Kleine Anmerkung zur Adventszeit

“Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da sollen sie eine Weihnachtsfeier ausrichten, eine Nikolausfeier und auch eine Adventsfeier. Und sie sollen Adventskalender alle Art verfertigen und sich des Wichtelns erfreuen und viele sonstige Aktionen ersinnen.”

So oder so ähnlich muss es in irgendeiner heiligen Schrift stehen, ich kenne mich da ja kaum aus, ich erlebe nur die Auswirkungen und habe einen Vorschlag dazu, nämlich den Vorschlag eines fünfjährigen Neins. Die Idee kam mir gestern am aus Kindersicht schon späteren Abend, als ich gegen halb neun noch mit dem Online-Mathe-Adventskalender, kein Scherz, aus dem Gymnasium kämpfte. Die Seite lief nicht richtig und als sie dann doch lief, erschien uns eine elend lange Textaufgabe, die nicht in zehn Sekunden zu lösen war, nein, für die man sich auch noch erst einmal hinsetzen musste, mit Zettel und Stift und allem. Kurz davor war die ichweißnichwievielte Einladung zu irgendeinem Feierding per Mail gekommen, zu irgendeinem weiteren Besinnlichkeitsbooster eben, man guckt ja kaum noch genauer hin, so viele kommen davon.

Deswegen möchte ich vorschlagen, dass wir allen Menschen, die eine vermeintlich originelle Idee für einen weiteren Adventskalender haben, für eine wie auch immer geartete Weihnachtsaktion, für eine wie auch immer benannte Feier im Dezember, dass wir also allen, die auf irgendetwas in der Art kommen und dann an uns mit diesem leicht irren Leuchten der Organisationsfreude in den Augen eine Frage richten à la “Könnten wir nicht …”, gefolgt von ihrer wunderbaren Prachtidee, dass wir diesen Menschen ihre Fragen bitte alle kategorisch, laut und deutlich mit Nein beantworten. Etwa fünf Jahre lang.

Und dann, wenn diese fünf Jahre vergangen sind, dann macht eine dieser Ideen vielleicht wirklich mal wieder Spaß. Aber bis dahin – nein. Einfach nein. Zu viel ist zu viel.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Zwei Herren mit Zylinder

Würde der Dichter heute leben, er wäre gewiss auch Blogger.” Über die Fontanisierung Brandenburgs. Im Rahmen des Wiederleseprojektes komme ich dann im Laufe des Winters auch noch bei Fontane vorbei, nächste Ausfahrt Stechlin. 

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Auch in Australien schwänzen die Schüler fürs Klima. Das wird weltweit noch größer werden, nehme ich an.

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Der Dickens von gestern beschäftigt mich noch etwas, auch das Gespräch mit Sohn I über den Nebel in der Weihnachtsgeschichte, denn da kriege ich doch glatt Lust, wieder mehr zu beschreiben. Wofür ich allerdings erst einmal das Haus verlassen müsste, ich sehe ja sonst nichts von der Stadt und der Welt. Da fangen die Probleme also schon an, kaum dass ich einen halben Satz gedacht habe. Schlimm.

Aber wissen Sie was, ich bin am Abend nach dem Kinofilm über Charles Dickens noch etwas durch unser kleines Bahnhofsviertel gestrolcht, ziellos und nur aus Prinzip, der Mensch braucht ja angeblich Bewegung – da kommen mir in einer kleinen Seitengasse zwei Herren in viktorianischer Kleidung entgegen. Also im Ernst jetzt, nicht zum Zwecke einer Pointe ersonnen und auch nicht dem Alkohol geschuldet, ich war stocknüchtern. Die beiden waren also aus weiß der Kuckuck welchen Gründen kostümiert, mit Zylinder und Weste und Uhrenkette und allem. Selbstverständlich denke ich so etwas augenblicklich mit dem gerade konsumierten Film zusammen, das geht ja gar nicht anders, das drängt sich auf, das wäre Ihnen auch so gegangen. Ich gehe die zehn Schritte an diesen Herren vorbei also auf einmal durch ein historisches London, so fühlen sich Dimensionslöcher an, auch interessant. Denn es ist ja so, wie in diesem Blog schon mehrfach festgestellt: Es gibt gewiss gar keine bedeutungsvollen Zufälle, das wissen wir im Freundeskreis Aufklärung und Logik ganz genau, aber man kann sie mit Geschichten doch geradezu erschreckend gut herbeizaubern.

Ich hätte den Herren nachgehen sollen, was? Zu spät.

