„Was machen die da“ – das Dienstagsupdate

Dana Lüke ist Fußpflegerin und mag ihren Beruf. Und das ist natürlich eine ganz wunderbare Abwechslung nach den etwas kulturlastigen letzten Folgen, die Interviewserie dort soll schließlich keine einseitige Veranstaltung werden. Begeisterung kann eben überall sein, auch dort, wo man sie gar nicht erwartet.Das kommt leider oft zu kurz, wenn über Leidenschaft im Beruf und Selbstverwirklichung geschrieben wird, dass man dafür nicht zwingend Künstler oder Heilige werden muss. Das geht auch anders.

Von Dana kam übrigens der Begriff des „Werkstolzes“, den wir schon verschiedentlich erwähnt haben, und den man sicher nicht spontan mit der Fußpflege in Verbindung bringt. Aber wenn man liest, was sie erzählt, wird es dann doch nachvollziehbar. Finde ich.

Das ganze Interview hier.

Und in der nächsten Woche geht es um ein wiederum gänzliches anders Thema, für das wir sogar Hamburg verlassen haben. Wir trauen uns ja was.

 

Man kommt herum

Für die meisten Menschen wurde das Fahren durch Navigationsgeräte einfacher, nehme ich an. Für mich gilt das allerdings nicht.

Bevor es Navis gab, hat die Herzdame mich vom Beifahrersitz aus gelenkt, das war nicht immer ganz einfach. Sie hat eine ausgeprägte Links-Rechts-Schwäche und ich keinen Orientierungssinn, das störte dabei schon manchmal. Dann haben wir ein Navi gekauft, und zwar eines vom billigen Ende des Spektrums. Es war ein schlechtes Navi, vermutlich war es sogar das weltschlechteste Navi. Es hatte keine Links-Rechts-Schwäche, konnte aber sonst nichts, vor allem brauchte es eine Stunde, bis es überhaupt mal anging. Da hatte man ordentlich Vorsprung, um sich zu verfahren.

Dann wurde uns ein viel besseres Gerät vererbt. Das war toll, das Ding ging wesentlich schneller an und wusste tatsächlich immer Rat. Allerdings sagte es andere Wege an als das alte Navi, was die Herzdame vor die Grundsatzfrage stellte, welches Navi nun richtig lag. Im Zuge dieser Überlegungen kam sie darauf, noch eine Navi-App auf ihr Handy zu laden – und die kommt zu noch ganz anderen Schlüssen.

Wenn ich jetzt an spannenden Kreuzungen stehe, sagen mir drei Navis Möglichkeiten an. Die Herzdame blickt auf die Geräte und versucht, sich eine eigene Meinung zu bilden, denn am Ende sollte immer der Mensch entscheiden, das ist bei Technik bekanntlich ganz wichtig. Wenn ich vorsichtig frage, wo ich abbiegen soll, weil hinter mir zehn Autos hupen, sagt sie: „Ich bin noch nicht sicher.“ Dann biege ich irgendwo ab, weil man nicht im Weg stehenbleiben kann und weil es irgendeinem Navi schon recht sein wird.

Wir fahren durch nie gesehene Gegenden, philosophieren über technische Hilfsdienste und kommen viel und sehr weit herum. Denn so ist das ja mit jedem technischem Vorsprung: man kommt immer weiter. Ob man da nun hinwollte oder nicht.

Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung.

Notfallpasta – Penne all’arrabbiata

(Es folgt ein Gastbeitrag von Micha vom Foodblog Salzkorn. Micha kommt aus Deutschland und lebt in Südfrankreich auf dem Land, man möchte sogar sagen: sehr auf dem Land. Was man ihren sonnigen Bildern und Texten deutlich anmerkt, da wird einem immer ganz barfuß und kräuterduftig zumute, wenn man bei ihr Rezepte liest. Das ist sehr, sehr anders als Hamburg. Micha wird nach und nach vier Rezepte für die Herzdamengeschichten schreiben und fotografieren, ich freue mich sehr. Wenn Sie das Blog Salzkorn nicht kennen, da kann man besonders an grauen Tagen gut rückwärs lesen, bis es einem wärmer wird oder bis man zuviel Hunger bekommt.

