Wildledermantelmann

Beim Freitext schreibt Michael Ebmeyer (den ich versehentlich und leicht übergriffig gerade per Tippfehler als Elbmeyer hanseatisch requiriert habe, hihi) über die Sehnsucht nach linken Erzählungen, er erwähnt dabei auch ein Lied vom ollen Degenhardt. Wie es der Zufall will, habe ich gestern gerade bei Spotify drauf geklickt, als ich nach etwas ganz anderem suchte. Ein völlig vergessenes Lied von 1977 also, das mir in zwei Tagen zweimal über den Weg läuft, guck an. Der Wildledermantelmann. 1977, da war ich elf Jahre alt, da konnte ich die modische Anspielung im Titel vielleicht sogar einordnen, da gab es genug solche Typen im Stadtbild, vielleicht waren es die etwas älteren Freunde meiner großen Schwester. Heute sind Wildledermäntel sehr weit weg. Bei Ebay-Kleinanzeigen laufen sie unter “Vintage” und kosten so 70 Euro, vielleicht kaufen die Söhne der damaligen Männer wieder so etwas, oder es sind schon die Enkel. Schön die Frage im Refrain: “Und wie ist das Gefühl, wenn man so langsam, langsam, langsam driftet nach rechts?” Wobei dem Degenhardt natürlich keine Gnade für den menschlich, allzu menschlichen Aspekt dieses damalige Driftens in den Sinn kam, dazu war er viel zu überzeugt und viel zu weit links. Aber doch eine interessante Sache, kann man 2018 auch mal wieder hören, das gilt doch heute schon als Geschichtsunterricht. Und es gibt auch wieder genug Drift da draußen, diesmal allerdings aus der Mitte nach ganz rechts, das war damals im Lied gar nicht so gemeint, so verschieben sich die Maßstäbe.

1977 war Helmut Schmidt Bundeskanzler und man ahnte allgemein eher nicht, dass er später einmal heiliggesprochen werden würde. 1977 gab es keine Nazis. Also natürlich gab es sie doch, gar keine Frage, aber sie sind mir nicht begegnet. Es gab diese eine ultrarechte Zeitung am Kiosk, die kauften aber nur ausgemachte Irre, und ansonsten war da ganz rechtsaußen der Strauß. In meiner Grundschule gab es keine Ausländer, auf dem Gymnasium gab es ein einziges Mädchen aus Griechenland, Rassismus hatte im Alltag kaum ein Ziel. Man spendete für Brot für die Welt oder ähnliche Einrichtungen, das war der gepflegte Umgang mit den Menschen im Süden, dieser Umgang war leicht und fand zu Weihnachten statt.

Ein paar Jahre später, Anfang der Achtziger, liefen die ersten Skins durch Lübeck, die hatten einen Aufnäher “Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein. an den Klamotten” Das war so abgedreht und absurd, wir haben das erst für einen Witz gehalten, so etwas konnte es doch gar nicht geben, das war undenkbar. Das Programm dieser Skinheads bestand darin, sich zu betrinken und andere zu verprügeln, wobei die anderen alle waren, die keine Skinheads waren, das war also ein recht schlichtes Programm. Die Skinheads prügelten sich abends durch Lübeck, während wir tagsüber das Dritte Reich auf dem Gymnasium durchnahmen. Nazis, das war klar, das waren in der Gegenwart nur Irre, das waren Jugendliche, die aus dem Gleis gekommen waren, genau wie die auf Drogen, im Grunde waren das vergleichbare Schicksale, Resozialisierung in beiden Fällen nicht ausgeschlossen. Diese Skinheads, das waren ja keine richtigen Nazis, das waren bestenfalls Show-Nazis. Echte Nazis, da war man sich damals noch parteienübergreifend einig, mussten massiv bekämpft werden, vorzugsweise mit Armeen. Aber es gab ja gar keine Nazis, die hatte man 45 erfreulicherweise erledigt.

Bei der Bundeswehr, damals gab es noch den Grundwehrdienst, ist mir kein einziger Rechtsradikaler begegnet, da fand ich eher die oben erwähnten bereits Gedrifteten mit der Frankfurter Rundschau. Eine Gefahr für die Demokratie ging von dieser Truppe nicht aus, eher schon eine Gefahr für die Verteidigungbereitschaft, denn ernst meinte da keiner irgendwas, auch die Offiziere nicht, nein, die schon gar nicht. Diese alte Bundeswehr war vermutlich die ironischste Truppe, die dieses Land jemals aufgestellt hat. Alles Martialische war in Anführungszeichen zu setzen, quasi per Dienstanweisung. Mit mir dienten auch Menschen, die aus anderen Ländern kamen, ein Problem waren die allerdings immer noch nicht, für niemanden, ich habe nicht erlebt, dass man die angefeindet hat. Die brachten aber eine schwer verdauliche Dimension in die Angelegenheit, denn die hatten manchmal Angehörige in anderen Staaten, in denen gerade Krieg war. Bei denen hatte dieses abstrakte Wort also tatsächlich eine ernste Bedeutung, da kamen wir dann nicht mehr mit. Einer hatte ein Foto seines Elternhauses, da waren Einschusslöcher drin. Das war ein Bild von einem anderen Planeten.

