Links am Morgen

Wissenswertes über Stockton-on-Tees. Doch, wirklich.

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Ich bin ja nicht die Lehrerin oder die Schulbegleiterin, sondern ich bin die Mama.

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Du gehörst nicht dazu! Noch einmal zum Thema Klasse.

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Ist es gesünder, wenn ein Kind alle 42 Bücher der »Warrior Cats«-Reihe liest, als wenn es mit seinen Freundinnen chattet? Wo so viel von Smartphonesucht und explodierenden Bildschirmzeiten die Rede ist, kann es sinnvoll sein, mal auf die feinen Unterschiede zwischen Handy und Heroin hinzuweisen.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci! 

Inventur

Dies sind meine Hausschuhe,

dies ist mein Hoodie,

hier mein Sofa

gleich vorne im Flur.

 

Smartphone,

mein Twitter, mein Facebook,

ich hab‘ die Accounts

stets offen.

 

Mein Notebook teile ich

mit einem Sohn,

immer schließen wir

alle Dateien.

 

Im Unterverzeichnis

ein paar angefangene Texte

und einiges, was ich

auch ihm nicht verrate.

 

Das Notebook dient uns

als Schreibmaschine und Tafel,

die Arbeitsblätter hier

sind für die Schule.

 

Das alte Blog aber

lieb ich am meisten

morgens schreib ich die Texte,

die nachts ich erdacht.

 

Dies ist mein Streamingdienst,

dies ist mein Ladekabel,

dies sind meine Kopfhörer,

dies ist die Maus.

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In freundlichem Gedenken an Günter Eich.

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Wilde Milderung

Draußen findet eine wilde Milderung statt, es geht zügig auf zehn Grad und mehr zu. Beim Discounter gibt es schon irgendwas mit Bärlauch und natürlich auch Ostersüßwaren in pastellig bunter Frühlingsfarbgebung, es geht voran. Und es knirscht beim Gehen. Der Streusand liegt noch überall, jeder Schritt ein Geräusch, jeder Schritt eine Mahnung, gestern noch das Eis. Die ganze Stadt hat jetzt Sand im Getriebe, und wie viel davon. Man müsste hier mal weiträumig durchfegen, man müsste hier mal alles neu machen. Den Winter oder überhaupt alles rausfegen, klar Schiff machen. Das gilt auch für die Wohnung, wie sieht es hier aus, wer hat hier gehaust. Nächste Woche kommen die Handwerker und tauschen mehrere Fenster aus, vor dieser Aktion lohnt es nicht, einen Frühjahrsputz auch nur anzufangen. Ich habe vergessen, nach dem Spaziergang die Schuhe auszuziehen, jetzt knirscht es auch in der Wohnung. Überall Reibung.

Im Hafen tuten tief die Schiffe. Der Wind steht gerade wieder so, dass wir es deutlich hören. Nie war mir das ein Fernwehgeräusch, jetzt schon. Die Leinen losmachen, das klingt in der aktuellen Situation schön und vielversprechend. Und dann wenigstens, na, sagen wir nach Helgoland. Übers Meer, übers Meer, heute fahren wir übers Meer. Einmal dort um die Düne gehen, das wäre ja schon viel. Im Dünenrestaurant draußen sitzen und Pommes in der Sonne essen. Dann wieder rüber zur Hauptinsel, was schon viel zu groß klingt für Helgoland, in ein Hotelzimmer gehen und nichts machen müssen. Das dann aber mit Begeisterung.

Ich höre stattdessen eine Radiosendung über den Raummythos Transsilvanien (54 Minuten). Ich googele das seltsame Hotel am Borgo-Pass, um welches es da geht, es sieht nicht gerade einladend aus. Aber drüber bloggen könnte man schon, denke ich, und früher hätte ich so etwas nicht gedacht. Transsilvanien. Warum nicht. Literarische Bezüge, schöne Landschaft, reiche Geschichte. Und Untote, okay, aber irgendwas ist ja immer. Geister, die ihren Opfern zwar nicht das Blut, aber doch alle Energie rauben, wie die Rumänen in der Sendung erklären. Das kennt man auch von gewissen Pandemien, diesen Raub. Untote Viren, dennoch leben sie nicht und haben es auch nie.

