Staub steigt auf

Die Wände wurden in zwei Räumen neu gestrichen, es lief alles großartig, pünktlich und wie geplant. Ein gutes Gefühl, es wurde endlich etwas erreicht. Ich trage gefühlte zehntausend Gegenstände zurück in die Küche, wie viele Flaschen Balsamico kann der Mensch besitzen, habe ich einen Kaufzwang oder was. Alles ausmisten, alles durchsehen, alles wegwerfen. Das ist ohnehin befreiend, das sollte man öfter machen. Aber wenn man dafür immer erst die Wohnung renovieren muss, das geht auf die Dauer ins Geld. Schlimm.

Ich trage eine leere Obstschale durch die Gegend und habe auf einmal deutlich im Ohr, wie meine längst verstorbene rheinische Verwandtschaft die genannt hätte, nämlich Schälschen, mit einem für norddeutsche Ohren ungewohnt klarem Ä. Ich höre das genau, es ist fast ein wenig unheimlich, so deutlich höre ich das, eine weibliche Stimme im Raum, obwohl ich gar nicht beschwören könnte, dass die Vokabel wirklich richtig ist. Hätten sie tatsächlich Schälschen zu der Schale gesagt? Ich denke doch und zack, höre ich es noch einmal, sehe ich Wohnungen vor mir, Gesichter, einen Frühstückstisch im Sonnenschein, einen Südbalkon, Häuser mit Fachwerk und Schiefer an den Wänden, alles längst untergegangen. Nein, die Häuser gibt es noch, nehme ich an.

Ich wische ein Regal ab, ganz oben. Es sieht da aus, man macht sich keinen Begriff. Die Herzdame und ich sind eher klein, die Söhne sowieso, ab etwa 1,80 Meter findet diese Wohnung für uns gar nicht statt, das bildet sich entsprechend ab. Sieht ja keiner! Mir fällt meine ebenfalls längst verstorbene Großmutter aus Lübeck ein. Wie sie mich einmal in meiner ersten eigenen Wohnung besucht hat, die natürlich nur ein Zimmer war, und zwar ein WG-Zimmer im Zustand der fortgeschrittenen jugendlichen Verwahrlosung. Weil Punk und Jugend und was ist schon dabei, dazu Alkohol und mir doch egal und die Liebe, die Liebe, man hat so Phasen. Und meine Großmutter sah sich um. Sie sah diese vermutlich filmreif heruntergekommene und vergammelte Bruchbude, sie sah leere Flaschen, volle Aschenbecher, herumliegende Platten und Kleidungsstücke, vor Tagen abgefressene Nudelteller mit Ketchupspuren, und sie bemerkte freundlich, sie war immer freundlich, nach einem langen Blick durch das ungelüftete Elend, ich könne doch wohl hier und da mal mit einem feuchten Lappen drübergehen.

Was einem so einfällt, während man die Möbel abwischt. Mit dem Staub steigt die Familiengeschichte auf, wer braucht Madeleines dafür. Ein feuchter Lappen tut es auch. Er passt in meinem Fall auch viel besser, in meiner Kindheit wurden keine Madeleines gereicht.

Plötzlich Hunger auf Bienenstich. Das war noch Kuchen mit Substanz.

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Karo Vier

Einmal einkaufen, alles drin. Nur anders, als man es erwartet. Das Kassensystem lädt nicht recht, die Kassiererin sagt: „Es geht nur Barzahlung, bitte keinen Karten, das klappt gerade nicht.“ Die Kundin sagt: „Das wollen wir doch mal sehen!“ Und stopft ihre Karte ins Lesegerät rein. Das ist so eine allgemeine Haltung gerade, nicht wahr? Das wollen wir doch mal sehen. Wenn Sie das und das machen, dann steigt das Infektionsrisiko … Das wollen wir doch mal sehen. Wenn dies, dann das … Das wollen wir doch mal sehen. Einfache Logik hilft nicht mehr weiter. Schade eigentlich, einfache Logik war oft gut.