Als ich ein Jahr später in meinem ersten Job in der Sozialforschung anfing, habe ich offene Fragen aus Fragebögen für die EDV vercodet, da fiel mir überhaupt zum ersten Mal im Leben auf, dass es eine gar nicht so kleine Gruppe von Leuten geben musste, die radikal waren, und zwar radikal rechts, hasserfüllt und feindselig. Bei denen brach es heraus, wenn sie interviewt wurden, die schlugen vor, politisch Andersdenkende abzuschlachten und dann an den Füßen aufzuhängen. Oder sie über die Mauer in die DDR zu werfen. Oder sie in der Ostsee zu ertränken und dergleichen mehr, es ging da recht kreativ zu, Hass macht erfinderisch. Meine Chefin, eine damals bekannte Sozialforscherin, schätzte die Anzahl dieser Typen auf etwa zehn Prozent in der Gesellschaft, und zwar über alle Staaten, Zeiten und Systeme hinweg. Zehn Prozent, die schon vom Typ her so sind, man muss sie und ihren Hass nur irgendwie wecken – und schwer ist das nicht. Das war nur ihre Meinung, versteht sich, dafür gab und gibt es keinen Beleg. Und auch diese zehn Prozent, wenn man die Zahl denn überhaupt glauben möchte, nahm man im Alltag damals kaum jemals wahr, Hass war noch nicht gesellschaftsfähig.

Vor etwa zwölf Jahren habe ich Social-Media-Monitoring gemacht, für Medienhäuser und vereinzelt auch für Kunden aus der Politik. Da habe ich zum ersten Mal eine rechtsradikale Öffentlichkeit im Web kennengelernt, die war damals noch gar nicht so bekannt, die hat sich gerade erst eingearbeitet und Seite um Seite aufgemacht, Foren eingerichtet, Gruppen gegründet und sich in Sachen Medien erst einmal langsam warmgespielt. Das waren die Anfänge zu dem, was man heute kennt, und viele, viele Menschen haben auch das überhaupt nicht mitbekommen. Denn es war zwar öffentlich, aber man fand es nur, wenn man danach ausdrücklich gesucht hat. Da war sozusagen eine Tür im Internet, da stand “Hass” drauf, die konnte man aufmachen, und dann fand man den Hass in reichlicher Menge.  Aber der Hass kam da eher nicht raus. Und wenn man sich mit Framing etwas auskennt, dann weiß man auch, dass das damals (bis vor drei Jahren!) noch anders lief, es gab noch keine Sinnverschiebung nach rechts und die Äußerungen der Hassenden wirkten daher in der Regel wie die Äußerungen von Spinnern, weit ab vom Mainstream. Weil der Sprachrahmen noch deutlich anders eingestellt war.

Das war vor der großen Drift, das war vor 2015. Das war, um es noch einmal und abschließend mit Degenhardt zu sagen, “In den guten alten Zeiten”. Aber das ist ein anderes Lied von ihm, das ist von 1966. Da wurde ich geboren, da war Kiesinger Bundeskanzler und Nazis gab es gar nicht. Na ja.

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Der Plastiktütenverbrauch sinkt rapide. Es ist ja nicht alles schlecht.

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Sie können hier Trinkgeld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, Sie müssen aber gar nix. Eh klar.

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Junifall

Sohn I hat sich auf dem E-Piano die Titelmelodie von Akte X selbst beigebracht und spielt das dauernd, ich habe jetzt also einen interessanten Soundtrack, wenn ich durch die Wohnung gehe und in die Räume gucke oder wenn ich einfach nur am Schreibtisch sitze und auf eine weiße Seite starre. Denn wenn man diese Töne hört, dann weiß man ja, gleich kommt was, und seltsam wird es auch, das ist im Grunde wie in jedem Familienalltag. Ich stehe beispielsweise in der Tür des Kinderzimmers und betrachte das deprimierende Chaos auf dem Fußboden, die umgestürzten Kinderstühle, die zerfledderten Comics, dieses wirre Gemisch von undefinierbarem Spielzeugs auf dem Boden, Eltern kennen das, diese Kinderalltagssedimente. Es ist dieses mit Lego, Paninibildchen und Zwiebackresten durchsetzte Gemisch von Zeugs aller Art, in dem wir kategorisch alles vermuten, was in den letzten Wochen hier in der Wohnung verloren ging. Man müsste eben mal aufräumen oder wenigstens umgraben, um etwas zu finden, aber wann. Man wüsste dann auch, was wirklich weg ist, das wäre immerhin interessant, denn dann müsste ich eventuell etwas nachkaufen. Frühstücksboxen etwa, von denen mittlerweile etwa fünf fehlen, aber bevor ich die wirklich kaufe, da brauche ich erst mehr Gewissheit.

Ich stehe in der Tür des Kinderzimmers und betrachte das Chaos und das Zeugs, der Sohn spielt im Wohnzimmer diese Melodie und ich denke mir: “Die Wahrheit ist irgendwo da drinnen.” Scully nickt nur neben mir und sieht auf einmal aus wie die Herzdame.

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Junifall, das habe ich gerade erst gelernt, so nennt man das also fachgerecht, wenn die Obstbäume einem in diesen Wochen unreifes Obst in rauen Mengen vor die Füße werfen. Ein normaler Vorgang, etwas Schwund ist immer, kein Grund zur Sorge. Bei Kirschen nennt man es Röteln, aber damit kann man nichts weiter anfangen, das klingt zu sehr nach Kinderkrankheit. Junifall dagegen ist ein wunderschönes Wort und ginge auch zweifelsfrei als Romantitel durch, den Schutzumschlag dazu hat man doch gleich vor Augen, ja, ich möchte fast sagen, es klingt nach Beststellerliste.

“Haben sie den Junifall vom Dings da?”

“Aber sicher, der große Stapel hier.”