Ich reise nicht, natürlich nicht. Ich gehe wieder nur knirschend einkaufen, irgendwas noch ohne Bärlauch, und pfeife dabei La Paloma, das kommt davon, wenn man große Schiffe hört. Das Geburtshaus von Hans Albers wird gerade saniert, sehe ich im Vorbeigehen.

Immer alles in Form halten, ganz wichtig.

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Vielleicht

Ich weiß nach wie vor nicht, was ich lesen soll. Ich stehe vor dem Regal, ich nehme Schnurre, also gut, ich lese Schnurre. Der hat aber damals Berlin so beschrieben, dass man genau merkt, der ist da ausgiebig herumgelaufen und durch die Stadt gestromert, der hat da Menschen gesehen, der war neben und unter ihnen, der hat in Kneipen und Cafés gesehen und an Kanälen gesessen, der hat die Leute reden gehört und das nervt alles erheblich, denn das kann man selbst ja im Moment eher nicht und alles Beschreibbare reduziert sich jeden Tag wieder auf wenige Quadratmeter, die man schon richtig, richtig gut kennt, oder aber auf die Erinnerung an andere Zeiten. Es nervt, es nervt, es nervt.

Sprich, Erinnerung, sprich, das ist auch ein Buch, das war ein anderer Autor. Erinnern könnte man sich, jederzeit könnte man das und stundenlang, tagelang, wochenlang. Aber ich will mich gar nicht erinnern. Also generell schon, aber ausgerechnet jetzt nicht, ich will eher nach vorne. Früher hatte man Termine, die waren vorne. Ich weiß noch deutlich, dass ich Termine doof und belastend fand. Die wären also eher keine Lösung, denke ich mir, aber Möglichkeiten vielleicht. Ja, Möglichkeiten, das wäre es. Beim Sitzen denken, was alles sein könnte, wenn man nur. Das wäre schön. Und dann so gelassen und wie nebenbei entscheiden, ob oder nicht. Überhaupt, gelassen sein. Unentschlossen sein, aber im guten Sinne. Mehrere verlockende Vielleichts durchgehen und sie unachtsam verwerfen, weil es einfach genug davon gibt.

Vielleicht im Sommer wieder. Oder im Herbst. Was weiß ich, es zieht sich alles ein wenig, nicht wahr.

Auf Twitter geht es darum, dass man die letzte Zeit und ihre Folgen deutlich im Spiegel erkennt, Alterungsprozesse und Augenringe. Wir kommen hier nicht heil raus, das muss man auch sehen. Lauter Versehrte werden wir sein. Freundlich müssen wir zueinander sein. Ich glaube, das ist wird immer wichtiger, je länger alles dauert. Man muss es sich geradezu vornehmen, so wichtig ist das.

Freundlich dann auch zu sich selbst sein. Aber gut, wir wollen die Anforderungen jetzt auch nicht übertreiben. Die Zeit ist anstrengend genug.

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Links am Morgen

Über Moodle. Falls Sie den Begriff nicht kennen – Schwein gehabt.

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Über digitalen Unterricht.

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Klasse durchdringt alles. Passend dazu: Wie wohlhabend sind Sie? Allein das Wort schon. Ich frage mich ja auch oft, was ich wohl habe. 

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So herum auch gut

Bevor es Frühling wird, das Morgenrot ändert sich von Tag zu Tag doch verdächtig, noch eben ein Winterbild mitnehmen, schnell, schnell, das noch wegspeichern. Die Lichter nämlich, die abendlichen Lichter im ganzen Block, die Straßen entlang und rund um die Plätze. Es sind alle, es sind nahezu alle Fenster der Wohnungen erleuchtet. Er, sie, es ist zuhause, wir sind zuhause, ihr seid zuhause, sie sind zuhause, alle sind zuhause. Niemand geht irgendwohin, die Häuser sind hell wie in keinem Jahr, in alle Wohnungen kann man sehen und feststellen, was andere Menschen für Bilder aufhängen und meine Güte, was sind die manchmal seltsam. Die anderen dürfen das von unseren Bildern auch denken, versteht sich, aber wir wohnen zu hoch, hier kann eh keiner hereinsehen.

Das jedenfalls auch merken und später erinnern, den Enkeln später davon erzählen, diese Lichtfassaden über dunklen Absätzen. Denn unten, unten leuchtet nichts, kein Schaufenster, keine Werbung. Kaum Werbung. Die Stadt ist andersherum beleuchtet, und das sieht so herum auch gut aus, was bin ich heute wieder positiv.