Über Micha findet man online nicht viel heraus, auch wenn auf ihrer Seite ein paar Interviews und Artikel über sie verlinkt sind. Man sieht auf ihrer Seite außerdem – ihre Küche ist dezent schöner als meine. Aber sonst – ganze zwei Bilder von ihr, der Name, die Gegend – das war es. Die Herzdame hat das Salzkorn-Blog vor einiger Zeit etwas aufgehübscht, deswegen haben wir etliche Mails ausgetauscht. Jetzt wissen wir den Namen, kennen zwei Bilder und haben außerdem den deutlichen Eindruck, dass sie umwerfend nett ist.  Und wenn die Anreise nicht etwas heikel wäre, wir wären schon bei ihr gewesen und hätten uns diese Gegend da, bekannt für besten Ziegenkäse, längst angesehen. Hier nun das erste Rezept. Ich habe massive Zweifel an ihrer Vorhersage zur Essenssituation am Tisch, aber ich werde berichten. Immer mutig voran. Ich muss nur erst noch Harissa in der Tube finden.)

 

Es gibt die Tage, an denen unterliegt die Essensplanung der Notwendigkeit, den Körper am Leben zu halten: Gegessen muß nun mal werden. Ich bin spät heimgekommen, habe null Bock auf Orgie in der Küche, dafür aber Hunger wie ein Wolf. Ja, in derartige Situationen kommen auch Menschen ohne Kinder, die auf dem Land leben und wie ich sonst gerne kochen.

Das ist der Moment, in dem ich dieses Pasta-Gericht aus dem Ärmel schüttle, denn kein Pizzaservice wäre schneller (ich rede hier von Städterzeit – im französischen Outback macht Pizzaservice erst dann Sinn, wenn das Beamen spruchreif ist).

Pasta

Alle Zutaten habe ich gewohnheitsgemäß im Vorrat, schon bevor ich Harissa selbst zubereitetet habe. Ich bin großer Fan von dem Gewürz, weil Harissa eben nicht nur scharf schmeckt, es sich gut dosieren läßt und sich im Kühlschrank wie Tomatenmark nahezu endlos hält. Tomatenmark wiederum gehört zu den Dingen, die wirklich keinen Sinn machen, selbst zubereiten zu wollen (Erfahrungswert). Man darf sie also mit dem ruhigsten aller Gewissen selbst kaufen – by the way soll das Mark genauso wie Tomatensaft vor Krebserkrankungen schützen. Nicht, dass hier der Eindruck entsteht, das Essen schmeckt nur. Und Knoblauch hat man doch auch in Deutschland wie Zwiebeln immer zuhause, oder?

Dann am Tisch, so mein inneres Panoramabild, bringt diese Pasta nicht nur der Herzdame ein harmonisches Weilchen beieinander (wichtig für den gesunden Appetit), wenn sie lächelnd zusieht, wie sich ihre Lütten den Pimmesan über die Penne häufen (das gehört so) und ihren Liebsten bewundernd-flirtend ansieht, wie er SO eine köstliche Pasta in SO kurzer Zeit zusammengezaubert hat (muß so sein, ein Koch braucht Publikum). Ein Miracoli-Moment ohne Miracoli. Soweit das Rezept und die Regieanweisung …

Bei der Zubereitung gilt: es kommt nicht viel dran an diese Pasta, aber mit dem, was dran kommt, wird nicht gegeizt.

Penne2

Zutaten für 4 Personen für Penne all‘arrabiatta:

500g Penne

7 – 9 EL Tomatenmark

5 EL Olivenöl (evt. mehr)

4 Knoblauchzehen gehackt, mindestens*

½ TL Harissa (+/- rantasten)

Salz, Pfeffer

1 Prise Zucker

Parmesan

Chili- /Olivenöl (optional)

Junger Knoblauch (optional)*

Pasta

Zubereitung:

Reichlich Salzwasser zum Kochen bringen und die Penne darin al dente garen. In der Zwischenzeit den Knoblauch fein hacken und den Parmesan reiben. In einer großen Pfanne das Olivenöl erhitzen.

Die gut abgetropfte Pasta in dem Öl kurz anbraten, dann das Tomatenmark zufügen. Hierbei muß nicht abgemessen werden – zuviel geht en principe nicht. Beim Harissa sich rantasten – Nachschärfen geht immernoch. Nun solange weiterbraten, bis sich die ersten dunklen Stellen zeigen (Stichwort Röstaromen und die Penne bekommt dadurch richtig Biss). Salzen, pfeffern und die Prise Zucker darüber streuen. Kurz vor dem Servieren den Knoblauch untermischen und mitbraten.