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Am Morgen des Montags ist es unziemlich warm für Dezember, dazu schüttet es unaufhörlich, ein fast vergessener Anblick und ein ungewohntes Geräusch. Regen, der Blasen wirft, das gibt es ja heute kaum noch. Wenn der Regen Blasen wirft, so hieß es in meiner Kindheit immer, dann hört er gleich wieder auf. Das hat schon damals nicht gestimmt, das stimmt auch heute nicht, es regnet immer weiter, und wie es regnet. Die Menschen steigen nass, fluchend und schwitzend in die S-Bahn zum Arbeitsplatz, feuchte Winterjacken, tropfende Schirme und zerstörte Frisuren, dazu ein Geruch wie seit drei Wochen nicht gelüftet. Mir gegenüber löst ein Mann mit einem Kugelschreiber Kreuzworträtsel in einer Zeitschrift, das Blatt ist nass und die Schrift daher kaum zu lesen, verlaufende Spuren von blauen Buchstaben. “Großer Rätselspaß” steht über der Seite und der Mann sieht überhaupt nicht, also wirklich nicht im allergeringsten so aus, als hätte er auch nur ansatzweise Spaß, er sieht eigentlich auch nicht so aus, als hätte er jemals irgendeinen Spaß gehabt, nicht an diesem Morgen, nicht gestern, nicht in den letzten Jahren. Unglücksrabe mit elf Buchstaben senkrecht: Werktätiger.

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Im Büro steht ein Kollege in der Küche am Fenster, sieht hinaus auf den dunklen Hof und schimpft über das Wetter, weil er dabei keinen Sport machen kann. Ich lobe das Wetter, weil man so gut dabei lesen kann. Dann sehen wir uns an und respektieren freundlich unsere Fremdheit, wozu wir sehr schlechten Kaffee trinken.

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Im Supermarkt am Nachmittag:

Kundin: “Stehen sie an der linken oder an der rechten Kasse an?”

Ich: “Ich stehe links. Immer schon.”

Kundin: “Und zu Weihnachten besonders? Das ist recht so, junger Mann!”

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Beim Kinderarzt gehört:

“Ich möchte auch wie du von Ast zu Ast springen, sagte der Elch.”

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In einer U-Bahn sitzt mir ein Rentnerpaar gegenüber. Er redet unaufhörlich leise schimpfend vor sich hin, sie legt ab und zu eine Hand auf sein Knie und lächelt verbindlich. Als ich mich zu ihnen setze, erklärt er gerade, dass sie das – was auch immer, das habe ich verpasst – zu DDR-Zeiten noch in Mülltonnen verbrannt hätten. Er spuckt jedes Wort aus, so wütend ist er. Verbrannt hätten sie das! Verbrannt! Wie den anderen Müll! Er hat ein Problem mit dem Magen, er muss dauernd aufstoßen, es klingt ein wenig so, als würde er seine Wut hinausrülpsen. Also regelrecht verpönt war das jedenfalls – was auch immer, ich erfahre es nicht – damals in der DDR. Verpönt! Er sagt, dass jetzt ja alles ein Saftladen sei, ein elender Saftladen! Und der könne ruhig zusammenbrechen, alles könne ruhig zusammenbrechen, oder nein, noch besser, es solle sogar ruhig zusammenbrechen. Er nickt jetzt heftig und bäuert mehrmals nacheinander. In dieser Stadt hier, so sagt er, seien genau eine Million Menschen über, eine Million! Er sieht mich dabei an und ich habe das unangenehme Gefühl, dummerweise auch zu dieser Millon zu gehören, nicht zum auserwählten Rest, der sich durch was auch immer auszeichnet, vielleicht durch Magenprobleme.

Die Frau sieht mich ebenfall an, lächelt und schüttelt ganz sacht den Kopf. Nett sieht sie aus.

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Der richtige Nebel

Die ganze Familie war im Kino, “Charles Dickens – der Mann, der Weihnachten erfand”, ein Film über die Entstehung seiner Weihnachtsgeschichte. Wer schon jemals Geschichten geschrieben hat, wird an dem Film mit Sicherheit einen ganz eigenen Spaß haben, alleine die Szene, in der die Figuren des Buches unzufrieden im Arbeitszimmer des Dichters sitzen, ihn kritisch ansehen und an der Handlung herumnörgeln – schon schön. Und Christopher Plummer als Scrooge ist eine hervorragende und äußerst passende Besetzung.

Sohn II: “Ich fand den Anfang des Films gut und das Ende und alles dazwischen. Dass mit dem kleinen und kranken Tim fand ich bewegend, und dass mit den Armen war sehr traurig. Es ist aber richtig, so etwas in Filmen zu zeigen, damit man auch an die Armen denkt und sich Mühe gibt, gut zu sein. Oder besser zu sein. Ich war noch nie in einem so traurigen Film, aber ich finde es jetzt sehr toll, dass ich ihn gesehen habe.”

Sohn I: “Ich fand das auch gut, dass Charles Dickens sich für Arme engagiert hat und ich sehe gerne Filme, die in älteren Zeiten spielen, mit den Kostümen und Kulissen und so, das finde ich interessant. Der Film ist ab etwa zehn oder elf Jahren geeignet, für Erwachsene ist er aber auch gut.”

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Den Band von Orwell lese ich nicht zu Ende, der ist mir gerade zu negativ. Die Wiederlesewahrscheinlichkeit ist außerdem gering, der kann also weg. Jetzt kommt ein nicht ganz so bekannter Huxley, sein erster Roman: “Eine Gesellschaft auf dem Lande”. Aus dem Englischen von Herbert Schlüter.

