Tick Tack

Automatisch im Browser übersetzte Seiten werden immer besser, man kann die deutschen Texte mittlerweile über weite Strecken fast schmerzfrei lesen, zumindest die aus dem Englischen übersetzten. Bei anderen Sprachen sieht es noch schlechter aus, zumindest für mein Sprachempfinden. Ich müsste englische Texte nicht zwingend übersetzen lassen, aber ich mache es oft, denn ich finde diese Möglichkeit zu und zu faszinierend, diese globale, leicht zugängliche Lesemöglichkeit, diesen kleinen Zauber im Alltag.

Manche Fehler bleiben dabei zuverlässig erhalten, so wird etwa TikTok immer wieder zu Tick Tack übersetzt, und das ist eine der Fehlleistungen, die ich sogar mag. „In den USA soll Tick Tack verboten werden“, das könnte ohne Kontext auch eine Anspielung auf Sex sein, oder auf eine neue Droge. „Hey, willst du Tick Tack?“ Nachts am Bahnhof leise im Vorbeigehen gefragt.

Und die Aufforderung im englischen Guardian, der Zeitung bitte etwas Geld zu geben, sie wird durch die Übersetzung zu einer archaisch klingenden Mahnung: „Bezahl den Wächter!“ Ein Satz aus vergangenen Zeiten, aus einer griechischen Tragödie vielleicht, produziert von modernster Technik.

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Noch einmal im Büro gewesen. In dem Haus in Hammerbrook sind mehrere Firmen, unten beim Eingang gibt es etliche Briefkästen. Eine der Firmen ist gerade wieder ausgezogen, es ist in den letzten Jahren ohnehin viel Bewegung in den kleineren Büros. Dauernd werden Möbel geliefert oder abgeholt. Auf den Briefkasten der ausgezogenen Firma hat jemand einen handgeschriebenen Zettel mit „Bitte keine Post einwerfen!“ geklebt.

Diesen Zettel hat jemand mit Edding scherzhaft etwas nachbearbeitet, dort steht jetzt „Bitte keine Pest einwerfen.“ Eine Pandemiereminiszenz am Rande, wieder schön passend im März, man kann das so stehenlassen.

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Nachmittags lange draußen gewesen und durch die Stadt gegangen. Es war mir zum ersten Mal zu warm. Ein T-Shirt hätte mir gereicht und es liefen auch tatsächlich Menschen so herum, manche noch mit Jacken und Pullovern über dem Arm. That escalated quickly.

(Auch das eben nachgelesen, der virale Erfolg des Satzes „That escalated quickly“ begann 2012. Die Memes und die Kinder, sie werden so schnell groß.)

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Meldung aus dem Widerstand

Gewissermaßen als Nachtrag zum Text von gestern: Ich habe uns neue Tulpen für den Wohnzimmertisch besorgt, weil die traurig wirkende Halbmastsituation der weißen Blüten doch eher unansehnlich war. Die neuen Blumen, orangefarbene Tulpen, haben dann gar nicht erst ein, zwei Tage gewartet, bis sie ihre Köpfchen hängenließen, sie haben das vielmehr sofort gemacht, unverzüglich, direkt nach dem Auspacken, Anschneiden und der ersten Berührung mit dem Vasenrand, ganz so, als hätten sie eine Sollknickstelle im Stängel. Vielleicht werden die Tulpen bereits passend zur gesellschaftlichen Stimmung gezüchtet, es passt schon. Trauertulpen für triste Konsumenten.

Ansonsten ein eher belangloser Tag. Es war nicht warm genug, um wirklich schön zu sein, es war nichts interessant genug, um wirklich unterhaltsam zu sein. Fast hätte ich zum Tag „Überrasch mich!“ gesagt, aber ich bin ja nicht irre. Zumal gestern der 13., März war, der uns alle, Sie erinnern sich vielleicht noch, vor ein paar Jahren schon einmal recht gründlich überrascht hat, mit Auswirkungen bis heute.

Aber gut, das gilt vielleicht nur aus norddeutscher Perspektive, anderswo begannen Schul- und Büroschließungen etc. zu anderen Zeitpunkten, wenn ich mich recht erinnere. Anderswo denkt man an andere Jahrestage.