Den Kindern zuerst auf den Teller geben – nun ist die Gelegenheit, sich daran zu erinnern, warum die Penne all’arrabbiata heißt und die Harissamenge rabiat nach oben zu schrauben. Oder aber man verwendet dafür Chiliöl, das den gleichen Zweck erfüllt. Oder eben schlicht nochmals Olivenöl, das gute, darüber geben. Die Pasta wird mit einer anständigen Portion Parmesan servieren.

*kleine Knoblauchkunde: die Drôme ist Knoblauchanbaugebiet für den lilanen südfranzösischen Knoblauch. Daher habe ich etwas von dem ganz jungen Knoblauch (die grünen Stangen auf dem Foto), den es jetzt bereits bei uns gibt, dazugeben. Das gibt lediglich noch mehr Knoblauchgeschmack. Junger Knoblauch, der geschält hellweiß und ohne Trieb ist, schmeckt milder. Bei dem ältern entfernt man den hellgrünen Trieb, indem man die Knoblauchzehe halbiert und mit der Messerspitze rauszieht – das ist besser für Atem, Geschmack und Verdauung. Selbstredend verwende ich stets mehr als eine lumpige Knoblauchzehe pro Person.

 

 

Micha

 

 

Autoren im Präsentkörbchen

Was ich gar nicht erwähnt habe, weil, ich erwähnte es bereits, man zu nix kommt, ist ja, dass Isa und ich verschenkt werden. Heute.

Und zwar zu einem Geburtstag. Da gab es vor einiger Zeit die Anfrage, ob wir in einem Wohnzimmer lesen würden, ganz privat und vor kleinem Publikum, der Jubilar würde sich gewiss über uns freuen. In Hamburg. Mit Honorar. Und präzisen Lesewünschen! Da merkt man als Autor wieder, wie wunderbar sichere Lesewünsche sind. “Komm und lies genau diese eine Geschichte”, das ist herrlich, da muss man nicht weiter nachdenken, da muss man nicht nächtelang wachliegen, Hände ringen, mit dem Schicksal hadern und rätseln, was man denn bloß vortragen soll, da geht man einfach hin und klappt das Buch auf, zack, fertig. Sehr erleichternd. Simplify your Lesung.

Dem letzten Mailwechsel mit der Veranstalterin nach zu urteilen sollen wir aber nicht aus einer Torte springen, bevor wir dort im Wohnzimmer unsere Schnurrpfeifereien vortragen, das ist natürlich ein wenig enttäuschend. Dafür liegt dieses Wohnzimmer immerhin in so absonderlicher Gegend, dass der Bus dahin ganze 50 Minuten fährt. Das werden sicher die entspanntesten 50 Minuten der Woche, so viel steht fest, was soll man während einer Busfahrt schon machen. Das muss doch geradezu eine richtige kleine Erholungstour werden. Jedenfalls sofern wir nicht versehentlich den Busfahrer für “Was machen die da” interviewen. Oder auf neue Projektideen kommen.

Wenn ich so drüber nachdenke – wir setzen uns besser auf weit voneinander getrennte Plätze im Bus.

 

Herzlichen Dank…

… an den Leser M.S., der den Söhnen zu Ostern ein Puzzle geschickt hat! Ein Puzzle mit 3D-Effekt, was es nicht alles gibt.

Bei uns war damals noch alles flach. Die ganze Welt war flach, nicht nur die optische Wirkung der Puzzles. Wir hatten ja nix.

Das Dienstags-Update

Drüben bei „“Was machen die da“ haben Isa und ich ein neues Interview online gestellt: Falk Schreiber, Kulturjournalist. Der Herr schreibt Theaterkritiken, das stellt man sich eventuell etwas verbiesterter vor, als es von ihm beschrieben wird. Es lohnt sich eben, den Leuten zuzuhören.

Wir trafen ihn in seinem natürlichen Biotop, also in der Pinte eines Hamburger Stadttheaters, wohin sich scheue Kulturjournalisten gerne zurückziehen, wenn sie nicht gerade auf der Jagd sind. Dort ist es warm und dunkel, dort werden sie ganz zutraulich.

Falk Sxchreiber

Der Herr kommt übrigens auch als Blogger vor. 

Und damit gab es jetzt soviel Kultur in der Reihe, dass wir in der nächsten Woche zu etwas völlig anderem kommen. Das wird sehr schön. Und sehr anders. Und schön. Und in der Woche darauf erst! Da wird es dann wieder ganz anders. Aber auch schön. Sagten wir bereits, dass das Projekt Spaß macht?

