Mus und Motivation

Ein Office-Office-Tag. Ich gehe wegen des Bahnstreiks zu Fuß runter nach Hammerbrook. Die nächste Rutschpartie über vereiste Wege also. Vermutlich sind auch diese glatten Wege ein Zeichen der Zeit, denn da, wo es um öffentliche Strecken geht, versagt die staatliche Infrastruktur, und da, wo es um private Zuständigkeiten geht, geht es um das ausdrückliche Verneinen jeglicher Zuständigkeit für die Allgemeinheit. Eine egozentrische Steigerung des alten Spruchs: „Ein jeder kehre vor seiner Tür“, wir sind jetzt schon bei „Ein jeder kehre vor keiner Tür.“ Und auch das ist ein Stück Sozialgeschichte, wie es dazu kommen konnte.

Yüksel Mus würde das sicher nicht gefallen, wie sich das alles entwickelt hat. Den Herren kennen Sie vermutlich nicht, aber in Hamburg wurde vor einigen Jahren ein Platz nach ihm benannt, eine kleine Fläche an der Binnenalster, gleich neben dem Jungfernstieg. Es steht da ein Schild zur Erinnerung an ihn, ich zitiere mal, falls man das auf dem Bild nicht gut erkennen kann:

Yüksel Mus (15. August 1964 – 20. Mai 2015) war ein Mitarbeiter der Stadtreinigung Hamburg. Als Leiter eines Reinigungsteams war für ihn jederzeit eine saubere und gepflegte Stadt eine Aufgabe, der er sich voll und ganz verschrieben hatte. Mit beispiellosem Einsatz und unermüdlicher Tatkraft sorgte Yüksel Mus mit Besen, Schaufel und Kehrmaschine für Sauberkeit in seinem Lieblingsrevier am Jungfernstieg und auf den angrenzenden Straßen und Wegen der Hamburger Innenstadt.“

Das Hinweis-Schild auf den Yüksel-Mus-Platz, der Text wird im Blogartikel zitiert.

Ich finde es schön und angemessen, dass es da diesen kleinen Platz dort gibt.

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In der Wetter-App steht allerdings nur das schwache „Glatteis geringfügig“, man muss gleich an Heinz Erhardt denken: „Gerade Gewürzgurke gegessen.“

Es kommt in den nächsten Tagen wieder Schnee auf uns zu, das Licht und die Luft in der Stadt verändern sich bereits, es wird diesiger, nasser, nebliger. Die große Klarheit und das lichte Strahlen sind schon vorbei, waren aber nett und willkommen.

Vor dem Bürohaus in Hammerbrook hat sich jemand übergeben, was mir Anlass gibt, beim Übersteigen des Auswurfs erfreut zu denken: „Na, so schlimm ist es bei mir nun auch wieder nicht.“ Man muss die Motivation nehmen, wo immer man sie nur herbekommen kann. Und dann gleich munter losarbeiten.

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Gesehen: Dean Martin, King of Cool, eine Doku auf arte.

Gelesen: Anke verweist auf die FAZ, es geht um die Gesamtausgabe von Marlen Haushofer. Was mich daran erinnert, dass es noch ein, zwei von mir ungelesene Werke von dieser Autorin gibt, und das muss ja nicht so bleiben.

Und während es Meldungen über den deportation masterplan der deutschen Nazis auch in die Auslandspresse schaffen (hier noch Le Monde), kümmere ich mich um Weiterbildung in anderer Richtung und höre auf dem Heimweg: Agnes Heller – Du hast immer die Wahl. Von ihr vielleicht auch etwas lesen, das mal vormerken.

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Im Tagesbild die Billerhuder Insel im Winterlicht.

Blick über das Bille-Ufer von der Braunen Brücke aus, winterliches, blauweißes Licht

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Was man im Januar macht, wenn man Zeit hat

Es stirbt Franz Beckenbauer, die Timelines reagieren unerwartet emotional. Wobei ich das nur unerwartet finde, weil mich Fußball nicht interessiert, ich weiß von dieser Denkwelt daher so gut wie nichts. Da ist man dann manchmal überrascht, wie so etwas andere mitnimmt, ich möchte mich darüber aber keineswegs lustig machen.