Ein anderer Laden, die Kassiererin spricht mit einem abgehetzten Mann, sie fragt ihn, ob es denn beruflich wenigstens ruhig bei ihm sei, so kurz vor Ostern. Der Mann lacht laut auf und sagt, dass er im Krankenhaus arbeite, und ruhig, haha, da könne er aber lachen, könne er da, und er lacht immer weiter, ruhig, nee, nee, was eine Vorstellung!

Auf der Straße vor dem Laden gackerndes Jungvolk mit Bubble-Tea-Bechern in der Hand und Pokémon-Go auf dem Handy, vielleicht entwickelt sich jetzt alles zurück. Der Verstand, die Trends, die Moden, der Geschmack, einfach alles. In einem Kinderzimmer hier laufen dauernd Hits aus den Achtzigern, es passt alles zusammen.

Wenn du Bubble-Tea trinkst, dann ist das aber nicht gut für die Zähne. Das wollen wir doch mal sehen!

Unter einem Busch am Straßenrand liegt eine Spielkarte. Ich hebe sie im Vorbeigehen auf, es ist eine Karo Vier. Ich weiß rein gar nichts über Kartendeutung, ich lese das also erst einmal auf dem Handy nach, und guck an, Karo Vier ist super. Eine Sekunde später kommt schon eine sehr freundliche Mail, danke übrigens, die Dame liest mit. Dann noch eine Mail, auch die ist gut. Jetzt bei jedem Spaziergang nach Spielkarten gucken, warum auch nicht. Ich will nichts verpassen und suche eh dauernd irgendwas, Licht, Zeichen, Auswege, Szenen, Motive, Abwechslung.

Oder gleich Spielkarten selber verteilen, nicht immer so passiv denken! Porträt des Autors als selbstwirksamer Spielkartenverteiler. Ich habe den Joker übrigens immer sehr gemocht, also die Karte als Kind, noch bevor ich den aus dem Comic überhaupt kannte. Der ist eigentlich ein Narr, der auf der Karte, richtig? Das passt schon. Wissen Sie noch, wie Handke diesen Schwachsinn von sich gegeben hat, er käme von Tolstoi und Homer her? Ich komme eher von den Narren her. Ich komme von Engelbert dem Blöden her, falls Sie den noch kennen, der auf einen Haarkamm biss, Rattenfängerlieder blies.

Wie zum Teufel bin ich jetzt darauf wieder gekommen?  Ich habe nicht die leiseste Ahnung.

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Links am Abend

Hundert Jahre Einsamkeit

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Der Herr Glumm hat endlich ein Buch draußen.

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Auch Frau Novemberregen wundert sich über das Draußen.

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Eine große, schwere Elfe

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Über Virginia Woolf

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Wieder draußen gewesen

Vor Ikea – wir waren nicht bei Ikea, wir fuhren da nur vorbei – liefen zwei Austernfischer über das allmählich frühlingsfrisch aussehende Grün am Parkplatzrand. Austernfischer, die sehen nach Eiderstedt und Helgoland und Meer und Urlaub aus, gleich habe ich das Rauschen der Wellen im Kopf, wenn ich die sehe, gleich habe ich diesen Geruch in der Nase, Tang und Muscheln und See. Muscheln werden die Vögel vor Ikea sicher nicht finden, was essen die denn hier? Regenwürmer. Ich bin Beifahrer, ich lese Austernfischer selbstverständlich umgehend in der Wikipedia nach und stoße dabei auf das schöne Wort Wurmgrunzen. Ich bin davon sehr angetan, wobei die englische Variante des „Worm Charming“ doch etwas netter klingt. Wurmgrunzen, das hat so einen Stich ins Brutale, hören Sie das auch? Die neue Singer-Songwriter-Playlist ist das reinste Wurmgrunzen, auch als Beleidigung geht das problemlos durch.