Man müsste das Wort nur als passende Metapher für irgendwas sehen und sich dazu schnell eine Geschichte ausdenken, was weiß ich, über einen Autor, der nie zum Zuge kommt oder so, immer wieder wird alles früh verworfen, nichts reift aus, aber währenddessen bereitet das Leben selbstverständlich – von ihm unbemerkt, weil Spannung! – die Grundlage für die wahre Frucht zu einem späteren Zeitpunkt, da kommt dann die große Liebe ins Spiel, was sonst. Ohne Liebe geht eh kein Buch, das zieht sich dann aber noch über mindestens dreihundert bis vierhundert Seiten, bis da endlich alles klar ist mit den beiden. Am Ende ist sie auch noch schwanger und er sitzt glücklich dabei und schreibt wie noch nie, das Bild aus der Verfilmung sieht man schon vor sich, na, so in der Art.

Aber es ist viel zu heiß für Ideen, die fallen bei der Hitze alle unreif von mir ab, das wird so nichts.

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In Sachen Lyrik verweise ich heute auf den Gottvater der Monatsgedichte, also auf Erich Kästner und seinen Juni. Nicht ohne Warnung vor plötzlich auftretenden Melancholiestrudeln – und man beachte bitte unbedingt die allerletzte Zeile. Es gab also Zeiten, da ging man im Juni davon aus, dass der Sommer noch kommt.

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Sie können hier Trinkgeld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, dann kaufe ich davon Wein  Nicht als Getränk, in der Form mag ich ihn ja nicht. Als Rankpflanze dagegen kann ich mich spontan mit ihm  anfreunden.

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Kurz und klein

Radfahrer erzählen nichts

Seit Wochen fahre ich mit dem Fahrrad zur Arbeit, weil es hier ja neuerdings nicht mehr regnet – oder nur am Sonnabend. Das ist gesundheitlich sicherlich fein für mich, die Bewegung unter der Glanzkröte (Sarah Kirsch) soll ja gut sein, aber fürs Blog taugt das so nichts. Als Radfahrer erlebt man einfach keine erzählbaren Geschichten, man könnte nur immer wieder den lodernden Hass auf SUV-Fahrerinnen, Nichtblinker, Rotfahrerinnen, Drängler, Radwegparkerinnen, Psychos etc. ins Blog kippen, aber das möchte ja nach nur einem Tag schon niemand mehr lesen, das ist alles sattsam bekannt und Hass ist eh nicht die feine englische Art, das wollen wir hier nicht. Aber diese netten Beobachtungen nebenbei, die in der S-Bahn eben so anfallen, weil man da eine Weile nebeneinander sitzt und kurz Zeit hat, die kleinen aber irgendwie doch feinen urbanen Szenen, die fehlen hier jetzt jedenfalls. Hm.

Vielleicht sollte ich abends mal ein wenig U-Bahn fahren, S-Bahn oder Bus und Fähre, einfach nur um diesen Mangel auszugleichen, ziellos und planlos quer durch die Feierabendstadt, immer dem weißen Kaninchen nach?

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Eine Schulung zur DSGVO mitgemacht und danach solange im weiteren Gespräch vom Hölzchen aufs Stöckchen gekommen, bis ich wirklich gar nichts mehr wusste. Ein schönes Gesetz, es stellt einen vor herrlich existentielle Fragen: Darf ich überhaupt wissen, wie ich heiße? Und wenn ich es weiß, darf ich es mir merken und wie lange? Aber keine Sorge, morgen geht es sicher schon wieder.

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Ich habe dieses Buch angefangen, Annemieke Hendriks über Tomaten. Das ist allerdings kein Buch für Hobbygärtner, es ist ein Buch für alle, die sich z.B. auch für die Themen meines Wirtschaftsteils bei der GLS Bank interessieren, also für nachhaltige Landwirtschaft und dergleichen. Und Frau Hendriks macht das sehr interessant, sie nähert sich dem Thema über die handelnden Menschen. Sie nimmt deren Hintergründe mit, all die Familiengeschichten, die Umstände, die Zeitläufe. Slow Journalism nennt sie das und es gefällt mir sehr, wenn man beim modernen Tomatenmarkt in der EU landen will und erst einmal irgendwann in der grauen Vorkriegszeit oder gar im alten Preußen beginnt, erst einmal Fragen zu Familienstammbäumen hat und etwas zur Kulturlandschaft im Oderbruch erklärt oder Ruinen zeigt, in denen irgendwer mal irgendwas gemacht hat, was sich bis heute so und so auswirkt. Das hat was, und “Reportage” ist hier ein nettes Understatement.

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Für die Lyrikabteilung pflücken wir uns heute einfach einen Song aus den FB-Kommentaren zum letzten Artikel – die hier aus irgendwelchen verdammungswürdigen technischen Gründen übrigens gerade nicht erscheinen – und dann müssen wir auch schon wieder einen trinken. Ladies and gentlemen, auf Herrn Koppruch! Lebend gehen wir nicht mehr aus der Welt. Prost.

Im Garten erröten derweil die Kirschen an dem Baum, den die Herzdame und ich im letzten Jahr nach langer Überlegung radikal zurückgeschnitten haben. Und er trägt so viele Früchte, das haben wir wohl versehentlich richtig gemacht. Anfängerglück!

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Sie können hier Trinkgeld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, dann kaufe ich davon die Tomatensamen fürs nächste Jahr. Dem oben erwähnten Buch nach zu urteilen, werde ich trotz aller Bemühungen vermutlich nicht wissen, wo sie herkommen.