Beckenbauer wird in den Nachrufen in Verbindung mit anderen großen Namen des Sports genannt und es ist eine etwas seltsame Pointe, dass ich zwei der ganz Großen, Uwe Seeler und Franz Beckenbauer, zu Lebzeiten zufällig begegnet bin. Wie unwahrscheinlich ist das? Neben Franz Beckenbauer habe ich einmal auf einer Restauranttoilette gepinkelt, worüber es sonst nichts weiter zu erzählen gibt. Man steht dann da so, sieht kurz zur Seite und denkt: „Ach guck.“

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Minus neun Grad am Morgen. Neulich habe ich gerade mit meinem Bruder darüber gesprochen, an welche Minustemperaturen wir uns noch erinnern. Es waren aus heutiger Sicht unglaubliche -23 Grad, irgendwann im letzten Jahrhundert in Lübeck war es einmal so kalt. Was ein wenig so klingt, als seien wir Relikte aus der letzten Eiszeit, als würden in den Schränken bei uns noch die Bärenfelle hängen.

Die Sonne scheint den ganzen Tag, es blaut und gleißt und leuchtet und blendet. Es ist prächtiges Vitamin-D-Aufhol-Wetter, eine stimmungsverbessernde Maßnahme für die graubedrückte Stadt. Ich fahre nach der Arbeit in den Garten, um etwas zu holen, das idiotischerweise dort liegt und nicht hier, wo es hingehört. Der Weg ist beschwerlich, weil enorm vielen Zuständigen wohl, wie man heute sagen muss, die Streuanreize fehlen. Hamburg liegt fast überall unter einem Eispanzer und man gibt also beim Gehen nahezu durchgehend den schwankenden Pinguin. Es strengt etwas an, aber hey, es ist immerhin Sport bei Sonnenschein.

Im Garten sehe ich dann ein herrlich klares Gewusel von Tierspuren. Wie gedruckt oder gestochen sehen sie aus, so deutlich zeichnen sie sich im überfrorenen Schnee ab, ich habe nur leider keine Zeit, in Ruhe sie nachzuschlagen. Dabei wäre das richtige Buch dafür sogar in der Laube vorrätig. Still ist es in den tief verschneiten Gärten, ganz still, umfassend still, nur eine diensthabende Rabenkrähe ruft mir aus der Birke ein knappes Begrüßungs-Krah zu. Dann schweigt die ganze Anlage wieder lange und liegt im blauweißen Nachmittagslicht da wie eine Vorlage für Landschaftsmaler im Winter.

Auf einer Brücke über die Bille lehnen zwei alte Männer am Geländer, rauchen und sehen zu, wie der Fluss allmählich zufriert. Was man im Januar so macht, wenn man Zeit hat.

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Am Abend weiter mit Genuss F. Scott Fitzgerald gelesen und gehört, seine Storys.

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Kiki über Frau Elise.

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Im Tagesbild der Michel, an dem ich schon lange nicht mehr vorbeigekommen bin. Aber von Zeit zu Zeit seh‘ ich den Alten gern.

Der Turm des Michels, im Voordergrund etas Schnee auf Mauern

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Alles dennoch machen

Am Montagmorgen ist Schulstart in Hamburg, die Begeisterung der beiden Betroffenen im Haushalt fällt naturgemäß recht überschaubar aus. Alles dennoch machen. Ich lebe das wieder routiniert und ausgiebig vor, ich bin hier das Role-Model vom Dienst. Wenn denn mal jemand guckt.

Es ist knackig kalt, ich höre am Morgen erste Schritte auf vereisten, verschneiten Wegen knirschen, und wenn ich die Dachfenster öffne, bricht etwas nächtliches Eis aus dem entstehenden Spalt weg und splittert. Gelungene Winteratmosphäre, noch bevor vom Tag überhaupt etwas zu sehen ist, ich preise erneut die Home-Office-Möglichkeit. Aber nur ganz leise, damit die Söhne es nicht hören.