Immerhin aber habe ich dann im Büro noch ein Kompliment für gewisse Kenntnisse bekommen, das ist nicht nichts. Ich bin übrigens auch selbst deutlich öfter als früher nett zu anderen, lobend, rühmend oder ermunternd, wo es nur geht. Denn man muss, so denke ich, in einer immer härter werdenden und deutlich nach rechts rückenden Gesellschaft, in der Aggressionen und Hass unübersehbar zunehmen, in der unser Umgangston immer schärfer wird, die Umgangsformen immer kantiger, und in der die allgemeine Polarisierung weiter voranschreitet, alle acts of kindness als Handlungen des Widerstands betrachten.

Und Widerstand, da stehen wir doch drauf.

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Bestenfalls Skepsis

„Die Inflation entspannt sich weiter“, lese ich am Morgen in den Schlagzeilen und finde das erfreulich, dass es sich wenigstens die Inflation gut gehen lässt und sie also schön gechillte Tage bei uns verlebt, wenn schon sonst niemand im Umfeld.

Den entspannt gibt sich weiterhin eher niemand, ist eher niemand. Nicht in den sozialen Medien, nicht im Offlineumfeld. Die schlechte Laune hält sich, die verstetigte Anspannung und das Stressgefühl, ein depressives Element auch, eine Art Verbitterung, Zynismus, Pessimismus, Varianten der Resignation. Bestenfalls Skepsis. Ich stelle nur fest, ich werfe nicht vor. Ich kann das alles verstehen und ich kann auch leicht nachvollziehen, warum wir in der Gesamtheit aus der Schleife nicht mehr herauskommen, die Nachrichtenlage gibt es schon her, unser gemeinsames Älterwerden selbstverständlich auch. Man wird den Wirren der Welt nicht zugeneigter mit den Jahren.

Ich bin bemerkenswert schlecht darin, mich in vergangenen Jahren zu orientieren, aber eine Phase, in der eine neutrale oder sogar zwischendurch positive Stimmung gesellschaftlich überwog – sie wird mittlerweile länger als sieben Jahre her sein. 2014 vielleicht? Also zehn Jahre schon? Aber wie gesagt, ich bin nicht gut darin. Irgendwann jedenfalls waren wir mal etwas besser drauf. Damals.

Und es ist nur ein vages Gefühl, keine exakte Ableitung, aber ich nehme an, dass die jungen Menschen, die jetzt in das Erwachsensein starten, mehrheitlich nicht mehr mit dem Gedanken „Mal sehen, was wir alles erreichen können“ loslegen, sondern eher mit dem Gedanken „Mal sehen, wie wir da gut durchkommen.“ Das ist keine zwingend fatale Haltung, aber es ist doch eine fundamental andere, als sie vorhergehende Generationen hatten.

Na, egal. Auch mal zwischendurch etwas Schönes zur Kenntnis nehmen, etwas Nettes, Erbauliches! Irgendetwas, was nehme ich denn da, vielleicht einfach die weißen Tulpen auf dem Wohnzimmertisch neben mir.

Allerdings lassen die auch ihre Köpfe deutlich hängen. Irgendwas ist immer.

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Dreifaches Gelb

Weil sich alles in allem spiegelt und das Private nun einmal politisch ist: Die Brotschneidemaschine beim Bäcker ist erneut kaputt, nachdem sie das bereits monatelang war und nie jemand verfügbar war, der sie reparieren konnte – der Personalmangel. Jetzt hat sie nach kurzer und finaler Betriebsphase endgültig den Geist aufgegeben. Es wird also ein neues Gerät geben müssen und auf meine Frage, wie lange das mit Bestellung und Lieferung denn dauern könne, gab es resigniertes Achselzucken und die vage Auskunft: „Sehr, sehr lange.“ Es klang wie sieben Jahre oder dergleichen, jedenfalls aber nach vatikanischen Zeitmaßstäben.

Ceterum censeo: Wir lösen keine Probleme mehr, wir sind wirklich recht weit heruntergekommen, was Prozesse, Lösungen und schon gar die Effizienz angeht. Ob nun bei der Digitalisierung, bei Fregatten oder bei Brotschneidemaschinen, einfach bei allem. Kommste heut nicht, kommste morgen. (Diese Wendung schnell einmal nachgelesen, manche führen sie auf einen Satz aus Köln zurück: „Küss de hück nicht, küss de morje.“ Das ist doch wenigstens nett.)