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Der Sommer war, bleibt, kommt

In Osteuropa geht es bergauf, deswegen pflückt hier keiner mehr Erdbeeren. Ein total kaputter Markt. Meine beiden kleinen Erntehelfer arbeiten noch ganz ohne Lohn, das ist natürlich angenehm. Allerdings essen sie auch die gesamte Ernte selbst auf. Irgendwas ist immer.

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Wal stirbt an acht Kilo Plastikmüll im Magen.

Hier geht es um einen Plastikfänger. Aus Plastik, eh klar.

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Wie alle Familien wirken wir auf Außenstehende sicher oft so, als hätten wir nicht alle Latten am Zaun, ein Eindruck, der sich jetzt allerdings nachhaltig bestätigt, wenn wir mit dem Auto irgendwo ankommen. Denn dann steigen wir aus und gehen um das Auto herum, wobei jeder jeweils immer wieder gründlich an einer Tür oder am Kofferraum rüttelt. So umkreisen wir in stiller Prozession das ruhende Gefährt, bis wir uns endlich zufrieden zunicken und weitergehen. Wie immer kann man alles logisch erklären, denn das etwas betagte Auto hat ein Problem mit der Zentralverriegelung und macht gerne nach dem Abschließen heimlich eine Tür wieder auf, man weiß aber nicht welche und wann, wie bei einem Glücksspiel. Weswegen man also überall mal anfassen muss. Und wenn man die heimlich entriegelte Tür dann aufmacht, zack, sind alle Türen wieder auf, großer Spaß, und dann fangen wir von vorne an.

Natürlich könnte man das Auto auch mal in eine Werkstatt fahren, aber das würde womöglich Geld kosten und so wichtig ist es dann doch nicht. Das Auto geht hier nicht vor und man gewöhnt sich schnell an seltsame Rituale. Sollten wir jemals ein neues Auto haben, vermutlich behalten wir dieses Verhalten einfach bei, so entstehen immerhin auch Religionen und Traditionen, denn es ist irgendwie schön und beruhigend, dieses “Das haben wir immer so gemacht.”.

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Ich stelle fest, dass mein Biorhythmus durch den Wind ist, und zwar nicht bezogen auf die Tageszeit, eher bezogen auf die Jahreszeit, und ich glaube, das kenne ich so gar nicht. Aber wenn man jetzt irgendwo draußen sitzt, mitten in dieser Sommervolldröhnung, die nur gestern und heute gerade mal aussetzt, dann wollen das Erleben und das Gefühl einfach nicht zu Anfang Juni passen, weil schon so viel Hitze hinter uns liegt. Das Gefühl geht eher Richtung Ende Juli und es wird dann wohl auch bald Herbst, denn zumindest als Hamburger haben wir die jährliche Sonnen- und Wärmeration eigentlich schon komplett verbraucht, da kann jetzt nicht mehr viel nachkommen. Wie es dann aber sein kann, dass noch gar keine Sommerferien waren – rätselhaft.

Tatsächlich kommen noch drei Sommermonate, was vollkommen unglaublich klingt. Es ist ein Sommer, der schon war, der noch kommt, der die ganze Zeit ist. Ein Phänomen.

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In Hammerbrook im Vorbeigehen gehört:

“Was ist sein neuer Job, wie nennt sich das jetzt?”

“Der ist jetzt Director.”

“Na, directen kann ja jeder.”

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Beim Orthopäden angerufen und nach einem dringenden Termin gefragt. Dann haben die Sprechstundenhilfe und ich sehr gelacht und schließlich irgendwas in vier Wochen gefunden. “Und das ist jetzt echt mal schnell”, sagte sie. “Es tut auch echt weh”, sagte ich, und dann lachten wir wieder, sie vielleicht etwas heiterer als ich.

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Apropos Orthopäde, ich möchte an dieser Stelle auch einmal Freundinnen und Freunde lobpreisen, die einfach in den Garten kommen und helfen. Ohne Namensnennung, versteht sich, alles Datenschutz! Aber weil ein Gartenweg z.B. in geradezu herkulischer Anstrengung von einem gewissen Helgoländer in wenigen Stunden angelegt worden ist, wird er jetzt für alle Zeiten Lung Wai genannt, der Weg, und ja, das ist ein Insider für Inselkenner. Und der Freundin, die in der Laube das Schlafzimmer gestrichen hat, ihrer wird fortan immer gedacht werden, wenn wir dort einmal nächtigen, denn der Raum ist bei näherer Betrachtung der einzige, der wirklich vernünftig gestrichen wurde. Es ist natürlich etwas schade, dass der Herr nicht Tiefbauer und die Dame nicht Malerin geworden sind, bei so offensichtlich ausgeprägten Begabungen, aber gut. Vielen Dank jedenfalls, Ihr seid super und das war eine beglückende Erfahrung.

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Sie können hier Trinkgeld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, dann kaufe ich davon vorgezogenen Rosenkohl, das passt zum Juni. Ich weiß, Sie mögen keinen – aber ich.

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Unter der Sonne Hamburgs

Noch einmal Enno Park zur DSGVO.

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Während bei uns im kleinen Bahnhofsviertel in jedem zweiten Haus ein Bäcker zu finden ist, der allerdings gar kein Bäcker ist, sondern, wie nennt man das denn, ein Backshop, also so ein Teiglingaufbackdings einer Franchise-Kette eben, machen auf dem Land die echten Bäcker nach und nach dicht und es kommen keine mehr nach. Hier ein Einzelfall etwas näher betrachtet. Dann legt er sich zu seinen Bäckern nieder – und er kömmt nimmer wieder.

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Für die GLS Bank habe ich hier etwas zum Thema Landwirtschaft zusammengestellt.