Komm, wir gehen zum Wurmgrunzen, das klingt erst einmal nicht so einladend, glaube ich, in der Beziehungsanbahnung ist das vermutlich nicht vielversprechend. Man muss das im Kopf aber immer erst einmal etwas durchprobieren, so ein neues Wort. Meine Hobbys sind Sticken und Wurmgrunzen. Faszinierend, nicht wahr.

Neben Ikea der Baumarkt, da spielten wir zum ersten Mal dieses Click & Collect-Spiel, wir waren damit vermutlich recht late to the party. Ich finde das Prinzip großartig, denn ich mag weder volle Läden noch mag ich den Onlinehandel. Diese neue Erfindung ist für mich die perfekte Mitte, sie ist genau das, was mir immer gefehlt hat. Ich kann online aussuchen, ich kann zum Laden, wann immer es mir passt, die Ware wird mir fast wortlos herausgereicht. Gerne wieder, gerne nur noch so. Ich muss nicht mehr durch riesige Hallen gehen, sinnlos suchen und schließlich einen der stets fluchtbereiten Angestellten fragen, wo denn bloß die Schlumpfdengel liegen. Alle Produkte im Baumarkt klingen für mich wie Schlumpfdengel, pardon, und nein, ich weiß nicht was das ist, das ist ja das Problem. Nur online kann ich Schlumpfdengel einigermaßen sicher eingrenzen und finden.

Und niemand liefert uns bei Click & Collect etwas zur Unzeit nach Hause und klingelt, während ich dusche oder koche oder schlafe oder einen Call habe. Wenn ich es einmal komplett durchdenke, es gibt im Grunde keine Phase im Laufe des Tages, zu der es mir recht wäre, wenn hier jemand klingelt. Klingeln passt mir grundsätzlich nicht, Klingeln stört per definitionem. Eines meiner allerwichtigsten Erziehungsziele ist, dass die Söhne Schlüssel benutzen und endlich nicht mehr klingeln.

Und niemand hinterlegt bei Click & Collect ein Paket in einem dubiosen Laden in einer unbeleuchteten Seitenstraße am Rande des Viertels oder bei Nachbarn, mit denen man gerade aus Gründen nicht reden möchte. Ich bin sehr zufrieden, gar keine Frage. Es gibt auch keine Zufalls-und Beifangkäufe mehr! Das spart also sogar noch Geld, wie toll ist das denn.

Können nicht bitte alle Läden auch in Zukunft dauerhaft so freundliche und hocheffiziente Rausreichluken haben, ich wäre da ein verlässlicher Stammkunde.

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Ein, zwei Minütchen

Ein kleiner Beleg dafür, was ein Jahr Pandemie mit einem macht, also zumindest mit mir macht. Die Herzdame und ich waren am gestrigen Abend zu zweit, beide Söhne waren gründlich woanders. Wir haben auf der Fahrt nach Hause überlegt, wie lange wir wohl nicht mehr alleine waren, wie viele Monate wir schon nicht mehr kinderfrei hatten. Es muss zuletzt irgendwann im September oder August des letzten Jahres gewesen sein, darauf kamen wir nach intensiver Grübelei, und das ist lange, lange her und eigentlich schon nicht mehr wahr. Seitdem: Immer volle Besatzung hier, immer alle Mann an Deck, immer reichlich Leben in der Bude, Rückzug so gut wie unmöglich, störungsfreie Zonen nicht auffindbar. Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat. Repeat.

Das ist eine enorm lange Zeit, so lange haben wir das zuletzt in der Babyzeit erlebt, und in der findet man ja alles noch schön und interessant, also bestenfalls.