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Weitere Diskussionen mit der Haustechnik, ob die Heizung in unserer Wohnung anständig heizt oder nicht. Die Meinungen gehen da weit auseinander, bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts wird es Frühling sein, und jemand wird lachend sagen: „Nun ist auch egal, ne.“ Das werde nicht ich sein. Die Herzdame sitzt auf beheizbaren Decken und Kissen, trinkt heißen Tee und flucht.

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Ich hätte es sehr begrüßt, wenn der Tod noch eine Weile die Finger von meinen Timelines gelassen hätte, möchte aber noch einmal Frau Elise (Daniela) winken. Viele werden sie von Twitter gekannt haben, als es dort noch auszuhalten war.

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Vanessa über Aarhus und den Schnee, zum weiteren Ausbau des winterlichen Gesamteindrucks. Es soll sich ja noch etwas hinziehen mit dieser Jahreszeit. Und sehr schick, wie sie das mit den Bildern im Text da macht.

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Frau Büüsker über die Bauernproteste, die ich nur dadurch mitbekomme, dass stundenlang ein Hubschrauber überm Haus steht, wie bei den ebenfalls enorm lästigen Sportgroßveranstaltungen im Sommer. Ich beschließe für mich, dass mir der Text von Frau Büüsker heute reicht und verzichte für den Rest des Tages komplett auf weitere Erhellungen durch das Internet oder andere Medien.

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Im Tagesbild der Bahnhof im letzten Licht des ungewöhnlich blauhimmeligen Tages.

Blick auf den Hauptbahnhof, blaue Stunde, schönes Licht, die Lampen sind schon an und es ist in Kürze dunkel

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Heute nach Brügge

Am Sonntagnachmittag fahre ich mit der Herzdame runter zu den Landungsbrücken, um dort gepflegt zu promenieren, immerhin scheint die Sonne und der Tag leuchtet, das große Winterstrahlen und -gleißen findet statt. Wir kehren allerdings nach dem ersten Blick auf die Lage dort ruckartig wieder um, es ist uns viel zu voll, zu wimmelbildmäßig an der Elbe. Quer abgebogen und durch St. Pauli, die Neustadt und die Innenstadt nach Hause, und mit dem Erreichen unserer Haustür habe ich dann exakt 10000 Schritte. Es fühlt sich unsinnigerweise so an, als hätte ich damit etwas richtig gemacht. Egal, Hauptsache, man kommt auf irgendeine Art zu diesem Gefühl, wer wird denn allzu lange über das Wie nachdenken. Die kleinen Erfolge betonen und auswalzen, das ist der Weg.

Unterwegs rodelnde Kinder gesehen und einen kleinen sentimentalnostalgischen Anflug gehabt, dabei bin ich noch keine sechzig Jahre alt. Das kann ja noch lustig werden in den nächsten Jahren.

Später am Tag gehe ich noch eine weitere Runde, was ein gutes Zeichen ist, die Lust an der Bewegung kommt also langsam zurück. Ich nehme es immerhin ernst mit der weiteren Erholung und liege ansonsten viel herum. F. Scott Fitzgerald dabei gehört, weitere Storys. Gute Storys, er steigt immer weiter in meiner Achtung. Was für gelungene Personenbeschreibungen.

In den Timelines und auch in den großen Medien werden währenddessen in extenso landwirtschaftliche und demonstrationsrechtliche Fragen erörtert, mein Weiterbildungsinteresse hält sich in engen Grenzen.

Frau Herzbruch greift das Thema Reiseplanung auf. Wenn ich dabei einen Wunsch frei hätte, es wäre der, noch einmal, wie als sehr junger Mensch, in eine Lebenssituation zu kommen, in der ich Reisen spontan und wie beliebig entscheiden könnte: „Heute ist mir nach Brügge zumute.“ Und dann einfach in den Zug steigen. Da ich nach wie vor wenig bis kein Fernweh habe, ist die Wahrscheinlichkeit gar nicht so hoch, dass ich mit diesen Möglichkeiten viel herumkommen würde, aber ich würde es doch gerne können, zeitlich und finanziell. Im Moment und auf absehbare Zeit gibt der Alltag das allerdings nicht einmal ansatzweise her, was natürlich für sehr viele Menschen gelten wird. Solche Freiheiten sind Luxus.