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Am Morgen fragt eine Frau in der Bäckerei nach Berlinern. Da lägen nur so wenige in der Auslage, und es sei doch Karneval, sagt sie, sie brauche mehr. Wie jetzt, denke ich, Party oder was, das wäre ja dezent Anlass zur Verwunderung, wenn nicht zur Empörung. Und die Verkäuferin fragt in ehrlichem Erstaunen das, was noch viel naheliegender ist, richtig entgeistert fragt sie das: „In Hamburg?!“

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Gleich drei Eichelhäher sitzen im Holunder vor der Haustür und marodieren pöbelnd durch alte Nester kleinerer Vögel. Das ist schon Bandenkriminalität und die Meisen zwitschern höchst aufgeregt vom Verfall der Wohnlage, neulich auch schon dieser Bussard, tagelang war der da, man muss doch sehr bitten und was ist hier eigentlich neuerdings los.

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Ich stelle beim Nachrichtenhören fest, dass ich schon wieder vergessen oder vielleicht auch eher verdrängt habe, ab wann nun was wo wieder öffnen darf. Es war aber ohnehin eher wenig, glaube ich, und in jedem Bundesland irgendwie anders. Ich habe da eine seltsame Merkverweigerung und mache einfach weiterhin nichts, das wird man ja noch machen dürfen. Irgendwo machen irgendwann Blumenläden auf, Gartencenter und Friseursalons und Grundschulen, was auch immer. Die Zahlen gehen runter, die Zahlen gehen rauf, Mond und Sterne ziehen über uns hinweg.

Diess Blog bleibt dauerhaft geöffnet, ich habe ein Hygienekonzept, immerhin sitzen Sie sicher vor einer Scheibe.

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Zwei machen hier Home-Office, zwei machen hier Home-School. In der Wohnung unter uns reißen sie die Wände raus oder den Fußboden oder beides und die Badezimmerkacheln müssen womöglich auch weg, was weiß ich. Jedenfalls schweres Gerät und Gerumpel und Geratter ganztägig, frag nicht. Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich weiß gerade noch, wie ich heiße, würde aber auch darauf nicht wetten. Auch wenn ich mich konzentrieren könnte, ich könnte auch dann nichts richtig machen. Zu viele Themen zur gleichen Zeit, alles ist zerfleddert und zerfieselt. Wer nichts richtig macht, der macht alles falsch, ich fühle mich wie seit Wochen, nein, seit Monaten wie damals in der siebten Klasse. Die habe ich wiederholt – und besser war das. Sohn I ist auch gerade in der siebten Klasse, mit ihm mache ich die also zum dritten Mal im Leben und allmählich reicht es mir auch, danke. Einführung in die Algebra zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten, kann sich die bitte jemand rektal einführen, die gottverdammte Algebra. Pardon, es geht gleich wieder.

Ich gehe am Vormittag rastlos von einem Zimmer zum anderen, hier ein Thema, dort ein Thema, links ein Problem, rechts ein Problem. Ich treffe die Herzdame im Flur, wir sehen uns an, wir wollen beide etwas sagen. Wir sagen nichts, wir haben beide schon wieder vergessen, was wir sagen wollten. Goldfische im Glas, immer im Kreis, voll schön hier und guck, eine Kurve, da mal rum! Dann biegen wir ab.

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Süd, Südwest

Im Drogeriemarkt haben sie den Drehständer mit den Gemüsesamen wieder in den Gang gestellt, beim Discounter gibt es nächste Woche Gartengeräte und Komposter. Im Wetterbericht steht etwas von sagenhaften 13 Grad schon am nächsten Wochenende und als ich am Sonntag in der Küche stehe und Unmengen Kartoffelsuppe mit Mettenden für eisige Tage zubereite, höre ich die Glocken unserer Kirche, danach noch weitere Glocken von einer Kirche in einem anderen Stadtteil und dann sogar noch mehr, die müssen weit weg sein. Ich öffne das Fenster, ich halte den Kopf in die Kälte und versuche, die Richtung zu bestimmen, aus der die fernen Glockenschläge kommen, die ich sonst nie höre. Ich glaube, sie kommen vom Hafen. Der Wind hat also gedreht, das ist Südwest, da liegt Sibirien nicht. Etwas Neues kommt vom Hafen her, das kann einem als Hamburger auch willkommen sein, so gehört das. Eine Unwetterwarnung piept auf dem Handy. Schnee und Regen auf Helgoland, viel davon. Wenn die Unwetterwarnungen zuerst für Helgoland kommen, dann ist es aber so etwas von West.

