Jahr 2025, viel weiter muss man da wohl gar nicht.

Und dann! Und dann! Und dann stellen wir uns bitte die Hamburger Harley-Days 2026 vor – wie sich da so ein gestandener Altmöchtegernrocker in Rabaukenlederoutfit betont lässig auf seinen wilden, wilden Hobel schwingt, das Visier des Helms runterklappt, den Schlüssel dreht – und es macht ganz dezent: “summmmmmm”. Und dann gleitet er nahezu geräuschlos in den Sonnenuntergang, wozu er sich vergnügt “Born to be wild” pfeift.  

Ist das nicht zu und zu schön? Ich kann es gar nicht erwarten. Die Zukunft kann schon auch lustig werden, so ist es ja nicht.

Kurz und klein

Zwischendurch ein Dank …

… an Michael H. , der den Söhnen Superbruno von Håkon Øvreås geschickt hat – aus dem Norwegischen von Angelika Kutsch, illustriert von Øyvind Torseter. Wir haben noch nicht angefangen, aber es sieht vielversprechend aus und hatte sehr gute Besprechungen. Hier die Verlagsseite zum Buch. Herzlichen Dank!

Ein anderer Spiegel

Sohn II hat, das kann man nicht übersehen, eine gewisse Ähnlichkeit mit mir. Also nicht unbedingt mit meinem jetzigen Ich, aber doch mit der sechsjährigen Ausgabe von mir, die es einmal gab. Ich habe nicht viele Kinderbilder von mir, aber im Moment sieht Sohn II dem Kind auf diesen wenigen Bildern so dermaßen ähnlich, dass es äußerst seltsame Effekte hat, wenn ich ihn ansehe. Denn manchmal ist der Sohn auch so angezogen, dass die Gegenwart sich modisch nicht in den Vordergrund drängt. Und manchmal ist da auch nichts an Deko oder Zubehör neben oder hinter ihm, was zwingend nach 2016 aussieht. Manchmal läuft er einfach nur über irgendeinen zeitlosen Rasen oder springt in Pfützen oder balanciert über Mauern und sieht zwischendurch zu mir und lacht und ruft irgendwas und bekommt gar nicht mit, dass ich vermutlich ziemlich eigenartig gucke.

Weil da etwas passiert, was ich so noch nie erlebt habe, sein großer Bruder war mir nicht annähernd so ähnlich. Weil mich ein jäher, wilder Schmerz durchfährt, wenn ich den Sohn so sehe, wie ich jahrelang mein eigenes Spiegelbild gesehen habe, mein damaliges Spiegelbild in Spiegeln, Fenstern, Pfützen, Saftgläsern und den Sonnenbrillen der Großen, überall, kindersommerlang und genau so. Mein eigenes Spiegelbild mit diesem Grinsen und den wirr ins Gesicht hängenden Haaren und dem Dreck auf den Wangen und der Frechheit in den Augen und der Zahnlücke und allem, das ist doch nicht er, das bin ich, tat tvam asi, ich bin ich, und der da draußen, das bin ich auch. Weil es in höchst irritierender Weise so ist, wirklich überzeugend so ist, als würde ich geradewegs durch die Zeit gucken, immerhin 44 Jahre zurück in irgendeinen Sommertag damals, Juni 1972, und ich gucke in einen gespiegelten Moment, in dem ich lachend über eine Mauer balanciere, nicht er, in dem ich auf einen Baum klettere, nicht er, in dem ich über den Rasen laufe, nicht er – und das ist verbunden mit einer Traurigkeit, über die ich erst einmal eine ganze Weile nachdenken musste, bevor ich sie verstanden habe.→ weiterlesen

Gelesen: Gustav-Comics

Gustav von Haimo Kinzler und Leo Leowald

Nämlich “Gustav und Albo vom Aldebaran” und “Gustav und der Professor”, beide von Haimo Kinzler und Leo Lewald (Zeichnungen), erschienen im Stromboli-Verlag.

Gustav von Haimo Kinzler und Leo Leowald

Gelesen haben die Bände sowohl die Söhne als auch ich, zufrieden waren wir alle – und zwar sehr. Das sind herrlich abgefahrene Comics ohne jede lästige Kinderbuchüberzuckerung, sie sind eher schräg bis schrill, lässig humorvoll, mit wunderbaren Anspielungen auf Trash-Filme und mit einer Klassenlehrerin Frau Meier-Greulich, die so selbstverständlich fast über Superkräfte verfügt, wie es eben nur Grundschulklassenlehrerinnen können, junge LeserInnen verstehen das sofort. Das Kunststück, dass jüngere und ältere LeserInnen über verschiedene Ebenen des Textes lachen können, erlebt man leider viel zu selten, es scheint dann doch ziemlich hohe Kunst zu sein, so etwas in Kinderbüchern hinzubekommen. Hier hat es aber wieder geklappt, so etwas muss ich weiterempfehlen.

Gustav von Haimo Kinzler und Leo Leowald

Die Geschichten funktionieren ab etwa sechs Jahren, Jojo mit fast neun Jahren findet sie auch toll. Und ich, mit noch ein paar Jahren mehr, habe sie auch ausgesprochen gern gelesen, was ich nun wirklich nicht von allen Comics im Kinderzimmer behaupten kann.

Gustav von Haimo Kinzler und Leo Leowald

Falls man, vielleicht wegen noch jüngerer Kinder im Haushalt, gerade eine grässliche – und auf Dauer womöglich verdummende – Überdosis Leo Lausemaus etc. hat, diese Bücher hier sind prima Gegenmittel, quasi Kinderbuch-Detox, wie man heute wohl sagt.

Gustav von Haimo Kinzler und Leo Leowald