Wir schlossen die Wohnung auf und was ich jetzt erzähle, ist vielleicht ein wenig peinlich, vielleicht ist es aber auch nachvollziehbar, denn da wo Sie sind, da war und ist ja auch Pandemie, da waren und sind ja auch besondere Umstände und vielleicht haben Sie sogar auch Kinder und prinzipiell gerne einmal Ihre Ruhe, das könnte ja alles sein. Vielleicht sind Sie auch sonst ein verständnisvoller Mensch, warum sollte ich überhaupt von etwas anderem ausgehen. Jedenfalls gingen wir in die Wohnung und für einen kleinen Moment, sagen wir für ein, zwei Minütchen, ging ich in eines der leeren Kinderzimmer und dachte in geradezu seliger Begeisterung: „Wow, ein Zimmer nur für mich. Wie toll ist das denn.“

Und dann erst fiel mir ein, dass es vielleicht ein ebenso höflicher wie auch erfreulicher Plan sein könnte, den Abend mit der Herzdame gezielt in einem Raum zu verbringen, denn wir konnten ja endlich, endlich vollkommen ungestört und gänzlich enthemmt und sogar mit beliebigem Zeitverbrauch Erwachsenendinge tun. Also etwa die Buchhaltung machen oder Rechnungen schreiben oder was man so macht, wenn man nach langen Entbehrungen tatsächlich einmal nur zu zweit ist. Es kann dabei natürlich auch sinnlicher zugehen, man kann also, was weiß ich, auch das Essen für die nächsten Wochen planen oder was einem so einfällt. Entdecke die Möglichkeiten! Aber kurz, wie gesagt, ganz kurz wäre ich fast falsch abgebogen.

Das hat mit ihren Folgen die Pandemie getan.

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Mein Name sei Cornforth

Kaum erwähne ich im Blog einige Male lobend meine Rückzugs- und Abstellkammer und lobpreise die angenehme Ruhe dort, schon muss ein Sohn dauernd hinein, um dort Photoshop am großen Bildschirm zu lernen. Sein Zimmer ist jetzt also frei … ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.

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Die Wörter des Tages, ich pflücke die einfach aus den Nachrichten, sind Infektionsdrehkreuz und Beihilfegrenze. Während ich das Infektionsdrehkreuz gleich schön plastisch vor mir sehe und mal kurz überlegen muss, welches Drehkreuz mir mein Assoziationsvermögen da eigentlich genau präsentiert, Moment … es ist eines aus einer Schwimmhalle, denke ich. Aus der Dünentherme in Sankt Peter-Ording vermutlich, wobei meine Erinnerung die Ausschnittserweiterung seltsam hartnäckig verweigert, aber ich sehe jedenfalls dieses metallene Drehkreuz, ich weiß auch, wie es sich anfasst und es riecht darum herum eindeutig nach Chlor. Da in Zukunft also besser nicht mehr gegenkommen, es ist ein Infektionsdrehkreuz. Jetzt so abgespeichert, okay.

Die Beihilfegrenze ist dagegen ein typisches amtliches Hirntotwort, ich denke dabei nichts, gar nichts. Ich schalte einfach ab. Beihilfegrenze, sehen Sie, da steht nicht einmal etwas, Beihilfegrenze kann ich praktisch nicht von Weißraum unterscheiden. Schlimm.

 

 

Hier, da stand es gerade noch einmal, haben Sie es gesehen? Ich auch nicht.

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Am Morgen murmelt die Herzdame etwas von Fifty Shades, es wird dann aber gar nicht interessanter, es geht nur wieder um Wandfarben. Der Maler kommt, die beiden einigen sich in angeregtem Gespräch auf, so höre ich, die Farbtöne Cornforth White und Pavilion Gray. Lebe ich auf einem englischen Landsitz oder was. Und nein, wir haben keine Marketingbeziehung zum Hersteller der Farben, ich amüsiere mich hier honorarfrei, umsonst sowieso. Die Herzdame zeigt mir die beiden Farben auf einem Musterfächer. Ich sage, die sehen gleich aus, entnehme ihrer Reaktion aber, dass das die falsche Antwort war und halte mich daher wieder raus.