Das sind so die Frühlingszeichen. Adere sehe ich nicht, andere höre ich nicht, fühle ich nicht. Die Luft ist noch eisig, es riecht nach Winter. Es sieht auch nach Winter aus, weiter hinten das Alstereis, ein strahlendes Krankenhauslaken, frisch aufgezogen. Auf dem Spielplatz vorm Haus hüpfen die Eltern im Kreis, um sich aufzuwärmen. Ein kleines Kind im dicken Schneeanzug hüpft mit, fällt um und lacht sehr, rollt gut gepolstert über den Boden. Spielplatzsand und Schnee in unschöner Mischung, Wintertarnfleck.

Aber doch, da kommt was, ich will es gerne glauben.

Ich gehe um den Block. Ein paar Häuser weiter bleiben Menschen vor den Fenstern eines Restaurants stehen, dann noch andere Menschen und auch die, die nach denen kommen. Was gibt es da zu sehen? Die Tische wurden komplett eingedeckt. Als würde es da morgen wieder losgehen, so sieht das aus. Alles ist auf einmal wieder auf den Tischen, Kerzen, Gläser, Servietten, Dekoklimbim. Gestern standen die Tische und Stühle noch zusammengeschoben in einer Ecke. Üben die da? Machen die vielleicht Fotos? Das können sie doch so nicht liegenlassen, bis sie irgendwann wieder öffnen, das staubt doch alles ein, die Teller und die Gläser.

Die Menschen stehen draußen vor den Scheiben und einer sagt: „Sieht aus wie normal“, jemand antwortet: „Ja, früher normal.“

Ein paar Meter weiter hat jemand neben den geplünderten Mülleiner gekotzt. Das ist immer normal, damals, heute, morgen. Pandemie hin oder her. In der Nacht wird das frieren, der Winter hat auch Vorteile.

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Wir in der nächsten Zeit und kurz darauf

In den Nachrichten jetzt wieder überall Annahmen und Voraussagen zum Ende der Pandemie, zur nächsten Zeit und zu kurz darauf. Die Läden werden demnächst Mode zu Spottpreisen verkaufen, so lese ich. Bis zu 90% Preisnachlass, das wird alles quasi gar nichts mehr kosten, alles wird verramscht werden und doch noch gut sein, und wenn die Läden erst wieder geöffnet sein werden, dann stürmen wir da rein und kaufen alles, alles. Verdammt gut werden wir dann aussehen, wie neu werden wir aussehen und so werden wir uns auch fühlen, durch und durch wie neu. Viele Unfälle wird es geben, das ist eine andere Meldung auf einer anderen Seite, das klingt nicht so gut. Weil wir uns so dermaßen lange nicht bewegt haben, weil wir keinen Sport gemacht haben, weil wir eingerostet sind auf dem Sofa, das wir durchgesessen haben. Aber erst einmal gehen wir in die Innenstadt, erst kommt noch etwas Shopping, das ist so gefährlich nun auch wieder nicht, das kriegen wir schon noch hin, auch nach Monaten auf den Sitzmöbeln, die wir nicht mehr sehen können. Und wir werden in der Umkleide stehen und denken geil, wir stehen in einer Umkleide, das ist ja der Hammer, dass wir das noch erleben dürfen! Wir lassen alle Klamotten aus den Angeboten gleich an und gehen neu und farbig und topaktuell raus auf die Straße, wo alle anderen auch so aussehen wie wir, sehr gut sehen sie aus, sexy auch und sympathisch, überaus sympathisch, wir leben am Ende doch in einer guten Gegend.

Wir haben Hunger und gehen in einen Imbiss, das geht auch wieder. Wir essen Pommes, ungesunde Pommes, und zwar viel davon, rotweiß unbedingt, wir brauchen enorm viel Energie, und zwar sofort, das spüren wir deutlich. Es ist erst elf Uhr am Vormittag, aber wir trinken Alkohol dazu, weil wir es brauchen, weil wir es feiern wollen, weil wir alles jetzt sofort feiern wollen. Wir sehen uns um, die anderen Gäste im Imbiss sehen alle nett aus, super Leute, das merken wir gleich, und wir machen Smalltalk mit denen, als hätten wir Smalltalk immer schon gut gefunden. Wir fragen, was sie im Lockdown gemacht haben. Wir fragen nach ihren Vornamen und nach ihren Berufen und Hobbys, wir trinken Brüderschaft. Nach dem Lockdown ist Köln weltweit und wir singen gemeinsam alles mit, was im Radio läuft. Wir gehen wieder raus und sehen auf einmal all die neuen Plakate, Veranstaltungen!