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Und dann wurde es noch heißer in Hamburg. Ich bin, ich weiß gar nicht mehr an welchem Tag, nach der Arbeit in den Garten geradelt, um ein paar Pflanzen mit ein paar Tropfen Wasser zu helfen, ich habe die Laube aufgeschlossen, die da in der prallen Nachmittagssonne stand und in der die Luft wie ein gefährlicher Glutball waberte, ich habe gelüftet und gemerkt, wie mein Kreislauf sich dabei sachte verabschiedete und gleich, Achtung, bitte, kommt wieder so ein Vergleich, den verstehen nur ältere Menschen, die damals ferngesehen haben, also ganz damals. Denn ich habe mich dann notgedrungen für ein paar Minuten in der Laube auf eine Matratze gelegt, ein Bett gibt es da nicht. Bullenheiß war es zu der Stunde im gesamten Garten, da konnte ich drinnen wenigstens weich liegen, dachte ich, und lag da also schwitzend wie in der Sauna, wobei ich in so etwas ja nicht gehe, aber egal. Dergestalt beschädigt lag ich jedenfalls da, dass ich mich fühlte wie Sebastian Flyte in der letzten Folge von “Wiedersehen mit Brideshead”, wo er da in Marokko oder wo das war völlig zugedrogt und verkommen unter sengender Sonne vor sich hin krepierte. Genau so entsetzlich fühlte ich mich ein paar Minuten lang, denn etwas Selbstmitleid ist manchmal die beste Medizin. Und dann ging es auch schon wieder.

(Wenn Sie Wiedersehen mit Brideshead versehentlich nicht kennen: ruhig mal lesen (Evelyn Waugh) und danach gucken. Beste Fernsehproduktion ever, es bleibt dabei.)

Am Freitagnachmittagnachmittag erreichte die Hitze dann Temperaturen, bei denen ein finales Gewitter doch irgendwie logisch und unvermeidlich erschien, es war, ich will das zeitgemäß ausdrücken, alternativlos. Wir waren im Garten, als die ersten Tropfen fielen, die dann schnell zu Starkregen wurden, der in geradezu irrer Geschwindigkeit drei Regentonnen bis zum Überlauf füllte und dann noch lange nicht aufhörte, es kübelte, es goss, es flutete nur so herab. Es blieb dabei aber weiterhin warm und tropisch, wir saßen bei weit offener Tür in der Laube und beschlossen, dort zu übernachten, mit diesem trommelnden Regen auf dem Dach und mit Blick auf die Pflanzen in den Beeten, die quasi sofort beschlossen, jetzt aber mal ordentlich zu wachsen, die sich streckten und reckten und mit allen Zellen gierig Wasser pumpten.

Ich lief noch einmal durch den Garten, um noch ein paar Zutaten für das Abendbrot zu pflücken, ich wurde dabei nass wie beim Duschen, aber es gab frische und regennasse Kräuter und Gemüse. Es war einer der besten Momente im Garten bisher, ach was, das war einer der besten Momente der letzten Jahre.

Zwiebeln! Das muss ich eben einschieben. Vom Anbau von Zwiebeln wird oft abgeraten, den Zwiebeln sind im Laden ja so billig, superschnell sind sie in der Entwicklung auch nicht gerade, besondere Hübschigkeit sagt man ihnen ebenfalls nicht nach und angeblich schmecken sie immer genau gleich, egal, wie und wo man sie anbaut. Man liest also: Zwiebeln eher nicht. Ich aber habe im frühen Frühjahr Zwiebeln gesteckt, Stuttgarter Riesen, da ist ja schon der Name toll. Beim Abendbrot fehlten uns Zwiebeln und mir fiel da erst ein, dass ich die ja im Beet habe! Viele sogar! Keine Ahnung, wie reif die sind, aber jetzt her damit. Ich habe die zwei größten Zwiebeln herausgezogen, wir haben sie feierlich angebraten und auf diese bescheidene Art wurde dann auch das äußerst lapidare und tausendmal wiederholte Anbraten von Zwiebeln endlich zu so einem herrlich intensiven Erlebnis, bei dem man ganz genau hinsieht, hinriecht, hinschmeckt, bei dem man also ganz Aufmerkamkeit ist, denn es waren ja meine eigenen Zwiebeln aus meinem eigenen Anbau, die hatte ich selbstgemacht, mit reichlich Hilfe der Natur jedenfalls.

Selbstverständlich waren sie schon durch diese völlig ungewohnte Aufmerksamkeit sensationell wohlschmeckend, fünf Sterne gar nichts dagegen. Das war also wie in diesen ganzen Ratgebern, die ich mit Anfang 20 gelesen habe, als ich noch genau wie alle glaubte, man könne mit ein paar Tricks besser leben und das Glück sei irgendein Instantprodukt, per Gebrauchsanweisung schnell und leicht verfügbar. Da ging es ja auch dauernd um die Aufmerksamkeit für den Moment, in diesen schnell verschlungenen Büchern, um Achtsamkeit und dergleichen, da muss man heute natürlich spontan brechen, wenn man dieses geradezu widerlich abgenutzte Wort nur hört, so verschlissen und ranzig ist das, aber unter uns und mit aller Vorsicht: Da ist dann vielleicht doch was dran. Die Zwiebel im Hier und Jetzt, die bringt einen schon weiter ans Glück ran. Ein kleines Stück.