Plötzlich Lust auf Brügge, dabei war das nur ein vollkommen beliebiges Beispiel. Schlimm. Wenn man Brügge googelt, sieht man immer recht ansprechende Bilder.

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Abends einige Kapitel weitergelesen in „Bedrohte Bücher“, das Buch sei hier besonders für den Freundeskreis Bibliothek, Archiv und Geschichte noch einmal ausdrücklich empfohlen. Man lernt durchaus dazu und es ist topaktuell.

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Im Tagesbild schließlich wieder ein Fleetblick, den haben wir in Hamburg ja öfter. Diesmal an der Michaelisbrücke.

Blick von der Michaelisbrücke über das Fleet, im Vordergrund an einem Pfeiler ein Aufkleber: "Lieb sein"

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Irgendwo kratzt ein Schneeschieber

Vorweg ein herzlicher Dank an die beiden Menschen, die gerade den Trinkgelddurchschnitt deutlich angehoben haben – ich werde, wenn denn alles gut läuft, im gerade geregelten Sommerurlaub über die Verwendung berichten. Wobei es mir immer vollkommen verrückt vorkommt, sich im Dezember und Januar mit dem Sommerurlaub zu befassen, aber es geht bei unserer Reiseart nicht anders, wir müssen da weit vorausdenken und buchen und sind eigentlich schon wieder spät dran. Aber dennoch, wie unvorstellbar sind die Sommerferien aus den ersten beiden Kalenderwochen des Jahres heraus betrachtet, wie unendlich weit entfernt.

Es wird am Sonnabendmorgen nicht hell, es liegt zu viel Schnee auf den Dachfenstern. Erst als die Heizungen in der Wohnung schon länger laufen, bröckelt die dicke Schicht langsam weg, rutscht allmählich ab und gibt mit seltsam schmatzenden Geräuschen zögernd nach und durch die ersten Lücken endlich auch den Blick auf den blaugrauen Himmel und die wehenden Flaggen über dem Hoteldach gegenüber frei.

Irgendwo kratzt ein Schneeschieber laut über Gehwegplatten, jemand flucht. Womöglich gehört das beides zusammen, wahrscheinlich sogar, denn das Schneeschieben ist eine enorm unbeliebte Tätigkeit, wie ich auch in den sozialen Medien wiederholt sehe. Ich überlege, wann ich das zuletzt gemacht habe, es wird über 25 Jahre her sein. Danach fiel ich aus der Zuständigkeit und wohnte stets so, dass ich keine Veranlassung und Pflicht mehr hatte. Die Söhne kennen diese Tätigkeit gar nicht.

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Am Sonntag weiteres und hoffentlich finales Gefrickel und Gezerre an administrativem Geraffel. Ich habe mich immerhin schon bis zum Bonusprogramm der Krankenkasse vorgearbeitet, bei dem man, warum auch immer, noch einmal manuell eingeben muss, was die Kasse alles schon weiß, um dafür Punkte und irgendwann Geld zu bekommen. Mir fehlt mittlerweile jedes Verständnis für die Nichtautomatisierung solcher Vorgänge. Daten von links nach rechts abschreiben, wie damals bei der Erfindung der Keilschrift, meine Güte.

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Gelesen: Diverse Storys von F. Scott Fitzgerald. Auch welche gehört, „Seltsame Zuflucht“, vorgelesen von Ingolf Kloss, ich sehe leider keine Angabe zur Übersetzung. Ich möchte jedenfalls die erste Story der Zusammenstellung („Der Ins-Gesicht-Schläger“) loben, wie Dale Cooper in Twin Peaks einst den Kaffee lobte, die Älteren erinnern sich: Das ist eine verdammt gute Kurzgeschichte.