Weißt du noch, weißt du noch, und wir machen Fotos von den ganzen Plakaten und speichern sie ab und wollen überall hingehen. Freilichtbühne, bestuhlt oder unbestuhlt, Arena und Club und Privattheater, wir nehmen alles mit. Wir wollen in der ersten Reihe sitzen und jubeln, wir wollen die besten Plätze, genau das wollen wir und wir gehen immer schneller, weil wir noch etwas wollen, weil wir alles wollen, und zwar heute noch. Wir gehen zur U-Bahn, wir telefonieren dabei, wir gehen einfach das Adressbuch komplett durch und verabreden uns mit allen und für alles, wir lachen und reden und lachen immer mehr. Da, die Treppen runter zur U-Bahn, und wir hören sie unten schon einfahren, wir laufen jetzt, einmal wieder einer U-Bahn hinterherrennen und das Herz schlägt, wie das schlägt!

Wir stolpern über die vielen Einkaufstüten, wir fallen wie die Leute aus dem Stuntteam, nur ohne die geschickte Landung, aber sogar der Flug fühlt sich gut an, man wird davon erzählen müssen, denken wir noch, allen wird man davon erzählen müssen, da haben wir schon wieder ein Thema. Und wir brechen uns am Fuß der Treppe das Genick und sterben, so lebendig wie nie.

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Links am Morgen

Ein Phänomen, das die mir bekannte Jugend tatsächlich kennt und auch nutzt – chillige Lofi-Endlos-Session. Wired geht dem Trend nach. Bei mir wird währenddessen die Musik, die mich vermeintlich entspannt, immer schneller und wüster, was kommt eigentlich nach Tribal Techno? Egal, in absehbarer Zeit stelle ich mich aus Wellnessgründen einfach mal an der nächsten Baustelle neben einen rabiat ratternden Presslufthammer. Das hilft dann auch gegen Tinnitus, also zumindest für den Moment.

Und im Moment soll man ja leben. 

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Welcher Innenraum wie ansteckungsgefährlich ist. Das Theater ist also viel weniger bedenklich als die Schulen, entnehmen wir der Grafik da – vielleicht sollte man die Schülerinnen und Schüler einfach ins Theater schicken, oft und mehrfach, sämtliche Klassiker durch, Goethe bis Dürrenmatt, nicht unerhebliche Anteile des Deutschlehrplans wären damit doch ein für allemal gefixt. Alle hätten sogar Spaß, haha, okay, allein deswegen wird es nicht gehen, wo kämen wir da hin. Schon klar. Meine Güte, was bin ich gerade genervt von allem.

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Lassen Sie mich die Stimmung ansonsten mit dem Refrain des folgenden Stückes zusammenfassen. Passt schon. 

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Eine Dankespostkarte

Rückseite

Ich habe zu danken für die freundliche Zusendung eines Portemonnaies mit Mangaaufdruck, begierig in Besitz genommen von Sohn II, er lässt grüßen und findet LeserInnen super. Ferner gab es ein Buch für die Herzdame, nämlich die Mittagsstunde von Dörte Hansen. Den Roman kenne ich bereits, ich fand ihn großartig. Vielen Dank!

Vorderseite

Es ist nun leider so, es gibt eindeutigen Motivmangel. Ich sehe nichts mehr, die Aufmerksamkeit lässt nach, es sieht alles gleich aus, es hebt sich nichts mehr ab. Ich müsste viel weitere Kreise ziehen, um wieder etwas wahrzunehmen, aber ich komme hier ja nicht raus. Ich gehe unzufrieden durch die immer gleichen Straßen zum Einkaufen in die immer gleichen Läden, es sieht alles aus wie gestern und vorgestern, wie letzte Woche und wie im Monat davor. Die Schaufenster werden nicht mehr umdekoriert, wozu auch. Mir kommen jeden Tag die gleichen Leute wieder entgegen. Vielleicht sind es auch andere, vermutlich sogar sind es andere, aber ich merke nichts mehr. Ich sehe mich um, ich sehe nichts oder zu wenig. Ich muss mich konzentrieren, ich bleibe stehen und gucke gründlich.