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Nur versehentlich habe ich zwischendurch Nachrichten mitbekommen, als ich, einem dummen Reflex folgend, doch einmal aufs Handy sah. Einer aus der Nazipartei sagt also irgendwas, ich wiederhole so etwas nicht, ich arbeite mich daran auch nicht ab. Ich lese die Juni-Gedichte in der Reclam-Anthologie und zitiere kurz aus Tucholskys „Park Monceau“ die letzte Strophe:

“Die Kinder lärmen auf den bunten Steinen.

Die Sonne scheint und glitzert auf ein Haus.

Ich sitze still und lasse mich bescheinen

 und ruh von meinem Vaterlande aus.”

Reicht doch auch.

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Sie können hier Trinkgeld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, dann kaufe ich davon die Steckzwiebeln fürs nächste Jahr.

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Die Herzdame im Garten: Anfängerfehler

Schon seit Tagen wollte ich mal über den Garten und die Laube schreiben, aber genau deswegen komme ich zu nichts.

Es ist 7 Uhr morgens, nach meiner ersten Nacht im Garten. Ich habe sauschlecht geschlafen – Schlafsack und Isomatte sind einfach nicht für meinen Rücken gemacht. Der Gatte buddelt schon seit einer Stunde, Sohn 2 werkelt ebenfalls und Sohn 1 ist mit seinem Kumpel zur nächsten Tankstelle Brötchen holen. Ich sitze in der Sonne, wärme mir den steifen Rücken und schaue „unserem“ Rotkehlchen zu, das vor mir auf und ab hüpft und mir beim Tippen zusieht.

Die Vögel in der Hecke geben alles und wollen endlich die Nachbarn wecken. Die Blätter von Weißdorn und Apfelbaum über mir rauschen im Wind und in der Ferne rattert ein Güterzug vorbei – das Industriegebiet fängt hinter der Insel an.

Die Sonne hat schon richtig Kraft und wenn ich hochsehe, sehe ich nur Grün und blauen Himmel. Es ist ein wunderbar friedlicher, idyllischer Morgen. Und dafür hat sich die ganze Anstrengung gerade wirklich gelohnt.

Wie der Gatte ja bereits geschrieben hat, wurde unsere Laube vor kurzem aufgebaut und wenn ich auf die letzten Wochen zurückblicke, war der Weg bis dahin ganz schön anstrengend. Irgendwie hatte ich das Gefühl, es lief nichts, ich hatte mit wenigen Ausnahmen nur mit Idioten zu tun und der Garten entwickelte sich finanziell wie ein Fass ohne Boden. Hauptärgernis – der Laubenlieferant.

Der Gatte schreibt meistens, wie schön alles ist, aber mit dem Laubenbau hat er ja auch nichts zu tun, das mache alles ich. Und Laubenbau ist offensichtlich wie Hausbau – man hat nichts als Ärger und alles wird teurer als gedacht. Im Moment bin ich sehr froh, dass wir nie den Gedanken hatten, jemals ein Haus zu bauen.

Eine neue Laube vom Laubenbauer kostet Geld. In unserem Fall 12.000€ für die Standardausführung – Fundament, Wände, Dach, Montage, Voranstrich, was bei uns nur ging, da man sich das in Hamburg komplett zinslos durch den Landesbund der Gartenfreunde finanzieren lassen kann. Für optionalen Chichi ist da noch viel Luft nach oben. Meine Extrawünsche waren Strom und der Voranstrich nicht in Kiefer, Eiche-rustikal oder Kastanie (aka Hellbraun, Dunkelbrauch oder Kackbraun), auch nicht in Schwedenrot oder Friesenblau (haben alle) oder Weiß (wegen Schmutz), sondern Grau. Außerdem wollte ich die Laube selbst noch von innen weiß streichen.

Bezüglich Strom, Farbe und ein paar anderer Kleinigkeiten habe ich mehrfach mit dem Geschäftsführer des Laubenlieferanten telefoniert. Der sagte bei allem „kein Problem“, „machen wir eben mit“, „Ihr Elektriker muss am Ende nur noch die Kabelenden in den Sicherungskasten führen, dauert maximal 10 Minuten“ oder „das können wir auch noch problemlos nachträglich machen“.

Die Sekretärin hat dann hinterher alles relativiert mit „ich weiß gar nicht, was Ihnen der Chef da erzählt hat“, „das muss ein Missverständnis gewesen sein“, „warum das jetzt so viel teuer geworden ist, weiß ich auch nicht. Das müssen alles Nettopreise gewesen sein“, „da hat Ihnen der Chef was Falsches erzählt, die Steckdosen dürfen wir ja gar nicht anschließen, das muss Ihr Elektriker machen“ oder „nachträglich haben wir ja nochmal Anfahrtskosten, das wird teuer, kaufen Sie das lieber im Baumarkt und lassen das von einem Handwerker in der Familie machen.“

Der Stromanschluss der Laube hat dann so knapp 1.000€ mehr gekostet, als ich dachte. Anfängerfehler, ja nun …

Beim Aufbau der Laube stellte sich dann auch noch raus, dass die versprochene „Superfarbe“, die so exzellent-hochwertig ist, dass man sie nur einmal auftragen muss und die mich wegen meines Sonderfarbtons nochmal eine ganze Menge Geld gekostet hat, dann doch noch dringend ein zweites und drittes Mal aufgetragen werden muss und mich noch weitere 500€ kosten wird. Anfängerfehler, ja nun …

Die Monteure kugelten sich im Dreck und hielten sich die Bäuche vor Lachen, als ich denen erzählt habe, was mir deren Chef noch so alles versprochen hat.