Nebenbei wird auf vielfachen Wunsch abends im Kinderzimmer die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens vorgelesen, das ist nach dem Film natürlich naheliegend. Und wie Sohn I ganz richtig feststellt: “Der konnte ja mal richtig gut beschreiben.” Wir haben uns darüber noch etwas unterhalten und gemeinsam festgestellt, dass etwa Nebel, der in einem Buch beschrieben wird, nur richtig gut dargestellt ist, wenn man beim Lesen die Decken unwillkürlich fester um sich zieht. Und es nebelt sehr in der Weihnachtsgeschichte.

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Zur optimalen Nutzung des Dezembers, heute der Stimmungspart. Ich war mit Sohn I an einem Abend in der Hamburger Innenstadt, Weihnachtsmärkte gucken. Die Straßen waren noch brechend voll, ungeheure Menschenmassen in den Läden und an den Ständen. Wir hatten uns vorher gegen die sauteuren Verlockungen der Buden immunisiert, indem wir uns höchst clever schon zuhause mit Lebkuchen vollgestopft haben, danach geht man ganz entspannt sogar an Crêpeständen vorbei, an denen die Preise übrigens um teils zwanzig Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind, man kann nämlich überall Mathe üben.

Weder der Sohn noch ich sind große Freunde von Menschenmassen, er sieht aufgrund noch mangelnder Größe zwischen all den Leuten nichts, ich bekomme im Geschiebe Rückenschmerzen und wilde Sehnsucht nach der Hegloländer Düne im Winter oder nach irgendwelchen anderen Flecken, die weitgehend frei von menschlichen Besuchern sind. So schoben wir uns also so schnell es nur ging durch die Spitaler Straße, warfen einen Blick auf den Gerhart-Hauptmann-Platz und auch auf die Buden vor der Kirche in der Mönckebergstraße, was da alles so am Weg lag. Wir gingen an den religiösen Spinnern vorbei, die mitten im Gedränge versuchten, die Massen zu missionieren, immerhin wurden sie dafür nicht mit Pfeil und Bogen erlegt wie auf gewissen Inseln.

Die ersten Geschäfte waren schon geschlossen, in den Eingängen bauten Obdachlose sorgsam ihre Betten aus Isomatten und Kartons und Schlafsäcken, während Menschen mit prallvollen Einkaufstüten buchstäblich noch über sie hinüber stiegen, da wurde wieder kein Klischee ausgelassen, reiche Stadt, arme Stadt, die Themen von Charles Dickens laufen immer noch. Am Rande der Weihnachtsmärkte saßen Menschen mit neongelben Westen auf den großen Lastwagensperren aus Beton. “Security” stand hinten auf ihrer Dienstkleidung, sie saßen da und rauchten und sahen auf ihre Handys. “Schön”, sagten wir, “sehr besinnlich hier!” Dann eilten wir weiter, denn wir mussten noch zum Rathausmarkt, vor dem wir dann Hand in Hand stehenblieben und eine ganze Minute lang auf das großflächige Gewimmel und das vielfältige Leuchten und Blinken sahen und auch auf den Klangbrei aus den besten Weihnachtsliedern der 60er, 70er, 80 usw. lauschten.

“Ungeheuer stimmungsvoll”, sagte ich. “Voll schön”, sagte der Sohn und dann gingen wir wieder nach Hause.

Die Sache mit den Weihnachtsmärkten haben wir dann jetzt erledigt, ich vermute sogar in Bestzeit.

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Noch einmal vielen Dank für die Zusendung des Saatgutadventskalenders, der ist ja auch noch richtig dekorativ! Stark.

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In freier Natur

Obwohl es in den letzten Wochen viel zu wenig regnete, blieben uns doch immerhin die Dunkelheit und auch das große Grau, die lieferte der November verlässlich wie eh und je. Und die beiden reichten mir dann auch, um nicht rauszugehen, um noch mehr zu lesen als sonst, um einfach sitzenzubleiben. Ich finde, das gehört im November so, das ist quasi die saisonale Leitkultur. Gegen Ende des Monats fiel mir dann wieder auf, was mir in jedem November irgendwann auffällt, nämlich dass ich von der Natur und dem anderen Zeug da draußen nicht viel mitbekam. Eine Denkfalle, da kann ich noch so alt werden, jedes Jahr falle ich auf diesen Unsinn herein und denke, ach, denke ich, du könntest ja mal in die Natur. Am Ende ist es schön da, du könntest dich in den Vorjahren ja getäuscht haben oder mittlerweile empfänglicher für gewisse subtile Reize sein, für Zwischentöne im Grau und im Matsch oder so, man entwickelt sich doch weiter.

In diesem Jahr habe ich aber eisern durchgehalten und war erst am 1. Dezember in der Natur. Der 1. Dezember ist allerdings vom letzten Tag des Novembers anhand der Signale in der Natur nicht zu unterscheiden, der 1. Dezember ist im Grunde auch nur ein weiterer Novembertag mit mehr Lichtern und Deko.