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Ich habe neulich übrigens mit der geschätzten Wibke Bücher getauscht, weswegen hier jetzt das Reisetagebuch von Ré Soupault liegt, ein Dokument aus der Nachkriegszeit: „Überall Verwüstung. Abends Kino.“ Im Tausch reiste dafür Stig Dagermann per Post nach Süden, Deutscher Herbst, diese beiden Bücher kann man sehr gut nacheinander lesen. Und, wenn man sich für die Nachkriegszeit in Deutschland interessiert und da noch etwas fortsetzen möchte, vielleicht noch die Briefe der Mascha Kaléko anschließen, um auch Berichte aus Norddeutschland dabei zu haben.

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Es fehlt an Form und Fitness

Größere Verblüffung auch darüber, dass es erst der 5. Januar ist, während ich dies notiere. Mir kommt es vor, als hätte ich schon nennenswert mehr Tage in diesem Jahr abgeleistet. Das kommt dabei heraus, wenn man im Weihnachtsurlaub herumkränkelt, dann fehlt zum Jahresanfang ein Stück Form und Fitness und man hängt seltsam hinterher. Um dabei aufzuholen, muss man allerdings nicht mehr machen, sondern eher gar nichts, und das wiederum klingt doch machbar. Das plane ich so ein: Erholung ernsthaft nacharbeiten.

Schnee am Morgen, ich gucke eher desinteressiert aus dem Küchenfenster. Solange dass da draußen keine hinreißende Bilderbuchwinterlandschaft wird, mit Sonnenschein über zugefrorener Alster und allem, kann mir der restliche Winter einigermaßen gestohlen bleiben. Er ist mir nur insofern recht, als er noch mehr als andere Jahreszeiten zum Lesen auf dem Sofa motiviert.

In den Nachrichten dann die morgendliche Meldung im Live-Ticker: „Wissing nennt Hochwasserlage sehr ernst.“ Ein typischer Fall von Meldung ohne jeden Informationsgehalt, ich verstehe nicht, warum man so etwas zitiert. „Wissing nennt Nacht sehr dunkel“ wäre vergleichbar geistreich gewesen.

Der Rest der Nachrichten allerdings – kaum zu ertragen, was für Entgleisungen. Und es ist auf die denkbar schlechteste Art bemerkenswert und fatal, wie viele Medien den Vorfall an der Fähre in Schlüttsiel zunächst nur für eine Meldung zweiten oder gar dritten Ranges halten. Siehe ansonsten bei Wolfgang.

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Der Einkauf am Nachmittag, die Menschen auf den Straßen finden das Wetter ähnlich großartig wie ich. Es ist kaum zu übersehen – all die hochgezogenen Schultern, all die heruntergezogenen Mundwinkel. Die Leute eilen, soweit es der rutschige Schneematsch eben zulässt, dass sie schnellstmöglich wieder in die Häuser kommen. Niemand sieht so aus, als würde er freiwillig durch dieses Szenario gehen, der Schneeregen als Menschenvergrämer.

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Im Bild ein Fleet in Hamburg-Hamm, ich komme auf dem Weg in den Garten daran vorbei. Auch hier wieder zehn Minuten gewartet, bis von oben etwas Licht kam. Wenn das mal bei jedem Thema so ginge!

Blick über ein Fleet in Hamburg-Hamm, Boote und ein Hausboot am Ufer

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Es wird schon passen

Am Abend etliche administrative Verwicklungen der eher abgedrehten Art – wie kompliziert kann es denn bitte werden, sein Leben zu verwalten? Auf dem Wohnzimmertisch liegen mehrere aufgeschlagene Leitz-Ordner, ein Locher, ein Hefter, zwei Textmarker, es sieht hier aus wie im Büro etwa 1995, es fehlen nur noch der große Taschenrechner, ein Telefon mit Kabel dran und Aschenbecher. Es kann einem nostalgisch zumute werden, wenn man sich um Versicherungen, Steuern, Ablage, Planungen etc. kümmert. Der Januar ist in dieser Hinsicht immer etwas herausfordernd, was ihn nicht sympathischer macht.