In diesem Zusammenhang ist auch interessant, wie lange mittlerweile Postsendungen aus UK zu uns brauchen. Wir waren vermutlich im 19. Jahrhundert schon einmal nennenswert weiter dabei und ja, es nervt alles und ebenfalls ja, es sind privilegierte Probleme, ich weiß.

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Andrea Diener über Straßenfotografie, gefunden via Kaltmamsell. Fotos mit einer Kamera könnte man auch mal wieder machen, fällt mir dabei ein. Ich neige dazu, so etwas jahrelang zu vergessen.

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Frau Fragmente wird 20, wie ist das nun wieder möglich. Glückwunsch jedenfalls!

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Kurz im Garten gewesen. Drei Stationen sind das nur mit der U-Bahn. Dort ausgestiegen und überrascht gemerkt, dass es da, wo es etwas mehr Park und Hecken gibt, ein paar mehr Rasenflächen auch und mehr Bäume, tatsächlich nach März und Frühjahr riecht, nach Erde, nach Grün und überhaupt deutlich nach Natur, ganz auffällig riecht es dort so. Bei uns im kleinen Bahnhofsviertel ist das nicht so, diesen Effekt schafft der kleine Spielplatz vor der Haustür nicht.

Im Garten blühen die Osterglocken, die Forsythien und die Kornelkirsche, dreifaches Gelb. Und der Rhabarber treibt frisch aus, eine rote Note von unten. Man muss aber noch genau hinsehen, sonst geht man ohne Notiz daran vorbei.

Na, es wird. Das meinen auch die dicken Knospen an Birne, Apfel und Kirsche.

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Saisonale Deko

Ich höre bei der Sendung Radiowissen auch die Themen, die mich eher nicht sofort interessieren, zu denen ich keinen direkten Bezug habe und bei denen ich geistig wenig anlegen kann. Das ist manchmal nichtssagend, aber oft unerwartet bereichernd, etwa bei dieser Folge hier über prähistorische Musikinstrumente – Der Sound der Steinzeit. Ausgesprochen gerne gehört. Und wie schön, dass sich Menschen mit so dermaßen abgedrehten Themen wir etwa Musikarchäologie beschäftigen, mich freut das. Oder diese Folge hier, über die Nabatäer (das sind die mit der Wüstenstadt Petra).

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Wir haben ansonsten Ostern aus dem Keller geholt. Und nachgesehen, die Feiertage beginnen noch diesen Monat. Guck an.

Ab und zu überlege ich, allerdings nur aus müßigem Interesse, keineswegs anlassbezogen oder gar mit finsterer Absicht, bei gewissen Aspekten des Lebens, wie sie wohl für mich ausfallen würden, lebte ich allein, ohne Familie und Partnerin. Und ich denke, saisonale Deko hätte ich dann sicher nicht. Kein einziges Stück. Stets nach Möglichkeit Blumen oder auch Grünzeug der Jahreszeit auf dem Tisch, das schon, aber bunte Hasen und bemalte Eier und dergleichen … nein.

In den Foodblogs sehe ich nebenbei Gebäckrezepte mit Eierlikör, allerdings gab es hier gestern von der Herzdame gebackene Käsesahnetorte mit Mandarinen und einer Milliarde Kalorien, ich möchte an Eierlikör nicht einmal denken.

Eine angeschnittene Käsesahnetorte

Zum Abendessen dann türkische Linsensuppe, nach Rezept von einer KI. Ich habe dafür noch einmal drei Varianten getestet, ChatGPT, Mistral und Gemini. Es gab jeweils sehr ähnliche Ergebnisse und ich fand keine signifikanten Fehler, auch nicht bei der Einforderung von Varianten, mit anderen Zutaten, nach anderen Ländertraditionen, mehr Gewürzen usw. Zum Kochen kann man KI wohl nehmen, solange man nicht gerade bei selbstgesammelten Pilzen um Rat fragt und auch sonst misstrauisch etwa bei Mengenangaben bleibt.