Wir haben einen Tannenbaum geschenkt bekommen, das war eine Werbeaktion aus dem Kontext meines Bürojobs, wie auch schon im letzten Jahr. Einen Tannenbaum, den wir selber absägen oder umbeilen konnten, letzteres die Wortwahl von Sohn II, stolzer Beilinhaber. Das fand statt auf einem Erdbeerhof vor den Toren der Stadt, was nicht unmittelbar einleuchtet, aber gut, die müssen da auch sehen, wie sie im Winter über die Runden kommen, deswegen verkaufen die da Tannen und Weihnachtsdeko und das ganze Zeug. Und zwar verkaufen sie das, um noch eben eine alte Frage aufzuklären, die sicher viele Menschen beschäftigt, aus diesen erdbeerförmigen Erdbeerverkaufshäuschen heraus, womit wir jetzt also wissen, was mit denen im Winter passiert. Man schiebt einen Grill hinein und verkauft dann Bratwürste aus ihnen, man hängt Glitzerkugeln in sie und verkauft Dekoklimbim mit Winterbezug. In einem Erdbeerhäuschen saß einfach nur ein Mann und wartete darauf, die frisch gefällten Tannenbäume der Kunden einzunetzen, in einem anderen saß jemand und kassierte irgendwas. Es gab mal diesen berühmten Tweet von irgendwem, in dem gefordert wurde, dass alle Artikel des täglichen Bedarfs aus Erdbeerhäuschen heraus verkauft werden sollten – man muss nur einen großen Erdbeerhof im Winter besuchen, um sich ein Bild davon zu machen. Die Erdbeerhäuschen aber, die trotz aller Kreativität und Marketingraffinesse nicht gebraucht wurden, die hatten sie hinter dem Hof schräg an eine Scheunenwand gestellt, schräg, damit Regenwasser aus ihnen ablaufen konnte. Sie sahen aus wie die ausrangierten Gondeln einer riesigen Jahrmarktattraktion, ein wirklich schlimmer Novemberanblick, trost- und hoffnungslos, lieblos abgeräumte Spaßbuden, ausrangierte Reste des Sommers.

 

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Auf der Fahrt zum dem Erdbeerhof, ich habe etwas ausgelassen, pardon, kamen wir am Ahrensburger Schloss vorbei, dem die Söhne zu meiner Überraschung sofort attestierten, nicht schön zu sein. Das haben wir eine Weile diskutiert, denn ein garstiges Gebäude ist es nun auch nicht gerade, finde ich, da würden mir ganz andere Beispiele einfallen. Das mündete dann in der bemerkenswerten Feststellung der Söhne, die Herzdame und ich würden eindeutig besser aussehen als das Schloss da. Ein vielleicht etwas anstrengender Vergleich, aber man nimmt doch gerne alle Komplimente mit, die man noch kriegen kann.

Was ich aber eigentlich sagen wollte, auf diesem Erdbeerhof stand ich also eine Weile unter freiem Himmel in der Natur herum, vor mir Wiesen und landwirtschaftliche Nutzgebäude, junge Tannen und abgeerntete Felder unter einem wie immer grauen Himmel, in der Ferne Streusiedlungen, über den Bäumen zwei, drei Saatkrähen, das war ein beliebiges Stück Schleswig-Holstein in der Nebensaison. Und schön war das nun nicht, Natur hin oder her. Sondern einfach ziemlich farblos und tendenziell fürchterlich langweilig, sogar das Grün der jungen Tannen wirkte eher schmuddelig als attraktiv, es war insgesamt ein Anblick, der nicht zu stundenlangen Spaziergängen verlockte, es war insgesamt ein Anblick, nach dem man sehr gut wieder irgendwo reingehen konnte, etwa um in Ruhe zu lesen. Was sollte man verpassen?

Und so habe ich dann doch noch zumindest im Nachhinein die Bestätigung bekommen, den November richtig verbracht zu haben. Auch nett.

Wie man aber den Dezember richtig verbringt, das erarbeiten wir uns dann in Kürze.

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Genug vom Land. Jetzt herumhängende Musiker in Berlin.

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Alte Tricks und Rituale

Die Rede vom Herrn Meyerhoff zum Jonathan-Swift-Preis, ich mochte die Stelle mit den Katzenklos (via Isa).

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Ich finde es bemerkenswert, dass die Schlagzeile bei diesem Artikel nicht “Da hängt ein Pferd auf dem Flur” lautet. Sicher war es ganz knapp, ich kann es mir einfach nicht anders vorstellen.

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Was Greta macht, das ist richtig und wichtig. Sagt Sohn I, dessen Meinung dabei viel wichtiger als meine ist.

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Dirk von Gehlen hat Thomas Bauer gelesen, das habe ich auch vor einiger Zeit, der Herr Bauer war der mit der Mehrdeutigkeit. Gutes Buch. Und guter Artikel darüber.

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Ertüchtigung.

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Im Vorbeigehen gehört: “Mama hat einen Job und wieder genug Taler, Mama kauft dir jetzt einen Burger.”

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Ich lese weiter in George Orwells Erzählungen, die finde ich aber wegen des schon wieder grauenvollen Inhalts – gerade wird ein Elefant erschossen, und das dauert auch noch seitenlang, gleich danach wird dann ein Mann gehängt – etwas anstrengend, allmählich könnte ich ein entspannteres Setting vertragen, in dem seelisches und sonstiges Leid bitte weniger hingebungsvoll zergliedert werden. Mal sehen, was ich mir da nach diesem Buch zur Erholung aussuche. Etwas Keyserling vielleicht?