Am Mittwochmorgen finde ich dann gleich nach dem Aufwachen das wie immer zunächst vergessene Stück Weihnachtsdeko im Flur. Nie wird es uns gelingen, alles in dieser Wohnung im ersten Versuch abzuräumen und zu beseitigen, das hat sich jetzt über mehrere Jahre so erwiesen. Irgendwo grinst immer noch ein Weihnachtsmann.

Währenddessen sehe ich in den Timelines wieder mehrere Meldungen von Menschen, denen das Wasser näherkommt, denen es sogar schon im Keller oder in der Garage steht, siehe in diesem Zusammenhang auch diesen Blogartikel aus Schleswig-Holstein.

Und apropos Blogartikel, Anke mit Anmerkungen zur Erfindungsgeschichte des Automobils. Auch interessant.

Vor dem Fenster geht der Regen programmgemäß am Vormittag in Schneeregen über. Einen Zugewinn an Ästhetik stellt dies allerdings nicht dar.

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Ich habe die Rezepte für meine Mutter endlich aus der Arztpraxis abgeholt, in der man mehreren älteren Menschen in der langen, allzu langen Schlange vor mir wortreich die Sache mit den E-Rezepten und den so seltsam aussehenden neuen Rezeptausdrucken zu erklären versuchte. Oder, wie es in der Praxis hieß: „Da können wir jetzt jemanden für einstellen.“ Es wird wohl eine etwas anstrengende Übergangszeit, scheint mir.

Auf dem Rückweg dann Äpfel und Birnen auf dem Wochenmarkt gekauft. Die Verkäuferin wünschte mir „Schönes Wochenende!“, was mein in diesem Jahr ohnehin noch nicht kalenderfestes Zeitgefühl umgehend komplett zum Absturz brachte.

Aber gut, es ist immer irgendein Wochentag. Man macht eben weiter, es wird schon passen.

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Im Bild Menschen vor der Binnenalster. Wieder aufgenommen in einem etwas helleren Moment. Es gibt solche Momente, man muss nur gut aufpassen. Sie sind kurz.

Zwei Menschen (von hinten gesehen) sitzen auf einer Bank am Jungfernstieg und sehen auf die Binnenalster.

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Durchweicht, zerzaust und windverprügelt

Die S-Bahnen sind am Dienstagmorgen schon etwas voller, ein paar mehr Menschen hasten durch den verstetigten Regen zu den Bahnhöfen, einige Lichter mehr sehe ich in den Bürobauten, das Jahr läuft langsam an.

Auch heute ein kleiner Erfolg am Morgen, mir gelingt auf dem Weg zur Bahn ein seltenes Foto des Sonnenaufgangs im Hamburger Winter – sehen Sie hier das wohltuende, sattgelbe Leuchten an einem Januarmorgen.

Ein ramponierter gelber Regenschirm liegt im U-Bahn-Bereich des Hauptbahnhofs und formt einen Halbkreis, wie wie aufgehende Sonne

In den Radionachrichten laufen währenddessen immer wieder die Meldungen zur Lage in Niedersachsen. „Sorgenkinder sind Hunte und Hase“, höre ich, und es klingt seltsam schön, ist es aber gar nicht. Auch die Hochwasserwarnungen für Lübeck und Travemünde sind wieder im Programm, in Lauenburg elbaufwärts laufen ebenfalls die ersten Keller voll und auch in Hamburg steigen die Pegel der Flüsse und Bäche. Vor dem Bürofenster schüttet es.

Nachmittags in den Garten, denn auf der Insel laufen die Gräben über, wie rundgemailt wird. Sie sind in den letzten Jahren teils zugeschüttet oder verrohrt worden, im Grunde also das gleiche Problem wie überall. Ich muss jedenfalls einmal nachsehen, wie die Lage dort ist. Unsere Parzelle steht zwar nicht unter Wasser, aber die Gärten ringsum machen insgesamt einen durchweichten, zerzausten, arg windverprügelten Eindruck. Hier und da wegknickende Zäune und Büsche, verwehter Unrat hängt in den kahlen Ästen und liegt auf den Wegen, windbrüchige Äste und Zweige sehe ich überall. Es sieht alles nicht eben schön aus, es wirkt alles etwas ramponiert und heruntergekommen. Nur der Mangold, den wir im Herbst nicht mehr gepflückt haben, leuchtet mit einem derart knackigen, saftigen, frühlingshaften Grün aus dem Beet – man bekommt umgehend Hunger auf Gemüse, wenn man das sieht.