 

 

 

Woanders – diesmal mit dem Gymnasium, Isa, Flattr und anderem

Nico Lumma über die fatale G8-G9-Diskussion in Hamburg.

Isa hat zu unserem Projekt “Was machen die da” ein Radiointerview gegeben.

Ein Artikel über Kempowskis “Plankton”, also über das Sammeln von Erinnerungen.

Ein langer und sehr erhellender Artikel über das bekannteste Buch, das es nicht gibt, das Necronomicon.

Der Spiegel über Alexander Posch und seinen Roman “Sie nennen es Nichtstun”. Der Herr tritt in dieser Woche bei unserer Lesung auf und liest aus der “matt schimmernden Ästhetik des Scheiterns”. Man möchte sich irgendwie vorstellen, dass der Rezensent sich nach dieser Formulierung langsam eine Pfeife angezündet und zufrieden die Spiegelung seines Umrisses in der Terrassentür betrachtet hat.

Ein Artikel über die Ungleichheit in Hamburg. Es geht zum Beispiel um Kinder- und Hausärzte in ärmeren Stadtteilen, man könnte das aber noch wesentlich weiter ausführen, bis hin zur Pflege der öffentlichen Grünstreifen. Das fand ich bei meinen Wanderungen durch Hamburg ungeahnt beeindruckend, wie sehr das Stadtbild hier mit den Einkommen korreliert, auch da, wo es also gar nicht um Privateinkommen geht, sondern um den Einsatz von Steuergeldern. Man könnte das auch sehr schön an U-Bahn-Haltestellen aufzeigen, wie egal der Stadt gewisse Gegenden sind.

 

 

Eine kleine Modegeschichte des Herrn B.

Zuerst war Mode ganz egal. Egal im Sinne von völlig egal, man trug irgendwas, das hat die Mutter hingelegt, es hat selten interessiert, was das genau war. Einige Sachen waren kuscheliger als andere, es gab immerhin Nickis und grässliches Wollzeug, aber die Optik war wurscht. Einiges war selbstgemacht, vieles war selbstgeflickt, schon oft gestopft und sowieso vererbt. Wenn man ganz großes Pech hatte, dann bekam man Kleidung als Geschenk zum Geburtstag oder zu Weihnachten. Schlimmer konnte es kaum kommen. Kleidung statt Spielzeug. Das war schlimm. Was die anderen trugen, hat mich auch nicht interessiert. Vieles war aus knisternden Kunststoffen, die Kleider der Damen waren wilder geblümt als jede Frühlingswiese, die Hemden der Männer waren noch gestärkt und saßen wie Rüstungen. Im Winter konnte man an den Pelzmänteln der Damen noch die Einkommen der Herren ablesen. Das waren die Siebziger.

Dann war die Mode nicht mehr egal, sondern peinlich. Nicht die aktuelle, natürlich nicht, aber die vergangene, die der Siebziger. Die war – das kann man gar nicht mehr ausdrücken, wie peinlich die uns war, da konnte man sich nur schütteln. Das musste durchbrochen werden, jeder Look, jedes einzelne Designelement aus dem vergangenen Jahrzehnt musste sterben und gegen einen cooleren, neuen Style getauscht werden. An der falschen Kragenlänge konnte man zweifelsfrei erkennen, wer ein kompletter Vollidiot war. Der Wahrheitsfindung dienten uns die Läden von Jean Pascale oder Fiorucchi und die MTV-Videos. Zum ersten Mal brauchte man Geld für Kleidung. Und zwar dringend und viel. Wir erschufen eine neue Welt, sie war strahlend schön – wie wir auch – und sie war ein Sinnbild für die bessere Zukunft, die wir zweifelsfrei noch vor uns hatten. Heute blickt man schaudernd auf die grotesken Modepeinlichkeiten der Achtziger zurück und versteckt die Bilder mit den hochgeföhnten Frisuren und den Schulterpolstern vor den Kindern. Heute weiß man aber auch nicht mehr recht, welches Jahrzehnt eigentlich peinlicher war, die Siebziger oder die Achtziger.