Am Straßenrand eine Obdachlose, vor ihr der obligatorische Becher mit wenigen Münzen darin. Ein junger Mann bleibt neben ihr stehen und das Folgende kann ich Ihnen als unspektakuläre Postkarte nur anbieten, wenn Sie sich das Bild bitte mal eben comicartig vorstellen möchten. Es enthält zwei Sprechblasen, denn ohne Dialog klappt das nicht, es geht überhaupt nur um den Dialog. Eine Obdachlose also am Straßenrand, haben Sie die? Dazu noch ein junger Mann, vor ihr stehend, mehr Bild brauchen Sie gar nicht, Ihre Vorstellungskraft wird hier nicht großartig herausgefordert, möchte ich meinen. Der junge Mann sagt, jetzt bitte die erste Sprechblase: „Möchten Sie vielleicht etwas essen oder trinken, darf ich Ihnen etwas bringen?“ Genau so sagt er das, denken Sie sich ruhig ein Blümchen in die Sprechblase und eine ausgesprochen freundlich wirkende Schrifttype. Es ist ausgesucht höflich, wie er da formuliert, mit diesem herrlich oberkellnerhaften Dürfen im Satz, das hört man nicht mehr so oft. Darf ich ihnen etwas bringen? Das haben wir alle lange nicht mehr gehört, diese obdachlose Frau aber vermutlich noch viel länger nicht. Und sie guckt überrascht, lächelt dann erfreut und sagt in perfekt passender Tonart, jetzt bitte Sprechblase Nummer zwei: „Gerne, ein heißes Getränk wäre jetzt angenehm.“ Mehr nicht. Aber das war schon schön, das nehmen wir so.

Wobei ich hier noch einen kleinen Exkurs dranhängen möchte, am Beispiel des Comics, den Sie jetzt vielleicht tatsächlich im Kopf hatten. Da hatten Sie also diese Obdachlose und den jungen Mann, etwas Straße vielleicht, irgendwie Großstadt eben. Autos, eine Ampel, etwas in der Art, und diese zwei Sprechblasen. Den Becher, die wenigen Münzen, kurze Großaufnahme. Spannend könnte man jetzt finden, wie die beiden sprechenden Personen aussahen, denn das schreibe ich so gut wie nie. In diesem Fall kam nur „jung“ als nähere Beschreibung des Mannes vor. Wie sieht der Mann also aus? Es ist nämlich so, ich lebe hier in der Mitte der Großstadt. Der Mann sah vielleicht nicht so aus, wie Sie ihn sich gedacht haben. Er war vielleicht erheblich dunkelhäutiger, um nur eine Möglichkeit zu benennen, es gibt noch viele, viele andere. Ändert das etwas am Bild? Ich denke schon lange darauf herum, ich habe noch keine verbindliche Antwort für mich gefunden, was beim Erzählen richtig ist. Also nicht im Sinne von „korrekt“, obwohl das auch interessant ist, sondern im Sinne des nach meinem Gefühl richtig erzählten Bildes und der Assoziationen, die dann daran hängen. Es ist wirklich enorm kompliziert. Ich nehme an – aber das ist wirklich nur ein Gedanke – wenn Sie aus einer Gegend kommen, in der es kaum Menschen aus anderen Teilen der Welt gibt, wie es etwa im Heimatdorf der Herzdame der Fall ist, dann stellen Sie sich die Leute in meinen Szenen vielleicht nicht ganz passend vor. Könnte sein. Aber macht das denn etwas aus? Das ist nicht leicht zu beantworten. Da mal drüber nachdenken, wie der olle Kempowski gesagt hätte. Wenn ich all diese Menschen nämlich andererseits näher beschreiben würde, Sie würden sich manches vielleicht erst recht falsch vorstellen, in welcher Richtung auch immer. Das könnte auch sein, es ist nicht einmal unwahrscheinlich. Assoziationen sind ein wahres Teufelszeug, wenn es um Menschen geht.

Na, aber das nur am Rande. Ich verbleibe einigermaßen unentschlossen und beschreibe Ihnen weiter quasi Ausmalmenschen. Es kann sein, dass ich das richtig finde. Vermutlich ist es so.

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