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Wir haben Weihnachten aus dem Keller geholt und den Söhnen gesagt, dass hier nur dekoriert wird, wenn die Wohnung in jedem Winkel allerschönstens aufgeräumt und geputzt ist. Und siehe, es kam ein großer Fleiß über sie, dass es den Eltern eine helle Freude war. Sie sind manchmal immer noch gut, die alten Tricks.

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Apropos Weihnachten, der Dezember besteht bei mir mittlerweile aus einer ganzen Reihe von durchritualisierten Posts und Tweets. Jedes Jahr überlege ich, ob das einfach mal lassen sollte, ob es nicht mal gut ist? Dann wieder denke ich, dass Rituale oft unterschätzt werden, sie geben immerhin Halt und Sicherheit und manche Menschen freuen sich tatsächlich etwas wiederzuerkennen, wenn es noch etwas gibt, das bleibt. Der Beschluss für dieses Jahr lautet also erst einmal, dass noch eine Weile weiter mache, Sie und ich wissen damit natürlich jetzt schon, was ich am letzten Tag des Monats posten werden – wenn uns nicht vorher der Himmel auf den Kopf fällt.

Stellen Sie sich bitte einfach vor, wie ich am Morgen des 1. Dezembers den obligatorischen und nun theatererfahrenen Bademantel zurechtrücke, die Schultern durchdrücke und dem Monat dann durchseelt von einem ganz besonderen Pflichtbewusstsein entgegenblicke.

You may now serve the playlist:

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Trinkgeld November 2018, Ergebnisbericht

Jojo hat von seinem Geld Pokémonkarten – die hier plötzlich wieder en vogue sind – gekauft und außerdem einen Kugelschreiber in Kaktusform. Die Söhne können von ihrem Geld übrigens kaufen, was immer ihnen beliebt, also abgesehen von Drogen usw., nach denen es aber ohnehin noch keine Nachfrage gibt, ich rede ihnen da jedenfalls nicht hinein. Sollen sie ihr Geld ruhig für vollkommen sinnlose Kaktuskugelschreiber und dramatisch überteuerte Karten verschleudern, wer wäre ich, da zu urteilen, das ist okay. Doch, doch.

Johnny hat sich mehrere Level-Updates zu der App Birdcage gekauft, die ich übrigens für empfehlenswert halte, das ist ein sehr hübsch gemachtes Rätselspiel, das können Sie Ihren Kindern ruhig auch mal zeigen. Oder selber spielen, schon recht. Außerdem kaufte der Sohn Kuchen in größeren Mengen. 

Beide Kinder haben auf dem Hamburger Dom diverse Fahrgeschäfte leserinnefinanziert besucht und lassen dafür ganz besonders danken, während ich übrigens dem Himmel danke, dass die beiden seit diesem Jahr bei allen Fahrgeschäfte ohne erwachsene Begleitung mitfahren können. Ein großer Entwicklungsschritt.

Jojo und ich haben ferner den Eintritt in “Johnny English – Man lebt nur dreimal” von dem Hutgeld bezahlt und für die ganze Bande gab es noch den Eintritt zum Barcamp Hamburg, dieser Besuch gehört für die Söhne fest zur Jahreszeit.

Das Buchgeld verwendete ich in diesem Monat für den Kahneman: “Schnelles Denken, langsames Denken”, und das war eine gute Wahl. Ich lese immer noch darin, es ist eine lehrreiche Lektüre, wie bereits berichtet.

Die Herzdame hat, so sagt sie, so dermaßen viel gearbeitet, dass sie gar keine Zeit zum Geldausgeben hatte, das macht sie jetzt im Dezember. Da wir anderen drei die Herzdame im November auch kaum gesehen haben, ist das vermutlich sogar die reine Wahrheit.

Noch einmal, herzlichen Dank!

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Über die Herkunft

Ich hatte bei den Wanderberichten einmal erwähnt, wie aus meiner Sicht mit der Herkunftsfrage im Alltag umzugehen ist, das war eine Thema, das im Sommer kurz in den sozialen Medien eine Rolle spielte. Und ich schrieb da, dass man Reisende immer fragen darf, wo sie herkommen, aber alle anderen lieber nicht. Ganz einfach. Weil, falls das noch einmal erklärt werden muss, auch der Mensch, der irgendwie vermeintlich so aussieht, als sei er ferner Herkunft, seit zwei oder drei Generationen aus Bochum kommen kann – und wenn das so ist, dann ist die Frage nach der Herkunft natürlich ebenso abwegig wie nervtötend wie ausgrenzend, das kann man sich leicht vorstellen, das kann man leicht lernen und auch anwenden, etwas gute Absicht vorausgesetzt, und die haben wir ja alle.