Auf dem Rückweg sehe ich an einem Laternenpfahl in Hamburg-Hamm einen Aufkleber mit einem Franzbrötchenbild, es wurde dort angepappt, so lese ich dann, von der „Antifaschistischen Genießerfraktion.“ Es formt sich also doch breiter Widerstand, so ist es recht.

Der Tag ist ansonsten überdeutlich geprägt von Müdigkeit, Rückzugsbedürfnis und wildem Hunger auf Zucker und Fett. Mit anderen Worten, etwas Winterschlaf oder wenigstens eine Mupfel würden dem Monat jetzt guttun, und der gefühlte Wochentag weicht schon wieder stark ab.

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Wir haben Weihnachten in den Keller gebracht.

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Bevor sich der Vorhang hebt

Es regnet währenddessen immer weiter, die Endlosschleife des kaum beleuchteten Winterwetters wird fortgesetzt. Die Spaziergänge sind etwas unschön in dieser Zeit und fallen sogar mir schwer, obwohl ich viel und routiniert gehe, jeden Tag. Im letzten Jahr sogar durchschnittlich 2000 Schritte mehr pro Tag, verglichen mit dem Jahr davor. Das werde ich wohl nicht weiter steigern können, mehr Zeit habe ich nicht.

Am Montagnachmittag habe ich mit der Herzdame eine Stunde auf dem Bett gelegen, aktionsmüde und etwas hoffnungslahm, ohne große Bereitschaft, mit diesem neuen Jahr etwas anzufangen. Aber das wird am 1. Januar wohl noch statthaft sein, das haben wir uns dann freundlich zugebilligt und sind einfach noch länger liegengeblieben. Mildernde Umstände, immerhin hat man wieder zwölf lange und volle Monate vor sich, das ist keine Kleinigkeit. Diese Aussicht kann man noch einmal eine Stunde veratmen, bevor sich der Vorhang hebt.

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Dienstag. Am frühen Morgen habe ich die erste Deadline des Jahres souverän gehalten. Es sind die kleinen Dinge, es sind die bescheidenen Erfolge, die uns über Wasser halten. Auch die ersten Rechnungen habe ich verschickt, immer ein tröstliches Gefühl.

Dann ins Büro. Dort war ich lange nicht mehr, im Dezember fielen die Besuche durchweg aus, es waren zu viele Krankheiten in der Stadt. Die S-Bahn nach Hammerbrook ist am Morgen so leer, wie ich es lange nicht mehr erlebt habe. Alle Welt muss noch im Urlaub sein, vielleicht aber auch im Home-Office. Lauter freie Vierer um mich herum, es ist ein ungewohnter Anblick. Die Fahrt geht durch gründliche Dunkelheit, nur wenige Bürofenster in den Verwaltungsklötzen sind erleuchtet. Eine schwarze Front sehe ich vor den Fenstern des Waggons, zappenduster ist der Bürostadtteil am Morgen der langen Winternacht.

Auch im großen Bürohaus, in dem ich arbeite, ist zunächst kaum jemand anwesend und es wird auch nach dem dritten, nach dem vierten Kaffee nicht hell, es fühlt sich an wie Nachtarbeit und die fortschreitende Dämmerung ist dann nur eine Nuancenverschiebung im Dunkelgrau, da muss man schon verdammt gut aufpassen, sonst bekommt man es nicht mit.

Seelische Eintrübung. Aber ich bin gar nicht schlecht gelaunt, stelle ich immerhin nach etwas Bedenkzeit fest, ich bin nur umfassend nicht gut gelaunt, und das ist tatsächlich etwas anderes. Das ist, mit anderen Worten, einfach Januar/Februar, das kenne ich schon. Saisonal bedingte Stimmungsrituale. Man begibt sich in den Durchhaltemodus, es wird dann von selbst irgendwann März.