Ich werde in den Räumen, die in der nächsten Woche endlich frisch gestrichen sein werden, jedenfalls eine geradere Haltung annehmen, das wird zu den Farbtönen sicher passen. Vielleicht auch mal wieder ein Oberhemd tragen oder gleich Anzug, warum auch nicht. Mehr Haltung! Ich besitze im Moment gar keinen Dreiteiler, da mal nachbessern. Eine Krawatte umbinden, die Wand ansehen und dabei immer wieder „Cornforth White“ sagen. Einen Raum weiter gehen, betont affektiert „Pavilion Grey“ sagen. Der Wand anerkennend zunicken. Mich vor die Wand stellen und meine grauen Haare mit ihr harmonieren lassen, mein Name sei Cornforth. Ich mag den Namen, glaube ich. Kann ich bitte Maximilian Cornforth sprechen? Gerne Sie finden ihn im grauen Pavillon.

Ich glaube, das wird sehr schön.

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Ich bin der Meinung – das war Spitze

Im digitalen Familienkalender steht schon wieder etwas, ich könnte tagelang darüber lachen. Und zwar hatte die Herzdame eine nur ungefähre Erinnerung, ihr war kurz so, als müsse sie demnächst noch jemanden anrufen, vermutlich wegen eines Termins oder wegen was auch immer, einen Handwerker vielleicht, eine Ärztin, so etwas. Es fiel ihr hartnäckig nicht genauer ein, der Knoten löste sich auch nach längerem Nachdenken nicht. Der Mensch an sich hofft nun aber oft bis zum Schluss (noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf, so heißt es bei Schiller), daher wollte sie diesen vielleicht doch wichtigen Gedanken auch nicht gleich wieder fallen lassen, nur weil ein Name als sinnvolle Ergänzung fehlte. Immerhin war doch der Impuls eindeutig und klar, und sie notierte das schnell, was mir und meinen ewigen Predigten natürlich weit entgegenkam: Immer alles notieren. Weswegen jetzt im Kalender als wichtiges To-Do für heute steht: „Irgendwen anrufen.“

Ich denke da noch etwas drüber nach, während ich meine tägliche Wiedervorlage abarbeite: „Irgendwas schreiben.“

Passt schon.

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Nach einem ungeheuer anstrengenden Termin am Nachmittag fuhr ich in den Garten, nur um von dort zu Fuß nach Hause zu gehen, das ist eine sportliche Stunde Weg. Es war die Premiere in diesem Jahr, das kommt jetzt wieder öfter vor. Eine Stunde schnell gehen, das ist genau mein Sport, aber im Winter doch eher nicht. Im Garten sang die Heckenbraunelle besonders schön, und auf der Korkenzieherweide saß eine Schwanzmeise. Das sind die mit dem besonders langen Schwanz und mit dem Flug, der stark Wellengang hat und immer ein wenig nach „Juppheidi“ aussieht, fröhlich schunkelnd durch die Luft. Dazu Kohlmeise und Rotkehlchen, eine gute Besetzung, besonders nach der fatalen Artenarmut in den Vorjahren. Hat es sich vielleicht doch gelohnt, dass wir eine Hecke speziell für Vögel gepflanzt haben und ich noch im Herbst gestikulierend davor stand, hier bitte, eine Hecke, und ob jetzt gefälligst mal … na, vielleicht klappt es ja.

Vogelsang also, ich stand kurz und lauschte. Das helle Gezwitscher unterlegt von den rauen Rufen der Gänse. Kanadagänse waren es wohl, die gastieren an der Bille. Bassisten im Vogelkonzert.

Eine Rose habe ich gepflanzt, die habe ich auf dem Weg schnell im Discounter gekauft. Es gab nichts anderes und ich wollte unbedingt etwas pflanzen. Eine Zehnminutensache, eine pinkfarbene Rose. Es gibt so Tage, da muss unbedingt etwas in die Erde.