Man kann aber auch einfach konservativ in ein Kochbuch sehen, schon klar. Es stehen genug davon neben mir, etwa auch Türkei vegetarisch aus der sehr guten Seiser-Reihe (keine bezahlte Werbung, nein), da wird die Suppe schon drin sein und es wird beim Nachsehen keine sinnlose Energie verbraucht.

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Frühlingsspuren

Dann ein komplett unblogbarer Tag, wie er in der Intensität selten vorkommt, was wiederum noch ein Glück ist. Das sollte ich vielleicht ab und zu erwähnen, dass so vieles hier nicht steht, dabei ist es bei allen oder bei fast allen Bloggerinnen so – wir schreiben nur über Anteile der Tage, und manchmal sind sie klein, fast winzig. Das Berichtbare eben, das man sich manchmal mit der Lupe und mit langer Bedenkzeit zusammensuchen muss. Das allerdings, dieses Suchen und Bedenken, könnte man glatt in Lebensratgebern empfehlen, so sinnvoll ist es (ich schrieb eben versehentlich Lebensrastgeber, wie schön ist das denn), so heilsam vielleicht auch, aber das klingt schon gefährlich kitschig, da hört man schon die Klangschale im Hintergrund. Gott bewahre, meine Wellness-Allergie.

Kalt war es gestern jedenfalls, das kann ich immerhin notieren, viel zu kalt war es, überall froren die Menschen. Man sah es ihnen deutlich an, und es lag, das sah man auch, an der märzbedingten Winterjackenverweigerung, denn wir tragen jetzt alle verbissen unser Übergangszeug. Es war ja schon einmal warm, nicht wahr.

Die Herzdame war kurz im Garten und kam mit diesen rustikalen Spuren zurück, Zweiglein im Haar, Rindenfetzen auf der Jacke, Moos an der Hose, Gras an den Schuhen, wie man das Outfit einer Kleingärtnerin fürs Fernsehen präparieren würde. Frühlingsspuren.

Sohn II, der seit Jahren ein unheimlich anmutendes Abo auf platte Fahrradreifen hat, stand zum ersten Mal in diesem Jahr mit demontiertem Rad im Flur und suchte sein Flickzeug in der Abstellkammer. Auch das ist bei uns ein Saisonbeginn. Ich hatte als Kind nie einen Platten, er hatte bereits etwa zwanzig, wir wissen nicht recht, wie das zugehen kann. Schlechtes Fahrradreifenkarma vielleicht. Er wird im letzten Leben die Reifen der Fahrräder anderer Menschen zerstochen haben, und er flickt jetzt so lange, bis er das überwunden hat. So etwas.

Der andere Sohn liegt krank und unbrauchbar herum, ich war nur zum Einkaufen und zu einem Termin draußen und ich kann mich, merke ich gerade, an diesen Einkauf nicht erinnern. Das kennen Sie vermutlich vom Autofahren, wenn man sich manchmal, auf bekannten Wegen, kaum an die Strecke erinnern kann, aber doch angekommen ist, weil man als höchstens halbbewusster Automat gefahren ist.

Offensichtlich kaufe ich manchmal so ein. Es ist neues Zeug im Kühlschrank, ich muss beim Discounter gewesen sein. Manches nur ableiten, es wird schon stimmen.

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Wieder das Wort mit R vorne

In den letzten Tagen ging es in Gesprächen um mich herum und auch mit mir um die Rente, um das Weiterarbeiten in der Rente, um das frühere Aufhören vor dem regulären Rentenbeginn, um die verbleibenden Jahre bis zur Rente, um die Regelungen der Verrentung in Details, natürlich auch um die aktuelle Rentenpolitik – wenn man im weitesten Sinne meiner Generation angehört, hört man das Wort mit R vorne mittlerweile doch recht häufig. Wenn nicht ständig.

Interessant war dabei immerhin die Frage: Wenn man seine Arbeitszeit reduzieren würde, also später in der regulären Rentenphase, und wenn man sich die Aufgaben dabei auch noch halbwegs aussuchen könnte, käme man dann auf einen sozusagen besinnlichen, erstrebenswert wirkenden Restarbeitsmodus im aktuellen Beruf? Irgendetwas in wenigen Stunden gemütlich abwickeln, einfach nur, weil man es doch nun einmal kann, weil man es zumindest gefühlt immer schon gemacht hat, weil man dabei doch Erfahrungen hat? Gibt es also eine beschauliche, stressfreie Rumpfversion der jetzigen Tätigkeit? Die Frage hat etwas.