Auch der Innenanstrich ist dann nochmal deutlich teurer geworden, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass der 70€ teure Farbeimer nur für ein Fünftel der Laube reicht. Anfängerfehler, ja nun …

Inzwischen habe ich es verstanden und fahre mit Gleichmut alle zwei Tage in den Baumarkt und kaufe einen weiteren Eimer Farbe – für Innen, für Außen, für Fußboden, für Fensterrahmen. Und wenn ich nicht wegen der Farbe fahre, dann halt für was anderes. Irgendwas braucht man immer.

 

Le mulch

Wetterbedingt neigen die Menschen hier mittlerweile phasenweise zum geistigen Leerlauf, das ist vermutlich eine natürliche Absicherung gegen Überhitzung. Man sieht also überall, im Büro, auf dem Fußweg, in der Bahn, im Supermarkt, Menschen, die wie abgeschaltet bewegungslos ins Leere starren und offensichtlich gerade geistig nicht auf der Brücke sind. In der S-Bahn macht das nichts, im Büro fällt es eventuell nicht auf, im Supermarkt auch nicht, es sei denn, man ist die Kassiererin.

Das habe ich gestern im Discounter gesehen, die Dame hatte etwa zehn Sekunden weißes Rauschen, mitten während des Kassierens. Und obwohl ihr alle Leute in der gar nicht so kurzen Schlange sofort versicherten, dass das völlig okay sei, dass wirklich jeder bei diesem Wetter, dass sie auch alle selbst und sogar gerade eben erst, dass man das also verstehen müsse, meine Güte, das Wetter eben, dass sie sich da ganz bestimmt keine Sorgen machen müsse, blieb die Kassiererin zutiefst verunsichert zurück und sagte nur immer wieder und zu jedem: “Aber ich mache hier doch das mit dem Geld.” Und die anderen Kunden waren dann vermutlich genau wie ich ein wenig froh, dass wir geist- und gedankenlos einfach in den Einkaufswagen starren konnten, ohne dabei dauernd Geld zählen zu müssen. Das sind so die Folgen der Hitze im Alltag.

Siehe dazu auch die neue Freizeitbeschäftigung dieses Hamburger Bloggerkollegens. Man ist mit so etwas neuerdings schnell ausgelastet.

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Ich war am Nachmittag im Garten und stand irgendwann, siehe oben, längere Zeit reglos vor einem Sack Rindenmulch, wobei wir uns bezüglich der Hirnkapazität nicht groß unterschieden, der Sack und ich. Das nehme ich jedenfalls an, denn ich hatte kurz vorher eine Weile in der Sonne gestanden, der Sack aber im Schatten, da nähert man sich eben an. Als mein Hirn wieder sachte Aktivität zeigte, fiel mir auf, dass Mulch in der englischen und auch in der französischen Sprache gleichfalls Mulch heißt, was mir aber auch nur auffallen konnte, da der Sack im Gegensatz zu mir mehrsprachig war. Le mulch, the mulch, der Mulch. Sprechen Sie das mal ganz schnell aus, mehrmals nacheinander. Das ist sehr europäisch und besser als gar kein Spaß.

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Wenn sich übrigens noch jemand für so dermaßen abgedrehte Randthemen wie etwa englische Kleingartenblogs interessiert, denn man ist ja nie der Einzige mit irgendwas – in diesem Blog hier werden regelmäßig andere Blogs aus UK verlinkt, die kann man da gut abgrasen.

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Zumba. Das möchte man ja auch nicht.

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Und nun noch sommerliche und südliche Musik von dem Herrn mit den nordischen Namen. Auf Spanisch heißt Mulch übrigens nicht el mulcho, sondern mantillo. Spanien ist raus. 

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Sie können hier für einen weiteren mehrsprachigen und weltgewandten Sack Mulch Geld in den nur virtuellen vorhandenen Hut werfen,

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Das bleibt jetzt so

Wie nett: Straßenbilder, die bei Regen sichtbar werden. Die gehen in Hamburg jetzt natürlich nicht mehr, die würde ja nie jemand zu sehen bekommen. Schade.

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Nicht nett: Ein Kommentar zu den Fahrverboten in Hamburg. Das kann man drehen und wenden, wie man nur will, der große Schritt bleibt aus. 

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Supernett: Das haben zwar schon alle geteilt, es ist aber auch tatsächlich schön – dieses Interview mit Judith Holofernes.

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Was aus dem Garten auch besser schmeckt als aus dem Laden: Koriander. Würziger, intensiver. Schwer zu beschreiben. Einfach mehr Kawumm.

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Was ich nicht wusste: Wie wunderschön Erbsen blühen und wie überaus niedlich sie sich mit hundert winzigen Fingerchen am Rankgerüst festhalten. Erbsen mache ich nächstes Jahr wieder, Erbsen sind großartig.

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Und nun wieder zu den Gedichten. Am letzten Maitag noch schnell einen Karl Krolow, und zwar “Neues Wesen”. Da muss man sich den Mai noch einmal zurück auf Anfang denken:

Blau kommt auf

wie Mörikes leiser Harfenton.

Immer wieder

wird das so sein.

Kann man sich schon gar nicht mehr vorstellen, aus der Gluthölle des Hitzemais heraus betrachtet, dass man auf dieses Blau einmal gehofft hat, was?

Die Leute streichen

ihre Häuser an.

Auf die verschiedenen Wände

scheint Sonne.

Jeder erwartet das.

Und was soll ich sagen, wir haben tatsächlich ein Haus angestrichen. Krass, wie Lyrik manchmal hinkommt. Aber dann wird der Krolow sarkastisch:

Frühling, ja du bist’s!

Man kann das nachlesen.