Ich ging durch die Kleingärten und von der Insel in die Stadt zurück, die um mich schnell immer dichter wurde, mehr Häuser, noch mehr Häuser, Autos, noch mehr Autos, es wurde dunkel, die Lichter gingen an, ich hörte wüste Musik und ich ging sehr schnell. Es wurde immer urbaner um mich herum, Menschen auf E-Scootern und E-Bikes und E-Skateboards, Joggerinnen und Jogger mit Blinkvorrichtungen am Kopf, Erwachsene mit Bierflaschen und Musikbox auf den Riesenschaukeln im Park und eine junge Frau kam mir spazierend entgegen, die trug unter ihrer neonfarbenen Sportjacke eine Bluse mit ungeheuer viel überquellender Spitze daran, das war, ich möchte mich da festlegen, Mode aus dem neunzehnten Jahrhundert. Auch Beforeigners gesehen? Wirkt sich die Serie tatsächlich modisch aus? Oder halluziniere ich nach Serienkonsum?

Ich habe dann genau aufgepasst, aber Menschen aus der Steinzeit sind mir nicht begegnet, auch keine Wikinger. Nur ein junger Mann mit einer Frisur aus den frühen Achtzigern fiel mir noch auf. Das kann schlicht ein Corona-Nichtschnitt gewesen sein, das kann ich also nicht gelten lassen.

Aber diese Bluse … vielleicht gucke ich doch lieber keine Serien.

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Die Optionen und die Wahl

Es ist alles etwas – nun ja – dümmlich, nicht wahr? Das ist vielleicht das richtige Wort. Dümmlich. Doch, der Begriff passt absolut zur Nachrichtenlage. Seit die Menschen alle FFP2-Masken tragen, wird alles nur noch in Tüten gesprochen. Eine Redewendung, die ich immer gehasst habe, ein äußerst unangenehmer Ausdruck. Gerne verwendet von gut bezahlten Menschen, die in Meetings irgendeinen unausgereiften Blödsinn absondern, jetzt mal in die Tüte gesprochen, haha, in der vagen Hoffnung, andere Menschen im Raum könnten diesen unappetitlichen Gedankensalat vielleicht nett und kompetent arrangieren, so dass es hinterher als brillante Idee präsentiert werden kann. Wir denken vollendeten Quatsch, aber es wird ja nur in Tüten gesprochen, dann macht das nichts.

Ich könnte mich schon wieder aufregen, meine Güte. Ich habe seit zwei Tagen ein unfassbar großes Verlangen, die Bildschirme anzuschreien, auf denen ich Nachrichten lese. Aber ich soll ja nicht. Contenance.

Und immer weiter atmen.

In der U-Bahn, ich erzähle Ihnen einfach etwas, das beruhigt mich vielleicht, in der U-Bahn sitzt ein junger Mann einen Vierer weiter. Ich fahre selten U-Bahn, aber an diesem Tag muss ich das tun, der Weg ist einfach zu weit, und es geht um einen medizinisch berechtigten Termin, Sie verstehen, so kommt man auch in diesen Zeiten zu einer U-Bahnfahrt. Komisch übrigens, dieses seltsame Gefühl, mich für eine U-Bahnfahrt rechtfertigen zu müssen, andere fliegen währenddessen einfach irgendwo hin, aber das nur am Rande. Der junge Mann also. Er hat sein Handy in der Hand und spielt eine Sprachnachricht ab, die kommt von einer Frau und klingt einigermaßen deutlich nach Bett. Gehauchte Stimme, räkelnd lockender Tonfall, angedeutetes Stöhnen, also wirklich, man staunt, da wird es wohl zur Sache gehen. Die Sprache verstehe ich nicht, aber der Mann spielt die Nachricht so oft ab, ich könnte in der Zeit glatt etwas lernen.