Wie leicht man dennoch in alte Denkmuster zurückfällt, habe ich bei diesem Grundschulfest gestern gemerkt. Da stand ein kleines Mädchen auf der Bühne, ich werde gleich mal einen neuen Namen für sie erfinden. “Ich bin Lucy, sagte sie, “ und ich komme aus …” woraufhin sie sich vor Aufregung etwas verhaspelte und erst einmal Luft holen musste. Das war nur eine ganz kleine Pause, einige wenige Sekunden, aber ich merkte doch, wie mein vorschnelles Hirn schon einmal passende Länder in den Satz einsortierte, Vietnam oder so, passend zu ihrem Aussehen eben, man glaubt gar nicht, wie schnell das Hirn da sein kann, nach nur einem einzigen Blick. Das Mädchen holte dann noch einmal Anlauf und Luft: “Ich bin Lucy, und ich komme aus der 4b.”

Woher man eben so kommt, wenn man in einer Hamburger Grundschule auf der Bühne steht. Normal. 

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Präsent, alltäglich und gewöhnlich

In der Grundschule gab es eine Feier, das bringt die Jahreszeit so mit sich, es gibt überall gerade Feiern. Da war auch ein Vater anwesend, der sonst noch nie da war. Es ging ein Raunen durch die Kinderschar, schon  als er hereinkam, das ist er, das ist er. Denn der Herr ist nicht irgendwas, der Herr ist Profifußballer. Also ganz in echt, wie die Kinder jetzt ergänzen würden. Also so richtig! Der spielt für Geld. Das muss man sich mal vorstellen! Es bildete sich sofort eine kleine Schlange von Kindern, die ein Autogramm haben wollten. Das sahen wiederum andere Kinder, die dann, logisch, auch ein Autogramm haben wollten, was wiederum andere Kinder sahen – und immer so weiter. Der Mann lachte, als es mehr und mehr Kinder wurden, der Mann lachte und unterschrieb, was man ihm alles hinhielt, Hefte, Zettel, Arme, T-Shirts, frisch gebastelte Weihnachtssterne und Servietten und Mitteilungshefte. Es kamen immer noch Kinder, die erst in der Schlange erfuhren, worum es überhaupt ging, aber wenn da alle Kinder stehen, dann wird das ja schon einen Grund haben.

Ich fragte irgendwann, für welche Mannschaft der Herr denn überhaupt spielt, das konnte mir allerdings niemand beantworten, das war in der Schlange gar nicht bekannt, und das war auch nicht so wichtig, irgendein Profifussballer eben. Aus dem Ausland! Es wurden drei Länder genannt, eines von denen! Oder aber ein anderes! Ich fragte den Sohn des Sportlers, den strahlenden Sohn, der endlich auch einmal seinen Papa dabei hatte, seinen Papa, der doch sonst immer weg ist, richtig weit weg und auch richtig lange weg. Der Sohn brachte es dann vor lauter Aufregung auch nicht raus, aber egal, ein Profifußballspieler eben. Und sowieso egal – sein Vater! Guck mal! Der Vater lachte und schrieb und lachte und schrieb.

Die anderen Väter und ich waren erst einmal abgemeldet. Wir überlegten dann, ob wir uns nicht vielleicht auch lieber einen Job im Ausland suchen sollten, um wenigstens einmal solche spektakulären Beliebtheitswerte beim Auftauchen zu erreichen. Allerdings sind wir größtenteils schon aus dem Profifußballeralter raus und ein beliebiger anderer Beruf wird es wohl nicht bringen, wenn man es realistisch betrachtet, das wird also dummerweise nichts.

Wir bleiben einfach weiter präsent, alltäglich und gewöhnlich. Ab und zu freuen sich die Kinder trotzdem über uns.

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Sohn II liest gerade ein Buch, über das Sohn I schon einmal geschrieben hat, und nach seiner Begeisterung zu urteilen – ich musste ihn heute zur Schule bugsieren, weil er auf dem ganzen Weg weiterhin stoisch gelesen hat – ist das auch für andere Kinder nach wie vor als Weihnachtsgeschenk brauchbar. Falls Sie noch auf der Suche sind, ich bringe hier in den nächsten Tagen noch ein paar Tipps unter.

Nach dem gerade verlinkten Artikel von Sohn I habe ich eben übrigens mit “Kürbis Zombie Buddenbohm” gegoogelt, manchmal klingt es ja etwas seltsam, was man da so eingibt.

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Kurz mal zwischenbilanziert – das Wiederleseprojekt hat jetzt schon einen Stapel von immerhin sieben Büchern ergeben, das ist ja nicht nichts. Ich stelle mir die mal extra in ein Regal, dann kann ich im weiteren Verlauf von denen aus eine neue und sinnvolle Sortierung einführen. Nein, ich sortiere sie auch hier schon.