Dann habe ich Anzug getragen, das war eine einfache Angelegenheit und Mode mir dann doch wieder egal. Ich besaß gar keine Jeans mehr, aber drei gleiche Anzüge und eine Reihe weißer Hemden, der Filmfreund denkt sofort an eine Kleiderschrankszene aus Neuneinhalb Wochen, und zwar berechtigt. Auch wenn der Film aus den Achtzigern war. Die Jugend um mich herum hörte etwas, das Grunge hieß und mir nichts mehr sagte, gut angezogen waren die natürlich auch nicht. Eher ganz im Gegenteil. Meine Frau war älter als ich, ich orientierte mich modisch an gestandenen Herren aus dem Management, da wollte ich hin. Das waren die Neunziger.

Dann kam die Herzdame, die ist jünger als ich. Ich trug dann doch wieder einmal eine Jeans, ich kaufte mir Hoodies und Sneaker, kannte plötzlich wieder Studenten. Ich trug aber meistens doch weiter Anzug und fast nur schwarze Sachen, es war so schön einfach. Ziehste irgendwas an, passt immer alles zusammen. Was das an Zeit spart! Das waren die Nuller.

Dann kamen die Kinder und ich hatte keine Zeit mehr, mich um meine Kleidung zu kümmern. Sie war okay, wenn nicht zu viel Milchkotze- oder Obstbreiflecken drauf waren. Ich war der Papa, der mit Anzug im Sandkasten saß, das war mir auch egal. Das war die erste Hälfte des laufenden Jahrzehnts. Na, so ungefähr jedenfalls.

Ich habe im letzten Jahr einmal für Annette Rufeger fotografiert und sie gerade einmal für “Was machen die da” besucht, beide Male fand ich ihren Beruf faszinierend. Weil mich Mode nie fasziniert hat. Also nicht richtig. Ich kannte mich nie gründlich aus, ich habe mir nie wirklich ausführlich Gedanken über meinen Look gemacht. Ich habe nie nach Kleidung gesucht, sondern immer das Naheliegende gekauft. Aber Mode hätte mich immer interessieren können. Das ist so eines der Themen, die einen ab und zu mal anlächeln, dann flirtet man etwas damit herum, dann sagt man doch wieder nein. Mode – irgendwie reizvoll, aber wer hat dazu Zeit. Aber solche Gespräche mit Menschen aus der Modebranche führen dann doch dazu, dass man sich fragt, was man eigentlich trägt und warum. Und ob das überhaupt so richtig ist. Oder ob es auch auch ganz anders ginge?

Da denkt man etwas herum, was findet man denn überhaupt schön, wer zieht sich eigentlich gut an und wo bekommt er die Sachen her. Man bekommt doch irgendwie ein wenig Lust, sich “gute” Kleidung zu kaufen, wenn man mit solchen Menschen spricht, die sie leidenschaftlich gerne herstellen. Dann macht man aber doch den Kleiderschrank wieder zu und murmelt leise “na ja”.

“Männer sind beim Shoppen scheue Rehe” sagte Annette Rufeger in unserem Interview und das stimmt, was mich betrifft. Ich hasse es, in Läden von Personal angesprochen zu werden, alleine die Möglichkeit ist ein guter Grund, Läden gar nicht erst zu betreten. Und ich mag es nicht, neue Sachen zu tragen, ich finde neue Sachen ganz furchtbar. Angeblich haben englische Gentleman früher ihre neuen Anzüge durch die Butler eintragen lassen, damit sie nicht mehr so peinlich neu aussahen, ich verstehe das. Kleidung online bestellen und in menschenleeren Gegenden heimlich eintragen, das wäre meine Option. Ist das eine Option?

Aber, warum auch immer, Mode wird anscheinend in diesem Jahrzehnt doch ein klein wenig interessanter für mich, und sei es nur als Negativmotivation. Ich finde es zum Beispiel mittlerweile fast unerträglich, in einer dieser Outdoorjacken herumzulaufen, die langsam deutsche Einheitskleidung geworden sind. Ich mache das aber, ich habe ja nichts anderes. Ich muss erst noch etwas finden, was anders ist, aber nicht zu anders. Ich möchte gerne ein wenig anders sein – aber auch nicht herumlaufen und schreien “Guckt mal! Ich bin anders! Und besser!” Ich finde das sehr kompliziert.

Aber spannend ist es, auf solche Themen gestoßen zu werden. Themen, mit denen ich es mir ein Leben lang ziemlich leicht gemacht habe. Das ist eine der amüsanteren Folgen des neuen Projektes, dass ich morgens etwas länger vor dem Kleiderschrank stehe und mich frage, was ich eigentlich warum anziehe. Finde ich gut.