Da also auch mal drüber nachdenken. Irgendwann. Hat ja noch etwas Zeit. Erst einmal sagen wir uns alle noch gegenseitig auf, wann wir sechzig werden oder geworden sind und sagen dann bei allen entgeistert: „Was, du auch!?“ Neue Gesellschaftsspiele.

Und ja, ich kann jetzt schon verstehen, dass junge Menschen von unserer grauen Mehrheit überaus genervt sind. Sehr gut verstehe ich das.

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Ansonsten weitere Genesung nach Plan, während ein Sohn über Start geht, sich neu krank meldet und aus der Schule nach Hause kommt. Die Saison ist noch nicht vorbei, das Virenglücksrad dreht sich noch etwas weiter.

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Im Bild heute der alte Asterdampfer Sankt Georg. Den höre ich in der Saison regelmäßig unten von der Alster her auf seinen Runden tuten, wenn er Touristengruppen an uns vorbeischippert. Immerhin tutet er in einer angenehmeren Tonlage als die nervenzersetzenden Autohupen vor der Haustür, viel tiefer, gefälliger.

Der Bug des historischen Alsterdampfers St Georg.

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Dauerhafte Provokation

Ein Bürotag, das hatte ich lange nicht mehr. Immerhin ist draußen alles ansprechend beleuchtet und in Hammerbrook fällt sogar Sonne auf die große Schandsammlung der deutschen Büroarchitektur und das Wirrwarr der Großbaustellen, eine strahlende Sonne, die uns allerdings nicht recht wärmt in diesen Märztagen, die erst mühsam die Winternachtkälte überwinden müssen.

Die rote Außenbegrenzung des Bahnsteigs Hammerbrook im Sonnenschein

Vor dem Bürofenster steht dann wieder stundenlang der Lieferwagen mit der Aufschrift „Besser zuhause“, das wird allmählich zur dauerhaften Provokation hier. Lieber nicht hinsehen, am besten gar nicht erst aus dem Fenster sehen. Ich bekomme dann aber doch mit, dass noch ein zweiter Wagen neben diesem Lieferfahrzeug hält, und auf dem steht tatsächlich: „Das macht Sinn!“ Ich möchte lange hinaussehen und abwarten, ob heute noch weitere Autos kommen und vielleicht mehr Sätze bilden, ob mir am Ende noch weitere gut lesbare Zeichen gegeben werden.

Aber man muss ja zwischendurch auch etwas arbeiten, wenn man schon in so ein Büro geht, fällt mir noch rechtzeitig ein. Und das mache ich dann auch.

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Nach der Arbeit kurz im Alsterhaus gewesen. Und kaum war man da mal zehn, fünfzehn Jahre nicht, schon findet man da nichts wieder. Es hat alles keinen Bestand mehr heutzutage, in diesen unruhigen Zeiten, es wird alles um eine herum auf den Kopf gestellt. Na, egal. Wenn mir in etwa zehn Jahren einmal wieder ein Grund einfallen sollte, ins Alsterhaus zu gehen, wird es das wahrscheinlich schon gar nicht mehr geben.

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Danach später Mittagsschlaf, wie ausgeschaltet, wie narkotisiert, mit entsprechender Verwirrung nach dem Aufwachen: Wer bin ich und warum. Wohl doch noch halb- oder viertelkrank. Gut, dann ist es morgen nur noch ein Achtel usw.

Kein Buch gelesen, keinen Film gesehen, keinen Podcast gehört. Dafür längere Raufaserbetrachtungen, die muss es auch regelmäßig geben.

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Der Dienstag

So eine zögerliche Genesung ist nichts für ungeduldige Menschen wie mich. Ich möchte bitte entweder krank (ungern) oder gesund (jederzeit gerne) sein, aber dieses Dazwischen, bei dem man auf jede Frage „Wie geht’s“ erst einmal minutenlang ratlos in sich hineinfühlen müsste, weil man einfach keine Ahnung hat, ob es wirklich etwas besser geworden ist – das ist nicht so meins. Im Zweifel mit den Briten antworten: „I’ve had better days.“ Passt eh fast immer.