Aktueller Stand:

Die Kinderbibel

Emily Brontë: Sturmhöhe

Graham Greene: Der dritte Mann

Novalis: Werke

Iwan Turgenew: Väter und Söhne

Paul Zech: Vom schwarzen Revier zur neuen Welt – gesammelte Gedichte

Peter Rühmkorf: Aufwachen und Wiederfinden – Gedichte

Der Paul Zech ist also schon erledigt, so ein Lyrikband ist ja doch eher Snack-Content, wie man heute sagen würde. Jetzt habe ich mir George Orwell vorgenommen, ein Band “Meistererzählungen” aus dem Diogenes-Verlag. Die erste Geschichte hat den bemerkenswert uneleganten Titel “Ein Hamlet ohne Poesie?” und demonstriert tatsächlich schön erzählerische Meisterschaft. Ein heißer Tag in Burma, Birma, Myanmar, wie auch immer, da blickt ja keiner durch. Aber man merkt jedenfalls die Hitze, die Schwüle, man sieht die Pflanzen, man sieht irgendwie sogar die Vögel, die man nicht sieht: ”Oben in dem Bobaum erhob sich eine Unruhe und ein blubberndes Geräusch wie von kochenden Töpfen. Eine Schar grüner Tauben saß dort oben und fraß die Beeren. Flory blickte in die große grüne Wölbung des Baums hinauf und versuchte, die Vögel zu unterscheiden; sie waren unsichtbar, so vollkommen war ihre Farbe dem Laub angepaßt, und doch war der ganze Baum von ihnen belebt und schimmerte, als würde er von Vogelgeistern geschüttelt.”

Ansonsten sind alle Scheußlichkeiten und die ganze Menschenverachtung der Kolonialzeit in der Geschichte, eh klar.

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Noch schnell ein Schluss. Ja, es war ein großer Film.

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Mit Schluchten und Auen den Abend versauen

Drüben bei der GLS Bank habe ich mal etwas anders gemacht und die Links nicht nach einem Thema, sondern nach einem Land sortiert: Finnland. Warum auch nicht.

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Den Dritten Mann von Graham Greene habe ich jetzt durchgelesen, das Buch bleibt natürlich im Regal, er war doch einer der großen Erzähler, auch wenn er heute wohl nicht mehr viele Leserinnen findet. Es gab noch ein Nachwort von Annika Siems, der Illustratorin, die bei diesem Buch vor der interessanten Aufgabe stand, ein Buch zu bebildern, zu dem so ziemlich jede und jeder schon Bilder im Kopf hat, der Film ist immerhin legendär. Sie hat das sehr gut gelöst, fand ich.

 

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Ich habe weitere Bücher aussortiert, weil mir die Wiederleselust und damit die Wiederlesewahrscheinlichkeit etwas zu gering vorkommen. Gottfried Keller, E.T.A. Hoffmann, Gottfried August Bürger, Conrad Ferdinand Meyer, J. P. Hebel, Joseph von Eichendorff, Ludwig Tieck, Jens Peter Jacobsen, die können alle erst einmal raus, die müssen im Regal keinen dekorativen Aspekt mehr bedienen.

Und was lese ich jetzt? Zwischendurch kommt erst einmal wieder ein schmaler Lyrikband dran, Paul Zech mit “Vom schwarzen Revier zur neuen Welt – gesammelte Gedichte”. Paul Zech, bei dem alle Welt reflexmäßig immer zuerst an die Villonübersetzungen denkt und bildungsbürgerlich beflissen sofort ergänzt, dass das ja eher Nachdichtungen, keine Übersetzungen waren. Ja, wissen wir! Schön sind sie dennoch, die Villonstrophen von ihm. Aber hier erst einmal seine anderen, ganz eigenen Gedichte.

[…]

Turmuhren gehen ihren Kreisgang ohne Zeiger.

Am Kreuzweg, wo der Weiser wie ein Galgen droht,

lärmt eine Krähe frostverschärfte Not:

Gebt Brot …

Der Wind ist aller Kümmernis Verschweiger.

(Novembernacht)

Der Wind ist aller Kümmernis Verschweiger, das ist schon schön. Und in absehbarer Zeit muss ich dann wohl mit Shakespeare beginnen. Ich habe schon einmal hineingeblättert, das erste Stück ist Romeo & Julia, zwei junge Menschen aus krass verfeindeten Familien – wenn das mal gut ausgeht!

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Und da lag nun also gestern noch diese Kinderbibel bei uns am Bett herum und dann sah die Herzdame auch einmal hinein und hat sich gleich bei der ersten aufgeschlagenen Seite fürchterlich aufgeregt. Denn diese Bibel weicht natürlich sprachlich erheblich von den bekannteren Ausgaben für Erwachsene in den Kirchen ab, weswegen sie die Lieblingsstellen aus ihrer Jugend gar nicht wiedererkannte. Nichts mit “und ob ich schon wanderte im finstersten Tal”, nein, da wurde einfach durch eine Schlucht gegangen. Eine Schlucht! Wo es doch Tal heißt! Immer geheißen hat! Da könnte ja jeder kommen! Sie war hell empört und wollte sich gar nicht wieder beruhigen. Wir führten also eine längere Diskussion über die Begriffsinhalte von Tal und Schlucht und Aue und Wiese, was man abends kurz vorm Schlafen eben so macht, Sie kennen das.