Dann steckt er das Handy weg und holt eine Flasche Rasierwasser aus seiner Sporttasche. Und besprüht großzügig seine Frisur. Dann sein Gesicht. Dann seine Hände. Er lüftet seinen Pullover an und besprüht auch seinen Oberkörper, dann hält er die Flasche weit auf Abstand und nimmt sich den Rest des Körpers vor. Er hört einfach nicht auf, es geht immer so weiter und der Duft in der U-Bahn ist ein schönes und leicht verständliches Lehrstück über Aerosolverbreitung. Aerosolverbreitung, so lernen wir, geht schnell und reicht weit, das steht schnell fest.

Die paar anderen Passagiere weichen entsetzt zurück, wechseln Plätze, aber wohin soll man gehen, zu nahe will man sich ja auch nicht kommen und die nächste Station ist noch weit und der Kerl sprüht und sprüht. Man steht verunsichert im Gang herum wie in einem blöden Psychoexperiment, was werden sie wählen?

So nämlich geht es zu da draußen. Also wenn man denn einmal rausgeht, was ich kaum noch mache, dann geht es da so zu. Will man denn überhaupt noch dahin, in dieses Draußen?

Draußen die Irren, drinnen die Nachrichten. Das sind so die Optionen. Hat man eine Wahl? Ein echter Krieger hat immer die Wahl, das haben sie in dieser Serie gesagt, Beforeigners. Soll mir das etwas sagen?

Nein. Wo kommen wir da hin, wenn uns Dialogfetzen aus Serien etwas sagen, dann ist die Wahrheit am Ende auch noch irgendwo da draußen und wir fahren mit der U-Bahn hinterher.

Ich gehe besser wieder in meine Abstellkammer. Vielleicht sogar ohne Geräte mit Bildschirmen.

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Links am Morgen

Schnelltestoffensive, Impffront, Impfdosenbörse, Blitzlockdown, Klassenarbeitsersatzleistung. Pardon, ich dachte nur gerade, ich sollte mir diese feinen Begriffe irgendwo notieren, bevor ich sie wieder vergesse, sie sind doch recht beeindruckend. Die stehen hier jetzt allerdings zusammenhanglos herum, mehr Zeit habe ich gerade nicht, es ist einfach kein Text zu schaffen. Schlimm.

Die neulich an dieser Stelle empfohlene Serie Beforeigners haben wir jetzt, das noch schnell als Update und wie der Nachwuchs sagen würde, weggesuchtet. Wussten Sie, dass man auch andere Nomen auf diese Art zum Verb biegen kann? Dass also etwa eine Frau, die in einem Krimi verängstigt auf einem Bett liegt, herumliegt und angstet? Das fand ich auch interessant.

Aber egal. Jetzt wollen wir erst einmal durch den Werktag stoizieren. 

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Alarmstufe Beige

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Test am Arsch

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Nun halten es die meisten Eltern für unverantwortlich, sich zwischen Gesundheit und Bildung zu entscheiden, ohne dabei einem von beidem gerecht zu werden.

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Links am Morgen

Eine Meldung ans Gesundheitsamt erfolgt auch bei positivem Test nicht – stattdessen sollen die Kinder zum Hausarzt gehen und einen PCR-Test machen. Tun sie das nicht.. nun… dann tun sie das nicht.

Das klingt wie ein Scherz, aber der Text tut dann doch ein wenig weh. To say the least.

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Und hier, es wird nicht besser:

Das war schon ein bisschen abenteuerlich, mit den Schülerinnen und Schülern die Selbsttests durchzuführen. Eine wirkliche Möglichkeit zur Vorbereitung gab es nicht. Es wurde auf die Bedienungsanleitung verwiesen und eine Website des Schulministeriums. Wie so ein Test-Kit aussieht musste man sich selbst ergoogeln und hoffen, dass es das richtige ist.

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Und by the way: Das hier.

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Uns regiert ein zunehmend unsichtbarer Kopf. Der Text enthält auch einen Satz, der zu den neuen Beschlüssen passt: “Es kommt nicht mehr zur Willenskonzentration des Staates.”

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