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Die Berliner Ballade gesehen, also noch einmal gesehen, mit vielen Jahren Abstand zum ersten Mal irgendwann ganz damals (Hauptrolle Gert Fröbe, Regie Robert A. Stemmle und einer der Produzenten war Heinz Rühmann). Bei Filmfriend, Amazon und Apple verfügbar und unbedingt sehenswert.

Der Film ist sogar noch viel besser, als ich ihn Erinnerung hatte, vor allem natürlich, wenn man sich ohnehin gerade für die Nachkriegszeit interessiert.

Auf Youtube gibt es ein Lied aus dem Film, das halbwegs bekannte Lied vom Wartesaal des Lebens. Tatjana Sais singt:

„Im großen Wartesaal des Lebens

Da wartet jeder auf das Glück

Und manche warten ganz vergebens

Das hält vom Warten nicht zurück.“

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Draußen im kleinen Bahnhofsviertel hängen währenddessen Plakate und werben für „Falco – das Musical“, direkt daneben aber und im verdächtig gleichen Layout für „Elvis – das Musical“. Fließbandproduktionen vielleicht. Wie viele tote Sänger werden auf diese Art geehrt, warum keine Sängerinnen, und wie viele Theatersäle hat man dafür bloß auftreiben können. Ich warte ab, bis sie mit der Musikszene durch sind und zur Literatur wechseln, „Günter Grass – das Musical“ und „Peter Rühmkorf – das Musical“, dann gucke ich interessierter.

Wobei vorher noch eben „Mascha Kaléko – das Musical“ von Dota Kehr inszeniert werden müsste, versteht sich.

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Die Temperaturen gehen zurück, Schluss mit der feinen Milde. Die Stühle in der Außengastro bleiben stehen, und weil sie dort stehen, werden sie auch besetzt, das gehört so. Frierende Menschen in Jacken und unter mehreren Decken wärmen Hände und Lippen an Heißgetränken, aber hey, wir habe draußen gesessen, auch am Abend noch. Drei Grad immerhin. So schön.

Vor der Haustür blüht währenddessen mit beispielhaftem Optimismus die Mirabelle auf und es ist dermaßen wunderbar, man müsste es vertonen. Die Mirabelle – das Musical.

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Alles noch einmal sehen

Beim Deutschlandfunk habe ich ein Stück (27 Min.) über das Prompting für KI gehört und mich zunächst gefreut, dass mir fast nichts neu war, dann aber gestaunt über das, was mir doch noch neu war – dass nämlich KI auch auf Belohnung und Bestrafung reagiert, auf emotionale Erpressung also, die letztlich selbstverständlich nur Code ist. Aber wie abgefahren das ist.

Und interessant fand ich auch den Hinweis zum Geschlechter-Bias. Sie bekommen tendenziell bessere Antworten, wenn Sie etwa bei medizinischen Fragen im Prompt vorgeben: „Du bist Arzt“, heißt es da in dieser Sendung, sei also besser als „Du bist Ärztin.“ Das ist schrecklich, aber man sollte es doch wissen, wie sehr diese so neuen Systeme ihre Interpretation der Vergangenheit auf diese Art fortschreiben, und wie sie dadurch sowohl selbst Entwicklung sind als auch der Entwicklung im Weg stehen.

Wobei ich auch nicht weiß, wer so irre ist, der KI medizinische Fragen zu stellen, aber egal. Am besten noch der Dosierungsempfehlung bei Medikamenten dort folgen, und schon ist man ein recht eindeutiger Fall für den Darwin-Award.

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Ansonsten, apropos Medizin, weiterhin halbkrank. Hustend durch die Tage, irgendwo bellte ein Buddenbohm.

Und apropos Darwin-Award, in der Überschrift der New York Times sah ich den Begriff „Last-Chance-Tourism“, der sich dort auf die schmelzenden Gletscher in den französischen Alpen bezog. Bevor sie weggetaut sind, wollen sie alle noch einmal sehen, “but as climate change threatens a growing number of tourist destinations, some worry the tourism is making the problem worse.”

Ach was?!

Im Bild das Hamburger Rathaus am Abend. Warum auch nicht.

Blick auf das Hamburger Rathaus am Abend

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