Und als ob das noch nicht genug der religiösen Inhalte gewesen wäre, hatten wir gestern beide eine vermutlich typisch norddeutsche Erkenntnis, die Sie vielleicht peinlich und einigermaßen dämlich finden werden, wenn Sie süddeutsch oder katholisch oder gar beides sind, aber egal, ich stehe hier ja zu meinen Wissenslücken. Und zwar ist es überraschenderweise so, dass es bei Mariä Empfängnis, das ist eine Bezeichnung, mit der man hier gemeinhin rein gar nichts verbindet, die man aber aktuell gerade wieder als Rätselwort im Kalender findet, gar nicht darum geht, dass Maria empfangen hat, sondern dass sie empfangen wurde. Was auch kalendarisch besser hinkommt, wenn man mal länger als zehn Sekunden drüber nachdenkt und im Kopf etwas rechnet, aber warum sollte man überhaupt darüber nachdenken, so als Mensch aus Nordelbien. Jedenfalls lagen wir da beide im Bett, lasen das auf den Handys nach und sagten gleichzeitig: “Ach was?!” Und sind jetzt also entschieden schlauer als vorher, vermutlich sieht man es uns sofort an. Und wenn es mit der etwas unfreiwilligen religiösen Fortbildung so weitergeht, merke ich mir sogar noch irgendwann, worum es bei Fronleichnam geht. Aber wir wollen nicht übertreiben.

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Musik!

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Vom Verschwinden der Lektüre und der Zunahme der Bildung

Und dann war der Dritte Mann von Graham Greene auf einmal weg. Das passte zwar inhaltlich ganz gut, war aber doch ziemlich irritierend. Ich hatte das Buch beim Kochen neben den Herd gelegt, denn beim Umrühren kann man ja lesen, nach dem Essen war es nicht mehr da. Ich habe etwa eine Stunde intensiv nach dem Buch gesucht, ich habe sämtliche Familienmitglieder wahnsinnig gemacht, das Buch war weg, es war sowas von weg, es hat sich ein paar Zentimeter neben mir dematerialisiert. Ich habe nach einer Weile auch im Tiefkühlfach und in Räumen gesucht, in denen ich den ganzen Tag nicht gewesen bin, sogar im Treppenhaus. Ich habe sämtliche Comicstapel im Kinderzimmer umgewälzt und etliche Schränke geöffnet, in die ich sonst nie sehe. Ich habe etwas altes Zahngold gefunden und den letzten Brief meiner verstorbenen Freundin J., ich habe lange verschollene Playmobil- und Legoteile gefunden, aber nicht das Buch.

Kennen Sie das, dass es einen seelisch unangemessen erschüttert, wenn man etwas nicht finden kann? Als würde das Chaos bösartig ins Leben einbrechen und sich da breit machen wollen, als wäre die Ordnung des Alltags fortan grundsätzlich gestört, als würde ein wenig Sicherheit wegbrechen und eine gefährliche Lücke aufreißen. Ich ging irgendwann höchst unzufrieden und irritiert ins Bett, aber ich stand noch dreimal wieder auf und suchte doch noch weiter, auch im Müll, auch im Altpapier, auch in der Schublade unterm Herd. Das Buch blieb verschwunden.

Schließlich las ich stattdessen einfach in der Kinderbibel weiter, die immer noch wegen der Religionsarbeit von Sohn I neulich auf meinem Nachttisch liegt. Die Geschichte von David und Goliat, der da tatsächlich ohne h am Ende geschrieben wird, wie sieht denn das aus? Ich erinnere die Schreibweise anders. Die Geschichte jedenfalls kennt man, die kenne auch ich. Aber hätte ich darüber eine Klassenarbeit schreiben müssen, ich hätte doch zwei Punkte Abzug in Kauf nehmen müssen, immer ehrlich bleiben. Denn dass der zuständige König auf Davids Seite Saul hieß, das hätte ich nicht mehr gewusst, und dass Goliath zur Mannschaft der Philister gehörte, das ebenfalls nicht. Und was sind oder waren eigentlich Philister? Da habe ich dann noch einmal zehn Minuten in der Wikipedia herumgelesen, beflissen wie ich bin. Ein schönes Beispiel dafür, wie mein fleißig gepflegtes Wiederleseprojekt der Allgemeinbildung auf die Sprünge hilft, allerdings ohne dass ich die leiseste Ahnung habe, ob ich mit diesem speziellen Wissen jemals etwas anfangen kann. Aber man weiß ja generell selten, wozu man etwas weiß, wenn ich das mal so tiefsinnig abschließen darf.

Der Dritte Mann wurde dann übrigens heute im morgendlichen Trubel gefunden, in einem kleinen Schapp, in dem wir nur leere Batterien aufbewahren und das wir entsprechend selten öffnen. Ein Schapp, wenn Sie das Wort nicht kennen, ist hier im Norden ein Schrank oder ein Fach, irgendwas mit einer Tür davor jedenfalls, das ist ein betont heimatliches Wort. Ein Sohn wollte das Buch gestern aus der Küche zu meinem Schreibtisch tragen und auf dem Weg noch schnell zwei Batterien weglegen, da hat er es versehentlich dort deponiert und sofort vergessen – so etwas passiert.

Es hat mich etwa zwei Stunden gekostet, aber immerhin weiß ich durch die umfangreiche Suchaktion jetzt wieder ziemlich genau, was alles in dieser Wohnung wo genau ist. Auch recht!

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Im Vorbeigehen gehört:

“Sie ist keine Heilerin oder Seherin oder so etwas, sie ist eher chinesisch.”

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Musik!

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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