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Am Nachmittag mache ich Besorgungen für meine Mutter. Ich höre dabei einen langen Podcast über den Fachkräftemangel (diesen hier) in Deutschland und nehme gelassen die Pointe zur Kenntnis, dass die Arztpraxis, aus der ich Rezepte holen möchte, wieder wegen Krankheit geschlossen hat. Passt schon.

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Im Tagesbild ein Aufkleber, den ich sicher schon einmal hatte, aber man kann ihn besonders in diesem Jahr ruhig öfter zeigen, denke ich. Im Hintergrund die Außenalster in einem etwas helleren Moment.

Ein Aufkleber auf einem Brückengeländer: "FCK NZS" - im Hintergrund die Außenalster

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Der Januar wird es richten

Am Montagmorgen, ich wache wie immer sehr früh auf, auch wenn mir deutlich Schlaf fehlt, sieht es vor dem Dachfenster aus wie immer. Die Welt ist noch da, auch die Kirche steht noch, dieses neue Jahr sieht man der Gegend gar nicht an. Nach dem gewohnten Regen sieht es schon wieder aus, und üblicher Wind kommt auf, der zum nächsten Sturm in der langen Reihe der Winterstürme werden kann. Im Wetterbericht sehe ich bereits die Warnsymbole. Ausgesprochen ungemütlich ist es.

Die Ringeltaube sitzt neben mir auf dem Dach, wie ich erst nach einer ganzen Weile merke, fast in Griffweite sitzt sie. Der Vogel fliegt nicht weg wie sonst und sieht mich nur müde an. Arg zerzaust sieht diese Taube aus. Die hatte sicher auch eine unangenehm unruhige Nacht. „Guten Morgen“ sage ich, und sie rollt indigniert die aufgerissenen Augen, als sei das mit Abstand das Allerdümmste, was jemand zu dieser Uhrzeit sagen kann.

Es sind dann, kaum dass es hellgrau draußen wird, schon die ersten Eltern mit ihren Kleinkindern auf dem Spielplatz. Sie setzen den Nachwuchs im Morgengrauen in die Schaukeln, ich höre das leise Jauchzen, als sie ihnen Schwung geben. Da sind wohl die familiären Rhythmen bei einigen gründlich durcheinandergekommen, wie immer zu dieser Jahreszeit. Na, es wird sich bald alles wieder finden. Auch die momentan ausgeprägt eulenhaften Teenager hier im Haushalt werden bald nachts wieder schlafen, nehme ich an. Der Januar wird es im weiteren Verlauf schon richten, mit seinem beinharten Alltag.

Im Hauptbahnhof später der riesige Rollkofferauflauf, es ist wieder vollkommen absurd voll dort. Das ganze Land scheint heute auf Reisen zu sein und sehr viele kommen hier durch. Von den Gleisen unten höre ich die Durchsagen mit dem so verlässlichen „Grund dafür ist …“, vielfach und variantenreich wiederholt. Vor dem Edeka, dem einzigen geöffneten Laden weit und breit, stehen sie in einer langen Schlange und schimpfen knurrend auf die jeweils anderen. Der Mensch ist dem Menschen ein Hindernis.

Es war dies das erste Silvester, das wir nicht im Viererbund begangen haben, was ich allerdings erwartet hatte. Das ist eine normale Entwicklung, kein Drama. Die Herzdame war auf einer Party, Sohn I war auf einer anderen Party, Sohn II und ich haben alles von zuhause aus nach Kräften ignoriert. Ich habe zum ersten Mal seit meiner Kindheit den Jahreswechsel erfolgreich verschlafen. Ich habe zum ersten Mal seit damals auch nicht Dinner for one gesehen. Ich bin im Moment kein Mensch, der Silvester irgendwie begehen möchte.

Aber auch das kann sich selbstverständlich wieder ändern, immer vieles für möglich halten. Der Mensch ist ein ergebnisoffener Prozess.

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Im Bild noch einmal ein Rettungsring für Sie, ich war wieder an der Alster.

Ein Rettungsring in einem Ständer am Ufer der Außenalster, der Blick geht über das Wasser Richtung Mundsburg

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