Die grüne Hecke ist ein Zitat

eines unbekannten Dichters.

Die Leute streichen auch

ihre Familien an, die Autos,

die Boote.

Ihr neues Wesen

gefällt allgemein.

Haben Sie es gemerkt? Die frisch angestrichenen Boote, die kamen hier neulich auch vor, es ist nur ein paar Tage her, ein Gedicht als Volltreffer. Aber die Erwartungshaltung dahinter, die hier mit dem Mai verbunden ist, die löst ein Hitzemai natürlich nicht mehr ein. Denn was kann danach noch kommen, wenn die neuen Wesen schon nach kurzer Zeit verdorrt und verstaubt sind? Hochsommer durchgehend bis September? Sind wir hier in Andalusien oder was? Der Mai nach neuer Mode ruiniert unsere Erwartungshaltung, unsere Hoffnungen und vielleicht auch unsere neuen Anstriche, man weiß nicht recht, was einem gefallen soll. Unsere Erwartungen bezogen sich nicht auf Hitze.

Und übrigens, es hat wieder nicht geregnet. Die Luft flimmert über der Wüsten- und Hansestadt Hamburg. Immer mehr Menschen murmeln entschuldigend Offenbarungseide bezüglich ihrer Hirnkapazität, man kann nicht mehr klar denken, die Hitze, die Luft, die Schwüle. Man fühlt sich dumm und durstig, man achtet auch schon gar nicht mehr auf grüne Hecken. Man kann im Grunde nur noch Baströckchen tragen, aber dieses dauernde Geraschel macht einen wahnsinnig. Und der Wetterbericht sagt, das bleibt jetzt so.

Aber wir wollen mal nicht überrascht tun.

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Und damit ist der Mai vorbei – und wie bereiten wir uns nun auf den Juni vor? Mit Musik. Denn Im Juni, da ist das mit dem Mond, das weiß man. Ein Glas auf Rio, das muss schon sein. Prost.

 

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Ich werde hier natürlich niemals Spenderinnen benennen, also außer der bekannten Bloggerin in Berlin, mit der das so abgesprochen ist. Aber doch kurz an die Dame gerichtet, die ganz ausdrücklich für zwei Portionen Freibadpommes gespendet hat: Liebe B., geht klar, das setzen wir genauso um. Und weil anderweitig übrigens die Frage aufkam, ob solche Trinkgelder wie hier auch versteuert werden müssen: Aber hallo.

Falls Sie also nicht nur mir, sondern auch dem Staat etwas Gutes tun wollen, Sie können hier Geld in den nur virtuellen vcorhandenen Hut werfen, ich gebe dann einen Teil davon ab für Brückenbau und Kindergärten. Toll!

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Trinkgeld Mai 2018, Ergebnisbericht

Früher, als es noch Flattr gab, da haben wir ja vom erbloggten Trinkgeld immer Familienausflüge gemacht und dann darüber geschrieben. Jetzt kaufe ich davon Gartenzubehör und Pflanzen, wie angekündigt. Die müssen natürlich zu Geschichten erst heranwachsen, das dauert also etwas. Damit es aber wie gehabt schön transparent bleibt, hier die Einkaufsliste aus dem Mai, die Sie freundlicherweise finanziert haben, wofür ich ebenso herzlich wie überrascht danke:

Zwei Zwergkirschbäume (Regina und Kordia), ein Zwergapfelbaum (Braeburn), eine kleine Reineclaude, zwölf Lavendel, vier Echinacea, zwei Rittersporn, ein Hainsalbei, eine Hochstammjohannisbeere (rot), ein vorgezogener Rettungshokkaido, da den meinen die Schnecken komplett vertilgt haben, fünf Margeriten in dezentem Rosa, ein Kilo Rasensamen, zwanzig Säcke Kompost von der Stadt, sechs vorgezogene Kohlrabi (blau), sechs vorgezogene Erdbeerpflanzen, eine vorgezogene Aubergine, eine rote Schafgarbe sowie eine Staude, bei der ich mich gerade nicht erinnern kann, was es war. Aber ich weiß, wo sie steht, vielleicht macht sie ja bald Blüten, dann fällt es mir wieder ein. Außerdem diverse Packungen mit Wildblumenmischungen.

Ist das toll? Das ist sowas von toll, die Visitenkarten mit “Trinkgeldblogger” sind fast schon bestellt.

Der Rettungshokkaido wurde übrigens explizit von der Spende einer bekannten und vorbildlichen Berliner Bloggerin erworben, es ist jetzt also ein Cammarata-Kürbis. Wenn alles klappt, werde ich einen Ernte-Anteil zu gegebener Zeit persönlich überreichen, man muss sich seine Gründe für Berlinreisen eben vorausschauend basteln. Aber das dauert ja noch etwas. Noch hat er nur drei Blätter und ein massives Schneckenproblem, von Kürbissen keine Spur. Später! Siehe auch Matthäus 7:16.

(Routiniert greift die Leserschaft an dieser Stelle zur Familienbibel, die aus Bildungsgründen selbstverständlich stets in Reichweite liegt, schlägt nach, liest und nickt.)

Noch einmal, vielen Dank für die Trinkgelder. Ich bin geradezu enthusiasmiert, das war für mich ein sehr belebender und erfrischender Monat, trotz der bleiernen Hitze in unserer Wüstenstadt.

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Was aber wird im Juni auf der Garteneinkaufsliste stehen? Einfach hier Trinkgeld in den Hut werfen und es in vier Wochen herausfinden, denn Ende Juni, das ist ja quasi gleich.

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